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„Machtergreifung“ – extrem effektive Einschlafhilfe in Dystopie-Form

"MACHTERGREIFUNG" von Ferdinand Schwanenburg; Foto: Peter Ansmann
„MACHTERGREIFUNG“ von Ferdinand Schwanenburg; Foto: Peter Ansmann

Im April 2021 ist im Europaverlag „Machtergreifung“ erschienen. Der Autor, der das Werk unter dem Pseudonym Ferdinand Schwanenburg verfasst hat, war früher Mitarbeiter der AfD. In einem Stern-Interview vom 14. April 2021 äußerte sich Ferdinand Schwanenburg zu seiner Motivation und zum Inhalt des Buches.

Neugierig geworden durch das Interview, habe ich „Machtergreifung“ gelesen. Wobei „gelesen“ das falsche Wort ist: Ich habe es durchgearbeitet. Fesselnd ist der Roman, in dem Ferdinand Schwanenburg seine Erfahrungen mit den Rechtspopulisten verarbeitet hat, leider nicht. Sondern das genaue Gegenteil.

Was schade ist: Die Motivation des Autors, die Gefahr die von einer rechtsextremistisch unterwanderten Partei ausgehen kann zu thematisieren, ist an sich schließlich durchaus ehrenhaft.

Der Roman handelt von der Deutschlandpartei, bei der es sich offensichtlich um die AfD handelt: Auch andere Parteien werden nicht beim eigentlichen Namen genannt, wobei klar sein dürfte welche realen Parteien mit den fiktiven Namen Christpartei, Sozialpartei und Ökopartei gemeint sind. Reale Protagonisten werden nicht namentlich erwähnt, wobei aufgrund von Anspielungen bei einem Großteil der Romanfiguren klar ist, wer gemeint sein dürfte: Dr. Adalbert Hausding ist klar zu erkennen. Es gibt eine Anspielung auf den bevorzugten Krawattentyp Alexander Gaulands und auf das Gemälde von Charles-Maurice de Telleyrand-Périgord, das im Bundestagsbüro des Mit-Fraktionsvorsitzenden der AfD hängt. Im Verlauf der (später fiktiven) Handlung des Buches, verstirbt Dr. Hausding. Das einzige Highlight des Romans.

Bei der Romanfigur Barbarossa sind viele Parallelen zu Götz Kubitschek zu erkennen. Hans-Jürgen Lehmann hat stahlblaue Augen und Geschichte auf Lehramt studiert. Immerhin hat der Autor, der früher für die AfD gearbeitet hat, ihn nicht „Bernd“ genannt.

Friedrich Sehlings, der Strippenzieher im Roman, erinnert an den – aus der AfD geworfenen – Andreas Kalbitz. Bei anderen Personen, Gruppierungen und Medien sind die realen Vorbilder, mehr oder weniger, ebenso klar.

Das Nachrichtenmagazin SPIEGEL heißt „Demokratischer Beobachter“. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich zusammenzureimen welche Wochenzeitschrift mit „Junges Deutschland“ gemeint ist und auf wen der Name des Chefredakteurs Oliver Felsenstein abzielt. Querdenker heißen, die Corona-Pandemie kommt schließlich auch vor, im Roman „Andersdenker“. Der Flügel ist in „Machtergreifung“ das „Deutsche Herz“. Die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft heißt im Buch Deutsche Verlags- und Druckgesellschaft. Wieso hier – für die Katz – umschrieben wird, bleibt ein Geheimnis:

Spektakuläre Neuigkeiten aus dem Innenleben der Populistentruppe erfährt man nämlich nicht, außer das dort offenkundig die lahmsten und wirklich einschläferndsten Dialoge seit Erfindung der Sprache geführt werden.

Was eigentlich spannend hätte werden können – ein Einblick ins Innenleben der AfD – ist, in meinen Augen, schrecklich misslungen.

Das erste Buch, das ich zum Thema Rechtsextremismus gelesen habe, war Deutschland ganz rechts. Irgendwann im Jahre 1990. Michael Schomers hat damals undercover bei den, zu dieser Zeit noch politisch relevanten, REPS mitgewirkt und seie Erfahrungen in einem Buch verarbeitet. Ein realer und spannender Einblick in die rechtsextremistische Realität der Bundesrepublik Deutschland, am Beispiel der Partei Die Republikaner, die zwischen 1989 und 1990 rechts von der CDU Erfolge bei Landtags- und Kommunalwahlen für sich verbuchen konnte und auch 1989, für eine Legislaturperiode, ins EU-Parlament einzog. Deutsche Realität, durchaus spannend erzählt.

„Ein rasanter Politthriller, der im Licht der gegenwärtigen Entwicklungen in Deutschland beklemment realistisch erscheint.“ (Klappentext)

Ob der Klappentext zum Buch ironisch gemeint war, darf bezweifelt werden.

„Machtergreifung“ scheitert am eigenen Anspruch. Komplett. Das Wirken in der Deutschlandpartei aka AfD wird dermaßen langweilig und ausschweifend beschrieben, dass der Leser Mühe hat nicht einzuschlafen. Mir ist dies, zugegeben, nicht gelungen. Die Handlung wirkt wie an den Haaren herbeigezogen. Die wenigen Stellen des Buches, die spannend beginnen („Sie waren beide nackt, ihre Körper ermattet und noch feucht vom wilden Liebesakt. Sie lagen auf dem Rücken, im Gleichklang atmend, die Beine ineinander verschlungen, und starrten auf die dicken Eichenbalken an der Decke, aus denen das Haupthaus der Pfalz vor mehreren Jahrhunderten gezimmert worden war.“) verpuffen durch die Fortführung der Passage schließlich komplett. Mit etwas mehr textlicher Pornografie hätte der Autor, zumindest bei mir, noch was retten können: Leider wurde dieser Ansatz offensichtlich nicht weiter verfolgt.

Mein Fazit: Weniger wäre mehr gewesen, was besonders für die unzählbaren Dialoge gilt.

Diese blähen das Buch, stolze 510 Seiten (Plus, im Vergleich zur eigentlichen Handlung, mindestens genauso langweilige Zusatzinfos zu den handelnden Personen!) zwar richtig auf, machen aber ein „weiterlesen bis zum Schluss“ wirklich verdammt schwer. Achtzehnmal habe ich das Buch zur Hand genommen, ebenso oft bin ich irgendwann während der Lektüre eingeschlafen. Eine spannende Erzählweise sieht vermutlich anders.

Von mir gibt es trotzdem eine klare Kaufempfehlung:

Wer unter Einschlafproblemen leidet, erhält für 24,70 Euro ein extrem effektives und gesundheitlich absolut unbedenkliches Hypnotikum.

Wer jedoch Neuigkeiten – oder gar spannende Informationen eines Insiders – aus den Reihen der „AfD“ erwartet, der dürfte wirklich sehr enttäuscht werden.

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AntiAndi
AntiAndi
2 Jahre zuvor

langweilig und ausschweifend sei das buch. das will man ja gar nicht bezweifeln, aber ist es deshalb dann auch nötig eine so langweilige und ausschweifende Rezension darüber zu verfassen?

Jörn
Jörn
2 Jahre zuvor

Langweilig und ausschweifend liegt im Auge des Lesers und das sind daher auch viele Klassiker der Weltliteratur. Das Buch kann ich dagegen nicht empfehlen, da es ein Konglomerat von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Unwahrheiten ist – was die Entwicklung der D-Partei bis 2020 betrifft. Bei der "Zukunft", d.h. ab 2021, hat Ferdi Schwanenhals ungeniert im Geschichtsbuch abgeschrieben und die Zeit 32-34/35 adaptiert, garniert mit rechtsextremen Wunschträumen.

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