Habeck ist an sich selbst gescheitert

Ex-Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der Ex-Vizekanzler war einer der talentiertesten deutschen Politiker. Ein sympathischer Kerl. Dass er nun den Bundestag und die aktive Politik verlässt, ist jedoch richtig. Nachweinen muss man ihm nicht.

Kennengelernt habe ich Robert Habeck, als er Multiminister in Schlesweig-Holstein war für Umweltschutz, Landwirtschaft, Landesplanung, Digitales und Energiewende. Er kam gerade zurück von einer Bootsfahrt mit störrischen Fischern. Denen hatte er erklärt, wie er mir schilderte, dass sie Netze mit größeren Maschen verwenden müssten, um nicht die Brut mit zu fangen und so ihre ökonomische Grundlage zu zerstören. Und weil sie ihre Fische auch an „Ökos“ in den Städten verkaufen wollten. „Meinen Grünen-Freunden sage ich, dass sie Rücksicht auf die Fischer nehmen müssen.“ So ausgleichend kann Politik sein, dachte ich. Und schrieb ein wohlwollendes Porträt.

Als er später für den Grünen-Co-Vorsitz kandidierte, schrieb ich über ein weiteres Porträt: „Besser als Joschka Fischer“. Den hatte ich als Außenminister und Vizekanzler von Schröder erlebt und war von dessen Arroganz angewidert. Habeck schien mit im Vergleich einer zu sein, der für die Grünen neue Wählerschichten in der Mitte erobern könnte – als Schwiegermutters Darling: ein promovierter Philosoph und vierfacher Vater, der mit seiner Frau Kinderbücher und Romane schrieb und es geschafft hatte, die Ökopartei im eher konservativen kleinen Land zwischen den Meeren zum Regierungspartner erst in einer Koalition mit SPD und dem Südschleswigschen Wählerverband, der Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit, und dann mit der CDU zu machen. So einer musste doch Chancen auch auf Bundesebene haben.

Nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen 2017 beschrieb er mir in einem langen stürmischen Telefonat von der Nordseehallig Hooge, warum er frustriert war, dass der erste Versuch, ein lagerübergreifendes Bündnis zu schmieden gescheitert war, womit er die Grünen in die öko-liberale Mitte hatte schieben wollen – als unverzichtbare „Scharnierpartei“. Und weshalb er einerseits Vegetarier ist: Nicht aus Grundüberzeugung, „sondern weil einer meiner Söhne mich gefragt hat: ‚Warum essen wir eigentlich Fleisch?‘ Ich hatte keine überzeugende Antwort.“ Und weshalb er dennoch von dem Lamm gegessen hatte, das die Hallig-Bewohner für ihn, den hohen Besucher aus Kiel, geschlachtet hatten: „Ich kann meine Prinzipien doch nicht über die Gastfreundschaft stellen.“

Sehr gemischte Bilanz als Bundesminister

Über ein Doppelporträt von ihm und FDP-Chef Lindner, der die Verhandlungen abgebrochen hatte und den ich im Urlaub auf Mallorca erreiche, schrieb ich daraufhin. „Zwei wie Feuer und Wasser.“ Auch als kritischer Journalist lässt man sich gelegentlich von Politikern beeindrucken, die anders, offener und selbstkritisch zu sein scheinen als die, die man sonst kennt. Vielen Kollegen ging es wohl genauso.

Habecks Wirken als Wirtschafts- und Klimaschutzminister und Vize von Olaf Scholz habe ich nur aus der Ferne verfolgt. Positiv anrechnen muss man ihm, dass er es geschafft hat, nach dem russischen Überfall auf die Ukraine die Gasversorgung in Deutschland unter Aufgabe grüner Prinzipien sicherzustellen. Und dass er sich und seine Partei entschieden an die Seite der Ukraine gestellt hat. Auch als er schon vor Kriegsbeginn Waffenhilfe für das bedrohte Land forderte und dafür von seine Rivalin, der späteren Außenministerin Baerbock gerüffelt wurde.

Sein Heizungsgesetz und anderes waren jedoch ein Desaster. Für ihn, seine Partei und den Klimaschutz. Auf einmal stand er, der sich immer für  sozialen Ausgleich eingesetzt hatte, als einer dar, der wie andere Grüne die Bürger mit der Brechstange zu ihrem vermeintlichen Glück zwingen wollte, für ein hohes Ziel. Dabei hatte er mir, als ich mit ihm für das Doppelporträt mit Lindner sprach, noch überzeugend begründet, warum er den Ruf nach einem Veggiday im damaligen Wahlkampf für einen verhängnisvollen Fehler hielt: „Wir dürfen nicht als diejenigen dastehen, die Menschen etwas aufzwingen wollen. Damit bestätigen wir nur das Bild der Grünen als elitäre Gouvernantenpartei.“

Schon in seinem Heimatland war er, wie er einräumte, mit seiner Aufgabe aufgelaufen, die erforderlichen Stromtrassen an der Nord- und Ostseeküste zu bauen, um den Windstrom aus dem Norden in den Süden zu leiten. Auch an widerspenstigen Umweltschützern und Parteifeunden, die zwar für die Energiewende sind, aber nicht mit Hochspannungsleitungen über ihr Haus oder Dorf. Auch als Bundesminister schaffte er nicht, den Netzausbau entschieden voranzubringen, ein Grundfehler des immens teuren Energieumbaus, was nun seine CDU-Nachfolgerin Katharina Reiche als vorangigen Ziel lösen will. Wofür sie verrückterweise von den Grünen kritisiert wird, weil es am Denkmal ihres Helden kratzt.

Klug zu reden ist zuwenig

Nett zu sein, nachdenkliche Reden zu halten und sich PR-mäßig mit Wählern an den Küchentisch zu setzen, reicht halt nicht. Wenn man etwas bewegen will, muss man sich gegen mächtige Interessen durchsetzen, auch die Klimalobby und die eigene Klientel. Und man darf nicht Bürger verprellen, die man für die gigantische Aufgabe braucht, den Industriestaat Deutschland karbonfrei zu machen.

Von Wirtschaft hatte Habeck, das merkte man schnell, wenig Ahnung. Das muss nicht schlimm sein, wenn man sich die richtigen Berater holt. Das gelang Habeck jedoch offenkundig nicht. Weshalb an ihm haften bleibt, dass Deutschland unter seiner Verantwortung langfristig in die Rezession rauschte, während sich andere Länder längst von den Folgen des Ukrainekriegs erholt haben.

Völlig überheblich war sein Vorhaben, Kanzler zu werden, obwohl er das vorher selbst für ein falsches Ziel gehalten hatte, da die Grünen auch nach seiner Einschätzung weit davon entfernt sind, mehrheitsfähig zu sein. 2021 scheiterte er damit an Baerbock, die ihn als Frau eiskalt ausbremste, worüber er sich in der ZEIT ausweinte. Im Februar dann brutal an den Wählern. 11,6 Prozent – das war und ist für ihn und die Grünen eine katastrophale Niederlage.

Zugute halten muss man ihm, dass er daran nicht deutelte und ankündigte, sich deswegen aus der aktiven Politik zu verabschieden. Was er nun vollzieht, nicht allerdings, ohne sich in einem taz-Interview selbstgerechte Girlanden zu flechten. Selbstkritik wäre stattdessen angebracht gewesen: „Ich, der tolle Robert, konnte auch nicht über Wasser laufen.“ Hätte er so etwas gesagt, hätten ihm wohl auch politische Gegner Respekt gezollt. So bleibt die Erinnerung an einen, der vieles anders, besser machen wollte. Aber wie viele gescheitert ist. Vor allem an sich selbst.

Die Grünen, die er in neue Gefilde hatte führen wollen, lässt Habeck in einem schlechten Zustand zurück. Sie rücken wieder nach links, von wo er sie geholt hatte, weg von der strategischen, nach allen Seiten offenen Mitte. Das ist sein entscheidenstes Versagen in einer gespaltenen Gesellschaft.

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Tobias
Gast
Tobias
3 Monate zuvor

Eigentlich ein guter Text, bis auf die Frage: was Bitteschön ist eine „Klimalobby“?

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