FIFA: Ist Giovanni Infantino nur das kleinste von mehreren Übeln für den Weltfußball?

Giovanni Infantino. Quelle: Wikipedia, Foto: Piotr Drabik, Lizenz: CC BY 2.0
Giovanni Infantino. Quelle: Wikipedia, Foto: Piotr Drabik, Lizenz: CC BY 2.0

Viel los aktuell in der Sport- bzw. Fußballwelt. Nicht nur, dass hierzulande derzeit quasi jeden Tag wichtige Spiele stattfinden, da hat die mächtige FIFA, der reformbedürftige Weltfußballverband, am gestrigen Freitag fast nebenbei auch noch eine umfassende Strukturreform verabschiedet und mit dem Schweizer Gianni Infantino auch noch einen neuen Präsidenten erhalten, der nun ab sofort die Nachfolge des heftig umstrittenen Sepp Blatter antreten wird.

Was das Alles am Ende jedoch für den einfachen Fußballfan an der Basis wirklich bedeutet, das ist nicht nur jetzt schon umstritten, das erscheint vielen Beobachtern aktuell auch noch völlig unklar.

Der 45-Jährige Wahlsieger, der sich im zweiten Wahlgang in Zürich, etwas überraschend, die absolute Mehrheit der 209 Stimmen sicherte (Er erhielt 115 davon.) setze sich u.a. gegen seinen ärgsten Konkurrenten Scheich Salman durch.

Großes Aufatmen im Umfeld der UEFA, ist der ansonsten drohende Macht- und Einflussverlust in Richtung Asien damit gerade doch noch einmal abgewendet worden. Und das, obwohl der Schweizer Infantino ja eigentlich nur die ‚Zweite Wahl‘ der UEFA war, nachdem deren bisheriger ‚Boss‘ Michel Platini ja, wie Sepp Blatter, vom FIFA-Kongress ‚verbannt‘ worden war, er sich mit Unregelmäßigkeiten in seiner Funktionärs-Vergangenheit auseinandersetzen muss, vermutlich über etliche Jahre ‚gesperrt‘ werden wird.

Nur so bekam Giovanni Infantino nun überhaupt die Chance auf dieses Amt. Viele Fußballfreunde kennen den Glatzkopf bisher wohl in erster Linie als UEFA-Generalsekretär, der bei den Auslosungen im Europapokal zuletzt gerne mal den Auslosungsleiter vor den Kameras gab. Damit ist es nun vorbei. Er hat die Karriere mit dem nächsten Schritt gekrönt.

Der vierfache Vater, gelernter Anwalt, stammt allerdings aus dem Kreise der altetablierten Funktionäre. Kann er nun wirklich die längst überfälligen Reformen im Weltfußball umsetzen? Zweifel daran herrschen jetzt schon. So bezeichnete der ehemalige DFB-Pressesprecher Harald Stenger die Wahl in Zürich gestern in einem Fernsehinterview als Wahl zwischen ‚Pest‘ und ‚Cholera‘.

Viel bedeutender erschien es zahlreichen Beobachtern daher auch zuerst einmal, dass die FIFA gestern auch ein umfangreiches Reformpaket mit 89% Zustimmung durchgewunken hat. Wäre dies nicht realisiert worden, befürchteten zahlreiche Kenner der Szene eine existentielle Krise für die Organisation. Dazu kam es dann nicht, die Zweidrittelmehrheit an Zustimmung wurde recht locker geschafft.

Zukünftig soll es Amtszeitbegrenzungen geben, die Macht des Präsidenten eingeschränkt und mehr auf einen zukünftig mächtigen Generalsekretär verlagert werden, zudem die Gehälter der führenden FIFA-Köpfe offengelegt werden usw..

Und dies erschien einigen Beteiligten in Summe eben grundsätzlich sogar deutlich wichtiger als die den Kongress abschließende Wahl eines neuen FIFA-Präsidenten.

Wie dem auch sei, beide Entscheidungen müssen jetzt mit Leben gefüllt werden, die hehren Absichten erst einmal auch wirklich umgesetzt werden.

Gerede und Versprechungen gab es auch in der Ära Blatter ja auch schon mehr als genug. Die FIFA mit Infantino an der Spitze muss nun endlich auch rasch umsetzen, was im Wahlkampf so vielversprechend in der Öffentlichkeit verkauft wurde.

Doch wie üblich, und da dürfte auch die Sportpolitik natürlich keine Ausnahme machen, ist grundsätzlich fraglich, ob Wahlversprechen von den neuen Machthabern nach der Wahl noch so wichtig genommen werden wie vor der Wahl.

Im Falle von Infantino waren das übrigens in erster Linie mehr Geld für die einzelnen Mitgliedsverbände (trotz eines Minus in der Kasse durch immense Rechtsberatungskosten zuletzt) und eine Aufstockung der WM-Endrunde von bisher 32 auf zukünftig 40 Teilnehmerländer. So macht man sich natürlich Freunde. Zumindest bei den wählenden Nationalverbänden. Bei den Fans hierzulande hingegen wohl eher weniger. Schon alleine das zeigt, dass der gestrige Tag für die Zukunft des Weltfußballs nicht unbedingt ein Guter gewesen sein muss.

Aber was wäre denn überhaupt die Alternative gewesen?

Vielleicht war und ist Infantino wirklich einfach nur das kleinere von mehreren Übeln…

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Gary Lineker, der alte Fuchs, hat es lt. SPON wieder mal auf den Punkt gebracht: "Ich habe das seltsame Gefühl, dass Gianni Infantino die Maske abnimmt und sich als Sepp Blater entpuppt."

Gestärkt wird diese nicht so weit hergeholte These von den weltweiten Claqueuren der Wahlentscheidung, von denen die meisten Infantino-Begrüßer selbst nie etwas mit Kritik oder transparenten Reformen zu tun haben wollten – außer (siehe Rummenigge) es ging um die eigene Profitmaximierung.

Die FIFA bleibt ein Verein albener, alter Despoten mit dem Vereinszweck Selbstbedienung und – bespaßung.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

"Der König ist tot, es lebe der König." Alles klar soweit? Spannend wird die Frage, wie sich der neu gegründete Verein der Profiligen zur, ähhhem, "runderneuerten" Fifa verhält. Kein Geldtopf kann so groß sein, als dass man nicht auf allen Ebenen und unter dem Tisch um den Inhalt streiten kann.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

"ich werde immer ein Präsident sein." Sepp Blatter gestern. Damit wäre ja alles gesagt und Lineker, der ja schon in der Vergangenheit durch kluge Sprüche immer den Kern des Fußballproblems zielgenau zu benennen wusste, auf das aller schärfste bestätigt.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

Da ist doch grad einer beim DFB zurückgetreten, Sandrock, Generalsekretär oder so was?
Was die 40 angeht,@ Robin, wird das der Spannung m.E. nicht abträglich sein. Es wird also 8 5er Gruppen geben, alles andere macht ja keinen Sinn und 5er Gruppen können durchaus eine Menge Spannung generieren, unabhängig von der leistungsmäßigen Zusammensetzung, v.a. wenn am letzten Spieltag so manch einer ohne eigenes Zutun nach Hause fahren "darf".

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

@Robin Sehr viel öder können die Qualis in Europa doch kaum mehr werden. Wie viel von den 8 mehr werden denn aus Europa kommen? Und die Qualis anderswo nimmt man doch eher nicht oder kaum wahr. Wenn da Ostnochniegehört vs. Westwoistdasdenn spielt…., schließlich hat die Fifa mehr Mitglieder als die UNO.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
8 Jahre zuvor

Bei aller Wertschätzung des europäischen Fußballs gibt es auch außerhalb unseres Kontinents die eine oder andere Mannschaft, die dem Weltturnier durchaus Würze zu verleihen weiß. Was die EM mit 24 Mannschaften angeht, liegen wir auf einer Linie, das braucht`s nicht. Und ob Fernsehrechte aus bspw. der Slowakei den Reibach nennenswert vergrößern? Interessant finde ich im Gegensatz dazu, dass bei OS rigide Zugangsbeschränkungen zumindest in allen Mannschaftswettbewerben bestehen und die trotzdem Dagobert Duck in Sachen "im Geld baden" längst den Rang abgelaufen zu haben scheinen.

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