Die Fähigkeit zur Konstanz ist auch eine Qualität im Fußball

Für Thomas Tuchel entwickelt sich sein Engagement beim FC Bayern zur Achterbahnfahrt | Foto: wikipedia / Sandro Halank / CC BY-SA 4.0

Thomas Tuchel verliebt sich nach einer 3:0-Pleite gegen Man City in seine Mannschaft und kurz darauf gibt es eine Auseinandersetzung in der Kabine zwischen Mané und Sané. Das ist vermutlich der beste FC Hollywood aller Zeiten. Dazu spekulieren Thommy Junga und Peter Hesse über den Status Quo von Borussia Dortmund, Schalke 04 und dem VfL Bochum. Wie immer eingerahmt in Formschwankungen, Missverständnisse, Schmähgesänge und fliegende Becher.

Peter Hesse: Vier Spiele ist Thomas Tuchel nun Trainer des FC Bayern. Doch eine wirklich positive Entwicklung gegenüber der Nagelsmannn-Zeit ist nicht zu erkennen. Stattdessen flogen die Bayern gegen den SC Freiburg im DFB-Pokal raus und es folgte eine Klatsche gegen Manchester City in der Champions League. Selbst die Tabellenführung mit zwei Punkten Vorsprung bleibt ein fragiles Polster. Was ist los an der Säbener Straße?

Thommy Junga: Manchester City war ein echter Gradmesser für die Bayern. In solchen Spielen werden alle Problemzonen gnadenlos offengelegt. Das sind dann keine Ausrutscher, sondern der Nachweis der Gewichtsklasse. Das 0:3 in München zu drehen wäre ein wiederum ebenso deutlicher Nachweis der Leistungsfähigkeit dieser Mannschaft – allein mir fehlt der Glaube. Auch Tuchel gelingt es derzeit noch nicht die Übergänge zwischen den Mannschaftsteilen fließender zu gestalten, es mangelt diesem Kader an kreativer Qualität, an der Fähigkeit zur zumindest phasenweisen Dominanz, die dann auch deine Defensive entlastet. Die Abwehrreihe des FC Bayern ist nun wirklich nicht schlechter besetzt als zuletzt, aber den Jungs fliegen da hinten ungewohnt viele Bälle um die Ohren und die Innenverteidigung wird ständig in Laufduelle gezwungen, weil du hoch stehst, es aber nicht spielerisch umsetzen kannst. In diesem Bayernkader stecken einfach einige personelle Missverständnisse.

Die Karriere von Marco Reus war ein Wechselspiel zwischen Licht und Schatten | Foto: wikipedia / Steffen Prößdorf / CC BY-SA 4.0

Peter Hesse: Marco Reus verliert immer mehr an Wirkung für den Bundesligaklub Borussia Dortmund. Dennoch soll sein Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert werden – wenn auch zu viel schlechteren Bezügen. Am Ende seiner Zeit als Spieler stehen nur zwei DFB-Pokal-Siege, das ist vermutlich zu wenig für einen Spieler, der drei Jahre für Borussia Mönchengladbach und mittlerweile im zwölften Jahr in Diensten des BVB ist. Lag es nur am Verletzungspech?

Thommy Junga: Ich gebe Dir grundsätzlich recht, mit diesen Fähigkeiten wäre sicherlich mehr drin gewesen. Allerdings verkörpert Reus mit seiner individuellen Karriere auch ein wenig die jüngere Vereinsgeschichte der letzten Jahre, die ebenfalls konsequent inkonsequent wirkt. Bei Marco Reus hab ich mich immer gefragt, ob er in einem anderen Sport auf ähnlichem Niveau hätte agieren können, sein Körper scheint irgendwie dann doch nicht für den Profisport gemacht zu sein. Das gibt es ja immer mal wieder, dass Talent und Physis nicht in der gleichen Liga unterwegs sind. Man darf aber den Wert für das mannschaftliche Gefüge von Spielern wie Reus oder auch Hummels keinesfalls unterschätzen. Eine Saison auf den Schultern von 19jährigen Talenten und und zugekauften Legionären bestreiten zu wollen wäre fahrlässig und führt zwangsläufig zu großen Formschwankungen, siehe Leverkusen oder Wolfsburg.

Beim VfL Bochum ist die Stimmung gerade ziemlich grau | Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: Bei der Niederlage gegen den VfB Stuttgart wird Bochums Manuel Riemann von Fans beleidigt. Der Torwart gerät daraufhin Kopf an Kopf mit dem Anhang. Der VfL-Trainer Letsch positionierte sich gegen Gewalt und sagte: „Manchmal fahren wir mit dem Bus irgendwohin und ich sehe dann Väter, die ihre Kinder dabei haben und die uns den Mittelfinger zeigen. Da frage ich mich: Wo sind wir eigentlich?“ Hat sich die Gewaltspirale zu weit gedreht – und wie bekommt man diese Art von Hass wieder zurückgespult?

Thommy Junga: Ich bin auch schon mal mit dem Bus irgendwohin gefahren und habe mich dann gefragt, wo wir eigentlich sind. Das haben wir also gemeinsam. Nicht so ganz kann ich den Eindruck teilen, dass das alles in der letzten Zeit so viel schlimmer geworden ist. Die Beleidigungen und der Hass sind heute vielleicht präsenter. Das Asoziale an den sozialen Medien ist nicht zu übersehen. Im oder am Stadion selbst ist es doch eigentlich kaum mehr geworden, selbst wenn man die markanten Ausreißer wie zum Beispiel die Stadionjagd auf Schalke mit einbezieht. Ich gehe jetzt über 30 Jahre in Fußballstadien und finde nicht, dass es sich großartig verändert hat. Geschmacksverirrte Banner, Schmähgesänge unter der Gürtellinie und fliegende Becher hat es doch eigentlich immer gegeben. Bernd Schuster ist jahrelang nur mit Bodyguard zum Training gekommen, und der blonde Engel galt jetzt nicht unbedingt als sensibel.

Peter Hesse: Schalkes Trainer Thomas Reis war nach der Niederlage bei der TSG Hoffenheim mächtig sauer – und kritisierte seine Spieler mit deutlichen Worten: „Wenn man vom Abstiegskampf redet“, so sagte der Schalke Trainer, „habe ich nur eine Mannschaft gesehen, die alles dafür investiert hat, und das war Hoffenheim. Die erste Halbzeit war eines Abstiegskampfes nicht würdig.“ Momentan spielen zu viele Schalker Spieler, mit Ausnahme von Torhüter Fährmann, unter Niveau. Wie kann man das ändern?

Thommy Junga: Die Fähigkeit zur Konstanz ist auch eine Qualität. Genau wie die Fähigkeit mit permanentem Druck umzugehen. Das ist dann Leistungsfähigkeit auf höchstem Niveau. Und genau wie es manchen im Schalker Kader an fußballerischen Fähigkeiten mangelt, mangelt es eben auch dem einen oder anderen an vollendeter Ausprägungen dieser wichtigen Eigenschaften. Objektiv ist S04 ein ehemaliger Zweitligist, der verzweifeltet Woche für Woche um jeden einzelnen Punkt kämpfen muss – und das seit Spieltag eins. Da heißt es die Defizite über Einsatz und Entschlossenheit kompensieren. Das kann einfach nicht immer funktionieren und dann schlagen die Mängel voll durch, das sieht dann passiv bis blöd aus. Thomas Reis macht das einzig Richtige und weckt die Seinen über die Medien auf, denn grundsätzlich verfügt er über eine Mannschaft mit fraglos guter Mentalität.

Fenerbahçe Istanbul war die vorletzte Station von Mesut Özil vor seinem Rücktritt als Profi | Foto: wikipedia / beIN SPORTS Türkiye / CC BY 3.0

Peter Hesse: Mesut Özil und Recep Erdogan sind freundschaftlich verbunden. Laut eines türkischen Medienberichtes soll der Ex-Nationalspieler nun sogar für die Partei des türkischen Präsidenten kandidieren. Doch das scheint eine Fehlinformation zu sein. Mit welchem Job würdest du den 92-fachen Nationalspieler ausstaffieren?

Thommy Junga: Özil war stets ein großartiger Vorbereiter. Ich könnte ihn mir deshalb sehr gut als Vorkoster bei Herrn Erdogan vorstellen. Hier ein Träubchen, da ein ein Baklava. Das ist absolute Vertrauenssache und vor allem keine Frage der Tagesform. Das käme Özil wohl entgegen. Zur Not aber auch was mit Pudeln im Staatszirkus.

 

 

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