Die GWUP nach Wahl eines neuen Vorsitzenden: kommt man noch auf einen grünen Rosenzweig?

Dr. Holm Gero Hümmler nach dem erfolgreichen GWUP-Putsch von Frankfurt inmitten seiner Mitverschwörer (Symbolbild. Quelle: Midjourney/ Bartoschek)

Vorab: ich bin Mitglied des Vereins über den ich hier schreibe. Ich bin über ein Jahrzehnt Mitglied. Und ich mag diesen Verein irgendwie immer noch, auch wenn ich in den letzten Jahren nicht so aktiv war. Jetzt geht es bei den Skeptikern wieder ab. Und ich erzähle euch, wieso. Es geht um Inhalte, und um Menschen, und die Unfähigkeit, demokratische Prozesse zu akzeptieren.

Die Skeptiker in Deutschland sind mit mehr als 2200 Mitgliedern in der Gesellschaft zur Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) organisiert. Der Name des Vereins ist unhandlich, aber die Bereitschaft daran etwas zu ändern, war letztlich nie gegeben. Böse Zungen behaupten, dass Veränderungen generell nicht die Stärke der GWUP sind. Andere sprechen von der großen Kraft der Kontinuität, die sich nicht jedem Zeitgeist beugt.

Die GWUP kümmert sich um Parawissenschaften. Darunter fällt wissenschaftlich eindeutiger Blödsinn wie Homöopathie (sie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus. Nein, wirklich nicht.) oder Strahlenschutzaufkleber auf Handys. Sie geht aus wissenschaftlicher Perspektive an Verschwörungstheorien und Parapsychologie heran. Und an weitere Para- und Pseudowissenschaften halt. In den letzten Jahren entdeckte die GWUP die Themen der Kernkraft und der Wokeness für sich, wobei man mehrheitlich für erstere und mitunter gegen zweite eintrat.

Das gefiel nicht allen Mitgliedern, und auch vielen Menschen im Umfeld der GWUP nicht. Nun habe ich zu beiden Themenkomplexen meine private, journalistische und politischen Meinungen. Ich bin Befürworter der Kernkraft, und bin zumindest nicht unbedingt ein Wokie, auch wenn ich da mitunter spannende und betrachtenswerte Aspekte sehe. Insgesamt finde ich, dass wir gerade über letzteres miteinander diskutieren müssen.

Man kann sich gleichwohl fragen, ob die GWUP dafür der richtige Ort ist. Ich sehe das wie folgt.

1. diese Themen haben eine wissenschaftliche Seite: was ist von den Studien in dem Bereich zu halten? Welche genügen wissenschaftlichen Kriterien, und welche nicht? Und bei den „sauberen“ Studien: was sagen diese eigentlich aus?

2. Diese Themen haben eine politische Seite, die meist stärker rezipiert wird: wie sollte man gesellschaftlich und gesetzgeberisch auf die Erkenntnis von 1. reagieren? Welche weiteren politischen Kontextfaktoren gilt es zu berücksichtigen? Wie sind die Interessen streitender Gruppen auszugleichen, gibt es Gruppen, die man ignorieren sollte?

3. Wo ist die Trennlinie zwischen 1. und 2.: wo werden politische Forderungen als wissenschaftliche Ergebnisse verkauft?

Die GWUP spielt für mich in den Bereichen 1. und 3. – da gilt es, klare Kante zu zeigen, und ggf. von allen Seiten Prügel einzustecken. Sollte die Studienlage klar sein, dass es 2 Geschlechter gibt, dann gilt es auf die eine Wange zu kassieren von denen die glauben, dass es eine infinite Zahl an Geschlechtern gibt, und wenn die Wissenschaft gezeigt hat, dass es eine infinite Zahl von Geschlechtern gibt, dann setzt es halt Schläge auf die andere Wange von der 2-Geschlechter-Fraktion.

Nach Meinung Vieler, und ich gehöre dazu, tummelte sich die GWUP aber zunehmend im 2. Bereich.

Dazu kam eine Art der Kommunikation, die mitunter übel aufstieß. Da war ein prominentes Mitglied des Wissenschaftsrates der GWUP, das mitunter seltsam altherrenhumorbedienende Wissenschaftsvideos veröffentlichte. Da greift natürlich, dass auch ein Wissenschaftler politische Vorstellungen haben kann, die nicht jedem gefallen. Der Autor dieser Zeilen kennt das durchaus. Wenn man aber dann in seinem Video immer wieder betont, was für ein wichtiges Tier man bei der GWUP ist, dann bezieht man den Inhalt selbstredend auch auf den Verein.

Es gab also vieles, was man intern bei der Mitgliederversammlung am letzten Samstag in Frankfurt am Main miteinander hätte besprechen können und müssen.

Dazu wurde ein neuer Vorsitzender gewählt. Als einer der Gründer der GWUP hatte Amardeo Sarma dieses Amt 36 Jahre lang inne, und beschloß für sich, dass es Zeit für einen Generationenwechsel ist. Das war für Sarma sicherlich kein leichter Schritt, und ich ziehe meinen Hut, zum einen vor seiner Leistung bei der GWUP, und zum anderen, dass er eben für sich den Zeitpunkt für den Wechsel fand. Viele wichtige Menschen an anderen Stellen schaffen das nicht.

Sarma empfahl den Mitgliedern in seiner Verabschiedungsmail einen bestimmten Kandidaten für seine Nachfolge. Ganz klar: das ist legitim. Natürlich kann man sagen, dass man jemanden für geeignet ansieht, und sich dessen Wahl wünschen würde. Wieso sollte man das auch nicht tun? Niemand geht aber natürlich davon aus, dass dieser Empfehlung auch Folge zu leisten ist. Vereine sind keine Erbmonarchien, und selbstredend wird auch Sarma davon nicht ausgegangen sein – anders als andere Mitglieder im Nachgang. Diese gingen nämlich davon aus, dass der Wunsch des scheidenden Vorsitzenden in Erfüllung gehen muss. Muss. Gewissermaßen als Naturgesetz. Genau das geschah aber nicht.

Stattdessen wurde ein anderer Vorsitzender gewählt: Holm Hümmler. 
Der ist auch seit Jahrzehnten in der GWUP aktiv, und seit vielen Jahren absoluter Aktivposten.

Nach einer teils hitzig geführten Debatte, wurde dann als Gegenkandidat zum Kandidaten Sarmas eben Hümmler nominiert. Und, was soll man sagen: er wurde doch tatsächlich gewählt. Beides war für viele überraschend.

Hümmler ist dabei politisch irgendwo im konservativ-liberal-libertären Bereich verortet, auch wenn man nun landauf landab versucht, ihn als linksgrünen Wokie, oder, wir kommen gleich darauf, als de facto rechtsradikalen Wokie zu framen. Das ist er nicht. Hümmler ist aber jemand, der medial sehr aktiv ist, und durchaus ausgleichend eben auch auf Themen schaut, die aktuell gesellschaftlich akzeptiert werden.

Mit Hümmler wurde übrigens auch sein Gegenkandidat in den neuen Vorstand gewählt. So wie der Vorstand insgesamt im Hauptsächlichen wohl gleich blieb. Drei Neue von Acht. Oder wie Gunnar Schedel beim humanistischen Pressedienst schreibt: „PUTSCH!“

Was nach der Wahl Hümmlers nämlich passierte und passiert ist, dass man sich in den Reihen der GWUP und anverwandten Strukturen daran erinnerte, was man alles von den Aluhüten gelernt hat. Es wird munter von einem Putsch geschrieben. Wieso? Weil Hümmler seine Kandidatur nicht im Vorfeld angekündigt hatte. So als wäre dies in einem demokratischen Verein vorgeschrieben, oder überhaupt auch nur wünschenswert. Wie kommt man auf dieses schmale Brett? Wie falsch muss das Verständnis von demokratischen Wahlen sein, um sowas auch nur zu denken?

 Das Nächste: da müssen Menschen konspiriert haben; sonst wäre es ja wohl kaum denkbar gewesen, dass Hümmler und nicht sein Gegenkandidat gewählt wurde. Man sieht Menschen in schwarzen Capes mit dem geheimen Hümmler-Logo durch die Winkel anonymer Discord-Bereiche schleichen, die sich unheilvoll und gemein ins Fäustchen lachen, und einen Blutschwur auf Hümmler ableisten. Genau so wird es gewesen sein. Undenkbar ist ja, dass Hümmler auf der Mitgliederversammlung schlicht überzeugt hat. Undenkbar, dass er sich eine generelle Unzufriedenheit zunutze machte.

Wenn dann „Follow the money“ schwadroniert wird, dann wird es vollends absurd. Follow the money. Der Leitspruch der zur Auflösung der Watergate-Affäre führte. Wir sind hier nun wirklich im Bereich der Verschwörungstheorien. Was mir persönlich daran dann doch gefällt: das Ganze zeigt, dass selbst Menschen, die sich dem rationalen Denken verpflichtet fühlen, eben auch Verschwörungsdenken zugängig sind. Menschen sind Menschen sind Menschen. Allerdings ist dieses Denken für GWUPies natürlich besonders peinlich.

Aber: wenn einige sich peinlich benehmen, gibt es immer irgendwen der „ich kann aber noch mehr“ schreit.
Kommen wir also zu Rainer Rosenzweig. Der ist auch schon lange bei der GWUP dabei. Früher war Rosenzweig beim Hand-on-Museum Turm der Sinne in Nürnberg Geschäftsführer und auch im Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) Bayern aktiv. Wie soll man es freundlich sagen? Rosenzweig hat da wohl Dinge getan, die pfuibah sind. Das ist hier auf 19 Seiten nachzulesen, und wenn man sich das so durchliest, und sich klar macht, dass Rosenzweig nie gegen diese Darstellungen vorging, dann entsteht kein so cooles Bild von Rosenzweig. Beim turm der sinne war da Schluss für ihn, und beim HVD flog er raus.

Dafür saß und sitzt er aber im Wissenschaftsrat der GWUP und brauchte sich beim so genannten Humanistischen Pressedienst (hpd) ein. Bei letzterem ist Rosenzweig seit 2017 Präsident des Trägervereins, der den hpd finanziert. Daran ist nichts falsch. Man sollte nur vorsichtig sein, wenn man ein Medium finanziert, und für dieses dann auch schreiben will. Bei größeren Playern wäre das so, als würde der Verleger redaktionelle Arbeit machen. Aber der hpd ist ja auch kein großer Player.

In seinem hpd veröffentlichte nun Rosenzweig einen Artikel, in dem er behauptet, dass „führende Mitglieder der GWUP“ „manipulativen Taktiken bei der Vorstandswahl“ kritisieren. Klingt natürlich krass, und beachtenswert, auch wenn man sich fragen kann, wieso die Mehrheit des alten/neuen Vorstandes sich dann hat wählen lassen. Aber nun gut.

Rosenzweig schreibt da unter anderem:

„Die Mehrheit der Mitglieder wurde vor der Versammlung nicht darauf vorbereitet, eine so folgenschwere Wahl zu treffen. Und inmitten der massiven Fehlinformationen und ungenauen Darstellungen, die verbreitet wurden, fehlte dafür auch jede Grundlage.“

Nun kann man das so sehen. Wenn man denn die Intelligenz der eigenen Mitglieder recht gering schätzt. Die Mitglieder wussten, dass ein Generationenwechsel ansteht, dass ein neuer Vorsitzender gewählt werden wird, und dass es Unzufriedenheit in der GWUP gab. Letzteres war immer und immer wieder Thema, selbst im Vereinsorgan „Der Skeptiker“.

Im Weiteren vermischt Rosenzweig dann recht wirr die ebenfalls geplante, aber dann nicht durchgeführte, Wahl zum Wissenschaftsrat der GWUP, mit der Kandidatur Hümmlers, und kloppt dann auf Lydia Benecke ein, weil die irgendwas gesagt haben soll, was doof ist. Und weil Benecke das sagte, haben dann alle Hümmler gewählt. Oder irgendwie so.

Das Interessanteste an dem Artikel ist aber, dass Rosenzweig im Artikel nicht nur Rosenzweig zitiert, sondern die Redaktion dann noch einen Hinweis unter den Artikel gesetzt hat, dass der Artikel Rosenzweigs, in dem Rosenzweig zitiert wird, auf einer Pressemitteilung basiert, die von Rosenzweig unterzeichnet ist; und einer „Gruppe von Mitgliedern des Wissenschaftsrats“.

Den Ruhrbaronen liegt die Pressemitteilung vor. Sie ist letztlich deckungsgleich mit dem Artikel. Rosenzweig hat sie als „Koordinator des GWUP-Wissenschaftsrats“ unterschrieben. Von mehr Unterzeichnern erfährt man eigentlich nix. Ausser dass für Rückfragen, neben natürlich Rosenzweig, noch Sarma und Christian Weymayr zur Verfügung stehen. Weymayr ist Mitglied des Wissenschaftsrats, Sarma nicht. Zwei Menschen sind ja auch eine Gruppe. Wieso Rosenzweig indes die Mitteilung als „Koordinator des GWUP-Wissenschaftsrats“ unterschreibt, bleibt unklar.

Man wird sehen, wohin die Reise der GWUP führt. Aber immerhin hat man sich wieder auf die Reise begeben. Nicht alle werden diese Reise mitgehen, und ich bin immer bereit, übers Deck zu tänzeln und jedem seine Fehler und falschen Kurs vorzuwerfen. Aber ich bin vor allem froh, dass man sich wieder bewegt.

Und was mit dem Wissenschaftsrat ist, darüber wird sicher auch noch zu schreiben sein. Wie netterweise beim hpd zu sehen, waren da fünf neue Mitglieder zur Wahl vorgeschlagen. Auch da schwadronierten einige bereits von einem „Linksrutsch“ und „Intrigen“ und alles Mögliche.

Dem neuen Vorsitzende Dr. Holm Hümmler kann man nur viel Kraft wünschen. 
Und Humor.

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Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
9 Monate zuvor

Wenn in Deutschland „humanistisch“ draufsteht, ist meistens Geschwurbel drin.
Einfach mal darauf achten.
Hierzulande ist Humanismus eine Art Synonym für gefühlte Aufklärung. Zumindest gilt dies für sich selbst so bezeichnenden Organisationen und ihre Mitglieder.

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[…] deutschen Skeptiker-Vereinigung GWUP. Dort tobt derzeit ein Kampf um die Ausrichtung des Vereins (Ruhrbarone berichteten); vorgeblich mit Blick auf das Thema Wokeness. Es gibt zudem auch einen Machtkampf im […]

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