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Kulturmetropole Ruhr – Über kulturelle Strategien der Ruhrregion für die nächste Dekade

Eröffnungsfeier Zollverein Foto: Ruhrbarone
Ruhr2010 Eröffnungsfeier Zollverein Foto: Ruhrbarone

Internationale Veranstaltungsformate wie das Projekt „Kulturhauptstadt Europas“ erzeugen schon zum Zeitpunkt der erfolgreichen Realisierung das Bedürfnis nach Kontinuität und Nachhaltigkeit. Ruhr 2010 hat deshalb vor dem eigentlichen Ereignisjahr einen Masterplan zur „Kulturmetropole Ruhr 2020“ begonnen – als Strategie für die nächste Dekade. Die Kulturhauptstadt sollte kein temporares Einzelereignis bleiben. Erarbeitung und Beteiligung schufen dann im weiteren Verfahren nicht nur eine Meistererzählung, sondern bei schwierigster Haushaltslage die Legitimation und politische Mehrheit für ein ab 2012 jährliches Budget von knapp 5 Millionen Euro. Das programmatische Erbe der deutschen Kulturhauptstadt 2010 ist dank dieser regionalen Alimentierung für die weitere Zukunft gesichert. Ein Exzellenzcluster mit den Elementen „Identität, Intervention, Netzwerk und Destination“ kann entstehen. Von unserem Gastautor Dieter Nellen.

Experiment „Urbane Künste“ und „Emscherkunst 2013“

Das zweifellos experimentellste Modul figuriert unter dem Label “Urbane Künste“. Es ist als neue Programmsäule bei der Trägergesellschaft der RuhrTriennale angesiedelt und wird neben gemeinsamen Projekten autonom eigene Angebote entwickeln. „Pulse Park“, eine Lichtperformance im nächtlichen Park der Jahrhunderthalle Bochum, machte 2012 den Anfang der Programmallianz. Die konzeptionelle Grundlage ist ein Rekurs  auf eine mittlerweile gewachsene „Ruhrbanität“. Diese liefert – nicht nur hier – atmosphärisch die Themen für Zukunftsdiskurse in „mobilen Laboren“, gibt die inhaltliche Matrix für „regionale Interventionen und Strategien“. Der räumliche und genetische Bezug ist die nicht gerade selbstverständliche Begabung der Region für ein identitätsstarkes Kulturprofil und für Kunst im öffentlichen Raum. Ganz woanders wagt man jetzt auch die Intervention: München geht in diesem Jahr mit der Ausstellung “A Space Called Public. Hoffentlich Öffentlich“ in die urbane Mitte.

Die erste Generation von Landschafts- bzw. Landmarkenkunst schuf die Internationale Bauausstellung EmscherPark. Das neue Format „Emscherkunst“ verspricht in zeitgemäßer Inszenierung nach einer erfolgreichen Premiere in 2010 eine spektakuläre Fortsetzung. Gemas dem zeitlichen Rhythmus der documenta kann man in diesem Sommer 100 Tage lang einen Ausstellungsparcours künstlerischer Landschaftsintervention im weiteren Mündungsbereich der Emscher im wörtlichen wie übertragenen Sinne erfahren.

European Center for Creative Economy (ECCE)

Das Ruhrgebiet bietet historisch nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine „kreative“ Metropole. Schöpferische Köpfe (wenn man sie nicht als klassisch technische Intelligenz definiert) arbeiten eher für die großen Werbeadressen in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München. Das kann sich allmählich ändern, wenn man der von Ruhr 2010 entworfenen Landkarte größerer und kleinerer „Kreativarchipele“ in der Region folgt. Deswegen war es grundsätzlich richtig, mit der Gründung eines „European Center of Creative Economy“ (ECCE) eine strategische und inhaltliche Plattform für ein regionales Netzwerk der Kreativszene an Rhein und Ruhr in europäischer Dimension zu schaff en. Erfolgreiche Arbeit wird ECCE hoffentlich mit neuen Destinationen für die Kreativwirtschaft und bewegenden Diskursen leisten. Der Sitz der Gesellschaft ist nicht zufällig das projektierte Kreativ-Quartier um das Dortmunder U. Eine solche Entwicklung braucht allerdings Zeit.

System von Netzwerken und die UNESCO-Bewerbung „Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“

Ruhr 2010 hat zahlreiche Kooperationen bei Theatern, Museen, Kunstvereinen und verschiedenen regionalen Initiativen hinterlassen. Die Erfahrung gemeinsamer Stärke ist inzwischen fest in der Tiefe der Region verankert. Eine enge Zusammenarbeit entwickeln die RuhrKunstMuseen, die ihre früher ausgeprägte Insularität hinter sich gelassen haben und Nachbarschaft nicht mehr als Konkurrenz, sondern als Auftrag verstehen. Neben Marketing und Ausstellungskooperation könnte jetzt ein gemeinsamer Entwurf für die Weiterentwicklung der einzelnen Häuser mit ihrem teils räumlich begrenzten Entstehungsauftrag folgen. Es müsste zumindest auf lange Sicht ein regionales System mit funktionaler Differenzierung entstehen, um der national noch unterbewerteten Museumslandschaft des Ruhrgebietes eine wahrnehmungsstarke Struktur ähnlich den Ausstellungsorten in anderen Metropolen zu verleihen. Und ein solcher Entwurf – nennen wir ihn Masterplan – wäre ganz nebenher der beste argumentative Schutz gegen fiskalisch induzierte Kürzungs- und Schließungsdebatten. Genau das versucht die konzeptionelle und räumliche Ausdehnung des Welterbe-Status vom Zollverein in Essen zur „industriellen Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ zu leisten – mit der rezipierenden Weiterentwicklung eines historischen Verbundsystems zu einem internationalen Netzwerk und regionalen Matrix der Industriekultur. Die Chancen stehen gut: Die Bewerbung für die sogenannte Tentativliste der UNESCO wird von Nordrhein-Westfalen als größtem Bundesland exklusiv favorisiert.

Dekadenformate und Klimawandel als Schlüsselthema der Kulturwissenschaft

Internationale Bauausstellungen wie in Hamburg (2013 zeitgleich mit der Internationalen Gartenschau), Berlin, Basel (beide 2020) und Heidelberg (2022) haben selbst an solchen Orten Konjunktur, wo die Konstitution des Raums nicht mit der Dringlichkeit der Regional- und Stadtentwicklung wie an der Ruhr einhergeht. Die Region ist alles in allem mit der IBA Emscherpark (1989-1999), dem mutigen Festival der RuhrTriennale, der europäischen Kulturhauptstadt in deutschem Format und weiteren Strukturprogrammen gut gefahren. Die verschiedenen regionalen Veranstaltungsformate haben sich bewährt und werden um neue wie den „European Ruhr Games 2015/2016“, einem Wettbewerb der europäischen Sportjugend, ergänzt. Die Organisationsstruktur ist dafür vorhanden.

Bei dieser Regionalisierung der Kultur- und Standortpolitik gab und gibt es so gut wie keine parteipolitischen Grenzen – angesichts der Indifferenz dieser Strategie für die Verteilung der politischen Mehrheiten. Die Suche nach einem neuen markanten Dekadenformat hat längst begonnen. Die aktuellen Programmchiffren lauten „Grüne Hauptstadt Europas“ und „Klima-Expo NRW 2020“. Die „Green Capital“ ist als interkommunale Bewerbung zunächst an den restriktiven Bedingungen der EU gescheitert. Anders als bei der Kulturhauptstadt zählt für eine Nominierung nur die Qualität der kommunalen Projekte der einzelnen Bewerberstadt. Regionale Referenzen spielen für die Verleihung dieser europäischen Franchise-Lizenz zunächst keine Rolle.

Eine Klima-Expo NRW mit starker Ausformung in der Metropole Ruhr wäre demgegenüber ein Projekt mit stärkerer eigener Definitionsmacht und Gestaltungshoheit. Sie wurde als ökologisches Narrativ sowohl die Kontinuität des „Wandels durch Kultur“ in neuer Variante fortsetzen wie auch zu verbindenden Fragen der Kultur- und Umweltpolitik führen. Claus Leggewie vom Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen hat die relevanten Bezüge benannt: „Der Klimawandel bedeutet nicht weniger als eine kulturelle Revolution, und Klimaforschung wird damit zu einem Schlüsselthema auch der Kulturwissenschaft“.

Neue Dachmarke in eigener Regie

Man setzt dabei im Bewusstsein der bisherigen Erfolge auf die nachhaltige Kraft des eigenen konzeptionellen „Local Branding“. Die autoritative und zu gewissen Zeiten notwendige Intervention nach dem Intendantenprinzip ist hierfür weniger gefragt. Die neue Dachmarke in eigener Regie soll die großen und kleinen Zukunftsprojekte in der Region bei den Themenfeldern „Klima.Wandel.Stadt“ unter einem Label zusammenführen und die Metropole erneut für ein großes Thema der Zeit kampagnenfähig machen. Ein bürgerschaftliches Mobilisierungsfestival „Morgensonne“ wird für 2014 vorbereitet.

Anerkennung verdient im gleichen Zusammenhang das von der Privatwirtschaft an der Ruhr gestartete Projekt der sogenannten „Innovation City Ruhr“, eines zunächst bescheidenen Klimaprogramms für eine einzelne Stadt – aber durchaus mit dem „Zeug für Höheres“, als Paradigma des ökologischen Wandels der ganzen Region.

Beide Projekte sind auch eine ambitionierte Annonce gegenüber der Landesregierung von NRW. Diese bietet bisher von ihrer Seite die Möglichkeit der Präsentation in der größeren räumlichen Kulisse von Nordrhein-Westfalen: „Die Klimaschutz-Expo soll als Dekadenprojekt angelegt werden. Die Entwicklung und Umsetzung erfordert eine langfristige Ausrichtung. Die auf diesem Weg in Nordrhein-Westfalen bereits initiierten Vorhaben und Projekte wollen wir in regelmäßigen Abständen an einem für das Land zentralen Messestandort im Ruhrgebiet praxisnah und prozessorientiert präsentieren“. Eine dazu nötige Ausstellungsagentur konstituiert sich allmählich. Noch ist vieles in einer Phase des Entwurfs. Diese konnte aber bald durchaus eine Dynamik gewinnen, die in der methodischen Kontinuität zu den regionalen Vorgängerformaten den Rahmen für ein Dekadenprojekt Ruhr 2020 mit vergleichbarer Identitätsstärke schafft. Es besteht Anlass zur Zuversicht.

Dieter Nellen ist Leiter des Referates Kultur und Sport beim Regionalverband Ruhr. Der Text erschien bereits in der Print-Ausgabe der Zeitschrift Politik und Kultur.

 

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Marie Holtmannspötter
Marie Holtmannspötter
11 Jahre zuvor

Gibt es den Gast-Beitrag auf auf Deutsch? Ich spreche Fremd- und Fachsprachen, aber diese hier verstehe ich einfach nicht.

teekay
teekay
11 Jahre zuvor

Leider wird der Beitrag selbst zu einem interessanten Anschauungobjekt einer Kulturplanunsbuerokratie die offenbar in eigenen diskursiven Sphaeren froehlich vor sich hin schwebt. In meinem Kopfkino hat sich eine Mischung aus Monty Python und Loriot abgespielt…irgendwo ist von einer ‚Ausstellungsagentur‘ die Rede-das klingt nach einer Zoo-artigen Arbeitsbeschaffungsmassnahme aber doch nicht nach visionaeren Konzepten fuer eine ganze Dekade. Und dann immer wieder die gleiche alte Leier, dass man ja leider kein Geld habe-wo gibt es eine, EINE Kulturmetropole oder -region in der ohne Investititionen was entstanden ist? Und ich meine nicht UNESCO-Zeug oder Industriekultur. Investiert in die Unis! Bietet kostenlose Kita-Plaetze an! Baut den OEPNV aus! Dann kommen mit der Zeit die Leute und Impulse. Ich habe nix gegen Rentner auf Elektro-Bikes die die Radwege um die Industriekultur erkunden, aber das ist ja eher keine ‚Strategie‘ fuer die naechste Dekade…und etwas ‚zielgruppenorientierter‘ koennte die Kommunikation schon sein-aber daran besteht ja eher kein Interesse. Also: Froehliches Kulturplanungsbullshitbingospielen!

Cman
Cman
11 Jahre zuvor

War ja klar, dass der Ruhrbarone Dauerleser einer abstrakteren, manchmal aber dadurch genaueren Sprache und längeren Sätzen nicht mehr schafft. Der übliche Stil hier sind sonsts ja mittelmäßig inspirierte Sätze mit überschaubaren Wortschatz und geistiger Tiefe. Haben deshalb die üblichen Verdächtigen LaurinVossLohmann noch gar nicht kommentiert?

Stefan Laurin
Admin
11 Jahre zuvor

@Karmapilot/“Cman“: Wieso glaube ich die ganze Zeit, sie gehören irgendwie zur Lab-Versagertruppe? 🙂

Arnold Voss
11 Jahre zuvor

@ Cman

Ich habe sie nicht verstanden, Cman. 🙂

abraxasrgb
abraxasrgb
11 Jahre zuvor

Hey nach der Realsatire weiss ich, was ich will:
Klimawandel für die Kreativität und Artenschutz – weniger inflationäre Welterbe, weniger Quar-Tiere dafür mehr kreative Menschen 😉
Gibt es eigentlich auch intellektuelle Umweltverschmutzung? Falls ja, dann sollten sich die Ruhrbarone zur Umweltzone erklären 😉
Frei nach Karl Kraus: Wenn die „Morgensonne“ der Vernunft tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten … soweit zum Thema Dachschadenmarke.

Marie Holtmannspötter
Marie Holtmannspötter
11 Jahre zuvor

Ich habe mir den Spaß (?) gemacht, eine einfache Übung aus meinem ehemaligen Deutsch-Leistungskurs durchzuführen, mit der man einen Text deutlicher auf seine Kernaussagen reduzieren kann. Man versucht, für jeden Satz die einfache Struktur von Subjekt-Prädikat-Objekt offenzulegen – so weit wie dies überhaupt möglich ist.
Heraus kommt ein völlig verquaster Text, an dem es echt nichts zu verstehen gibt, weil er selbst nur völlig unverständliche Sprechblasen absondert und wohl blind darauf vertraut, dass der ganze Beschwörungsformel-Bluff im Rahmen von Lobbyisten oder leicht zu beeindruckender Politiker funktioniert.

Der Text also im Kern:

„Formate erzeugen Bedürfnis nach Kontinuität und Nachhaltigkeit. Ruhr 2010 hat vor Ereignisjahr einen Masterplan begonnen – als Strategie für Dekade. Erarbeitung/Beteiligung schufen Meistererzählung. Programmatisches Erbe der Kulturhauptstadt 2010 ist dank Alimentierung für Zukunft gesichert. Exzellenzcluster mit Elementen „Identität, Intervention, Netzwerk und Destination“ kann entstehen.
Das experimentellste Modul figuriert unter Label. Es ist als Programmsäule bei Trägergesellschaft angesiedelt und wird autonom Angebote entwickeln. „Pulse Park“ machte Anfang der Programmallianz. Konzeptionelle Grundlage ist Rekurs auf „Ruhrbanität“. Diese liefert Themen für Zukunftsdiskurse in „mobilen Laboren“, gibt Matrix für „regionale Interventionen und Strategien“. Der räumliche und genetische Bezug ist Begabung der Region für identitätsstarkes Kulturprofil und für Kunst im öffentlichen Raum.
Format „Emscherkunst“ verspricht in zeitgemäßer Inszenierung spektakuläre Fortsetzung. Gemäß dem zeitlichen Rhythmus der documenta kann man Ausstellungsparcours künstlerischer Landschaftsintervention im weiteren Mündungsbereich der Emscher erfahren.

European Center for Creative Economy (ECCE)
Ruhrgebiet bietet nicht die besten Voraussetzungen für „kreative“ Metropole. Schöpferische Köpfe arbeiten für Werbeadressen in Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und München. Das kann sich ändern, wenn man der Landkarte größerer und kleinerer „Kreativarchipele“ in der Region folgt. Deswegen war es richtig, mit Gründung eines „European Center of Creative Economy“ (ECCE) Plattform für Netzwerk der Kreativszene an Rhein und Ruhr in europäischer Dimension zu schaffen. Arbeit wird ECCE hoffentlich mit neuen Destinationen für Kreativwirtschaft und Diskursen leisten. Der Sitz der Gesellschaft ist das projektierte Kreativ-Quartier um Dortmunder U. Solche Entwicklung braucht Zeit.

System von Netzwerken und UNESCO-Bewerbung „Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“
Ruhr 2010 hat Kooperationen hinterlassen. Erfahrung gemeinsamer Stärke ist in Tiefe der Region verankert. Eine Zusammenarbeit entwickeln Museen, die ausgeprägte Insularität hinter sich gelassen haben und Nachbarschaft nicht mehr als Konkurrenz, sondern als Auftrag verstehen. Neben Marketing und Ausstellungskooperation könnte Entwurf für Weiterentwicklung der einzelnen Häuser mit ihrem teils räumlich begrenzten Entstehungsauftrag folgen. Es müsste System mit Differenzierung entstehen, um der Landschaft eine Struktur zu verleihen. Ein Entwurf – nennen wir ihn Masterplan – wäre Schutz gegen fiskalisch induzierte Kürzungs- und Schließungsdebatten. Genau das versucht die Ausdehnung des Welterbe-Status vom Zollverein in Essen zur „industriellen Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ zu leisten – mit der rezipierenden Weiterentwicklung eines historischen Verbundsystems zu einem internationalen Netzwerk und regionalen Matrix der Industriekultur. Die Bewerbung für Tentativliste der UNESCO wird exklusiv favorisiert.

Dekadenformate und Klimawandel als Schlüsselthema der Kulturwissenschaft
Internationale Bauausstellungen haben an Orten Konjunktur, wo Konstitution des Raums nicht mit Dringlichkeit der Regional- und Stadtentwicklung wie an der Ruhr einhergeht. Region ist mit der IBA Emscherpark, dem Festival der RuhrTriennale, der europäischen Kulturhauptstadt in deutschem Format und weiteren Strukturprogrammen gut gefahren. Regionale Veranstaltungsformate haben sich bewährt und werden um neue ergänzt. Organisationsstruktur ist vorhanden.

Bei Regionalisierung der Kultur- und Standortpolitik gibt es keine parteipolitischen Grenzen – angesichts der Indifferenz dieser Strategie für die Verteilung der politischen Mehrheiten. Die Suche nach markantem Dekadenformat hat begonnen. Die Programmchiffren lauten „Grüne Hauptstadt Europas“ und „Klima-Expo NRW 2020“. „Green Capital“ ist als interkommunale Bewerbung an restriktiven Bedingungen der EU gescheitert. Anders als bei Kulturhauptstadt zählt für eine Nominierung nur Qualität der kommunalen Projekte der einzelnen Bewerberstadt. Regionale Referenzen spielen für Verleihung dieser europäischen Franchise-Lizenz keine Rolle.
Klima-Expo NRW mit starker Ausformung in der Metropole Ruhr wäre demgegenüber Projekt mit stärkerer eigener Definitionsmacht und Gestaltungshoheit. Sie wurde (sic!) als ökologisches Narrativ sowohl die Kontinuität des „Wandels durch Kultur“ in neuer Variante fortsetzen wie auch zu verbindenden Fragen der Kultur- und Umweltpolitik führen.

Neue Dachmarke in eigener Regie
Man setzt auf nachhaltige Kraft des konzeptionellen „Local Branding“. Die autoritative Intervention nach dem Intendantenprinzip ist weniger gefragt. Dachmarke in eigener Regie soll Zukunftsprojekte bei Themenfeldern „Klima.Wandel.Stadt“ unter Label zusammenführen und Metropole für großes Thema der Zeit kampagnenfähig machen. Bürgerschaftliches Mobilisierungsfestival „Morgensonne“ wird für 2014 vorbereitet.
Anerkennung verdient Projekt „Innovation City Ruhr“, eines Klimaprogramms für eine einzelne Stadt – aber durchaus mit dem „Zeug für Höheres“, als Paradigma des ökologischen Wandels der ganzen Region.
Beide Projekte sind ambitionierte Annonce gegenüber der Landesregierung von NRW. Diese bietet Möglichkeit der Präsentation in Kulisse von Nordrhein-Westfalen: „Klimaschutz-Expo soll als Dekadenprojekt angelegt werden. Die Entwicklung und Umsetzung erfordert langfristige Ausrichtung. Die in Nordrhein-Westfalen bereits initiierten Vorhaben und Projekte wollen wir an Messestandort im Ruhrgebiet praxisnah und prozessorientiert präsentieren“. Dazu nötige Ausstellungsagentur konstituiert sich. Noch ist vieles in Phase des Entwurfs. Diese konnte (sic!) aber bald durchaus eine Dynamik gewinnen, die in der methodischen Kontinuität zu den regionalen Vorgängerformaten den Rahmen für ein Dekadenprojekt Ruhr 2020 mit vergleichbarer Identitätsstärke schafft. Es besteht Anlass zur Zuversicht.“

Arnold Voss
11 Jahre zuvor

Danke Marie. Aber wo ist Cman geblieben?

Arnold Voss
11 Jahre zuvor

Jetzt mal unabhängig davon, wie der Text geschrieben wurde, zu seinem Inhalt.

1. Die Idee das Ruhrgebiet zumindest kulturell als „eine große Stadt“ anzusehen gab es schon bei der Vorbereitung der Kultuhauptstadt und ich finde es gut, dass sie nach Ruhr2010 weiter gedacht und unter dem Begriff Kulturmetropole auch weiter organisiert wird. Ich bezweifele jedoch, dass damit das Kirchturmdenken in der Stadtregion ernsthaft in die Schranken verwiesen werden kann.

2. Es gibt zweifellos eine Verbindung zwischen den ökologischen Zwängen des Klimwandels und unseren kulturellen Praktiken, die auch in ihrer besonderen regionalen Komponente der diesbezüglichen Diskussion und Veränderung bedürfen. Aber schon beim Thema Mobilität kann man im Ruhrgebiet sehr gut den Unterschied zwischen Worten und Taten studieren. Eine neue Mobilitätskultur setzt auch entsprechende infrastrukturelle und organisatorische Verbesserungen voraus, und genau auf diese Gebiet geschieht hier seit vielen Jahren auf Grund der Kirchturmpolitik so gut wie nichts.

3. Die Industriekultur ist zwar mittlerweile ein Markenzeichen der Region geworden, aber mit ihr lässt sich das kulturelle Hauptproblem der Region nicht lösen: Der permanente Wegzug junger und gut ausgebildeter Menschen dem so gut wie kein Zuzug eben dieser Gruppe aus anderen Regionen gegenüber steht. Dieser soziokulturelle Aderlass lässt sich bislang weder durch die Kreativquartiere noch durch ECCE aufhalten.

4. Die Konzentration auf Dekaden- und Großprojekte birgt bei beschränkten Mitteln, wobei deren Reduktion auf Grund des Fastbankrottes nahezu aller Ruhrstädte weiter zunimmt, die große Gefahr, der kulturellen Basisarbeit und deren Institutionen das schon knappe Geld ganz zu entwenden. Damit nimmt sich diese Strategie auf Dauer unausweichlich ihre eigene regionale Basis, sprich sie ist im Kern nicht nachhaltig sondern selbstzerstörerisch.

5. Im gesamten Artikel kommen die Worte Armut, Migration und Bildung nicht ein einziges Mal vor. Wer sich aber diesen Themen bei einer nachhaltigen Kulturstrategie für das Ruhrgebiet nicht stellt, der verdrängt einen großen Teil der kulturellen Wirklichkeit in dieser Region. Wandel durch Kultur heißt für mich auch, dass sich die Kultur oder besser die Auffassung der Kulturstrategen von Kultur so zu ändern hat, dass sie schon in der Analyse die kulturelle Wirklichkeit abzubilden in der Lage ist. Das aber tut dieser Artikel respektive die damit dargelegte Strategie leider nur sehr bedingt.

Gerd Herholz
11 Jahre zuvor

# 10 Arnold, # 9 M.H., bei dem, was du sagst, Arnold, lohnt es sich wirklich weiterzudenken.
Der schönen Entrümpelung des Gastbeitrags durch Holtmannspötter ist nur hinzuzufügen: Bei mir wäre die Sprachanalyse noch drastischer ausgefallen, denn die Reduktion auf die Kernsätze ist zwar allein schon äußerst erhellend, eine genaue Analyse der Kernsätze aber würde vollends deren Substanzlosigkeit entblößen.
Wird Zeit, dass der RVR nicht mehr nur in politischen Proporz-Gremien für die Region plant, sondern mit ihr, also den wirklichen Dialog ergebnisoffen zulässt und sich nicht durch den Druck einer Kampagnenpolitik von einem Bockshorn ins andere jagen lässt. Alle wollen über Master-Pläne tatsächlich nur noch „Master“ (von oben) spielen, master of the cultural universe.
Zurzeit aber erleben wir ja gerade, dass kulturelle Infrastruktur (wie vor 2010 befürchtet) überall kommunal wie regional zusammenbricht (und weiter zusammenbrechen wird). Da hilft keinerlei Dekaden-Kampagnen-Fassade mehr heraus. Nichts gegen Großprojekte, aber sie müssen sinnvollerweise die Menschen und ihre Initiative in der Region voranbringen und nicht bloß noch Marketing und die, die dran verdienen.
Dann wird’s auch was mit neuem Schwung und neuen Bildern aus dem Ruhrgebiet.

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