Die Loveparade Mail-Löschung

Eine Tragödie ohne Schuldige?
Eine Tragödie ohne Schuldige?

Nach der Loveparade-Katastrophe 2010 wollte die Duisburger Stadtspitze um den damaligen Oberbürgermeister Adolf nicht zurücktreten. Sie wollte sich an die Spitze der Aufklärung stellen.  

Schon einen Tag nach der Loveparade-Katastrophe vom 24.Juli, die letztendlich 21 Menschenleben kostete, wurde der Ruf nach dem Rücktritt der Stadtspitze laut. Vor allem dass Oberbürgermeister Adolf Sauerland sich weigerte die Verantwortung für die Geschehnisse zu übernehmen, traf auf Unverständnis. Doch Sauerland ließ sich, nach wenigen Tagen der Unsicherheit, nicht beirren. Der WAZ sagte er damals, er klebe nicht an seinem Stuhl, sondern wolle alles tun, um die Aufklärung der Katastrophe voranzutreiben.

Als Oberhaupt der Stadtverwaltung sah sich Sauerland  berufen, selbst herauszubekommen, was die Ursache für die Toten und Verletzten war, wollte er der Chefaufklärer sein. Schon damals zweifelten nicht wenige daran, ob ihm dies gelingen würde. Unterlagen der Polizei Köln, die dem Autor  vorliegen, und die die Loveparade-Ermittlungen leitete, weil auch das Verhalten der Duisburger Polizei Teil untersucht wurde, zeigen: Sauerland und große Teile der Stadtspitze nutzten ihre Positionen um Unterlagen zu vernichten. Nach Durchsicht der E-Mail-Konten von Wolfgang Rabe, bis heute Rechts- und Ordnungsdezernent der Stadt Duisburg, kommt die Kriminalpolizei zu dem Schluss: „Es ist kaum nachvollziehbar, dass der Beigeordnete Rabe aufgrund seiner Funktion die er bei der Planung der LP (Loveparade d.Red.) hatte, keine E-Mail hinsichtlich der Loveparade beantwortet oder an seine Mitarbeiter gesteuert hat.“ Erstaunt stellten die Polizeibeamten fest, dass die im Dezember gesicherten Laufwerke von 5 Mitarbeitern der Stadt Duisburg, darunter Oberbürgermeister Sauerland, komplett leer waren: „In den Laufwerken der Personen Sauerland, D., J., B., G. und G. befanden sich keinerlei Daten.“ Bei Ordnungsdezernent Rabe fanden sich wenigsten ein paar Mails „ab dem Jahr 2003 bis 2009 ohne Bezug zur Loveparade.“ Eine Anfrage der Welt am Sonntag zu den fehlenden E-Mails wurde von Rabe nicht beantwortet.

Die Daten die sich noch auf anderen Laufwerken fanden, zeugen nicht von dem Willen aufzuklären. Da warnt Planungsdezernent Jürgen Dressler in einer Mail vom 12. Oktober 2010 an die „Kolleginnen und Kollegen meines Dezernats“ ausdrücklich vor Kontakten mit der Presse: „ Aus Anlass der vielfältigen Berichterstattung über das Unglück der Loveparade bitte ich in den nächsten 2 Wochen größte Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit und Investitions- und Bauinteressierten zu wahren. (…)Deshalb ist es mir aus Fürsorge wichtig, dass sie nicht missbräuchlich be- und hinterfragt werden.“ Dressler legte auch Wert darauf, dass in seinem Dezernat keinerlei Unrechtmässigkeiten erkannt worden seien. Längst ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Dressler, der sich zum Thema Loveparade nicht mehr äußern möchte.

Auch wenn die Festplatte von OB Sauerland leer war, eine Mail an ihn hat die Polizei noch sichergestellt. Sie stammt vom Tag der Loveparade und wurde von seinem Pressesprecher Josip Sosic geschrieben. Es ist der Entwurf der ersten Erklärung Sauerlands und schon in ihr gibt es nichts mehr zu klären: „In meinen Gedanken bin ich bei den Opfern und ihren Angehörigen“, lässt Sosic Sauerland sagen. Auch der Grund für die Katastrophe, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet war, steht da schon fest: „Massenpanik.“ Schuld? Hatte niemand: „Wir hatten im Vorfeld mit dem Veranstalter und allen beteiligten Partnern ein stichhaltiges Sicherheitskonzept ausgearbeitet. Bei Massenveranstaltungen gibt es aber offenbar immer ein nicht kalkulierbares Restrisiko.“

Vom ersten Tag an, noch als das Ausmaß der Katastrophe nicht absehbar war und auf Teilen des Geländes noch gefeiert wurde, begann die Duisburger Stadtspitze damit, die Verantwortung von sich zu schieben. Auch auf Kosten der Toten und Verletzten.

Der Artikel erschien in andere Form bereits in der Welt am Sonntag.

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

Mal abgesehen davon, dass erfahrene IT-Forensiker natürlich feststellen können, welche Daten wann von einer Pladde gelöscht wurden (oder im Falle einer gründlichen „Reinigung“ zumindest diesen Zeitpunkt) – sollte Rabe oder irgendein Verwaltungs-Admin in einem Prozess mal behaupten, dass diese leeren Pladden ein technisches Problem der Mailsoftware war, würde ich ihm bei Lotus Notes durchaus beipflichten.

Frank
11 Jahre zuvor

@Stefan: Das Verhalten der Verantwortlichen am Schreibtisch bestätigt ja alle Befürchtungen. Da fällt einem das Foto von Sauerland in der BILD wieder ein, wo er mit erhobenen Händen alle Schuld von sich weist.
Ist die Vernichtung von Beweismaterial -bzw. neutraler gesprochen: digitalen Akten- im Amt nicht auch strafbar?

trackback

[…] Die Loveparade Mail-Löschung (Ruhrbarone) […]

Guido V.
Guido V.
11 Jahre zuvor

@Klaus: Ich glaube das es sich um ein Missverständis bzgl. dem Wort „einer Platte“ handelt. Üblicherweise werden in einem Unternehmen bzw. Institution Nutzerdaten auf einen logischen Laufwerk gespeichert. Das ist keine physikalische „Platte“ sondern ein Netzlaufwerk. Welches Teil eines Server-Arrays ist physikalisch läßt sich kaum was machen (je nach Art der genutzten Technik), sondern die Backups sind hier wichtig. Diese haben jedoch ein Ablaufdatum und werden nach einem geregelten Turnus überschrieben und verschwinden im Nirvana. Wenn kein E-Mail-Verkehr mehr zu finden ist, deutet dies i.d.R. auf eine gezielte Löschung innerhalb des E-Mail-Account hin.

Mein Vorschlag: Vielleicht kann die NSA Amtshilfe leisten 😉

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
11 Jahre zuvor

V.: Danke für den Hinweis, aber das war mir bekannt. Mit einer forensischen Überprüfung meinte ich auch nicht nur einen Surface-Scan, sondern natürlich auch die Überprüfung logischer Laufwerke und deren Tabellen sowie der sendmail- und Account-Logs des Mailservers.

Mal davon ab, dass ich irgendwo auch gelesen hatte, dass die Mitglieder des Verwaltungsvorstands über *eigene*, von der sonstigen Infrastruktur unabhängige Hardware in ihren Büros verfügen (Lappis plus USB-Platte? Ich find den Artikel nicht mehr), ist so eine städtische Verwaltung auch an strenge Archivierungspflichten gebunden.

Da ist allerdings der Einsatz von Notes eine echte Katastrophe, was bei den Usern wegen unterirdischer Performance schnell zum Ruf nach weit häufigerer Löschung von Archivinhalten führt, als es gesetzlich vorgeschrieben ist.

Antonia Colloni
Antonia Colloni
11 Jahre zuvor

@ Frank
Strafbar ist das nur dann, wenn man dies zugunsten eines anderen tut. Wenn man das macht, um sich zu schützen, also zum Spuren verwischen, leider nein. Mehr dazu hier: https://blog.beck.de/2013/05/26/loveparade-2010-gutachten-aus-england-katastrophale-enge-im-eingangsbereich-vorhersehbar?page=1

Alle Dezernenten hatten und haben Notebooks. Zu Hause bei denen gab es keine Razzien (nur bei Schaler).

Das Beseitigen erfolgte über die städtische Tochter DU-IT (Tochter von DVV, 100 % Stadtwerke, Aufsichtsratsvorsitzender Sauerland, zumindest damals)

Die Kripo Köln hatte die Staatsanwaltschaft schon viel früher dazu aufgefordert, Razzien im Rathaus durchzuführen. Die ließen den Vermerk gleichfalls aus den Akten tilgen. Die Staatsanwaltschaft ist politisch weisungsbefugt, angeblich seit 1933.

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