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Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde

Die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde liegt im Zentrum der Stadt Brandenburg an der Havel. Dort befand sich von Januar bis Oktober 1940 eine der sechs Tötungseinrichtungen der nationalsozialistischen „Euthanasie-Aktion T4“.

Begriffsklärung

Der Begriff „Euthanasie“ kommt eigentlich aus dem Alt-Griechischen und meint eigentlich „Sterbehilfe“. In Deutschland wird der Begriff aber nicht im Zusammenhang mit „Sterbehilfe“ genutzt. Man bezeichnet damit ein Verbrechen während des Nationalsozialismus. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten von 1933-1945 wurden viele Schwerstkranke, Behinderte oder unheilbar kranke Menschen auf staatlichen Befehl hin getötet. In der verbrecherischen Sicht der Nationalsozialisten handelte es sich bei diesen Menschen um „unwertes Leben“. Die Nationalsozialisten haben diese Verbrechen als „Euthanasie“ bezeichnet. Zur Abgrenzung und Einordnung wurde hier der Begriff „Euthanasie-Morde“ gewählt.

Die Tötungsanstalt Brandenburg

Auf dem Gelände der ehemaligen Strafanstalt am Nicolaiplatz wurden in diesem Zeitraum mehr als 9.000 Frauen, Männer und Kinder aus psychiatrischen Krankenhäusern des nord- und mitteldeutschen Raums ermordet. Insgesamt fielen den nationalsozialistischen Verbrechen der „Aktion T4″ in den Jahren 1940/1941 über 70.000 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen zum Opfer.

Die Dauerausstellung

Die 2012 eröffnete Gedenkstätte beinhaltet eine Dauerausstellung, die in einem erhaltenen Originalgebäude des Zuchthauskomplexes untergebracht ist. Diese informiert die Besucher mit Infotafeln, Fotos, historischen Filmaufnahmen und Dokumenten, sowie mit pädagogischen Angeboten und Veranstaltungen über die Vorbereitung und systematische Durchführung der Euthanasie-Morde in der Tötungsanstalt. Sie geht auf die Brandenburger „Probevergasung“ ein und beschreibt den ersten planmäßigen Massenmord an jüdischen Anstaltspatientinnen und
-partienten im Deutschen Reich. Weitere Themen sind die Morde an behinderten oder kranken Kindern zu Forschungszwecken, der Widerstand gegen die Euthanasie-Verbrechen und ihre Strafverfolgung nach 1945. Teil der Ausstellung ist ein Gedenkbuch mit den Namen von über 9.000 identifizierten Opfern.

Die Gaskammer

In der umfunktionierten Scheune der ehemaligen Strafanstalt wurden zwischen Januar und Oktober 1940 über 9.000 Menschen durch Kohlenmonoxid getötet. Die 1996 freigelegten Grundmauern des nach dem zweiten Weltkrieg abgetragenen Gebäudes bilden gemeinsam mit vier Stelen, die ausgewählte Opferfotografien zeigen, einen Ort des Erinnerns und Gedenkens.

Die Bedeutung der Euthanasie-Gedenkstätte im historischen Kontext des Holocaust

Die Dauerausstellung dokumentiert, dass der Beschluss auf der Wannseekonferenz zum Holocaust nicht in einem leeren Raum fiel, sondern das Ergebnis jahrelanger, akribischer Planung und Vorbereitung zu den Möglichkeiten der Massenvernichtung war: Mit den in Brandenburg entwickelten „Probetötungen“ fand erstmalig die Einführung eines massentauglichen Tötungsverfahrens – mittels Kohlenmonoxid – statt. Von der Vorbereitung der Krankenmorde über den Transport von bundesweiten psychiatrischen Einrichtungen in die Tötungsanstalt, die Verschleierung der Krankenmorde bis hin zur Verbrennung der Leichen und der „Nachlassregelung“ wurde die Massenvernichtung systematisch geplant und durchgeführt. Die in Brandenburg an der Havel begonnene T4-Sonderaktion gegen jüdische Patienten markiert den eigentlichen Auftakt zum Holocaust, dem nach der Erprobung dann die systematische Deportation in die entsprechend eingerichteten Vernichtungslager folgte. Weitere Ausstellungsstationen dokumentieren den Widerstand gegen den Krankenmord, die Kindereuthanasie (bei der nach der Tötung von psychisch kranken Kindern deren Gehirne zu Forschungszwecken medizinisch untersucht wurden), sowie die Strafverfolgung von Euthanasie-Verbrechen nach 1945 in Westdeutschland sowie in der SBZ und DDR. Ein Kapitel über das Gedenken in der Stadt Brandenburg an der Havel seit 1945 rundet die Ausstellung ab.

Informative Texte zur nationalsozialistischen Vorgehensweise wechseln sich ab mit individuellen Portraits von Opfern der Krankenmorde und weiteren Quellen wie Fotos, Briefen und Dokumenten. Obwohl die Gedenkstätte nicht über Originalstätten der Massenvernichtung verfügt, ergibt sich durch die Dauerausstellung ein schockierendes Bild über die Geburtsstunde des nationalsozialistischen Holocaust in Brandenburg an der Havel und sie wird damit zum Mahnmal wider das Vergessen.

Die Bedeutung der Euthanasie-Gedenkstätte im aktuellen Kontext

Am 7. Dezember 2022 stürmten Spezialkräfte der Polizei Wohnungen einer bewaffneten Gruppe von Reichsbürgern und Querdenkern, die laut ARD Hauptstadtstudio einen Staatsstreich geplant haben. Unter den 52 Beschuldigten sind Ex-Elitesoldaten und eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete.

„Die Bundesanwaltschaft wirft rund 50 Frauen und Männern vor, eine terroristische Vereinigung gebildet zu haben, um die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik zu beseitigen und einen Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 zu errichten. Weit kam die Gruppe dabei aber nicht. Immerhin soll sie unter anderem geplant haben, das Reichstagsgebäude zu stürmen, durch Anschläge auf die Stromversorgung bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen, sowie die Bundesregierung abzusetzen, um dann die Macht zu übernehmen.“ (Bewaffnete Reichsbürger: Razzia wegen geplanten Staatsstreichs | tagesschau.de)

Noch ist unklar, wie knapp die Bundesrepublik dem geplanten monarchistischen Staatsstreich entgangen ist. Es spielt auch keine Rolle, ob die führende Köpfe dieser Reichsbürger-Bewegung charismatische Demagogen sind, oder nur narzisstische Wirrköpfe. Es bleibt festzuhalten, dass sich der Plan, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik zu beseitigen, in der konkreten Umsetzungsphase befand. Gedenkstätten wie die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel sind auch ein Mahnmal für jeden demokratischen Bürger, wachsam zu bleiben gegen alle Querbewegungen, die zum Ziel haben, die demokratische Grundordnung Deutschlands abzuschaffen oder zu erschüttern.

Gedenkstätte und Dauerausstellung
Nicolaiplatz 28, 14770 Brandenburg an der Havel
Öffnungszeiten
Do-Fr 13-17 Uhr
Sa, So und feiertags 10-17 Uhr
Eintritt frei
www.stiftung-bg.de

Buchdokumentation:
Astrid Ley und Annette Hinz-Wessels (Hrsg.):
Die Euthanasie-Anstalt Brandenburg an der Havel. Morde an Kranken und Behinderten im Nationalsozialismus.
196 Seiten, Broschur, 19 EUR
Metropol-Verlag Berlin 2017 (2. Aufl.)
ISBN 13: 978-3863310851

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