Der Ruhrpilot

PresseEingang Koloniestraße 17.00 Uhr
PresseEingang Koloniestraße 17.00 Uhr

Loveparade: Größenwahn und Provinzialität…FAZ

Loveparade II: Die Polizei hätte die Loveparade abgesagt…Welt

Loveparade III: Fritz Pleitgen wird wohl irgendwie irgendetwas gemeint haben...Xtranews

Loveparade IV: Augen zu und durch…Weissgarnix

Loveparade V: Party um jeden Preis…Spiegel

Loveparade VI: Hinter den trüben Schlieren…FAZ

Loveparade VII: Fitmacher in Erklärungsnöten…Stern

Loveparade VIII: Pleitgen: „Wir dürfen jetzt nicht aufgeben“…Der Westen

Loveparade IX: Ex-Polizeipräsident warnte schon 2009 vor Problemen…Ruhr Nachrichten

Loveparade X: Duisburg war nicht zu klein, nur schlecht vorbereitet…Welt

Loveparade XI: Warum ich bei McFit nicht kündige…Law Blog

Loveparade XII: Der Mob ist unterwegs…Querblog

Loveparade XIII: Pyrotechnische Glanzlichter…Christuskirche

NRW: Schock zum Start…Spiegel

Karstadt: Letzte Hürde für Karstadt-Rettung überwunden…Der Westen

Dortmund: Envio drohen Klagen und Zahlungen…Der Westen

Debatte: Was ist eigentlich »Liquid Democracy?«…Kontextschmiede

Online: FDP wird wegen Kommentaren bei den Ruhrbaronen ermahnt…Pottblog

In eigener Sache: PR-Rat mahnt FDP

Im vergangenen Sommer haben wir eine Geschichte über den mangelnden Arbeitseifer der damaligen Europawahl FDP-Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin veröffentlicht. Das begriff mindestens ein Mitarbeiter der FDP als Arbeitsaufforderung.

Und sie waren fleißig, kommentierten in den betreffenden Artikeln. Was natürlich absolut ok gewesen wäre, wenn sie es nicht anonym getan hätten. Dafür wurde die FDP nun vom Deutschen Rat für Public Relations abgemahnt. Hier die Presseerklärung der DRPG:

PR-Rat mahnt FDP
Berlin, 26.07.2010 Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat nach eingehender Prüfung eine öffentliche Mahnung gegen die Bundesgeschäftsstelle der FDP ausgesprochen. Diese hatte zugegeben, dass ein Mitarbeiter der Pressestelle mehrfach unter verschiedenen Pseudonymen Kommentare zu einem FDP-kritischen Blogbeitrag gepostet hat. Die verdeckte PR wurde von FDP Rechnern aus online gestellt.

Nachweislich sechs anonyme Kommentare im Blog www.ruhrbarone.de können einem Mitarbeiter der FDP zugeordnet werden. Zwar wurden die FDP-freundlichen Kommentare nicht von Vorgesetzten beauftragt, allerdings gab es auch keine internen Richtlinien oder Verweise auf Verhaltenskodizes der Kommunikationsbranche, die Mitarbeitern der FDP verdeckte PR untersagt hätten.

Wenn wie in diesem Fall Mitarbeiter einer Organisation in deren Sinne anonyme Kommentare in Blogs einstellen, verstoßen sie gegen verschiedene Kodizes der Branche. Insbesondere das Transparenzgebot des DRPR zur Kontaktpflege im politischen Raum wird verletzt. Daher spricht der Rat eine Mahnung gegen die FDP-Bundesgeschäftsstelle aus.

Positiv bewertet der DRPR, dass die Bundesgeschäftsstelle der FDP sich von verdeckten PR-Maßnahmen distanziert und ihre Mitarbeiter für die Problematik sensibilisiert hat. Die FDP hat zudem an der Aufklärung des Falls mitgewirkt. Allerdings sind bislang Richtlinien zur transparenten Kommunikation für Mitarbeiter der FDP-Bundesgeschäftsstelle nicht verpflichtend. Der Rat empfiehlt daher, umgehend klare Verhaltensregeln für die gesamte Kommunikation der Partei einzuführen, online und offline.

Die Mahnung des Rates erfolgte mehrheitlich.

Foto: FDP Baden-Württemberg

„Mit einem Konzept sind Menschenmassen gut zu kontrollieren“

"Wenn die Panik ausbricht, ist es zu spät"- Biologe Krause

Biologe Jens Krause von der Humboldt-Universität zu Berlin forscht darüber, wie Menschenmengen gesteuert werden können, zum Beispiel für eine Evakuierung bei einem Brand. Seine These: Ausreichend platzierte und geschickt agierende Ordner hätten die Loveparade leiten und Paniken verhindern können.

Herr Krause, Sie erforschen das Verhalten von Menschenmassen. Sind so große Veranstaltungen wie die Loveparade mit Millionen von Teilnehmern überhaupt zu kontrollieren?

Jens Krause: Mit dem richtigen Konzept sind auch Millionen Menschen gut zu kontrollieren. Wenn der Veranstalter weiß, wo sie sich lang bewegen und wo es möglicherweise eng wird, ist das sogar sehr gut zu regulieren. Aber die Organisatoren müssen auf den Ansturm vorbereitet sein. Niemand kann hoffen, wenn die Massenpanik oder Enge auftritt noch reagieren zu können. Dann ist es zu spät.

Wie kommt es denn, dass Personengruppen von einer Minute auf die andere so unkontrollierbar werden wie auf der Duisburger Loveparade?

Meist baut sich das Unglück langsam auf. Wenn sich große Menschenmengen bewegen und an bestimmten Stellen wie hier in einem Tunnel verdichtet werden wie in einem Flaschenhals, dann verliert der einzelne die Kontrolle. Zuerst werden die Bewegungen immer langsamer und wie im Straßenverkehr setzt dann ein Stop- and-Go ein. Dann wird es dichter und dichter, manchmal stehen sieben bis zehn Menschen auf einem Quadratmeter. Die Menschen werden an die Tunnelwand gedrückt, wollen fliehen oder sie fallen und kommen nicht mehr hoch.

Werden Menschen in der Panik dann egoistisch und helfen dem an Boden liegenden zum Beispiel nicht mehr auf?

Nein, sie können nicht helfen. In einer so dichten Menschenmenge können sie nicht mehr gezielt handeln, sie sind in einer Druckwelle gefangen. Sie wollen raus und verschlimmern es meistens noch, in dem sie anfangen zu drücken und zu schieben. Dadurch wirken enorme Kräfte. Es treten Turbulenzen wie im Wasser auf, die Leute werden wie Wellen hin- und hergeschoben. Keiner will das, aber niemand kann das stoppen.

Das klingt wie eine ausweglose Situation. Können denn die Ordner nicht eingreifen?

Wenn sich einmal dieser Druck aufgebaut hat kann auch das Sicherheitspersonal nicht mehr reagieren. Sie müssen von Anfang an die Gruppe unter Kontrolle haben. Unsere Forschungen haben gezeigt, dass sie fünf bis zehn Prozent Personen brauchen, um eine Menge zu kontrollieren. Sie können 200 Menschen mit zehn Personen in die richtige Richtung leiten, zum Beispiel zum Notausgang. Dafür müssen diese Ordner nicht gestikulieren oder über das Megaphon sprechen, sie müssen nicht einmal eine Uniform tragen. Sie müssen sich einfach nur deutlich und zielgerichtet bewegen, alle anderen kopieren sie dann. Wir bezeichnen das als Schwarmintelligenz.

Umgerechnet auf die Loveparade hätten dann ja 100 000 Ordner da sein müssen, das ist doch unmöglich.

Sie müssen ja nicht die ganze Menge beeinflussen, sondern ihr vor allem am Anfang den richtigen Impuls geben. Diese Anzahl brauchen sie dann an den gefährlichen Stellen, wie an diesem Tunnel. Dort müssen sich Sicherheitsleute strategisch positionieren, nicht nur am Rand, sondern auch in der Mitte der Menge und die anderen anleiten. Gerade in Gruppen neigen Menschen dazu, Personenzu folgen, die offenbar Ortskenntnisse haben.

Als die Panik einmal ausgebrochen war, was hätte dann getan werden müssen?

Sie müssen sofort den Druck verringern, in dem die gedrängte Menge sich auflösen kann. Sie müssen nach hinten sperren und Seitenausgänge schaffen. In Mekka haben sie nach dem großen Unglück von 2006 Videokameras installiert, die die Dichte der Menschenmasse misst und das Stop – and Go-Phänomen beobachtet. Wenn es brenzlig wird, werden die Eingänge verschlossen und Ausgänge geöffnet. Das funktioniert ganz hervorragend.

Verhalten sich denn Pilger von Mekka genauso wie die jungen Techno-Raver?

In so großen Mengen werden individuelle Unterschiede unwichtig. Alle unsere Tests zeigen, dass sich Menschen in Massen gleich verhalten, egal ob sie 18 oder 80 sind. Wenn die Raver viele Drogen konsumieren, sind sie möglicherweise desorientierter. Aber das spielt auch nur eine geringe Rolle. Der Einzelne kann in der Masse ohnehin nicht rational entscheiden.

Update – Es gibt keine Entschuldigung, Herr Sauerland – treten Sie zurück – sofort

Gerüchten zufolge erwäge der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) seinen Rücktritt.

Diese Gerüchte wurden uns unabhängig voneinander aus zwei Quellen zugetragen:

Aus Kreisen der lokalen Kommunalverwaltung und aus Kreisen einer politischen Organisation.

Es hieß zum einen, daß Sauerland seiner politischen Verantwortung wohl nicht mehr entfliehen könne.

Es hieß zum anderen, daß mit seinem anzustrebenden Rücktritt der gigantische Schaden für die Kommune einstweilig zu begrenzen sei.

Zur Stunde – Montag ein Uhr nachts – sind offizielle Stellen zur Befragung in dieser Hinsicht nicht erreichbar.

Wir werden das Gerücht heute vormittag offiziell einschätzen lassen.

Update, 26.07. – 11.00 Uhr.

Im Interview des WDR-Morgenmagazines hat OB Sauerland seinen baldigen Rücktritt nicht ausgeschlossen. Zunächst müsse „das schreckliche Geschehen aufgearbeitet werden“.

Update, 26.07. – 16.30 Uhr.

Persönliche Stellungnahme des OB Sauerland auf der Website der Stadt Duisburg.

Werbung


Der Ruhrpilot

Loveparade: Ist das Ruhrgebiet doch keine Metropole Ruhr?…Pottblog

Loveparade II: Dr. Motte fordert Konsequenzen…Ruhr Nachrichten

Loveparade III: Herr Pleitgen,Herr Jäger, bitte gehen Sie!…Pottblog

Loveparade IV: Partygelände war nur für 250.000 Menschen zugelassen…Spiegel

Loveparade V: Hinweise auf riesige Sicherheitslücken in Duisburg…Welt

Loveparade VI: Polizei wirft Veranstalter Geldgier vor…Der Westen

Ruhr2010: „Die Sendung mit der Maus” zu Besuch im Ruhrgebiet…Pottblog

NRW: Unis in Sorge…Welt

Krieg: Die Afghanistan-Protokolle…Spiegel



TV-Tipp: “Die Sendung mit der Maus” zu Besuch in der Kulturhauptstadt

Innenminister löscht Loveparade-Meldung

NRW Innenminister Ralf Jäger
NRW Innenminister Ralf Jäger

Einen Tag nach der Katastrophe will der Innenminister nicht mehr ganz so genau gewusst haben, wie die Millionen Raver gesichert werden sollen. Eine am Freitag verbreitete offizielle Pressemitteilung von Innenminister Ralf Jäger (SPD) unter dem Titel „Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Polizei professionell auf Love-Parade vorbereitet“ wurde von der Homepage der Landesregierung genommen. Am Sonntagnachmittag war zunächst noch die Überschrift zu lesen, die dahinter liegende Seite konnte „nicht gefunden werden.“ Inzwischen fehlt selbst die Überschrift. „Aus Pietätsgründen“ sei die Meldung von der Seite genommen werden, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt. Hier ist sie noch zu finden.

Tatsächlich ist davon auszugehen, dass Innenminister Jäger über die Details der Planungen nicht informiert gewesen ist. Die Hauptverantwortlichen sitzen wahrscheinlich an anderer Stelle. Nichtsdestotrotz wäre dies ein Anlass, über die Flut an offenbar substanzlosen PR-Meldungen nachzudenken. Seine eigene Meldung könnte Jäger nun in den kommenden Tagen Probleme bereiten. Am potentiellen Erfolg der Veranstaltung wollte der Sozialdemokrat offenbar teil haben. „Alle sind hoch motiviert und haben sich professionell vorbereitet“, hieß es in der inzwischen gelöschten Pressemitteilung. „Wir sind in der Lage, schnell zu helfen und den bestmöglichen Schutz für die Menschen zu gewährleisten“, stellte Jäger dort fest. Tatsächlich hatte der Duisburger offenbar nur Kenntnisse vom Sicherheitskonzept der Polizei. „Für das Sicherheitskonzept auf dem privaten Gelände sind die Stadt und der Veranstalter verantwortlich,“ so ein Sprecher von Jäger. Am heutigen Sonntag wollte sich Jäger übrigens nicht mehr äußern und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten.

Loveparade: Zurücktreten wegen Vertuschungsgefahr

Pressekonferenz auf der Medienbrücke, kurz vor der Liveschalte zum BILD-Stream: Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nimmt in Gegenwart von Kreativitätschef Gorny und Spaßmaxe Pocher eine Prioritäts-SMS entgegen. rubapic

Sicher, heute kann niemand sagen wer persönlich die Schuld an dem Duisburger-Desaster trägt. Trotzdem gibt es einen Grund für Rücktritte: Vertuschungsgefahr. Von Stefan Laurin und Thomas Meiser

Welche Schuld trägt Duisburgs jovialer Oberbürgermeister Adolf Sauerland? Was hat Duisburgs Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe an Schuld auf sich genommen? Hat die Polizei versagt? Die Veranstalter? Die Ruhr2010 GmbH? Das alles werden wir erst in Wochen, wenn nicht in Monaten wissen.

Auf der Pressekonferenz vorhin haben einige der Verantwortlichen deutlich gemacht, dass sie auf Zeit spielen. Das kann gelingen.

Aber das darf nicht gelingen.

Unabhängig von jeder juristischen Schuld, deren Feststellung einer genauen Prüfung bedarf, müssen Verantwortliche wie Sauerland, Rabe oder der faktische Polizeichef Detlef von Schmeling die politischen Konsequenzen tragen.

Und mit ihrem Rücktritt vorbehaltlose Ermittlungen erst ermöglichen.

Wer das Ruhrgebiet kennt, und das darf man uns getrost unterstellen, kennt den Filz, der das Revier bedeckt.

Dieser geht über Parteigrenzen, vermischt sich mit den Behörden und zahlreichen Unternehmen.

Wer es hier schafft, nach einer Katastrophe die ersten Tage zu überstehen und das Heft in der Hand zu behalten, hat gute Chancen durchzukommen – und die Abschlussberichte und die Ermittlungen in seinem Sinne zu beeinflussen.

Bauernopfer werden nach vorne geschickt und später für ihre Treue belohnt.

Im Ruhrgebiet hat man immer noch gute Gründe gefunden, Versager nicht in die Wüste zu schicken und Verantwortlichkeiten klein zu reden.

Deshalb müssen jetzt die Konsequenzen gezogen werden. Das ist die Grundlage der Aufklärung.

Alle Folgen der historischen PK, in der sich die für die Loveparade-Katastrophe in Duisburg Verantwortlichen der Welt lächerlich machen –  hier (6 von 6).

Und dann würden wir gern noch eines wissen:

Wer war dafür verantwortlich dafür, dass im VIP-Bereich die Party weiterging?

Dass die Lauschepper weiter lustig saufen konnten nach der Katastrophe?

Die Loveparade nicht sofort zu beenden – das mag auch sicherheitstaktischen Gründen die richtige Entscheidung gewesen sein.

Den B-Promis hätte man den Spaß-Stecker ziehen können.


/Ach ja, wer uns zu dieser Sache, deren Vertuschung damit begonnen hat, daß keine Verantwortung übernommen wurde von welchen Zuständigen auch immer, was mitteilen will

– die Tür für Whistleblower ist wie immer offen.

Der Ruhrpilot zur Loveparade

Loveparade: Toll at German Music Festival Rises…NYT

Loveparade II: Vorwürfe gegen Polizei und Loveparade-Ordner…Der Westen

Loveparade III: Fritz Pleitgen fühlt sich mitverantwortlich…Ruhr Nachrichten

Loveparade IV: Panikforscher verteidigt Konzept…Ruhr Nachrichten

Loveparade V: Duisburg leidet, Essen feiert…Der Westen

Loveparade VI: Dr. Motte: „Die Veranstalter sind schuld“…Der Westen

Loveparade VII: Bitte nicht Gelsenkirchen…Gelsenkirchen Blog

Loveparade VIII: „Das war programmiertes Chaos“…FAZ

Loveparade IX: Behörden verteidigen Sicherheitskonzept…Welt

Loveparade X: Im Tunnel des Todes…Spiegel

Loveparade XI: Die Frage nach der Schuld…Süddeutsche

Loveparade XII: Kollaps in der Menge…Zeit

Loveparade XIII: Scheisse –  Mehr als 10 Tote bei der Loveparade…Pottblog

Loveparade XIV: …schließt Internetseite…Soester Anzeiger

Werbung


Update Loveparade: Der Zombie der Ruhrbürokraten frisst 19 Menschenleben, 342 sind verletzt

(Foto: sascha_p)
Die Loveparade ist erledigt. Für alle Zeiten, so hoffe ich. Was als antiautoritäre Demonstration der Berliner Partyszene begann, endete in einem totalen Desaster – verursacht von unfähigen Ruhrpott-Bürokraten. Eine Abrechung.

Mein Mitgefühl ist mit den Opfern. Mindestens neun Frauen, sechs Männer. Ihr Tod hätte nicht sein müssen. Mein Mitgefühl ist mit ihren Familien.

Mein Zorn gilt den Bürokraten in Duisburg.

Seit dem Chaos in Dortmund war klar, dass die Loveparade im Ruhrgebiet anders ist, als die Szenenummer in Berlin. Aber geblendet von Zahlen und schönen Bildern, hielten ausgerechnet die Bürokraten aufgepeitscht von Public Relation Hoffnungen an der Technobespaßung fest. Dabei war schon Berlin die Fratze hinter den Beats für jeden, der es wissen wollte, zu sehen. Drogenfressen, Livepornodrehs im Tiergarten, Hecken knietief in Pisse und Schlamm dazu tonnenweise Müll.

Berlin hatte keine Lust mehr auf den Scheiß. Den Berlinern war es egal, dass haufenweise Verrückte aus dem ganzen Land kamen, um in ihrer Stadt einen drauf zu machen. Deswegen wurde der Gig da abgesagt. Nicht weil das so schön war. Die Loveparade war da schon tot.

Im Pott merkten die Bürokraten nix davon. Im Gegenteil. Sie finanzierten auch noch die irrsinnige Orgie. Steckten Millionensummen in die Orga des Unfugs. Weil der Veranstalter, weil die DJs, weil die alle Geld wollten, um weiter zu machen.

Die Bürokraten erweckten die Loveparade zu neuem Leben. Sie schufen einen Zombie.

Fünfzehn Menschen sind in Duisburg tot, sagte die Polizei gerade. Etliche verletzt. Einige müssen reanimiert werden, einige schweben noch zwischen Leben und Tod. Ich trauere mit Ihnen.

Dortmund war das Signal, dass es hier nicht geht. Dortmund zeigte, dass die Menschenmassen zu viel sind für unsere Kapazitäten. Hier haben die Polizisten keine Erfahrung mit diesen Techno-Riesendingern. Die haben das mit Fussballspielen verglichen – da kommen 100.000 Menschen, nicht eine Millionen. Die Bahn ist sowieso unfähig bei so Sachen. Das sehe ich jeden Morgen. Essen, trinken, alles muss klappen. Dortmund ging im Schlamm und Chaos unter, zum Glück starben keine Menschen.

Das Stilleben auf der A40 war ein schönes Fest. Es machte Glauben, dass es doch geht mit der Loveparade. Aber anders als beim Stilleben, verteilen sich bei der Loveparade nicht die massen. Sie konzentrieren sich an einem Ort, bei den Bässen, bei den Beats. Alle wollen da hin, wollen nach vorne, in die erste reihe. Sie drängen, sie schieben, sie wollen dabei sein. Ein Megakonzert. Ein Konzert mit Millionen Zuschauern. Nach Duisburg kamen angeblich 1,4 Millionen.

Duisburg hatte die wahnsinnige Saufsause eigentlich schon aus Geldmangel abgesagt. Der Rat hatte Einsicht bewiesen und das Ding beerdigt. Es war zu Ende. Aber der Duisburger Oberbürgermeister Sauerland hat die Leiche zum zweiten Mal erweckt. Hat den Zombie beatmet. Mit Geld – mit frischem Geld. Warum? Weil er Ruhm wollte für sich und seine Stadt. Sauerland, hättest Du doch dieses Geld nie besorgt. Hättest Du nur auf die Stimmen deines Rates gehört. Niemand wäre gestorben. Niemand.

In Berlin, in Essen, in Dortmund war die Loveparade in Innenstädten. Viele Zugänge, Viele Ausgänge, Menschen strömen heran, Menschen strömen hinweg. Wie ein Fluss, wie eine bebende Masse können Sie weg, entweichen, wenn der Druck zu groß wird.

In Duisburg suchten die Organisatoren einen Platz aus, in einem Gewerbegebiet. Der Hauptzugang führte durch einen Tunnel. Stickig, eng, enger, voller Menschen. Sie müssen warten. Warten, tanzen, drängen, schwitzen. Warten. Warten. Über eine Stunde. Von hinten drängen weitere heran. Mehr Menschen, mehr Leiber, mehr Enge.

Wer hat diesen Platz ausgesucht? Wer hat gesagt, hier durch müssen sie alle gehen, um auf den Loveparadeplatz zu kommen?

Am Freitag habe ich gefragt, wie viele Menschen auf den Platz passen. Der Sprecher der Stadt wollte es nicht sagen. Er meinte, das sei geheim. Er wolle und dürfe das nicht sagen. Ich habe in der Verordnung nachgesehen, die regelt, wie viele Menschen bei öffentlichen Veranstaltungen auf Plätzen zugelassen sind. Daraus ergab sich, dass auf den Platz maximal 500.000 Menschen durften. Zwei Menschen je Quadratmeter. Heute heißt es, 800.000 seien drauf gewesen. Fast doppelt so viele wie erlaubt.

Und es drängten 600.000 Menschen nach. Viele durch den Zugang unter der Brücke. Andere versuchten ihr Glück über Gleise, über Umwege, über Zäune. Es war klar, dass da was passieren muss. Es war sicher, dass das schief geht. Die Planer des Technobastards hätten das Ding verneinen müssen. Weil sie gesehen haben, dass das nicht geht. Wo sind die Mahner gewesen? Was haben sie gesagt? Warum wurden sie nicht gehört? Weil Oberbürgermeister Sauerland die Party des Berliner Guhls wollte? Weil er Ruhm wollte?

Ich denke zurück an die Polizei in Duisburg. Ich denke an die Demos in Duisburg. Besonders denke ich zurück an die Hamasdemo vor einiger Zeit, als die Polizei eine Tür eintrat, zu einer privaten Wohnung und eine Israel-Fahne vom Fenster riss, weil sie unten auf der Straße hilflos einem antisemitischen Mob gegenüber stand.

Diese Polizei hatte schon bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist kritische Großveranstaltungen zu meistern. Diese Polizei hat eine Mitverantwortung für das Desaster bei der Love-Parade. Sie hätte wissen müssen, dass sie das Monster nicht beherrschen kann. Sie hätte die Parade absagen müssen – aus Sicherheitsgründen.

Der Zombie, der zweimal wiedererweckte Leichnam der Loveparade, begann heute Morgen mit den üblichen Meldungen: Bahnverkehr zusammengebrochen. Besoffene im Anmarsch. Die Wartezeiten im Tunnel wurden länger, enger, heißer, staubiger, dunkler, schreiender, gellender, drängender. Angst. Panik. Getreten, gestoßen, gefallen, blutend, erstickend. Tot. Mindestens fünfzehnmal.

Oh Gott.

Es brennt. Noch sagt ein Sprecher der Stadt Gelsenkirchen, das muss Konsequenzen haben. Er sagt nicht: Diese untote Veranstaltung wird nie wieder stattfinden. Er ist ein Bürokrat und hält sich eine Tür auf. Zunächst müsse der Veranstalter gehört werden, was der sage.

Nein: der Veranstalter muss nicht mehr gehört werden.

Die Polizei sagt, es gab im Zugangstunnel eine Massenpanik. Wodurch sie genau ausgelöst wurde, weiß man noch nicht. Aber selbst wenn es ein Anschlag war. Nie hätte diese Veranstaltung so stattfinden dürfen.

Der Zombie der Loveparade ist unter den Händen der Pottbürokraten heute zu dem geworden was er ist. Eine blutige Bestie, bislang nur am Leben gehalten aus Gier nach Geld und Ruhm.

Im VIP-Bereich geht die Loveparade-Party weiter. Gerade um 22:00 Uhr rief  Thomas Meiser an:

Es werden noch Getränke ausgeschenkt. Kostenlos. Und die Stimmung war durchaus nicht so, daß die Anwesenden trübe in ihr Bier starrten.

Die Stimmung der VIPs war auch nicht Tanz auf dem Vulkan.

Die Stimmung der VIPs war – Party bis der Arzt kommt.

P.S. Das Bild oben stammt aus dem Internet. Ich weiß nicht, wer es gemacht hat. Oben stand ein Bild, das hatte ich von nem Kumpel geschickt bekommen, aus Facebook. Es war aber wohl aus dem Westen. Hier kriegt man die Bilder.

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/Tote-bei-Loveparade-id3278851.html

Es soll den Tunnel kurz vor der Panik zeigen. Hinten sieht man Leute klettern. Ich nehme an, die wollten da raus. Mein Gott. Wie kann sowas sein. (Bild und Text ergänzt gegen 23.00 Uhr)