
Ebooks bieten der Buchbranche die einzigartige Möglichkeit das Medium Buch komplett neu zu denken. Doch anstatt die Jahrhundertchance zu ergreifen, ihr Kernprodukt für das 21. Jahrhundert fit zu machen, setzt die Branche bloß auf Anachronismen und lieblos zusammen geschusterte Ramschware. Von unserem Gastautor Sebastian Büttner.
Die Erfindung der Druckerpresse markiert eine Revolution. Ohne Johannes Gutenberg und seine weltberühmte Presse würden Bücher heute vermutlich immer noch das sein, was sie viele Jahrhunderte zuvor gewesen waren: handverfasste Einzelstücke, die – verschlossen vor dem Rest der Welt – in irgendwelchen exklusiven Klosterbibliotheken langsam verrotten. Deswegen würde ich, wenn Gutenberg eine Facebook-Seite betriebe, sofort „Gefällt mir“ klicken. Ich bin ein Fan, weil Gutenberg die technischen Möglichkeiten des 15. Jahrhunderts nutzte, um Otto und Anna Normalverbraucher Wissenschaft, Politik, Prosa oder Poesie einfacher zugänglich zu machen. Damit legte der kongeniale Tüftler einen der maßgeblichsten Grundsteine für die „Wissensgesellschaft“ unserer Tage. Er gab dem Buch eine massenkompatible Form, die perfekt zu den Anforderungen ihrer Zeit passte. Doch diese Zeit ist mittlerweile… Geschichte.
Denn durch die Digitalisierung ist das „Prinzip Druckerpresse“ mittlerweile genau so überflüssig geworden wie ein VHS-Rekorder, eine Fernsehantenne oder der in 1990er Jahren aufgekommene Digitaldruck: Bücher müssen in Zeiten der globalen Vernetzung nicht mehr gedruckt, im stationären Buchhandel verkauft und nach dem Lesevergnügen in klobigen Regalwänden abgestellt werden. Bücher können heute heruntergeladen und in einer Cloud abgespeichert werden. Kurzum: Anno 2011 könnten wir erneut am Beginn einer echten Revolution von Gutenbergscher Dimension stehen. Die Digitalisierung gibt uns in Form des Ebooks die Chance das Medium Buch völlig neu zu denken, seine Inhalte noch lesefreundlicher zu gestalten sowie sie interessierten Lesern überall auf der Welt einfacher zugänglich zu machen. Und: Ebooks bieten der Buchbranche die Chance die längst verloren geglaubte Generation der Digital Natives zurückzugewinnen. Denn die Jugend liest immer weniger. Analoge Medienprodukte finden in ihrem persönlichen Warenkorb so gut wie nicht statt, da sie nicht kompatibel zu ihrer digitalen Lebenswelt sind.
Ramschware und Brückentechnologien statt wirklich neuer Lösungen
Doch anstatt den technischen Fortschritt für einen Relaunch ihres Kernproduktes zu nutzen, behandeln die meisten Verlage Ebooks wie Bücher zweiter Klasse, als reines Abfallprodukt der Verwertungskette. Schlecht gesetzte Texte und lieblos zusammengeschusterte Ausgaben sind an der Tagesordnung. Da ist es kein Wunder, dass sich immer noch ein Großteil der Leser am physischen Buch festklammert, als seien Ebooks der Untergang des Abendlandes.






