
Matthias Sammer hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach kritisch zum Zustand des deutschen Fußballs geäußert – und dabei den Finger tief in die Wunde gelegt. Seine Diagnose: zu viel Selbstzufriedenheit, zu wenig Führung, mangelnde Charakterstärke bei Spielern und Funktionären, eine Entfremdung vom Leistungsgedanken und ein erschreckendes Maß an Durchschnittlichkeit im internationalen Vergleich. Wer dem deutschen Fußball ehrlich ins Gesicht schaut, wird schwerlich widersprechen können. Die Länderspiel-Enttäuschungen der letzten Jahre, das anhaltende Mittelmaß deutscher Klubmannschaften in Europa sowie die strukturellen Schwächen in Ausbildung und Führungskultur sprechen eine klare Sprache.
Sammer trifft mit seinen Worten einen Nerv, weil er aus dem Innersten des Systems spricht – als Ex-Profi, Trainer, Sportdirektor und heutiger Berater. Seine Perspektive ist nicht die eines außenstehenden Kritikers, sondern eines Mitverantwortlichen, der aus tiefer Überzeugung heraus Missstände anprangert. Genau darin liegt aber auch ein Widerspruch: Denn Sammer ist seit Jahren externer Berater bei Borussia Dortmund – jenem Klub, der selbst Teil des Problems ist.
Der BVB steht wie kaum ein anderer Verein sinnbildlich für das Dilemma des deutschen Fußballs. Zwar wirtschaftlich solide und regelmäßig in der Champions League vertreten, doch sportlich zu oft zwischen Ambition und Realität gefangen. Die Mannschaft kämpft immer wieder mit mangelnder Konstanz, mentalen Aussetzern und einem fragilen Selbstverständnis – alles Punkte, die Sammer selbst kritisiert. Auch in puncto Kaderzusammenstellung, sportlicher Entwicklung und Führungsstärke hat Dortmund in den letzten Jahren selten konsequent überzeugt. Wenn Sammer etwa mangelnde Widerstandsfähigkeit und Führung auf dem Platz anmahnt, trifft das auch auf viele Dortmunder Auftritte der vergangenen Spielzeiten zu.
Dass Sammer bei alldem Teil des inneren Kreises ist – als Berater, der laut eigener Aussage „impulsgebend“ und „mahnend“ agiert –, wirft Fragen auf. Welche Wirkung hat sein Einfluss tatsächlich? Warum konnten seine mahnenden Worte in Dortmund offenkundig nicht verhindern, dass sich genau jene Tendenzen verfestigten, die er nun öffentlich anprangert?
Sammer hat recht mit seiner Fundamentalkritik am deutschen Fußball. Doch sie bleibt nur dann glaubwürdig, wenn sie auch vor dem eigenen Spiegelbild nicht Halt macht. Borussia Dortmund ist kein Randphänomen, sondern ein zentraler Player im deutschen Fußball. Die strukturellen Probleme, die Sammer anprangert, offenbaren sich auch hier – und werfen ein kritisches Licht auf die Wirksamkeit seiner beratenden Rolle. Wer eine Kulturveränderung fordert, muss sie vorleben – und auch im eigenen Umfeld vorantreiben. Und genau daran scheint es in Dortmund schon seit Jahren zu hapern. Trotz des BVB-Beraters Matthias Sammer….
