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Langemeyer: „Ich kann gut loslassen“

Gerhard, genannt Gerd, Langemeyer, ist ein Mann der klaren Worte. Im Interview mit den Ruhrbaronen hat sich der Dortmunder Oberbürgermeister Zeit genommen, über seine Stadt, das Ruhrgebiet, die SPD und Wolfgang Clement zu sprechen. Vor allem der Wahlkampf im Ruhrgebiet steht dabei natürlich im Mittelpunkt. Denn Gerd will nochmal ran.

Dortmund OB Gerhard Langemeyer. Foto: Stadt Dortmund

Im Gespräch kündigt Langemeyer direkt an, bis 2015 regieren zu wollen. Eine mutige Ankündigung: denn der derzeit mächtigste Oberbürgermeister im Pott steht in der eigenen Stadt unter Druck. Noch im Sommer hatte der SPD-Vorstand um den Unterbezirksvorsitzenden Franz Josef Drabig versucht, den regierenden SPD-Oberbürgermeister zu stürzen. Der Amtsinhaber sollte nicht bei den Wahlen antreten. Mit einem beispiellosen Kraftakt hat Langemeyer aber die parteiinternen Kritiker gezwungen, seine Kandidatur zu unterstützen. Er drohte damit, beim Nominierungsparteitag im Herbst gegen den Kandidaten des Vorstands in einer Kampfabstimmung anzutreten. Diese ungewöhnliche Drohung zeigte Wirkung. Die Langemeyer-Kritiker fügten sich mit der Faust in der Tasche.

Wir treffen den Oberbürgermeister in seinem Büro am Friedensplatz. Alles modern eingerichtet, ein paar Kunstwerke an der Wand, ein niedriger Couchtisch, Kaffe und Wasser. Es kann losgehen.

———

Ruhrbarone: Herr Langemeyer, seit 1999 sind Sie Oberbürgermeister von Dortmund. Jetzt wollen Sie bei den Wahlen im nächsten Jahr wieder antreten. Warum eigentlich? Können sie nicht die Macht loslassen?

Langemeyer: Ich kann gut loslassen. Aber im konkreten Fall habe ich eine ganze Reihe von Themen angefasst, die noch nicht abgeschlossen sind. Das Dortmund Projekt wurde ausgelegt bis 2010, das Museum im Dortmunder U wird zu Kulturhauptstadtjahr 2010 fertig gestellt. Und natürlich ganz herausragend die Phoenix-Standorte Ost und West. Der neue See wird Ende 2009 geflutet. 2010 wird man etwas sehen können. Und richtig gut wird es vielleicht 2012.

Heißt das: wenn Sie die Wahl gewinnen, kündigen Sie jetzt schon Ihren Rücktritt 2012 an?

Nein. Wie käme ich dazu. Es ist noch einiges zu tun. Das Familienprojekt, der Aktionsplan soziale Stadt. In Süddeutschland ist die Wahlperiode für einen Oberbürgermeister 8 Jahre lang. Nehmen sie zwei Perioden, dann kennen sie den Zeitraum, den ich anstrebe.

Dortmund hat seit kurzem mehr Arbeitslose als der Kreis Gelsenkirchen. In ihrer Amtszeit ist Dortmund auf dem letzten Platz der Arbeitsmarktstatistik in NRW gefallen. Auch so ein Projekt, das Sie vollenden wollten?

Man muss die Zahlen differenziert betrachten. Wir haben 1999 gesagt, wir brauchen 70.000 neue Arbeitsplätze, um die Beschäftigungslücke aus den Bereichen Kohle, Stahl und Bier zu schließen. Die Berater von McKinsey haben gesagt, dies sei bis 2010 zu schaffen. Das war aber vor der Krise am neuen Markt. Außerdem haben die Berater unterschätzt, wie viel Zeit man braucht, um mit Hilfe von Fördermitteln, auch aus der EU, Strukturen im Ruhrgebiet zu verändern. Insofern ist das Ziel mutig gewesen, aber aus heutiger Sicht nicht mehr zu erreichen. Trotzdem haben wir bis heute weit über 37.000 neue Arbeitsplätze gewonnen.

Trotzdem haben sie jetzt die rote Laterne. Tut das nicht weh?

Ich will die Zahlen nicht in einem Städteranking nebeneinander stellen. Man muss sich die örtliche Situation anschauen. In Dortmund ist nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze gestiegen, sondern wir sind jetzt auch bei der Zahl der versicherungspflichtigen Jobs wieder im Vormarsch. Es gibt den richtigen Trend.

Wenn Gelsenkirchen Sie überholt hat, hat dann Gelsenkirchen mehr richtig gemacht als Dortmund?

Ich will das nicht nebeneinander stellen.

Dortmund schneidet ja sonst gut in den Städterankings ab.

Ich hab nichts dagegen, wenn wir gut abschneiden. Aber ich nehme es auch in Kauf, wenn wir in anderen Rankings schlecht abschneiden. Die Frage ist, haben wir genügend getan? Wir haben die Hälfte des Weges hinter uns gebracht. Wir werden sicher die Beschäftigungslücke schließen.

Wie kommen Sie darauf?

Ich habe sichere Anzeichen. Am Montag war ich bei Boehringer-Ingelheim. Das Unternehmen will seinen Standort hier weiter ausbauen. Die Beschäftigtenzahlen werden auf 900 verdreifacht. Beim Ikea-Logistikzentrum hatten wir vor drei Jahren im Dortmunder Norden null Jobs. Jetzt haben wir 1300. Es gibt viele solcher Beispiele. Unsere Konzentration auf Cluster hat Erfolg.

Es braucht halt nur länger?

Ja. Bestimmte Prozesse dauern halt länger.

Im Februar zum Beginn des Wahlkampfes im kommenden Jahr werden Sie 65 Jahre alt. Andere gehen an so einem Tag in den Ruhestand. Ist der runde Geburtstag ein guter Wahlkampfauftakt?

Ich will nicht über die Rente mit 67 diskutieren. Ich meine aber, dass für Politiker die Altersgrenze wegfällt. Mit welchem Alter treten heute Präsidentschaftskandidaten an? Mit welchem Alter werden Menschen Minister? In der deutschen Geschichte gibt es Beispiele, dass alte Menschen Kanzler werden.

Sie meinen Konrad Adenauer, der mit 73 Jahren erstmals Kanzler wurde….

Man kann an diesen Geschichten sehen, dass man einen verantwortungsvollen Job unabhängig vom Alter, aber abhängig von der Gesundheit machen kann.

Oder gibt es einfach in Dortmund keinen anderen Politiker, der Sie verdrängen könnte?

Es gibt andere, die das Amt auch ausfüllen können. Und es ist normal, dass es Diskussionen gibt. Aber ich wurde nun einmütig vom Unterbezirksvorstand und von meinem Ortsverein als Kandidat für das Oberbürgermeisteramt vorgeschlagen.

Befürchten sie keinen Putsch? Noch vor zwei Monaten wollte Sie der Unterbezirksvorstand absägen. Sie stehen vielen Karrieren in der Stadt im Weg.

Ich kenne das politische Geschäft auf vielen Ebenen. Im Land, im Bund und in der Kommune. Kennen Sie eine Situation ohne Personaldebatte? Die Kanzlerkandidatur von Angela Merkel war auch umstritten….

Aber Merkel war noch jung….

Ja gut.

Zudem musste sich Merkel nicht gegen ihren eigenen Parteichef durchsetzen.

Dass man manchmal andere taktische Überlegungen hat, ist doch normal. Das Thema ist jetzt für mich abgeschlossen.

Es wurde viel über Sie in der Öffentlichkeit diskutiert. Verletzt das nicht?

Ich bin Profi genug, um das wegzustecken.

Normalerweise geht man mit 65 nach Hause. Warum Sie nicht? Warten Ihre Frau und Ihr Sohn nicht auf Sie?

Mein Sohn ist groß genug. Er ist Facharzt für innere Medizin und hat eine nette Familie.

Die will Sie auch nicht zu Hause haben?

Mein Sohn kann mich beraten. Meine Frau hat mich bestärkt, weiter zu machen. Politik gestalten ist nicht nur ein hauptamtlicher Beruf, es geht auch darum, sich einbringen zu wollen. Das hat mit inneren Überzeugungen zu tun. Ich ducke mich nicht weg, wenn Schwierigkeiten auftauchen. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, will ich auch das Ziel erreichen. Ich habe eine Reihe von Projekten angefangen. 1999 habe ich gedacht, ich schaffe das in zwei Amtszeiten. Nun gibt es eine Vielzahl von externen Gründen, warum das nicht geklappt hat. Insofern habe ich gesagt, ich bin bereit weiterzumachen. Wenn die Partei mich will.

Wird es nicht für Sie schwieriger, weil mit dem neuen Kommunalwahlrecht die Stichwahl wegfällt und zudem die Linke einen eigenen Kandidaten aufstellt? Nach altem Wahlrecht wäre das egal gewesen. Jetzt könnte Ihnen die Linke die Stimmen klauen, die Sie zum Sieg über den CDU-Kandidaten bräuchten. Es gibt nur noch einen Wahlgang und der mit den meisten Stimmen hat gewonnen.

Da sehe ich überhaupt kein Problem. 2004 hatte ich im ersten Wahlgang 10 Prozentpunkte mehr als der CDU-Kandidat. Und das war nach der Diskussion um die Agenda 2010. Auch damals gab es einen Kandidaten der PDS. Der CDU-Mann hat in etwa die Stimmen der CDU bekommen. Ich dagegen habe auch Stimmen von den anderen Parteien, wie den Grünen und der PDS, gekriegt. Deswegen mache ich mir keine Sorgen. Ich habe mehr Stimmen als meine eigene Partei bekommen. Man kann dem Bürger im Wahlkampf deutlich machen, dass jede Stimme für eine kleine Partei eine verlorene Stimme ist.

 Kennen Sie den Kandidaten der Linken in Dortmund?

Nein. Bislang hat ja noch keine Partei ihren Kandidaten aufgestellt. Auch die SPD hat mich nur nominiert.

Haben Sie mal mit den Linken gesprochen?

Nein.

Glauben Sie, es muss Gespräche geben zwischen Linken und SPD? Nach dem Motto, wenn Ihr keinen Kandidaten aufstellt, bekommt ihr das und das?

Nein. Ich habe in den beiden vergangenen Wahlkämpfen die CDU-Kandidaten hinter mir gelassen. Egal wer antritt. Wer kennt den schon? Ich habe gute Aussichten.

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, was Langemeyer zu der Kokserin in seinem Büro sagt, zu Müllgebühren für ein Klinikum und zu seiner Rolle im Land NRW

 

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Jens
15 Jahre zuvor

Mein Sohn ist groß genug. Er ist Facharzt für innere Medizin und hat eine nette Familie.

Übrigens ein sehr guter Facharzt! Wie ich Herrn Langemeyer (dem OB) auch schon mal persönlich ausgerichtet habe.

Dennis
15 Jahre zuvor

Interessantes Interview ! Herzlichen Dank dafür.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
15 Jahre zuvor

Hhm, bemerkenswert ist das Interview eher dort, wo der Dortmunder OB gar keine Antworten gibt: Auf die Frage zum Beispiel, welche künftigen Ziele er für das Ruhrgebiet (als Ganzes) habe, wirkt er recht einfallslos und spricht über ?stark werden? und seine unveränderte ?Linie?, also eher prozessuale Aspekte. Vielleicht erklärt dies auch, warum der Städtebund nach dem ?Wilde Kerle?-Prinzip konzipiert ist: Für die individuellen Stärken ist jede Stadt selbst verantwortlich, ab und zu trifft man sich und bespricht, was so anliegt, und hin und wieder werden gemeinsam ein paar scheinbar übermächtige Gegner besiegt (wie zuletzt bei den nationalen Ausscheidungen um den Kulturhauptstadttitel). Das ist organisationstheoretisch ein archaisches Modell, aber seien wir ehrlich: Wären die Ruhrgebietsstädte wirklich eine Bande ausgeprägter Individualisten, wäre schon viel gewonnen.

Nebenbei: ganz erfrischend fand ich, dass hier der OB einer Großstadt mal ganz ohne die Begriffe ?Metropole? und ?Urbanität? auskommt und auch über ?Kreativwirtschaft? kein Wort verliert. Vielleicht liegt es daran, dass seine persönlichen Ambitionen eher dem ?wie? und weniger dem ?was? gelten.

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15 Jahre zuvor

Pot(t)pourri (69)…

Potpourri, frz.: Allerlei, kunterbunte Mischung
Pot(t)pourri, dt.: Kurze vermischte Beiträge im Pottblog
***
Ich bin Abonnent der Macwelt. Als ich jetzt kürzlich die aktuelle Ausgabe bekam (inkl. Jahresrechnung) stellte ich fest, dass ich a…

Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Für einen Politiker waren das, bei aller notwendigen Taktik und Strategie, ausnehmend klare Worte. Sofern ich ihren Zusammenhang richtig verstanden habe lauten sie bezüglich Ruhr knapp zusammengefaßt:

1.Die Bürgermeister sind die eigentlichen Herren respektive Damen der Region und die einzigen legitimen Vertreter des ?Ruhrvolkes?
2.Kooperative Planung von unten, sprich im Dialog,ist die einzig akzeptable Form der regionalen Planung.
3.Die Leitlinie dieser Kooperation kann nur heißen: Zusammen werden wir nur stark. wenn jeder einzelne von uns stark wird.
4.Der Chef des Regionalverbandes braucht deswegen keine sonderlichen Kompetenzen geschweige sein Haus eine regionale Planungskompetenz.

Klingt zwar überzeugend demokratisch, hat allerdings einen „kleinen? Haken. Die Städte von Ruhr sind weder alle gleich groß noch haben sie die gleichen wirtschaftlichen Chancen und Möglichkeiten. Was hier erst einmal fair und gleichberechtigt rüber kommt läuft de fakto auf das das Recht des Stärkeren heraus. Es ist deswegen kaum verwunderlich, dass diese Aussagen vom OB eines der größten Gemeinden von Ruhr formuliert werden.

Das spricht natürlich nicht gegen zwischenstädtische Kooperation, aber im Ernstfall, sprich wenn es um die für existentiell gehaltenen Interessen der jeweils Stärkeren geht, werden diese ohne Kooperation durchgesetzt. Die Eingeweihten können ein langes und garstiges Lied davon singen.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
15 Jahre zuvor

@ Arnold: Einen Souverän ?Ruhrvolk? o.ä. sieht das von Langemeyer verfochtene Modell nicht vor; das ist der entscheidende Dissens zu denjenigen Konzepten, die eine Kooperation zwischen den Städten nicht für ausreichend halten, egal wie klug und gerecht sie auch sein mag.

Es geht also gar nicht darum, ob eine Regionalplanung ?von oben? oder ?von unten? besser, gerechter, Erfolg versprechender ist: Im Langemeyerschen Modell ist die Regionalplanung (des RVR) ?oben?, in den diversen Regionalstadtmodellen ist sie ?unten? (weil vom Souverän Ruhrgebietsbevölkerung unmittelbar politisch legitimiert). In beiden Fällen genießt das ?unten? größere Sympathie, und so wird auch von allen Seiten gleich argumentiert: ?Wir wollen uns selbst regieren!?

Ihre Sorge um die kleineren Ruhrgebietsstädte, die in den von Langemeyer favorisierten freiwilligen Kooperationen regelmäßig den Kürzeren ziehen könnten, sobald es um regionsinterne Verteilungskämpfe geht, verstehe ich, bin aber der Überzeugung, dass sich auch ein notwendiges Maß an Gerechtigkeit ?von unten? herstellen lässt, die kleineren Ruhrgebietsstädte also nicht auf die sie schützende Hand der staatlichen Regionalplanung angewiesen sein müssen (inwieweit die bisherige Praxis der Regionalplanung überhaupt Chancengleichheit ermöglicht hat, wäre ein anderes Thema).

Ein Votum für den Langemeyerschen Städtebund ist das natürlich nicht, denn auf lange Sicht erwarte ich eher eine gleichzeitige Stärkung von Regions- und Stadtteilebene (?regional planning and sub-city democracy?) ? zu Lasten der bisherigen gesamtstädtischen Ebene (die aber nicht verschwindet); das hat ein paar Parallelen zum Europäischen Modell, in dem die Nationalstaaten zu Gunsten der EU und der Ebene der (z.T. landesübergreifenden) Regionen in Gewicht verlieren.

Auf so ein einigermaßen vielschichtiges Verständnis von Zentralität und Dezentralität wird sich zumindest die Nachfolgerin von Gerhard Langemeyer einstellen müssen.

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