
Der Kreis Recklinghausen war mal das Rückgrat des Ruhrgebiets. Kohle, Stahl, Malocher-Mentalität – hier wurde richtig geschuftet. Doch seit die letzte Zeche dichtgemacht hat, ist vom einstigen Industrieglanz wenig übrig.
Und was ist an seine Stelle getreten? Ernüchterung. Seit Jahren dümpelt die Region wirtschaftlich ganz tief im Tabellenkeller herum. Der Niedergang ist inzwischen nicht mehr zu übersehen. Während anderswo Zukunft gestaltet wird, verwaltet man im Kreis Recklinghausen vor allem den eigenen Abstieg. Der Strukturwandel? Kam viel zu spät – und war eher kosmetischer Natur.
Innovationen sucht man hier meist vergeblich
Während Städte wie Dortmund oder Bochum Hochschulen ausbauen, Start-up-Zentren hochziehen und Digitalwirtschaft ansiedeln, fragt man sich in Herten oder Castrop-Rauxel viel zu häufig noch, ob man nicht vielleicht einen neuen Kreisverkehr braucht. Zukunftstechnologien? Fehlanzeige. Der Chemiepark in Marl ist da eine Ausnahme – aber eine, die den Rest der Region nicht mitzieht. Es fehlt auf breiter Front an Impulsen, Netzwerken, einem echten Plan. Stattdessen herrscht: Provinzialität im XXL-Format.
Infrastruktur aus dem letzten Jahrhundert
Verkehrsanbindung? Eher ein Glücksspiel. Wer hier täglich pendeln muss, braucht gute Nerven und einen robusten Fahrplan – oder gleich zwei. Marode Straßen, unzuverlässige Bahnen, miese Busanbindungen: Der Kreis wirkt streckenweise wie ein vergessenes Stück Land zwischen Ruhrpott und Münsterland. Und genau so behandelt man ihn auch. Kein Wunder, dass viele junge Menschen lieber nach Dortmund, Münster oder gleich nach Berlin ziehen. Wer bleibt, bekommt zu oft nur befristete Jobs, niedrige Löhne – oder gar keine Arbeit.
Politik im Verwaltungsmodus
Was besonders weh tut: Der Stillstand ist zu großen Teilen selbst gemacht. In vielen Rathäusern wird mehr verwaltet als gestaltet. Wirtschaftsförderung ist hier ein Schlagwort, das gerne in Broschüren auftaucht, aber selten echte Wirkung entfaltet. Visionen? Fehlanzeige. Der politische Mut, auch mal unbequeme Entscheidungen zu treffen, fehlt. An meinem Wohnort Waltrop bestimmt seit Wochen die Diskussion über eine mögliche Neuansiedlung eines McDonald’s Restaurants die Schlagzeilen. Kaum zu glauben! Statt Zukunftsvisionen gibt’s hier Symbolpolitik im Klein-Klein – von der neuen Blumenwiese bis zur nächsten „Wirtschaftskonferenz“, auf der wieder alle beteuern, dass man jetzt aber wirklich anpacken will.
Mehr Mut ist gefragt
Der Kreis Recklinghausen hat Potenzial – keine Frage. Aber solange sich nicht endlich etwas ändert, bleibt er ein trauriges Beispiel dafür, wie man eine einst starke Region systematisch gegen die Wand fährt. Was es jetzt braucht, ist keine weitere Imagekampagne, sondern mutige Investitionen, echte Zukunftsprojekte – und Politikerinnen und Politiker, die mehr wollen als nur den Status quo verwalten. Sonst bleibt der Kreis das, was er derzeit ist: eine wirtschaftliche Notbremszone mit dem Charme einer verpassten Chance.