Duisburg: Unholde in Bruckhausen

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In Duisburg-Bruckhausen bestimmen die Abrissbagger das Bild. Gründerzeithäuser werden zerstört und Hauseigentümer in den Ruin getrieben.

Der Plan, den der damalige Duisburger Stadtplanungsdezernent Jürgen Dressler 2006 der Öffentlichkeit vorstellte, klang vernünftig: Duisburg verliert Einwohner, besonders schlimm sei die Lage im Stadtteil Bruckhausen. In der Nähe der ThyssenKrupp Hochhäuser wolle niemand mehr wohnen. Die Lösung: Teile von Bruckhausen werden abgerissen. Dressler: „Duisburg ist eine schrumpfende Stadt. Wir müssen daraus die Konsequenzen ziehen.“ Jeder Meter Abwasserkanal oder Straße die man unterhalten müsse belaste den Haushalt. Flächen, die man aufgäbe brächten eine direkte finanzielle Entlastung.

Sieben Jahre später sind die Pläne, die von allen Parteien des Rates bei einer Gegenstimme unterstützt wurden, fast vollständig umgesetzt. Über 1000 Menschen wurden umgesiedelt, Häuser aufgekauft und zahlreiche abgerissen. Gegenüber des Werksgeländes von ThyssenKrupp sieht es aus wie nach einem Krieg: Leere Häuser, eingeschlagene Fenster und Trümmergrundstücke bestimmen das Bild. 70 Millionen Euro wird das alles am Ende kosten und wo heute noch Gründerzeithäuser mit Stuckfassaden stehen, soll dann ein Grüngürtel angelegt werden. Bezahlt haben das je zur Hälfte ThyssenKrupp und die Europäische Union.

Roland Günter vom Werkbund NRW hat über Bruckhausen ein Buch geschrieben: „Stadtmassaker und Sozialverbrechen“ heißt es und man spürt beim Lesen auf jeder der über 400 Seiten seine Wut: „Was wir in Bruckhausen erleben ist ein Kalter Krieg. Zum ersten Mal seit 1980 kommt es in Nordrhein-Westfalen wieder zu Abrissen eines ganzen Stadtteils.“ Mit Bruckhausen sei ein ganzer Stadtteil über Jahre hinweg schlecht gemacht worden, um seinen Abriss durchzusetzen. „Natürlich gab es auch früher Leerstände, aber das ist ein Problem des Marktes, nicht des Staates. Bruckhausen war immer ein intaktes Viertel und ist es selbst jetzt noch, wo in einem großem Teil des Quartiers die Bagger wüten.“

Geht man durch Bruckhausen hat man nie das Gefühl, durch einen Slum zu gehen, als welcher der Stadtteil von den Abrissbefürwortern immer wieder hingestellt wurde: Kinder spielen in der warmen Frühlingssonne, eine Frau fegt den Bürgersteig, irgendwo stehen ein paar Bewohner zusammen, reden und rauchen.

Sie sind wütend darüber, was mit ihrem Stadtteil passiert. Einer von ihnen ist Abdelkader Belhadj. Belhadj besitzt mehrere Häuser in Bruckhausen. „Ich hatte Glück und konnte meine Häuser tauschen. Ich komme zurecht, aber andere Hausbesitzer sind pleite gegangen und haben ihr Geld verloren.“

Nachdem die Entscheidung gefallen war, Teile Bruckhausens abzureißen, erließ die Stadt Veränderungssperren. Roland Günter: „Den Hausbesitzern wurde verboten, ihre Häuser zu renovieren. Gleichzeitig wurden Mieter zum Umzug gedrängt. Standen die Wohnungen leer, durfte nicht neu vermietet werden.“ Irgendwann, sagt Günter, hätten dann viele aufgegeben und verkauft – zum Teil mit großen Verlusten. In seinem Buch beschreibt Günter diese Geschichte einer kalten Enteignung mit DDR-Methoden.

Doch es wird noch mehr getan um den Stadtteil zu vernichten: Auf aufwendig umzäunten Plätze liegen zwischen den Häusern Bauschutt und Müll. Eine Stadtreinigung scheint es in Bruckhausen nicht mehr zu geben. Abdelkader Belhadj: „Wenn hier mehr Müllers oder Meiers statt Belhadjs und Öztürks wohnen würden, sähe es hier nicht so aus, dann würde der Müll verschwinden. Für ihn ist klar, warum sich Duisburg trotz der alten Bausubstanz und der zum Teil gut erhaltenen Fassade ausgerechnet für den Abriss von Bruckhausen entschieden hat: „Hier leben zu viele Ausländer. Das will die Stadt Duisburg nicht und deswegen wird der Stadtteil zerstört.“

Ihre Entwicklungschancen sieht Duisburg tatsächlich nicht im Norden der Stadt. Das „Projekt Duisburg 2027“ beschreibt die Ziele der Stadt. Duisburg will vom Boom Düsseldorfs profitieren und sich als Wohnstandort für Düsseldorfer anbieten. Die sollen in den schicken Süden der Stadt ziehen, in Quartiere wie Alt-Rahm, die eine hohe Wohnqualität bei relativ günstigen Preisen bieten. Für den Duisburger Makler Armin Quester ist das kein realistisches Ziel: „Düsseldorfer ziehen nicht nach Duisburg. Das ist keine Frage der Immobilienpreise, es ist eine Frage des Images.“ Quester hält die Abrisse in Bruckhausen für richtig. Die Stadt könne nicht zuschauen, wenn in Stadtteilen der Leerstand zunehme und müsse handeln. Die Duisburger Zukunftsvisionen decken sich hingegen nicht mit seinen Berufserfahrungen.

Roland Günter hat indes seine eigenen Ideen entwickelt und er wird alles tun, um sie umzusetzen. In den 70er Jahren hat er mitgeholfen, den Abriss ganzer Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet zu verhindern. Auch die galten damals als nicht mehr zeitgemäß, Heute gehören sie zu den beliebtesten Wohnquartieren des Ruhrgebiets.

Leerstand ist für ihn kein Grund, die Abrissbagger zu holen, sondern eine Verpflichtung nachzudenken und nach neuen Möglichkeiten zu suchen: „In Duisburg Hochfeld leben viele Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien in unwürdigen Zuständen. In Bruckhausen sind die günstigen Wohnungen, in denen sie leben könnten.“

Günter verweist auch auf die verschiedenen Kultur- und Studentengruppen die im Ruhrgebiet auf der Suche nach Räumen sind. Er möchte sie nach Bruckhausen holen: „Hier ist doch Platz, hier kann man was machen.“ 70 Millionen Euro für den Abriss auszugeben sind für ihn eine ungeheure Verschwendung: „Mit nur einem Bruchteil des Geldes hätte man in Bruckhausen viel bewegen können. Es fehlt in Duisburg einfach an Intelligenz bei den Verantwortlichen. Im Rathaus kommt niemand auf solche Ideen. Alle verstecken sich hinter dem Argument, sie hätten ja kein Geld.“

Günter hat seine Pläne für Bruckhausen als Anhang zu seinem Buch veröffentlicht. Er setzt auf türkische Unternehmer, kleinteiliges Gewerbe, Studenten und Maßnahmen zur Erhöhung der Identität mit dem Viertel. Kleine Kieze soll es geben, mit eigenen Namen und einem kleinen Etat von der Stadt, um selbst zu entscheiden, welche Fassaden renoviert und welche Grünanlagen ausgebaut werden.

Günter will Bruckhausen erhalten, will das Zusammenleben der Menschen in dem Stadtteil stärken helfen und auch die Bausubstanz schützen, die auch in einem Gutachten der Unternehmensberatung Deloitte aus dem Jahr 2007 in großen Teilen als denkmalwürdig bewertet wurde.

Er sammelt Unterstützer wie den ehemaligen Chef der Internationalen Bauausstellung Karl Ganser, der in einem Brief an Günter schrieb, er glaube dass der ehemalige Duisburger Planungsdezernent Dressler „ein Unhold“ sei.

Mit Dresslers Nachfolger hätte sich diese Zeitung gerne über Bruckhausen und die Kritik Günters unterhalten. Doch mit Carsten Tum, der auf Vorschlag der Linkspartei zum Planungsdezernten gewählt wurde, ist bislang keine Gespräch zustande gekommen.

Er setzt wie die Politik darauf Fakten zu schaffen. Über 100 Häuser sollen in den nächsten Monaten abgerissen werden. Durch den Duisburger Norden wird dabei eine Schneise der Verwüstung geschlagen, wie sie in Nordrhein-Westfalen einzigartig ist.

Der Artikel erschien bereits in einer ähnlichen Version in der Welt am Sonntag

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rtq
rtq
11 Jahre zuvor

Das hat in Duisburg ja sozusagen Tradition. Anfang der 80-er wurden ja auch schon Teile von Hochfeld plattgemacht. Bilder davon findet man, wenn man nach Kupferhüttensiedlung sucht. Ein Freund vom mir wohnte dort, weder er noch seine Familie wollten fort aus ihrem „Idyll“, wie sie es nannten.

Klaus Jarchow
11 Jahre zuvor

Tscha – das ist dann wohl Adolf Sauerlands Nachlass. Dieser CDU-Mann – öhem! – ‚regierte‘ die Stadt von 2004 bis 2012.

abraxasrgb
abraxasrgb
11 Jahre zuvor

Ab-Bruchhausen? Nach der Logik von Günter & Konsorten soll sich lieber die letzte Schwerindustrie mit Ihren Arbeitsplätzen zurück ziehen, damit die Lebensbedingungen besser werden, als die Menschen umziehen.
Naivere Sozialromatik kann ich mir, bei aller Phantasie, nicht vorstellen.
Bruchhausen ist städtebaulich vom Stahlwerk und Autobahnen eingekreist, eine Insel des Grau(en)s. Da hilft ehrlich gesagt auch kein historischer Baubestand, um es als Wohnort attraktiv zu machen.

Die Vorstellung das Ruhrgebiet tot zu musealisieren ist seit 40 Jahren in den Köpfen und wird noch mal aus der Schublade der Vergangenheit hervor gekramt. Die immer identische Leier für völlig verschiedene Problemlagen und problematische städebauliche Lagen.

Der Deutsche Werkbund wurde vor über 100 Jahren als progressive wirtschaftskulturelle Vereinigung gegründet, anscheinend haben das einige seiner Mitglieder vergessen …

Die zentrale Frage, die Günter und seine Mitstreiter nie beantworten können, ist doch, warum so viele aus Bruchhausen weggezogen sind? Abstimmung mit den Füßen? Die spekulierten Ursachen, die nicht weit weg von Verschwörungstheorien sind, können die aktuelle Tatsache des Leerstandes nur ideologisieren, aber keine Lösung für menschenwürdigen Wohnraum schaffen.

Fakt ist die Nachbarschaft eines der größten und letzten Stahlwerke Europas.
Ergo lieber attraktiven Wohn- und Lebensraum in anderen Quartieren schaffen, da gibt es im Ruhrgebiet an anderen Stellen deutlich mehr (Zukunfts) Potential. Warum sollte man also dort im 21. Jahrhundert noch so wohnen oder leben wollen, wie im 19. Jahrhundert die Stahlarbeiter? Ach ja, damit die industriekulturellen Touristen etwas anschauen können … Disneyland im Ruhrgebiet.

Man sollte alte Männer nie als Strategen befragen, denn denen ist die Zukunft egal … @ Günter, Ganser, Krings etc.

Guter Artikel hierzu: https://www.eukn.org/E_library/Economy_Knowledge_Employment/Urban_Economy/Urban_Economy/People_can_t_live_in_museums_paper_on_sustainable_historic_city_centres

oder Richard Florida: Who´s Your city?
https://www.creativeclass.com/_v3/whos_your_city/

littlemoondog
littlemoondog
11 Jahre zuvor

was soll eigentlich immer diese Selbst Geißelung der Ausländer. Da wird immer wieder in die selbe Kerbe geschlagen. Eine etwas andere Sichtweise und Hnadlungsweise wäre sicherlich klüger. einen schönen Tag noch!!

Helmut Junge
11 Jahre zuvor

Stefan, heißt das nicht „renovieren“ statt ruinieren“?
Im Satz „„Den Hausbesitzern wurde verboten, ihre Häuser zu ruinieren. Gleichzeitig wurden Mieter zum Umzug gedrängt.“

Mini Sommer
Mini Sommer
11 Jahre zuvor

Was unter Sauerland in/mit Duisburg passiert ist, ist eine Katastrophe! Er hat die Leute quasi Enteignet und in die absolute Perspektivlosigkeit geschickt. Ein guter Freund von mir durfte das auch mitmachen. Jetzt ist er nach Dortmund gezogen, dort hat er einen guten Job, eine tolle Wohnung und jede Menge Grünflächen.
Kennt man sowas in Duisburg überhaupt??

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

Wenn ich beispielsweise an den Weißen Riesen in der Rheinpreussensiedlung denke, fallen mir spontan Beispiele ein, bei denen ein Abriss in Duisburg sinnvoller erscheint. Im Gegensatz zu den Bausünden der 1970er Jahre, die aufgrund ihrer Höhe viel deutlicher ins Auge fallen, sollte man bei einer Stadtsanierung über historische Arbeitersiedlungen erst einmal gelassen hinwegsehen, erst recht, wenn dort noch Menschen wohnen wollen.
Persönlich lebe ich auch in einem Haus – allerdings nicht in Duisburg sondern in Gelsenkirchen -welches einmal aufgrund der Nähe zur Industrie abgerissen werden sollte und ich muss sagen es lebt sich dort verdammt gut hier.


zur Kritik an Ganser, Günther und Co.
Gäbe es Karl Ganser nicht, hätte die IBA Ende des letzten Jahrtausends das Gesicht des Ruhrgebietes nicht so positiv verändert. Es gibt durchaus schöne, interessante und attraktive Ecken im maroden Ruhrgebiet, die ohne die IBA in dieser Form nie sichtbar geworden wären. Bei Duisburg fällt mir spontan der Landschaftspark und der Innenhafen ein. Karl Ganser hat Duisburg und das Ruhrgebiet wesentlich nachhaltiger beeinflusst, als Pleitgen, Gorny, Petzinka and friends mit ihrem Kulturhauptstadtgetöse, bei dem der Name von Stadtplanungsdzernent Dressler einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde

Sarah F.
Sarah F.
11 Jahre zuvor

Die Einwohnerzahl im ganzen Ruhrgebiet schrumpft. Das ist ein weiterer Punkt, der für einen Abriss von bestimmten Quartieren spricht. Denn es geht ja nicht nur um die Häuser, die natürlich jeder Besitzer instandhalten kann oder eben nicht. Sondern um die benötigte Infrastruktur (Abwasser und Co.) und die daraus von der Allgemeinheit zu tragenden Kosten. Und diese Infrastruktur ist jetzt schon für viele Städte im Ruhrgebiet überdimensioniert und nicht mehr ausgelastet.

teekay
teekay
11 Jahre zuvor

Ich kenne das Buch nicht, finde es aber immer wieder lustig, wie ‚Studenten‘ irgendwelche staedtebaulichen Probleme loesen sollen und sofort irgendwelche ‚Berlin-Mitte‘ Hirngespinste herumgeistern. Bruckhausen ist ca. 15km von der Uni in Duisburg entfernt. Keine ausgebauten Radwege und muehsam mit OEPNV erreichbar. Viele Studenten lassen sich eben nicht alleine durch guenstige Mieten koedern-sonst waere Koeln ja leer ;)…Unterhaltsintensive Altbauten fuer einen kleinen Euro am Ende der Welt bereitstellen und dann hoffen, dass sich Quartier-Wunder ereignen-ich hoere gerne ueber erfolgreiche Beispiele. Einzige Bedingung: Das Quartier muss 10-15km von Innenstadt/Hauptbahnhof/Uni entfernt liegen und dort muessen auch wirklich Studenten wohnen (junge Familien zaehlen nur bedingt…).

Arnold Voß
Arnold Voß
11 Jahre zuvor

@ abraxasrgb #3

Es ist genau umgekehrt wie sie es schreiben. Die Stahlwerke im Ruhrgebiet sind zwar gewichen, aber nicht wegen der (zu) nah gelegenenen Wohnungen sondern weil sie an den geschlossenen Standorten unrentabel geworden sind. Das könnte sehr wohl auch noch dem Stahlwerk in Bruckhausen passieren.

Nachdem Weggang von Hoesch aus Dortmund-Hörde z.B. stehen nun, neben Neubauten, auch noch die Gründertzeitwohnungen, jetzt aber mit Blick auf einen See. Hätte man sie abgerissen, würde man sich heute schwarz ärgern.

Gründerzeitwohnung sind nämlich im Gegensatz zu den 70ger Jahre Wohnsilos, auch heute noch bestens vermietbar. Natürlich ist dabei die Miethöhe lageabhängig, aber schlechte Lagen haben den unbestrittenen Vorteil von niedrigen Mieten auch für Günderzeitwohnung.

Bedenkt man, dass der Bedarf an Billigwohnungen aktuell wieder ansteigt, ja dass sie selbst im Ruhrgebiet immer knapper werden, dann macht es aus heutiger Sicht wieder Sinn, den Abriss qualitätshaltiger Wohnungen auch in schlechten Lagen zu stoppen bzw. ihn zu verhindern. Schlechte Lagen bleiben nämlich nicht für immer schlechte Lagen, wie man nicht nur im Ruhrgebiet sehr gut studieren kann.

Zum Zusammemhang von Schrumpfen und Abriss unter den speziellen Bedingungen des Ruhrgebietes und insbesondere der Emscherzone habe ich mich an anderer Stelle schon ausführlicher geäußert:

https://www.transparentonline.de/index.php?option=com_content&view=article&id=375:bevoelkerungsschwund-als-chance&catid=62:nr-74&Itemid=53

abraxasrgb
abraxasrgb
11 Jahre zuvor

@Arnold
Klar, ich bevorzuge auch Gründerzeithäuser, wegen ihrer meist wesentlich besseren Wohnqualität durch menschliche Grundrisse und Dimensioen. Aber in einem anderen Kontext, als in Bruchhausen. Das meine ich sowohl städtebaulich, als auch soziologisch.

Vielen Dank für den Link, in der Tendenz stimme ich sogar zu.
Bei den geschilderten Szenarien habe ich mich allerdings gefragt, was in der (Zwischen)Zeit passieren soll, bis die spannenden Gründerzeithäuser wieder attraktiv werden. Mir ist Abriss von Bausünden und Arbeiterschliessfächern á la Weisse Riesen in Duisburg oder Marl natürlich lieber, als der von bürgerlichen Gründerzeithäusern, von denen wir, auch durch die Kriegsbombadierungen, in der Region viel zu wenige haben.
Ich bezweifle nur, dass in diesem einen speziellen Fall von Bruchhausen, aus den wenigen glücklichen Beispielen (Dortmund) induktiv eine regionale Strategie abgeleitet werden könnte, die immer zutrifft. Es gibt noch genau zwei Stahlwerke im Ruhrgebiet und kaum noch industrielle Betriebe, das ist eine ganz andere Lage, als noch in den 80ern und 90ern oder noch früher.
Das entwertet einfach die heute noch benachbarten Wohnquartiere mehr, als noch vor ein paar Jahren, als solche Lagen noch typisch waren. Ich sehe auch keine Aufwertung der Quartiere in der Umgebung der IBA Attraktionen (Gasometer, Landschaftspark, Zollverein etc.) oder Attraktivierung auf dem Wohnungsmarkt, der sich in steigenden Mieten wieder spiegelte. Vielleicht der Innenhafen, aber bei dem habe ich das Gefühl, dass der schon wieder seit einiger Zeit drastisch abfällt.

@ der, der auszog
Klar hat die IBA gute Impulse gesetzt. Ganser (als auswärtiger Bayer) war in den 90ern sicherlich Champions League und damit einige Spielklassen über der Kreisklasse von Günther und Konsorten. Die Kulturhauptstadt und ihre Seilschaften sind bestimmt nicht mein Maßstab! Schon gar nicht der beleibte Musiktyp mit ETSCHE im UUUUUUUUUUUUU(ebel).

Noch mal ganz kurz: Die Lösungen der 80er und 90er müssen nicht unbedingt auch heute wieder oder immer noch richtig sein. Vielleicht ist diesmal teilweiser Abriss ein zu verschmerzender Verlust, um etwas wertvolleres, eventuell auch an anderer Stelle, zu erhalten oder gar neu zu errichten.
Methodisch leidet der vielzitierte und wenig verstandene „perspektivische Inkrementalismus“ der IBA, heute an Kurzsichtigkeit. Oder er ist, was die normativen Prämissen anbelangt, immer noch in der Vergangenheit.
Auch hier können wir aus der Methoden und ihren Erfolgen und Misserfolgen (Gewerbe – und Technologieparks) (es gibt immer noch keine neutrale Bilanz der IBA, soweit ich weiss), nicht eine immer gelingende Strategie ableiten.
Die immer identischen Lösungen potenzieren die regionale Problematik nur in anderen Feldern. Erst wenn die Vielfalt der Region, mit all ihren Unterschieden als Stärke gesehen und erkannt wird, kann daraus eine Strategie abgeleitet werden.
Vielleicht sollte die Folkwang Universität in Bruchhausen bauen, statt auf Zollverein?

Arnold Voss
11 Jahre zuvor

@ abraxasrgb

Ja, das ist das Problem. Was passiert mit den erhalten bzw. erhaltenswerten Wohnungssubstanz in schlechte Lagen während der Schrumpfungsprozess erst einmal ungebrochen weitergeht?

Ich habe dazu eine Antwort, die viele in dieser Region nicht gerne hören: Sie sind die räumlichen Auffangbecken für die Verlierer des Strukturwandels und sie entlasten den regionalen Staatssäckel, weil die (niedrigen) Mieten dort häufig sowieso vom Staat finanziert werden. Obendrein führen sie für die betroffenen Familien zu ein soziopsychologischen Entlastung weil sie trotz geringerem Mietaufkommen dort mehr Platz zur Verfügung haben.

Das bedeutet de facto jedoch eine höhere Abnutzung die auf Dauer nur dann wieder behoben werden kann, wenn die Mieten dort auch wieder steigen. Der Wohnungserhalt für bessere Zeiten kostet eben auch Geld. Bedenkt man aber, dass die Kosten für den Abriss wegfallen, dann kommt am Ende auf jeden Fall mehr heraus als beim Abriss.

Was die IBA betrifft so gebe ich ihnen recht. Es gibt bis heute keine neutrale Bemessung ihres Erfolges. Vielmehr feiern sich die Macher immer wieder kritiklos selbst. Ganser degeneriert durch die nach wie vor ungebremste Lobhudelei seiner Fans zum Säulenheiligen des Ruhrgebietes und genau das hat er nicht verdient.

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