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Autos sind auch nur Menschen

Kann man so jemanden anzünden? Foto: Pintoy WeLove, Flickr.com CC BY-SA 2.0

Man muss Leo Fischers Beitrag schon sehr gründlich lesen. Um zu begreifen, warum man sich eigentlich so aufregt. Um genau zu schauen, was er sagt, was er nicht sagt und was er zwischen den Zeilen sagt. Unter dem Titel “Brennende Autos beim G20: Nationalfetisch Auto” hat er für das Neue Deutschland einen Beitrag geschrieben, den er auf seiner Facebook-Seite mit folgenden Worten bewirbt: “Mein Kommentar zur derzeit etwas schwierigen Parkplatzsituation in Hamburg”. Der Text wurde von einigen als Rechtfertigung oder gar Aufruf zur Gewalt gegen Kraftfahrzeuge gelesen. So etwas findet sich dort nicht. Es findet sich aber eine Bagatellisierung dieser Taten. Schon der erste Satz lautet: “Es gibt für Deutsche keine schlimmere Kränkung, als wenn man ihre Autos angreift.” Mal abgesehen davon, dass das freilich eine unzulässige Verallgemeinerung darstellt, verharmlost es diese Angriffe. Man kann sich leicht über Rentner in Mercedessen lustig machen, die schon bei Fingerabdrücken auf ihrem Lack mit Tobsuchtsanfällen reagieren. Dieses Klischee stirbt zwar aus, zeigen die Umfragen doch, dass immer weniger Leute Wert aufs Auto legen, es wurzelt aber bestimmt in einer deutschen Realität. Sich über den Kleinbürger zu mokieren, dem das Auto Symbol seines Aufstiegs ist, würde man trotzdem eher auf der regionalen Kabarettbühne erwarten. Aber vielleicht soll mit diesem Anfang die Einstiegshürde für den linken Leser gesenkt werden, schließlich will niemand so ein Spießer sein.

Tatsächlich lenkt dieser Kniff aber nur vom eigentlichen Anliegen des Textes ab. Dieser beschäftigt sich nämlich zu großen Teilen mit polizeilicher Willkür und Gewalt. Schnittstelle zu den Autos ist die These, dass der handelsübliche Deutsche sich so über brennende Autos aufregt, dass er darüber vergisst, die polizeilichen Maßnahmen zu hinterfragen. “Deswegen ist die öffentliche Meinung, wie sie sich in den Leserkommentaren derzeit darstellt, auch ganz überwiegend auf Seiten der Autoschützer von der Hamburger Polizei, über deren Exzesse man großzügig hinwegsieht.” In den Leserkommentaren zu diesem Beitrag geht es ebenfalls überwiegend um Autos. Leo Fischer hat es geschafft zu provozieren, aber nicht, die Diskussion auf das Kernthema des Textes zu lenken.

Aber auch dieses kann man hinterfragen. Denn sich aufzuregen, dass die Leute sich mit der Polizei solidarisieren, “bloß” weil ihre Autos brennen (Zitat: “Für den Deutschen ist das alles kein zu hoher Preis für den intakten Kleinwagen”), ist doch sehr fragwürdig. Es ist viel verlangt, wenn der sprichwörtliche Kleinbürger sich intensiv mit den Fehlern der Hamburger Polizei auseinandersetzen soll, bevor sein Auto brennt. Absurd ist es, anzunehmen, er würde damit anfangen, nachdem es passiert. Diese Gewalt lässt der Polizei, bei allem, was im Vorfeld an Fehlern geschehen sein mag, keine Wahl. Es ist undenkbar, dass sie plötzlich nach Hause fährt oder dass sie, wenn statt Plastikflaschen Pflastersteine fliegen, wenn statt Parolen Stahlgeschosse abgefeuert werden, auf einmal zu kleineren Waffen greift. Wer der Polizei noch kritisch gegenüberstand, wird sich spätestens auf ihre Seite schlagen, wenn sein Hab und Gut in Flammen steht. Im Gegensatz zu den islamistischen Terroristen, die hoffen können, die friedlichen Muslime auf ihre Seite zu bringen, wenn sie durch Anschläge die Polarisierung der Gesellschaft nur genug anheizen, kann sich die Linke durch solche Aktionen nur isolieren.

Viel mehr als das hat mich aber das mangelnde Mitgefühl mit den Opfern beschäftigt. Auch für Nicht-Autonarren muss es traumatisierend sein, den eigenen PKW abgebrannt vorzufinden. Viele Menschen verbringen viel Zeit in ihren Autos, gewollt oder gezwungen. Sie haben ihre Lieblings-CDs da drin, sie haben sich einen Glücksbringer an den Spiegel gehängt, haben ihre Sandalen im Kofferraum liegen und in der Tür steckt noch die Trinkflasche des Kindes. Autos sind kleine Verlängerungen der Wohnung. Sie sind Teil der Privatsphäre. Man muss nicht auf PS und Chrom stehen, um eine Beziehung zu seinem Auto zu haben. Es muss kein Statussymbol sein, um es sauber zu halten. Wer würde jemandem, der seine Wohnung wischt, vorwerfen, nur sein Statussymbol zu polieren? Autos können eine Art Mini-Heimat sein. Und wenn man aus extremer Ecke nun Sprüche hört wie: „Was haben die denn, die sind doch bestimmt versichert“, dann muss man sich wundern, dass gerade die Feinde des Kapitalismus die Dinge offenbar nur als austauschbare Konsumgüter betrachten, die man wegschmeißen und neukaufen kann, solange jemand bezahlt. Dass Autos einen hohen materiellen Wert haben und die Aufregung alleine deshalb groß ist, ist trivial und im Übrigen auch nicht verwerflich. Ihren ideellen Wert jedoch nur in der Statusfunktion zu sehen, statt in der menschlichen Neigung, vertrauten Gegenständen eine Persönlichkeit zuzuschreiben, das ist nicht nur kurzsichtig, sondern kaltherzig.

Vielleicht hätte es geholfen, wenn Fischer Beispiele für die von ihm gemeinten Kommentare angebracht hätte. Vielleicht bezog er sich auf lächerliche oder niederträchtige Aussagen. Aber so missachtet der Beitrag die Gefühle von jedem, der bei diesen Ausschreitungen geschädigt wurde. In dem Text steht nicht, dass man Autos anzünden soll. Aber zwischen den Zeilen steht mit dickem Filzstift, dass es wirklich kein so großes Ding ist, wenn’s passiert.

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Jens Jensen
Jens Jensen
6 Jahre zuvor

Uber den Kartoffelaufschrei, der dieser Artikel hervor gerufen hat – und das selbst in selbsternannten "linken" Kreisen (so links wie Sarah Wagenknecht) – hat sich der Inhalt des Artikels als eine Art Spiegel der Empoerung verselbstständigt. Genial. Auszerdem laeuft seit gestern der Dislike-Button heisz!

André
6 Jahre zuvor

Die Versicherung bezahlt Vandalismus meines Wissens nur bei Vollkasko. Vollkasko lohnt sich aber nur bei Neuwagen. Der "kleine Mann" hat also einen günstigen Gebrauchtwagen ohne Vollkasko. Er muss selbst das Wegräumen seines abgefackelten Autos noch bezahlen.
Wer die existenzbedrohende Situation solcher Leute lächerlich macht und verhöhnt, ist meiner Meinung nach niederträchtig und abgehoben. Silly Left halt.
Die selbe Silly Left, die sonst bei jeder Gelegenheit "Armut tötet" brüllt…

Hilse, Karl
Hilse, Karl
6 Jahre zuvor

Man braucht nicht groß über einige Idioten aus dem sogenannten schwarzen Block zu lamentieren. Dies e müssen isoliert werden. Es ist auch fraglich ob es überhaupt Linke waren. Jedoch irritierend ist auch der Aufschrei der "Anständigen", die sich in Gewaltphantasien suhlen und nicht bereit sind die Gewalt der Polizei ( hochgerüstet vermummt und sehr gewaltbereit) zu thematisieren. Es sind die selben Typen denen abgefackelte Autos ( nicht ihre eigenen) mehr zu "Herzen gehen" als Brandanschläge auf Flüchtlinksheime. Geheuchelte Emphatie und Doppelmoral!

Hans-Georg Dieterle
Hans-Georg Dieterle
6 Jahre zuvor

Bemerkenswert finde ich auch, dass die (linke) Graffiti-Szene Autos weitgehend verschont.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
6 Jahre zuvor

Im Blog des nd konnte im Vorfeld der G20 ein Kommentar gelesen werden, der hämisch an den 2.11.87 erinnerte, als zwei Polizisten an der Startbahn West ermordet wurden. Gewaltverherrlichung und Bagatellisierung von Gewalttaten durch Randalelinke gehört mittlerweile zum nd und seinem Blog dass sich "sozialistisch" nennt und als Sprachrohr der Linkpartei zu verstehen ist.

Marcel
Marcel
6 Jahre zuvor

Für viele Menschen ist das eigenen Auto nach der Wohnung der wertvollste Besitz. Eine eingeschlagene Scheibe kann man ersetzen, Schiemereien können auch länger an der Wand bleiben. Wenn man aber auf das Auto angewiesen ist um zur Arbeit zu kommen oder zur Pflege von Angehörigen und es dann zerstört ist hat man ein Problem. Wenn man Glück hat ist das Auto Vollkasko versichert, aber auch da ist man dann erst ohne Auto, muss sich einen Leihwagen holen, und Selbstbeteiligung und Hochstufung kommen dann auch noch hinzu. Für einfache Arbeiter und Geringverdiener ist das ein Problem. Und diese Leute haben ihr Auto oftmals nur Teilkasko versichert weil es ein alter Gebrauchter ist. Die stehen dann vor dem Ruin.

ke
ke
6 Jahre zuvor

"Denn sich aufzuregen, dass die Leute sich mit der Polizei solidarisieren, “bloß” weil ihre Autos brenne"

Warum sollen sich Leute nicht mit der Polizei solidarisieren. Wir haben den Schutz an den Staat outgesourct und natürlich unterstütze ich die Polizei. Dabei bin ich natürlich kritisch und rege mich auf, wenn diese Organisation ständig über Personalnot jammert, aber immer Zeit findet, Autofahrer jenseits einer erkennbaren Gefahr zu kontrollieren.

Es ist doch wirklich anerkennenswert, wie viele überwiegend junge Menschen ihre Familien in letzter Zeit zu oft verlassen, um dann in Kampfklamotten im Hochsommer sich von Chaoten bewerfen zu lassen. Aus welcher Richtung sie auch immer kommen. Das ganze unter ständiger Beobachtung von Handykameras und oft mit wenig Rückhalt bei einigen Parteien.
Dann gibt es eine Justiz, die einfach kein Interesse zeigt selbst Intensivtäter dauerhaft zum Schutz der Bevölkerung einzusperren. Wann gilt schon Wiederholungsgefahr?

Was ist auch die Alternative?

Wilder Westen? Jeder sitzt mit der Knarre am Fenster und verteidigt sein Haus und schießt bevor er fragt?

Natürlich vertrauen die Menschen der Polizei. Fast jeder brauchte schon Polizisten, Sanitäter. Es ist unerträglich, dass diese Menschen aktuell angegriffen werden und dass es einigen Politikern vollkommen egal ist.

Jupp Schmitz
Jupp Schmitz
6 Jahre zuvor

Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, sich mit der HH er Polizei zu solidarisieren. Diese steht seit längerem mit dem GG auf Kriegsfuß: HH Kessel, die angeblichen Angriffe auf die davidswache. Im Vorfeld und am Donnerstag wurde mutwillig der gesamte Protest kriminalisiert und attackiert. Warum wurde der schwarze Block, über den es doch wie üblich im Vorfeld genug Erkenntnisse gab, nicht stärker angegangen? Für mich fängt das rechtsstaatlichen Problem dort an, wo sich die Polizei weigert die Bevölkerung zu "verteidigen",weil man Verletzungen befürchtet!!! Dann haben wir faktisch das faustrecht, dann kann ich mir gleich selbst ne Knarre kaufen.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
6 Jahre zuvor

#8 Es geht doch weniger um die Solidarisierung mit dem v.a. im Vorfeld zu kritisierenden Verhalten der Hamburger Polizei und deren Unfähigkeit, die schwarzen Randalelinken wirksam zu neutralisieren, sondern um das Verhalten der linken Krawallos gegenüber dem Eigentum derer, die sie zu vertreten behaupten, sowie um die Verharmlosung und/oder Rechtfertigung dieser Gewalt durch linke Politiker und Publizisten.

Doris
Doris
6 Jahre zuvor

Toller Beitrag, vielen Dank!

Ich möchte noch anfügen, dass die Relativierung "Das sind doch nur Sachen" auch komplett ausblendet, dass die meisten Besitzer von Autos (mich eingeschlossen) sehr viel von ihrer Lebenszeit – sprich Arbeit – investiert haben, was Linke, die vom Staat leben und für die Arbeit ein Fremdwort ist, überhaupt nicht nachvollziehen können. Da behaupten sie, sich für die Arbeiterklasse stark zu machen, während sie selbst Arbeit als Ausbeutung ihrer "wertvollen Ressourcen" betrachten. Dafür meinen tiefempfundenen Ekel.

ke
ke
6 Jahre zuvor

"Warum wurde der schwarze Block, über den es doch wie üblich im Vorfeld genug Erkenntnisse gab, nicht stärker angegangen?"

Das ist eine sehr interessante Frage, die beim Fußball und bei anderen Extremisten auch immer wieder gestellt werden muss. Angeblich gibt es szenekundige Beamte.

Dennoch ist man beim Fußball überrascht, wenn nicht die vereinbarten Anfahrtswege genommen werden, …
Trotz Übermacht gibt es kaum Festnahmen….

Für mich kommt der Eindruck auf, dass kein wirkliche Interesse besteht, diese Straftäter am Durchführen weiterer Straftaten zu hindern. Dazu trägt natürlich die Justiz bei, die nur selten Wiederholungsgefahr sieht.

Alternativ besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Polizei überhaupt keine Erkenntnisse hat. Im Vorfeld des G20 gab es wahrscheinlich auch eine Arbeit der Nachrichtendienste.

Dann stellt sich die Frage, was das Belauschen der Bevölkerung bringen soll, wenn schon Täter, die bekannt sind etc. nicht sinnvoll überwacht werden können. Was will man dann mit den Emails/Telfonaten von Oma Meier?

Yvonne
Yvonne
6 Jahre zuvor

Typisch linker Geldadel. Da wird dem Arbeiter das kleinste bisschen Wohlstand geneidet. Klar, Aufstieg ist ja nicht erwünscht. Man muß den Kuchen ja unter sich aufteilen. Am besten die Arbeiter haben auch keine Wohnung. Massenunterkunft oder Armenhaus reicht ja. Und Auto, auf keinen Fall. Gleich abfackeln. Luxus bitte nur für die linken DressurEliten. Weil sie wissen, dass ihre Kinder im Wettbewerb mit fleißigen und intelligenten Arbeiterkindern keine Chance haben. Deshalb jede Aufstiegschance verhindern. Ekelhaft, die Neomaoisten.

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