Der ehemalige Spiegel-Redakteur Gerhard Spörl hat mit „Groß denken, groß handeln“ ein Buch über die Geschichte des Ruhrgebiets nach 1945 geschrieben. Spörl hat mit zahlreichen Protagonisten aus dem Revier gesprochen, sein von Neugier geprägter Blick von außen ist frei von Sentimentalität und Großmannssucht, Merkmalen, die viele Bücher über das Ruhrgebiet kennzeichnen, bei denen die Binnenperspektive im Zentrum steht.
Über Monate ist Gerhard Spörl 2016 und 2017 durch das Ruhrgebiet gereist. Er hat mit Politikern, Künstlern, Journalisten (auch dem Autoren dieses Textes) und Unternehmern gesprochen, hat sich von Wissenschaftlern Entwicklungen erklären lassen und in Bibliotheken weiter recherchiert, war auf Baustellen, an Seen und in den Städten. Spörl hat sich das Ruhrgebiet durch intensive Recherche erarbeitet, hat sich ihm mit Neugier und Interesse angenähert und dabei doch nie den Blick des Fremden verloren, der von außen auf das Ruhrgebiet schaut. Sein Buch „Groß denken, groß handeln“ beschreibt die großen Linien der Entwicklung des Ruhrgebiets nach 1945 und verliert sich durch die Distanz nicht im Klein-Klein. Getragen ist es von der Frage, warum sich das Ruhrgebiet so und nicht anders entwickelt hat, warum Chancen wie die Neuansiedlung von Unternehmen in den 60er Jahren nicht ergriffen und andere, wie der Bau von Hochschulen, beherzt und mit Weitsicht angegangen wurden.
Oft, das wird deutlich, hing und hängt es an einzelnen Personen, die ihre Ideen durchsetzten. Waren sie stark genug, in der Lage Netzwerke zu knüpfen und bereit, auch persönliche Risiken einzugehen, hatten sie Erfolg. Paul Mikat (CDU) war so einer. Ein konservativer Wissenschaftler, in dessen kurze Zeit als NRW-Kultusminister nicht nur eine Reform der Lehrerausbildung fiel, sondern auch die Gründung der Ruhr-Uni als Reformhochschule. In den vier Jahren seiner 1962 bis 1966 dauernden Amtszeit bewegte er mehr als viele seiner Nachfolger in mehreren Legislaturperioden.
Ein großer Teil des Buches, und eigentlich hätte das Thema für einen zweiten Band gereicht, beschäftigt sich dem Ausstieg aus der Kohle. Auch hier war es wieder eine Person, die ins Risiko ging: Werner Müller, heute Chef der RAG-Stiftung, entwickelte die Idee, aus der Kohleförderung auszusteigen und die RAG zu einem modernen Chemiekonzern umzubauen, der heutigen Evonik. Wie ihm das ab 2003 gelang, liest sich wie ein Wirtschaftskrimi und ist zugleich das Porträt eine Managers und Politikers, der in den vergangenen Jahrzehnten, sei es beim Atomausstieg, sei es bei der umstrittenen Übernahme von Ruhrgas durch Eon, Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat. Dass Müller, obwohl Einzelgänger, fester Teil der Energie-Community war, der Filz ja nun wirklich nicht fremd ist, war dabei Stärke und Schwäche zugleich.
Fazit: Ein spannendes und hervorragend geschriebenes Buch über das Ruhrgebiet.






