Katar 2022: Die vielleicht wertloseste WM-Qualifikation des DFB-Teams aller Zeiten

WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien im Hamburger Volksparkstadion. Foto: Daniel Jentsch

Seit Montagabend ist es amtlich. Die DFB-Auswahl hat sich als erste Mannschaft weltweit für die kommende Fußball-WM 2022 in Katar qualifiziert. Dank eines 4:0-Erfolges in Nordmazedonien, bei dem die Tore allesamt in der zweiten Spielhälfte fielen, kann der DFB ab sofort fest für das Turnier planen.

Es war der fünfte Sieg von Neu-Nationaltrainer Hansi Flick in Folge. Damit stellte der Ex-Bayern-Trainer den Startrekord von Joachim Löw ein. Die Stimmung bei Team und Medien ist derzeit entsprechend positiv. Am heutigen Dienstag liest und hört man fast überall nur lobende Stimmen.

Dabei ist die Nachricht bei näherer Betrachtung weit weniger großartig, als sie zunächst scheint. Genauer gesagt war die Qualifikation eigentlich die vielleicht wertloseste aller Zeiten. Und das aus unterschiedlichen Gründen.

Mit 21 Zählern aus acht Qualifikationsspielen steht die deutsche Nationalmannschaft in der Gruppe ‚J‘ einsam an der Tabellenspitze. Rumanien, dessen Vertretung die Flick-Truppe am vergangenen Freitag im Hamburger Volksparkstadion im direkten Duell mit 2:1 besiegt hatte, folgt der DFB-Elf mit acht Punkten Rückstand.

Das ist ein so großer Vorsprung, dass Deutschland die Turnierqualifikation für 2022 frühzeitig nicht mehr zu nehmen ist. Ohne Zweifel ein sportlicher Erfolg. Doch in einer Gruppe mit Liechtenstein, Island, Armenien, Nordmazedonien und eben Rumänien, allesamt keine großen Fußballmächte, sicherlich, bei allem gebotenen Respekt vor den Gegners, eine Selbstverständlichkeit. Man stelle sich einmal den Aufschrei vor, Deutschland wäre bei dieser Konkurrenzsituation in der Qualifikation gescheitert. Die Qualifikation ist also beileibe kein Grund für großes Jubelgeschrei, sondern nur eine erfüllte Pflichtaufgabe.

Hinzu kommt die Frage, wie viel die Qualifikation für ein seit Jahren umstrittenes Turnier, das in den Augen vieler aus diversen Gründen besser boykottiert würde, überhaupt wert ist. Die schier unzähligen Kritikpunkte das WM-Turnier im kommenden Jahr ausgerechnet in Katar auszurichten, haben auch wir hier im Blog ja schon diskutiert. Der renommierte Buchautor und Journalist Dietrich Schulze-Marmeling hatte uns dazu vor ein paar Monaten eine fundierte Diskussionsgrundlage geliefert. An diesen klar benannten Punkten hat sich durch die erfolgte Qualifikation des DFB nichts geändert.

Jetzt, wo Deutschland  auch offiziell ein fester Bestandteil des Turniers in Katar geworden ist, wird sich zeigen, wie ernst die Kritik, die viele Zeitgenossen aus der Fußballszene und sogar DFB-Vertreter grundsätzlich teilten, von diesen wirklich gemeint war. Die reichlich unkritische Stimmung im Umfeld der deutschen Elf lässt in diesen Stunden befürchten, dass vieles davon am Ende dann doch nur reine Lippenbekenntnisse waren bzw. sein werden.

Dabei wäre gerade jetzt die richtige Zeit Größe und Mut zu zeigen, etwas zu riskieren und sich ab sofort erst recht kritisch gegenüber Katar 2022 zu zeigen und zu äußern. Man darf gespannt sein, ob das heikle Thema in den kommenden Tagen noch einmal mit Macht zurück auf die Fußball-Tagesordnung kommt, oder aber, ob durch die im Grunde von Anfang an selbstverständliche sportliche Qualifikation in einer schwachen Gruppe der Schalter bei Verband und Medien unwiderruflich auf ‚Business as usual‘ umgelegt wurde….

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Manfred Michel
Manfred Michel
2 Jahre zuvor

Ob in Katar auch die Regenbogenfahnen zu sehen sind? Und wenn nein, wird dann auch die richtig Druck gemacht? Wird es dann auch einen Aufschrei und eine Welle der Empörung geben? Schauen wir mal.

ke
ke
2 Jahre zuvor

Was ist Fußball langweilig geworden. Eine Quali mit vielen Mini-Ländern und riesigen Leistungsunterschieden. Dann kommen auch noch extrem viele Mannschaften weiter.

Fußball zum Abgewöhnen.

Haltung zeigt der Fußball doch nur auf Spruchbändern und bei ein paar PR Terminen.

Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin,
Zustimmung, wenn Du Dich kritisch äußerst wegen der Euphorie einiger "Nationalspieler" und in einigen Medien, wenn es um die Erfolge der DFB-Auswahl in der WM-Qualifikation geht und daraus ableitet, "man "wolle und "man" werde um den Titel mitspielen.

Ich habe mir das Spiel Frankreich-Spanien mit dem 2-1 Sieg Frankreichs angesehen und einen Tag später das Spiel Deutschland-Nordmazedonien. Für jeden Fußball-Fan wurde dabei "überdeutlich" demonstriert. daß die DFB-Auswahl meilenweit entfernt ist vom Leistungsstand der französischen udn der spanischen Auswahl. Das gilt für mich auch im Vergleich mit der italienischen und der belgischen Auswahl. LIchtenstein, Armenien, Island, Rumänien, Nordmazedonien sind nicht , auch nicht annähernd mit der Leistungsstärke der englischen, der dänischen, der schwedischen, der portugisischen Auswahl zu vergleichen, ganz zu schweigen -sh.WM- von den Mannschaften Brasiliens und Argentiniens.

Robin,
in Deinem Sinne erscheint auch mir daher mit Blick auf das Leistungsvermögen der DFB-Auswahl und mit Blick auf deren Erfolgsaussichten bei der nächsten WM nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Erfolge in der Quali "Demut" und nicht "Hochmut" angesagt zu sein -gilt für Spieler, Trainer, Funktionäre, Medien und nicht zuletzt für "uns Fußball-Fans".

DAVBUB
DAVBUB
2 Jahre zuvor

Ich wette mal ein halbes Hähnchen und ein Kaltgetränk darauf, daß die ersten Worte des auserkorenen Plattitüdenchefs nach Anpfiff des Eröffnungsspiel sinngemäß so lauten werden:" Es ist viel geredet, viel kritisiert worden an dieser WM. Besonders was Menschrechte und Arbeitsbedingungen beim Bau der Sportstätten anging, aber jetzt rollt der Ball, jetzt wollen wir uns auf das Spiel freuen…"

Christian
Christian
2 Jahre zuvor

Sport ist Sport und Politik ist Politik. Des weiteren hilft Sport bei der Verständigung zwischen den Kulturen und so weiter und sofort das ist das Gespräch der Funktionäre

Meiner Meinung nach liegt der Hebel gegen Katar nicht bei den Verbänden, sondern bei den Spielern. Jeder Spieler hat die Möglichkeit dort fern zu bleiben und zu zeigen das Human Rights nicht nur ein Slogan auf ein T-shirt oder Banner ist.

Holgaaa
Holgaaa
2 Jahre zuvor

@Christian: Manche Spieler, insbesondere der kleineren Nationen, haben nur einmal im Leben die Möglichkeit bei einer WM dabei zu sein. Nun von diesen zu verlangen die WM zu boykottieren wäre ein bisschen viel verlangt.

Im Endeffekt wird es eine WM wie jede andere auch werden (Die letzte war ja auch nicht gerade in einem freiheitlichen Vorzeigeland)! Die Einschaltquoten werden nicht besser oder schlechter werden und die Stadien werden auch voll sein. Im übrigen werde ich mir die Spiele auch anschauen, weil ich einfach Fußball Fan bin. Ob ich mir das anschaue oder nich, an der Menschenrechtslage in Katar wird sich eh nix ändern.

Im übrigen hab ich durch die WM im Winter endlich mal entspannt Fußball schauen weil alle Partien ab dem Viertelfinale in die Betriebsferien meines Arbeitgebers fallen.

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[…] DFB selber hat sich in der Vergangenheit nach außen deshalb schon kritisch positioniert, jedoch bisher ohne echte Konsequenzen zu ziehen. An dem Turnier selber nicht teilzunehmen, was ein wirklich starkes Zeichen gewesen wäre, kam […]

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[…] Es mehrten sich im Laufe der Zeit die Stimmen, die dem DFB einen Verzicht naherlegten. Schon zum Zeitpunkt der Qualifikation für Katar, war das allen Fußballinteressierten klar. Die wirtschaftlichen Interessen und der Gedanke an die […]

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