„No G20“ – Selbstbespaßung und Intifada


Gegen den Kapitalismus geht es, wenn die größten Wirtschaftsnationen der Welt sich zusammenfinden. Ziel ist diesmal unter Anderem die Lahmlegung des Hamburger Hafens, wie das linke Bündnis „Ums Ganze“ großspurig auf seinem Blog verkündet.

Für den internationalistischen Block geht es sogar um eine Intifada. Dabei blendet dieser Block aus, dass bei es den Intifadas der Hamas primär darum geht, Israel zu vernichten und die Juden ins Meer zu treiben und deren Staatsvorstellungen eigentlich fern von jedem linken Ideal liegen.

Romantik und Spektakel

Gleichzeitig scheint jedem Akteur der G20-Proteste klar zu sein, dass die Revolution nicht gelingen und die befreite Gesellschaft ausbleiben wird. So sagt die Gruppe „Bricolage“ in ihrem jungle.world Artikel selber, dass sie das Treffen der G20 nicht verhindern werden. Wozu also diese Selbstopferung für etwas so offensichtlich Sinnloses?

Weiterhin führt „Bricolage“ aus:

„So wie die Herrschenden allen Arbeitsgruppen, Ausschüssen und Hinterzimmergesprächen zum Trotz von Zeit zu Zeit das Zusammenkommen der Regierungschefs brauchen, tut auch der radikalen Linken das gemeinsame Handeln gut. Der G20-Gipfel ist ein Anlass und die Gegnerschaft dazu der kleinste gemeinsame Nenner für ein solches transnationales Zusammenkommen.“

Der kleinste gemeinsame Nenner, der freilich immer das Falsche impliziert, scheint dabei das diffuse Gefühl zu sein, dass in diesem System irgendwas falsch läuft. Aber das Gefühl des Falschen, so berechtigt es auch sein kann, taugt nicht zur Gesellschaftskritik. Viel eher verleitet es zu Verallgemeinerungen und Vergemeinschaftungen. Der gemeinsame Kampf gegen die nicht näher bestimmten ‚da oben‘ verkommt dabei zum Spektakel militanter Selbstbespaßung.

Raffendes Kapital und struktureller Antisemitismus

Das Bündnis „Ums Ganze“ schreibt von Charaktermasken, also von Leuten, die eine Funktion in diesem System ausführen, aber ebenso ersetz- und austauschbar sind, die das kapitalisitische System hervorbringt und die im Grunde den selben Zwängen unterworfen sind. Wer aber denkt, dass die Verfasser etwas von der marxistischen Denkfigur der Charaktermaske verstehen, wird jedoch ein paar Zeilen weitereines Besseren belehrt, wenn die Aktivisten von „Ums Ganze“ über „Chefschweine“schwadronieren, ihre Kritik am Kapitalismus somit personalisieren und jede vernünftige Kritik an der Basis gleich mit begraben. Implizit wird eine Unterscheidung von „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital durchgeführt. Der Schritt zur strukturell antisemitischen Heuschreckenmetapher ist somit nicht mehr weit. Ohne direkt die Juden zu meinen, wird eine Rhetorik aufgegriffen, deren Versatzstücke einer verkürzten Kapitalismuskritik entlehnt sind.

In der Roten Flora scheint man etwas schlauer zu sein. Dort ist man laut eines an der Fassade hängenden Transparents „Gegen jeden Antisemitismus“ und will sich vorab von der falschen Kapitalismuskritik und damit vom Vorwurf des strukturellen Antisemitismus freisprechen. Um das Motto „No G20“ in leuchtenden Lettern kommt man jedoch nicht herum.

So viel Bündnistreue zu den „Chefschweine“-Schreiern des Bündnisses „Ums Ganze“ und zu den Vertretern der „legitimen Israelkritik“ im Internationalen Blocks muss sein. Die Distanzierung vom Antisemitismus bleibt insofern eine Floskel.

Bitte zerstöre meinen Laden nicht

Vor dem Gewaltspektakel versuchen sich manche Läden durch „No G20 Spare our Store“-Plakate zu schützen. Der Geschäftsführer von Slam Records Matthias Voltmer erzählt:

„Die Plakate kommen von den Floraleuten, die suchen sich natürlich aus, wem sie die geben. Wir haben eins gekriegt, während Designerbrillenläden keins kriegen.“

 In beiden Fällen können die Ladenbesitzer nur ausharren und auf das Beste hoffen.

Keine Drinks für Despoten

In Sankt Pauli wird derweil, ausgehend von Olivia Jones, ein allgemeines Hausverbot für Trump, Erdogan und Putin ausgesprochen. Ungeachtet der Tatsache, dass man einen Präsidenten Trump, an dem natürlich einiges zu kritisieren ist und der sich wohl schwer die Wiederwahl sichern kann, nur schwer mit einem Autokraten wie Putin in einem Topf zu werfen ist. Oder gar mit Erdogan, in dessen Türkei jetzt massenhaft kritische Stimmen und Journalisten eingesperrt werden.

So bleibt wohl nur zu hoffen, dass dieses Revolutionsspektakel möglichst bald vorbei geht

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Still not loving regressive Kapitalismuskritik
Still not loving regressive Kapitalismuskritik
7 Jahre zuvor

Ein sehr guter Beitrag! Leider führt die Tendenz, sich zugunsten möglichst breiter Bündnisse unter dem Dach von IL und ums Ganze zu organisieren, zur Zukleisterung von Widersprüchen. Wer über Antisemitismus diskutieren will, erntet aus diesem ach so undogmatischen Lager nicht einmal Widerspruch, sondern hartnäckiges Schweigen. Als ideologiekritischer Linker steht man auf völlig verlorenem Posten, so scheint es.

Mike
Mike
7 Jahre zuvor

"Implizit wird eine Unterscheidung von „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital durchgeführt. Der Schritt zur strukturell antisemitischen Heuschreckenmetapher ist somit nicht mehr weit. Ohne direkt die Juden zu meinen, wird eine Rhetorik aufgegriffen, deren Versatzstücke einer verkürzten Kapitalismuskritik entlehnt sind."

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