Ein Jahr Rot-Grün in NRW: Was macht eigentlich…die SPD?

Hannelore Kraft Foto: HP/PR

Vor einem Jahr wurde Hannelore Kraft (SPD) zur Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens gewählt. Für eine Minderheitsregierung arbeitet die Koalition von SPD und Grünen recht stabil. Neuwahlen stehen nicht an. Die Opposition ist schwach. Aber eine Frage drängt sich auf: Was macht eigentlich die SPD?

Immer wenn ich beim Friseur bin lese ich den Stern. Und als allererstes die Rubrik „Was macht eigentlich…“ ganz hinten im Heft. Grandios. Ich erfahre so, was ehemalige Prominente so treiben, deren Namen man noch kennt, aber lange nicht mehr gehört hat. Heather Thomas aus „Ein Cold für alle Fälle“ widmet sich heute dem Fliegenfischen und der ehemalige Boris Becker Manager Ion Tiriac schoss auf einer Jagt mit seinen Kumpels 185 Wildschweine. Schon interessant.

Jemand, dessen Namen fast jeder noch im Gedächtnis hat, ist die SPD. Erinnerungen werden wach: Scheidemann ruft die Republik aus, Widerstand gegen die Nazis, Ostverträge, Brandts  Kniefall in Warschau, der übellaunige Schmidt, Schröders niemals ergraute Haare, Hartz IV und hier in NRW der Skat spielende Johannes Rau mit der Pilsblume in der Hand. Ja, SPD.  Da war mal was…

Und da ist ja auch noch was: Seit einem  Jahr stellt die SPD wieder die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen. Hannelore Kraft ist beliebter als ihr Vorgänger Jürgen Rüttgers und sorgt im Land für das, was der Las-Vegas Pianist Liberace eine „Cosy Atmoshpere“ genannt hätte.

Aber das war es auch schon. Die SPD stellt die Ministerpräsidentin, die Grünen die Regierung. Die drei Minister und Ministerinnen der Grünen, Barbara Steffens (Gesundheit), Johannes Remmel (Umwelt) und Sylvia Löhrmann (Schule) arbeiten effizient, skandalfrei und erfolgreich.  Ob Gemeinschaftsschule oder Klimaschutzgesetz: Die politischen Themen im Land setzen die froschfarbenen, wie mein Kollege Thomas Meiser die Grünen zu nennen pflegt.

Bei den sozialdemokratischen Ministern sieht das etwas anders aus. Bei einigen hat man das Gefühl, das für sie der Tag schon gut begonnen hat, wenn sie sich bei der Morgentoilette nicht mit der Zahnbürste ins Auge gehauen haben. Politische Initiativen? Gar so etwas wie industriepolitische Kompetenz – einstmals das Markenzeichen der SPD in NRW? Fehlanzeige. Ob Verkehr, Energie oder  Wirtschaftsförderung – entweder geschieht auf diesen Feldern nichts oder aber die Politik sähe bei einer absoluten Mehrheit der Grünen kaum anders aus.

Die SPD ist dabei sich in NRW überflüssig zu machen. Der Grund liegt darin, dass die  SPD keine eigenen Ziele hat, keine Agenda die sie verfolgt und für die sie einen Partner braucht, um ihre  Politik umzusetzen. Es fehlt den Sozialdemokraten schlicht an einer eigenen Programmatik. Sie können mit den Grünen  keine Kompromisse schließen, da sie fast alle Projekte der Grünen befürworten und keine eigenen jenseits der rot-grünen Schnittmengen mehr haben. Das ist eine gute Grundlage für ein harmonisches Klima im Kabinett von Hannelore Kraft. Es ist keine gute Grundlage für den Fortbestand einer Partei.

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Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Diese Koalition ist, gerade weil sie eine Minderheitenregierung ist, auf die von dir kritisierte Harmonie absolut angewiesen. Sie ist sozusagen ihr Lebenselexier. Und weil sie das weiß, hat sie bislang , trotz der vielen hämischen Unkenrufe, einen erstaunlich guten Job gemacht. Zumindest aber einen so guten, dass die Opposition nicht mal mehr im Traum an Neuwahlen denkt. Wenn das unter den gegebenen Bedingungen keine hervorragende politische Leistung ist, was ist es dann?

Steff
Steff
13 Jahre zuvor

Hannelore Kraft versucht sich bei bundespolitischen Themen zu profilieren und mischt sich da auch ein. Es ist also nicht so, dass sie keine Programmatik hätte, das Gegenteil ist der Fall. Sie strebt einen Regierungswechsel in Berlin an und zwar mit sich selbst als Kanzlerkandidatin. Und ihre Ministeramt dient zuallererst und danach kommt lange nichts, dieses Ziel der Kanzlerkandidatur zu erreichen. Das macht sie ja auch ganz geschickt, indem sie versucht, sich bundesweit bekannt zu machen auch mit Äußerungen aus ihrem privaten Bereich. Daher, nach meiner Einschätzung sieht sie das Ministeramt ausschließlich als Brücke ins Kanzleramt und NRW interessiert sie nur insoweit, als dass es ihr für die Kanzlerkandidatur nutzen kann. An NRW selbst hat sie kein Interesse.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

„Ja, SPD. Da war mal was …“
Was Manfred Güllner unter den Meinungsforschern, ist unter den Journalisten Stefan Laurin. Der Traum von der guten, alten Tante SPD. Wäre doch schön, wenn die Partei wieder so verstaubt werden könnte wie Anno dazumal. Immerhin nennt Güllner ein rotes Parteibuch sein eigen, während Stefan lachen muss, wenn ein Ruhrbarone-Leser dies irrtümlich annimmt.
Nun ist das mit der angemahnten „eigenen Programmatik“ bei der NRW-SPD schon traditionell so eine Sache. Oder fällt Stefan oder irgendjemand anderem spontan ein Projekt ein, wofür der „hier in NRW der Skat spielende Johannes Rau mit der Pilsblume in der Hand“ programmatisch gestanden hätte? „Versöhnen statt spalten“ ist schön, aber für sich genommen noch keine politische Agenda.
Sicher: Kohle, Stahl – natürlich auch Auto und Chemie. Enge Versöhnung statt wirtschaftsfeindlicher Spaltung. Begleitet von Landesprogrammen und Fachtagungen zum „Strukturwandel“. Merke: kungle nicht mit den Stahlbaronen die Schließung einer Hütte aus, ohne gleichzeitig ein Hundertschaft von Sozialwissenschaftlern für ihre bedenkentragende Begleitmusik zu alimentieren!
Ja, die SPD. Da war mal was. Die Arbeitslosigkeit war zwar deutlich höher als heute, aber man konnte sich sicher sein: nur wir haben zu sagen, sonst niemand. Die Lehrer durften freilich der Blechmafia den einen oder anderen Ortsverein „abnehmen“, klar. Aber jeder Lehrer, der nicht an seiner Gesamtschule und seinem Ortsverein versauern wollte, sondern stattdessen größere Menschengruppen mit seiner politischen Kompetenz beglücken wollte, war gut beraten, im Zweifel doch auf die Arbeitsplätze hinzuweisen, die angeblich durch Kohle und Stahl gesichert würden. Oder, sollte es am Ort eine Chemiefabrik sein, die freitags nachmittags etwas Luft ablässt und hin und weder etwas über den schwarzen Kanal entsorgt, dann eben auf die Chemiearbeitsplätze.
Ja, die SPD. Da war mal was. Und wenn es jetzt ein wenig anders geworden ist, dann wirft man den Sozis einfach vor, kein Profil zu haben und sich von den Grünen am Nasenring durch die Arena ziehen zu lassen. Anstatt – wie weiland der Clement die Höhn – denen mal ganz klar zu sagen, wo der Hammer hängt, macht die Kraft nur auf nett. Bleibt als große Hoffnung nur der Steinbrück. Der könnte es mit den Grünen aufnehmen. Komisch nur, dass der damals in NRW verloren hatte …

Tati
Tati
13 Jahre zuvor

Wie sagte Johannes Rau: „Lieber ein Haus im Grünen, als einen Grünen im Haus.“
Licht aus, Spot an: https://www.youtube.com/watch?v=FfDfZGxjbhw&playnext=1&list=PLA25463BEF96A3ECE

Steff
Steff
13 Jahre zuvor

Die SPD hat doch kaum an Stimmen verloren. Wir reden hier von 1,5 %, was alles andere als ein Signal für eine plötzlich aufkeimende Unzufriedenheit wäre. Die Grünen haben hinzu gewonnen, 9 %, aber dadurch hat die SPD nichts verloren und aktuell gewinnen die Grünen überall hinzu – auch wenn diese Zuwächse wieder am Abflachen sind – , was ja BaWü auf dem Höhepunkt der deutschen Atomhysterie am eindrucksvollsten gezeigt hat. Ich sehe nicht, dass die SPD hier im Niedergang wäre und vor allem sehen ich nicht, dass eine vorhandene Programmatik aufgeweicht wäre. Dies auch deshalb, weil ich keine der NRW-SPD kenne. Clement hat sich als Mann der Wirtschaft hervorgetan und Kraft nehme ich war als eine, welche die alten, ehemals erfolgreichen Parolen von sich gibt, allerdings nicht auf NRW-Ebene, sondern auf Bundesebene, welche die ist, für die sich nach meinen Einschätzung halt interessiert, wäre ihr NRW reichlich egal ist und sie hier nur „nach mir die Sintflut“ spielt, solange kein Schaden für ihre bundespolitischen Ambitionen zu befürchten ist.

Werner Jurga
13 Jahre zuvor

@Stefan Laurin (#4):
Nun hat ja soeben erst Forsa (sogar Forsa) für die SPD in NRW 33% gemessen, einen Punkt vor der CDU. Die NRW-SPD KANN m.E. gar nicht die programmatische „Herzkammer“ der Gesamtpartei sein. „Herzkammer“ reicht ja auch schon 😉
Ansonsten ist mir Dein guter Rat für meine Partei bekannt. Deine Position ist recht klar: nicht zu „grün“ werden, die Traditions-SPD pflegen, vielleicht auch ein Ideechen links (gewerkschaftlich), aber auf keinen Fall zu links. Alles gut und schön (obgleich freilich nicht so ganz nach meinem Geschmack). Nur: das sind alles Abgrenzungen, ein „Negativ“-Profil, eine Selbstdefinition via Katalog all dessen, was man NICHT will.
Demgegenüber bleibt eine Definition der von Dir stets ins Feld geführten „pragmatischen Industriepolitik“ denkbar blass. Was heißt hier konkret „Pragmatismus“? Jedes Kohlekraftwerk genehmigen? Fracking möglichst wohlwollend begleiten?
Was heißt „Industriepolitik“? Ich weiß: es besteht kein literarischer Mangel an diesbezüglcher sozialdemokratischer Ideologieproduktion. Meist ziemliche Heißluft. Mein Verdacht: dieser um 1980 als „Politikfeld“ in die Welt gesetzter Terminus war von vornherein ausschließlich als ein Kampfbegriff gegen die Grünen gedacht. Und die Parteilinken hatten gern mitgezogen, weil „Industriepolitik“ auch ein wenig nach Staatsinterventionismus klingt.
Wie auch immer: ich glaube, dass versehen mit dem schönen Adjektiv „pragmatisch“ , mit „Industriepolitik“ eben keine Politik gemeint ist, die der „Industrie“ unnötige Vorschriften macht, sondern eine Politik, die die „Industrie“ vor den Zumutungen der Ökos (wie der Linken) bewahren soll. Jedenfalls liest es sich bei Dir so. Über eine entsprechende Belehrung würde ich mich wirklich sehr freuen.

Kumpel
Kumpel
13 Jahre zuvor

„Die SPD stellt die Ministerpräsidentin, die Grünen die Regierung. Die drei Minister und Ministerinnen der Grünen, Barbara Steffens (Gesundheit), Johannes Remmel (Umwelt) und Sylvia Löhrmann (Schule) arbeiten effizient, skandalfrei und erfolgreich.“

Is klar. Dass Löhrmann mit der Experimentierklausel vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gescheitert ist, dass Remmel nichts gegen den Neubau des Kohlekraftwerks Datteln ausrichten kann, und dass Steffens bisher durch gar nichts aufgefallen ist, das sind die großen Erfolge der Grünen. Heut wieder die „froschfarbene“ Brille aufgesetzt?

Mao aus Duisburg
Mao aus Duisburg
13 Jahre zuvor

@Kumpel
@Laurin:

Steffens hat das Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg gebracht…. 🙂 Vermutlich für einige hier ein Skandal!

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[…] Ein Jahr Rot-Grün in NRW: Was macht eigentlich…die SPD? (Ruhrbarone) – Zum einjährigen Jubiläum von Rot-Grün in NRW siehe auch einen Artikel und einen Kommentar der Rheinischen Post. […]

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