
Willkommen in Recklinghausen, der charmanten Metropole des stillen Niedergangs! Wer heute durch die Innenstadt schlendert, kann sich glücklich schätzen, denn hier gibt es alles, was das Herz begehrt – solange das Herz nichts begehrt.
Früher war hier mal richtig was los. Menschen bummelten durch die Straßen, Läden hatten geöffnet, und man musste nicht erst einen Archäologen beauftragen, um ein Geschäft zu finden, das tatsächlich noch etwas verkauft. Heute gleicht ein Einkaufsbummel eher einer nostalgischen Zeitreise durch das, was einmal Einzelhandel genannt wurde – garniert mit einer Prise Depression.
Der ehemalige Stolz der Stadt, die Krim, ist inzwischen so lebendig wie ein sonntäglicher Büroflur. Die Schaufenster erzählen Geschichten – von besseren Tagen, längst vergangenen Mieten und Geschäftsinhabern, die irgendwann einfach nicht mehr zurückgekommen sind. Wer die Augen zusammenkneift, erkennt vielleicht noch die Umrisse eines früheren Schuheinzelhändlers – wie ein Schatten aus einer anderen Ära. Und mittendrin: eine Nagelstudio-Pizzeria-Shisha-Bar-Kombi, die das kulinarische und ästhetische Zentrum des neuen Recklinghausen bildet.
Städtebaulich ist die Innenstadt ein echtes Highlight. Zwischen kopfsteingepflastertem Charme und grauem Beton findet man vor allem eins: Platz. Viel Platz. So viel Platz, dass man sich fragt, ob nicht versehentlich die Evakuierung geprobt wird. Aber keine Sorge – das gehört alles zum neuen Konzept „Urbaner Leerstand 2.0“. Eine zukunftsweisende Strategie, bei der bewusst auf Konsumangebote verzichtet wird, um das Auge für das Wesentliche zu schärfen: Ruinenromantik und Sperrmüll.
Natürlich hat man versucht, dem Verfall etwas entgegenzusetzen. Es gab Kunstaktionen, Pop-up-Stores und sogar ein paar Bürgerdialoge, die vermutlich irgendwo zwischen 17:00 Uhr und vollkommener Resignation stattfanden. Die wenigen noch verbliebenen Cafés werben jetzt mit dem Slogan: „Kaffee mit Ausblick auf die Zukunft – also nichts.“
Die Stadtverwaltung bleibt optimistisch. Man spricht von „Herausforderungen“ statt Krisen, von „Transformationsprozessen“ statt Kahlschlag. Und tatsächlich: Es transformiert sich was – aus belebter Fußgängerzone wird ein urbanes Freilichtmuseum des Strukturwandels, das sogar das Ruhrmuseum neidisch machen könnte. Eintritt frei, aber bitte keine Erwartungen mitbringen.
Was bleibt also von Recklinghausens Innenstadt? Ein Ort für stille Momente, tiefgründige Gespräche über das Scheitern und eine ideale Kulisse für dystopische Netflix-Produktionen. Vielleicht kommt ja bald ein Serien-Drehteam vorbei. Der Titel stünde schon fest: „Dead Mall Diaries – Staffel 1: Recklinghausen“.
Wer also demnächst mal so richtig runterkommen will – nicht nur mental, sondern auch emotional – dem sei ein Besuch in der Recklinghäuser Innenstadt empfohlen. Nur bitte vorher nicht zu viel Hoffnung mitbringen. Die passt hier nämlich nicht mehr ins Konzept.
Erstaunlich schlecht informiert!
Wie kommt es das ihr unseren Store fotografiert und als Leerstand bezeichnet ? Nebst unserem Konzept – das vom PopUpStore nun nach einigen Investitionen dabei ist sich zu etablieren, gibt es in Recklinghausen viele viele neue Konzepte die Erfolge feiern. Recklinghausen zeigt einmal mehr das auch in schwierigen Zeiten individuelle Erfolge Möglich sind! Informiert Euch besser, gebt den Menschen Hoffnung statt Resignation und vorallem revidiert bitte die Aussage das mein Betrieb geschlossen ist!
beste Grüsse
Pascal Hermeler
The Tasting Room
Hallo Pascal! Ich habe in meinem Text gar keine einzelnen Geschäfte namentlich genannt und einzelne Läden deshalb auch nicht als geschlossen bezeichnet. Ich habe lediglich einige aktuelle Eindrücke von meinem Spaziergang am Dienstag vor Ort zur Bebilderung des Textes eingesetzt. Die Auswahl der Fotos erfolgte dabei eher zufällig und zeigt ja auch nicht nur Leerstände. Da sie deshalb auch für den Text nur eine absolut untergeordnete Bedeutung hatten bzw. haben, den Lesern lediglich einige Eindrücke von vor Ort liefern sollen, habe ich das entsprechende Foto gerade wunschgemäß entfernt und kurzerhand durch ein anders ersetzt. Ich hoffe, ich habe, anhand der Beschreibung aus deiner parallel eingegangenen E-Mail, das richtige erwischt und dass das so dann auch in deinem Sinne ist.
Zum Inhalt des Artikels stehe ich vollumfänglich. Ich bin seit den 1970er Jahren regelmäßig in Recklinghausen und beobachte den Niedergang der dortigen Innenstadt mit großem Bedauern. Recklinghausen war früher eines der attraktivsten Städtchen im Ruhrgebiet. Inzwischen ist es das leider längst nicht mehr. Grüße!
Ich habe selten einen solchen Blödsinn gelesen wie diesen äußerst tendenziösen und ehrlich gesagt, nahezu bösartigen Artikel. Lieber Autor, komm rum – dann führe ich dich an Orte in der Recklinghäuser Altstadt, die es mit ähnlich guter Atmosphäre fast nirgendwo im Ruhrgebiet gibt.
Die findet man natürlich nicht, wenn man noch mal da hingeht, wo vor zehn Jahren die Action war… Wenn eine lebendige Stadt zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass Lagen sich verändern.
Und ja: wir haben noch mehr kulinarisch zu bieten als die zitierte Shishabar (davon gibt es im Ruhrgebiet Verhältnis sehr weniger in Recklinghausens Altstadt)
Fast an jedem Wochenende ist die Innenstadt von einem Fest ganz unterschiedliche Ausprägung belebt.
Und zum Glück gibt es noch eine Fülle Inhabergeführter Einzelhandelsgeschäfte, wenn auch momentan nicht so viele in der Krim, wo du dich offenbar für deinein „Recherche“, vornehmlich aufgehalten hast.
wie gesagt: komm doch mal rum.
@Stefan Prott: Danke für das Angebot, aber mein Bedarf an Recklinghausen ist erst einmal wieder gedeckt. Vielleicht bei ‚Recklinghausen leuchtet‘ im Herbst. Aber auch da bin ich mir derzeit noch nicht sicher….
Tja Robin, nachdem du ja nun durchaus angegangen wurdest, für deinen Artikel, so stimme ich dir aber gerne in weiten Teilen zu.
nein, nicht vollumfänglich, aber doch sehr weit.
Der Charme Recklinghausens hat sich leider verzogen, genau wie die „HotSpots“…
Geblieben, gewachsen ist der Eindruck zwischen Dönerstand-Ramschladen-Ruinenwanderung.
Die Erschaffung des Marktquartiers war extrem wichtig, als Kontrapunkt zum Palais. Über den Erfolg werden wir in einigen Jahren diskutieren.
Das Prestige-Objekt „Palais“ offenbart zunehmend eines, seine Unnötigkeit.
Zugegeben, ich fand die Idee klasse, wollte nicht auf die Warnungen hören. Heute weiß ich, sie hatten recht.
Schade um diese Stadt, denn sie könnte so viel mehr sein…
Schön, dass du immer noch über Recklinghausen und seine Innenstadt berichtest. Aber das alles war vor 10 Jahren schon klar, weil die Rahmenbedingungen sich absehbar weiter verschlechtern würden. Was nicht heißt, dass sich Menschen dagegen stemmen sollen und wollen, statt sich diesen Bedingungen zu fügen. Aber man darf sich dabei auch nichts vormachen. Und das ist in Recklingausen geschehen: https://www.ruhrbarone.de/dritte-altstadtkonferenz-in-recklinghausen-oder-der-ruinoese-wettkampf-der-ruhr-citys/121126/
Hallo, Christian! Danke! Ob die Leute meiner Beobachtung zustimmen oder nicht, hängt meiner Einschätzung nach auch stark von ihrem persönlichen Verhältnis zur Stadt ab. Leute, die heute noch in Recklinghausen leben oder dort geschäftlich engagiert sind, sehen die Sache wohl naturgemäß positiver als Leute, die der Stadt längst den Rücken gekehrt haben. Und das sind viele. In meinem Freundes- und Bekannten- und Familienkreis fährt zum Beispiel kaum einer, um nicht zu sagen niemand mehr, regelmäßig dorthin, schlicht weil sie für sich keine Gründe mehr finden um die Stadt zu besuchen. Von denen höre ich natürlich auch fast ausschließlich Zustimmung. Die stimmen halt mit den Füßen ab und kehren der Stadt kurzerhand den Rücken. Das Ergebnis sieht man dann in der fast menschenleeren Fußgängerzone dort. Auch ich bin früher jede Woche in Recklinghausen gewesen, um zu shoppen oder mich dort mit Freunden zu treffen. Mache ich beides schon lange nicht mehr. Und meine Bekannten auch nicht. Das liegt am grundsätzlich veränderten Einkaufsverhalten (Internet) und auch an der sinkenden Attraktivität de Stadt, denke ich. Grüße!
Hallo, Arnold! Nachdem ich früher sehr häufig in Recklinghausen war, interessiert mich halt die weitere Entwicklung der Stadt. Und das auch in schlechten Zeiten, wie diesen. Deshalb mache ich mich schon seit ein paar Jahren in jedem Frühjahr mal auf in unsere Kreisstadt um die Lage dort zu erkunden, auch wenn die Realität vor Ort inzwischen halt eine ziemlich traurige ist. Den Rundgang dort ‚gönne‘ ich mir, auch wenn ich dort auch diesmal wieder nichts gekauft habe o.ä.. Aber gucken lohnt sich für mich trotzdem. Ist schon spannend zu sehen, was sich dort von Jahr zu Jahr verändert. Grüße!
Endlich bringt es jemand mal auf dem Punkt . Ich bin eine waschechte in Recklinghausen Geborene, und kann mich sehr gut an der früheren Attraktivität unserer Stadt erinnern .
Natürlich gibt es immer mal Veränderungen, keine Frage , dennoch sollte man schon ehrlich sein, die Innenstadt hat so rein Nichts mehr anzubieten , im Gegensatz zu anderen Städten .
Das * tolle Palais * hat das Innenstadt Leben , den Atem ausgesaugt .
[…] Kreis Recklinghausen war mal das Rückgrat des Ruhrgebiets. Kohle, Stahl, Malocher-Mentalität – hier wurde richtig […]