Die fiesen Tricks der Linken

Zweiter Senat des Bundesverfassungsgerichts – Foto: bundesverfassungsgericht.de

Als Preis für ihr Ja zur Wahl des CDU-Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht verlangt die Linkspartei ein eigenes Vorschlagsrecht – und ihre Erhebung zur Partei der Mitte. Richtig, dass die Union Gespräche mit ihr ablehnt. Weniger konsequent ist sie bei einer Kandidatin der SPD.

Die Karlsruher Richter sind Hüter der Verfassung. Deshalb haben dort Abgesandte von Parteien, die die grundgesetzliche Ordnung infrage stellen oder extreme Positionen vertreten, nichts zu suchen. Sie dürfen auch kein Einfluss auf ihre Wahl bekommen. Weder die AfD noch die Linke, die in der Nachfolge der SED steht und seit ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl unverblümt eine sozialistische Ordnung anstrebt. Für Verhandlungen mit ihr über die drei vom Bundestag an diesem Freitag zu besetzenden Richterposten gibt es schon deswegen keinen Spielraum.

Der Linken geht es nicht nur darum, künftig ebenfalls Kandidaten für das Bundverfassungsgericht vorschlagen zu dürfen, was bisher Union, SPD, Grünen und der FDP vorbehalten ist, um dort Einfluss auf die Auslegung oder Aufhebung von Gesetzen zu nehmen. Sie möchte offiziell als demokratische Partei genauso wie die der Mitte geadelt werden – in Abgrenzung von der AfD. Obwohl auch sie eine in erheblichen Teilen extremistische Partei ist, die bis vor nicht langer Zeit gleichfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wurde.

Ihre frühere Vorsitzende Janine Wissler hat Ende Juni an einer Demonstration für das von Israel angegriffene iranische Mullah-Regime teilgenommen, das Menschen- und demokratische Rechte mit Füßen tritt und die Welt bedroht. Politiker und Mitglieder der Linken beteiligen sich regelmäßig an israelfeindlichen Kundgebungen. Und waren selbstredend bei den Demos „gegen rechts“ dabei, die sich auch gegen die Union richteten – von der sie nun Gesprächen auf Augenhöhe fordert.

Die Linke will eine andere Gesellschaft

Sicherlich ist die Linke nicht mit der AfD gleichzusetzen. Sie hat sich seit der Umgründung der SED in die PDS und der Fusion mit Gewerkschaftslinken aus dem Westen mehrfach gehäutet und in mehreren Bundesländern mitregiert, in Thüringen sogar den Ministerpräsidenten gestellt. In Mecklenburg-Vorpommern und Bremen regiert sie weiter mit. Das ändert aber nichts daran, dass ihr Ziel nach wie vor eine sozialistische Gesellschaftsordnung ist. Und insbesondere ihr neuer Star, die Co-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek wie viele Mitglieder ein gebrochenes Verhältnis zur freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes hat.

Für die Union gilt unverändert der Beschluss, dass sie weder mit der AfD noch der Linken zusammenarbeitet, auch wenn SPD und Grüne das längst anders handhaben. Für sie steht die Linke diesseits der Brandmauer. Für die Union nicht. Daher weigert sie sich aus gutem Grund, mit der Linken zu reden, um sich ihre Stimmen für die notwendige Zweidrittelmehrheit für ihren Kandidaten zu sichern. Und nimmt in Kauf, dass er ggfs. mit Stimmen der AfD gewählt wird.

Der Aufschrei auf der Linken wäre wieder groß, wie Ende Januar, als die Union die Zustimmung der rechtsextremen Partei zu einem schärferen Migrationsrecht hinnahm. Die Linke hat es in der Hand, das zu verhindern, indem sie den von der CDU nominierten Richter ohne Bedingungen mitwählt. Und so beweist, dass sie bereit ist, Verantwortung für den Rechtsstaat zu übernehmen.

Die CDU umgarnen, um sie zu attackieren

Das interessiert die Linke jedoch nicht. Ihr Ziel ist, die Brandmauer der Union nach links abzuräumen, indem sie sie erpresst. Um sie dann umso schärfer attackieren zu können – als Teil der linken Mitte. Im Hufeisen mit der AfD, die die CDU von rechtsaußen angreift.

Möglicherweise kommt es auf die Stimmen von AfD- oder Linken-Abgeordneten aber gar nicht an. Denn erforderlich ist nur eine Zweidrittelmehrheit der Anwesenden. Bringen Union, SPD und Grüne alle ihre Parlamentarier auf, könnte es auch so klappen. Falls nicht, hat noch der alte Bundestag genau für diesen Fall, dass die Stimmen von Verfassungsfeinden und Extremisten notwendig wären, mit einer Grundgesetzänderung vorgesorgt: Falls ein Richterposten nicht besetzt werden kann, wandert das Vorschlagsrecht vom Bundestag zum Bundesrat (oder umgekehrt).

In der Länderkammer könnte die Linke zwar ebenfalls versuchen, über ihre Regierungsbeteiligungen Einfluss zu nehmen. Auf sie käme es da aber nicht an.

Der eigentliche Test kommt noch

Die Wahl der Verfassungsrichter ist allerdings nur ein Vorspiel. Wenn es später um Verfassungsänderungen gehen wird, zum Beispiel für die von Schwarz-Rot und den Grünen angestrebte Reform der Schuldenbremse, wird sie versuchen, ihre ganze gewachsene Macht im Bundestag auszuspielen, da sie nur mit ihren Stimmen möglich sein werden, weil Union, SPD und Grüne zurecht ausgeschlossen haben, sich von der AfD abhängig zu machen.

Die Union wird hoffentlich auch dann den Schalmeienklängen der Reichinnek-Truppe nicht erliegen. Sondern gemeinsam mit SPD und Grünen andere Wege finden.

Starke Bedenken gegen die SPD-Kandidatin

Unverständlich ist hingegen, weshalb die Union die von der SPD nominierte Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf akzeptiert hat, obwohl sie zum Teil hoch umstrittene Positionen vertritt in Fragen, mit denen sich Karlsruhe womöglich wird befassen müssen, etwa der Menschenwürde von Ungeborenen oder einem AfD-Verbot. Die Verfassungsrichter müssen keine unpolitischen Menschen sein. Aber sie sollten sich nicht vor ihrer Wahl exponiert haben mit Auffassungen, die sie angreifbar machen und Befangenheitsanträge provozieren, wenn sie über solche Themen höchstes Recht sprechen müssen.

In der Vergangenheit sind schon etliche Kandidaten, auch der CDU, aus diesem Grund im Vorfeld aussortiert worden oder gescheitert. Aus Koalitionsräson nimmt die CDU den SPD-Vorschlag hin und ruft zur Wahl von Brosius-Gersdorf auf, obwohl es in ihren Reihen verständlicherweise große Bedenken gegen sie gibt. Immerhin hat sie verhindert, dass sie später Präsidentin des Gerichts werden soll. Stattdessen hätte sie sie verhindern müssen, nachdem sie dem Juniorpartner schon in den Koalitionsverhandlungen in zu vielen Punkten nachgegeben hat.

Die Republik darf nicht weiter nach links rücken. Genauso wenig nach rechts. Sie ist eine von Maß und Mitte.

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paule t.
paule t.
4 Monate zuvor

Kurz:

Die Union muss sich wieder einmal entscheiden, ob sie lieber mit einer rechtsextremistischen Partei, mit der sie viele inhaltliche Überschneidungen hat (was einen ja auch mal zum Nachdenken bringen könnte) zusammenarbeiten will, oder innerhalb des demokratischen Lagers zu Kompromissen bereit ist. Leider haben die Konservativen da keine gute Tradition vorzuweisen.

Länger:

1. Seit wann handelt es sich um „fiese Tricks“, wenn eine Partei im parlamentarischen Betrieb auch eine Gegenleistung bekommen will, wenn andere etwas von ihr wollen? Die anderen demokratischen Parteien brauchen die Stimmen der Linken zur Richterwahl. Da ist es nur logisch, dass die Linke eine Gegenleistung will.

1a. Ja, in einer Fantasiesituation, in der wundersamerweise alle Abgeordneten von Union, SPD und Grünen zur Stelle sind, aber eine hinreichende Zahl von Abgeordneten der Opposition nicht, klappt es auch ohne sie. Aber warum sollte so eine Situation eintreten – außer wenn eine Oppositions-Partei das absichtlich herbeiführt, was sie wiederum nur tun würde, wenn sie sich etwas davon verspricht?

2. Statt das als den völlig normalen, parlamentarischen Vorgang zu erkennen, der es ist, meint der Autor vielmehr, die Linke solle den Unions-Kandidaten ohne Bedingungen mitwählen und so „Verantwortung für den Rechtsstaat […] übernehmen“, damit der Unions-Kandidat nicht in Abhängigkeit von der AfD gewählt wird. Damit nimmt er als als legitimen Vorgang hin, dass die Union die AfD als Erpressungspotenzial benutzt, um ihren Willen gegenüber anderen demokratischen Parteien durchzusetzen. Das Motto ist dann: „Wenn ihr nicht alles macht, was wir wollen – wir können immer noch mit den Faschisten“, wie sie es mit den Beschlüssen zur Migrationspolitik vorgemacht hat.

3. Diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Faschisten ist der eigentliche Skandal. Dass Antifaschisten dagegen demonstrieren, wie Anfang des Jahres geschehen, ist völlig normal und nicht etwa ein Grund, die Zusammenarbeit mit der Linken zu verweigern, wie es der Autor darstellt. Wer nicht will, dass Antifaschisten gegen ihn demonstrieren, sollte nicht ohne Not mit Faschisten zusammenarbeiten. So einfach ist das.

4. Wesentlich für diese ganze Debatte ist natürlich die Bewertung der Linkspartei: Ist sie eine, wenn auch für die Union natürlich unbequeme und inhaltlich ganz andere Positionen vertretende, demokratische Partei? Oder ist sie eine – aus anderen Gründen, aber ähnlich deutlich – verfassungsfeindliche Partei wie die AfD?
Der Autor schreibt dazu: „Sicherlich ist die Linke nicht mit der AfD gleichzusetzen. Sie hat sich seit der Umgründung der SED in die PDS und der Fusion mit Gewerkschaftslinken aus dem Westen mehrfach gehäutet“ – und hat damit völlig Recht. Nur um im Rest des Textes so zu argumentieren, als wäre das Gegenteil der Fall.
Ja, man kann die Linke aus vielen Gründen kritisieren. Gerade die Positionen vieler Mitglieder zu Israel sind schwer erträglich. Dennoch gehört die Linke zum demokratischen Spektrum. Und jetzt muss die Union eben entscheiden, ob sie ihre Mehrheiten innerhalb des demokratischen Spektrums suchen will und dafür auch unbequeme Kompromisse eingehen muss – oder eben außerhalb.

4a. Keine Rolle für diese Einstufung kann jedenfalls spielen, „dass ihr Ziel nach wie vor eine sozialistische Gesellschaftsordnung ist“. Eine andere Wirtschaftsordnung als die herrschende kapitalistische anzustreben, ist weder logisch mit einem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar, noch widerspricht es dem Grundgesetz. Wenn man das, wie manche konservative Politiker und auch der Autor, anders darstellt, zeigt man vor allem, dass einem Kapitalfreundlichkeit noch allemal wichtiger ist als Demokratie. Auch das hat im deutschen Konservatismus eine ungute Tradition.

paule t.
paule t.
4 Monate zuvor

0. Dass ich meine Bewertung der Linkspartei nicht begründen würde, ist eine ungewöhnliche Feststellung angesichts dessen, dass ich meine Gründe teilweise von Ihnen übernommen habe und Sie auf meine Grüne eingehen.

1. Zitat: „Dass die Linkspartei in Gänze zum demokratischen Lager gehört, stelle ich infrage […]“
Mit dem „in Gänze“, das bedeuten würde, dass auch die letzte Untergliederung zweifelsfrei demokratisch sein muss, verschieben Sie auf einmal massiv die Torpfosten der Diskussion. Und sogar das wäre noch zu belegen, was Sie, sorry, nicht gemacht haben. Denn:

2. Zitat: „Ich habe dafür ja bewusst Beispiele angeführt.“
Dass „Heidi Reichinnek wie viele Mitglieder ein gebrochenes Verhältnis zur freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes“ habe, haben Sie nur behauptet, dafür aber eben keine Beispiele angeführt. Das Ziel einer „sozialistischen Gesellschaftsordnung“ ist jedenfalls als solches nicht verfassungswidrig, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht gefällt. Allerdings weiten Sie das gerade beleglos massiv aus:

3.Zitat: „Aber nicht für eine Gesellschafts- und Staatsordnung, die Bürger wie in der DDR entrechtet und das (sozialpflichtige) Privateigentum infrage stellt.“
Das hätte ich jetzt nämlich gerne mal irgendwie belegt, dass wesentliche Teile der Linken so etwas – mit „wie in der DDR“ – wollten. Das ist etwas ganz anderes als das allgemeine „eine sozialistische Gesellschaftsordnung“. Ohne echte Belege, dass relevante Linke explizit oder inhaltlich Verhältnisse wie in der DDR wollten, halte ich das für reine Verleumdung, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Linke sich immer wieder von der DDR distanziert.

4. Zitat: “ […] ist die Linke eine postkommunistische Partei, die in der Tradition der diktatorischen SED steht.“
Das stimmt natürlich, aber von der Diktatur hat sie sich immer wieder und m.E. auch glaubwürdig durch ihre Politik der letzten Jahrzehnte distanziert. (Oder wollen Sie den Linke-Politiker:innen, die in den letzten Jahrzehnten in Ländern und Städten Verantwortung getragen haben, ernsthaft noch diktatorische Tendenzen vorwerfen? Wenn ja: Belege!) Ursprünglich haben Sie auch anerkannt, dass die Linke sich „mehrfach gehäutet“ habe. Was denn nun?
Und was die Tradition der DDR-Diktatur angeht, sollten CDU und FDP mal lieber ganz kleine Brötchen backen. Ich habe nie verstanden, warum diese Parteien nicht schallend ausgelacht werden, wenn sie das der Linken vorwerfen, nachdem sie sich selbst auch jeweils 2 Blockparteien der DDR-Diktatur einverleibt haben (Ost-CDU und Bauernpartei bzw. LDPD und NDPD).

5. Zitat: „Ich halte es für absurd, der Union einerseits vorzuwerfen, sie paktiere mit „Faschisten“ und stimme sogar in Teilen mit denen überein, aber gleichzeitig von der Union als nicht-extremistische Partei anerkannt zu werden […].“
Das ist nur dann absurd, wenn man die Abgrenzung von antidemokratischen Kräften für ein unernstes Tit-for-Tat-Spiel hält, nach dem Motte: „Wenn ihr uns Zusammenarbeit mit Faschisten vorwerft, dann erkennen wir euch auch nicht als demokratisch an, ätsch!“
Es geht aber nicht um ein solches unernstes „Wie du mir, so ich dir“, sondern darum, dass tatsächlich und ganz ernsthaft alle Demokraten daran zusammenarbeiten sollten, die Antidemokraten von jeglichem Einfluss fernzuhalten. Zu letzteren zählt eindeutig die AfD – aber die CDU hält es anscheinend für wichtiger, die AfD als Drohpotential und im Bedarfsfall auch als tatsächlichen Kooperationspartner zu benutzen, wenn sie meint, dadurch taktische Vorteile gegenüber anderen demokratischen Parteien bekommen zu können.

6. Zitat: „Nein, wir leben nicht im wilden Kapitalismus, sondern in einer sozialen Marktwirtschaft.“
Von „wildem“ Kapitalismus habe ich auch nicht gesprochen. Aber auch, wenn das in unserer Wirtschaftsordnung erfreulicherweise durch soziale Absicherungen, Arbeitnehmerrecht usw. abgemildert ist, bestimmen in der Wirtschaft letztlich doch die Kapitalbesitzer. Deswegen: Ja, man kann es genauer als „soziale Marktwirttschaft“ charakterisieren und so von den von ihnen genannten Beispielen abgrenzen – es bleicht dennoch Kapitalismus. Wenn auch kein „wilder“, zum Glück.

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