Euromayday in Dortmund

Am 1. Mai findet in Dortmund der erste Euromayday des Ruhrgebiets statt. Die Mischung aus Demonstration und Happening gibt es seit zehn Jahren.

Er findet in Hamburg, Genf und Lissabon statt und in diesem Jahr zum ersten Mal im Ruhrgebiet: Der Euromayday, eine Mischung aus Protest gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und Popkultur. Eine Politik-Parade am Tag der Arbeit, laut und selbstbewusst und ohne die starren Traditionen der klassischen 1. Mai Kundgebungen des DGB.

Die Veranstalter auf ihrer Webseite:

„Warum 2010? Wir finden es wichtig einen Kontrapunkt zum Wortgeklingel der Kulturhauptstadt zu setzen die „Wandel durch Kultur“ verspricht jedoch Kultur nur als Standortfaktor meint und Kreativität auf eine Geschäftsidee reduziert. Dabei wollen wir versuchen die prekären Arbeitsverhältnisse in der Kultur- und Kreativwirtschaft mit den Problemen von Armut und Erwerbslosigkeit im Ruhrgebiet zu verbinden.

Warum Dortmund? Dortmund hat ein nicht zu übersehendes Naziproblem. Wir wollen am 1. Mai einen deutlichen Akzent dagegen setzen, der Stadt ein anderes Gesicht geben und Solidarität leben.“

Nach anfänglichen  Problemen zwischen der Polizei und den Veranstaltern sagte Manfred Radecke, der Pressesprecher der Polizei Dortmund, gegenüber den Ruhrbaronen, dass er nach einem weiteren Gespräch mit den Veranstaltern am kommenden Montag kein Problem mehr für die Veranstaltung sieht: „Es gab Diskussionen, ob die Veranstaltung eine politische Demonstration ist oder eher eine Party. Nach dem jetzigen Stand der Dinge werden wir die Veranstaltung als politische Demonstration akzeptieren.“

Von einer erhöhten Gefahr durch Neonazis am 1. Mai geht Radecke nicht aus. Ein Jahr nach dem Angriffen von Neonazis auf die 1. Mai Demonstration des DGB hat die Dortmunder Polizei keine Erkenntnisse über eine Gefährdung durch Neonazis. „Wir sind“, sagt Radecke, „vorbereitet. Wir werden uns nicht noch einmal überraschen lassen.“

Update: Speers Ruhrplan – Jetzt als Download

In der vergangenen Woche hat Jürgen Rüttgers eine IBA II angekündigt. Sie ist nur heiße Luft. Dabei liegt ein guter Plan für das Ruhrgebiet in den Schubladen. Er kommt vom Büro Albert Speer und Partner aus Frankfurt.

Das Planungsbüro Albert Speer und Partner hat einen Plan zur Weiterentwicklung des Ruhrgebiets vorgelegt. Er hat nichts mit der Rüttgerschen Luftnummer der vergangenen Woche zu tun, als der Ministerpräsident eine IBA II fordert, für die weder das Land noch die Städte die notwendigen Mittel aufbringen könnten.

Der „Ruhrplan“ von Speer, ein erster Entwurf wurde  im Auftrag des Bauministeriums und der THS erstellt, liegt uns vor. Was Speer als Konzept für das Ruhrgebiet vorschlägt, wird nur wenigen Kommunalpolitikern gefallen:

Der Ruhrplan zeigt auf, dass das Ruhrgebiet keine Chance hat sich gleichmäßig zu entwickeln. Speer will die Zentren des Ruhrgebiets stärken. Die Randbereiche und eine Zone „marginalisierter städtischer Räume“, zu denen Gelsenkirchen und Herne gehören, sollen viele Aufgaben abgeben: Nicht mehr alle Städte sollen kulturell und wirtschaftlich alles anbieten. In der Emscherregion sollen neue, grüne Freiflächen entstehen, auf alten Brachen die Möglichkeit mit wenig Mitteln selbstverwaltet zu leben und zu arbeiten und  „Turk-Towns“ möglich gemacht werden: Das nennt sich dann in dem Papier „Inseln migrationsgeprägter Parallelkulturen“

Was Speer will, ist nichts anderes, als das Schrumpfen des Ruhrgebiets aktiv zu begleiten. Verzicht ist das Zauberwort. Mit den jetzigen Strukturen des Ruhrgebiets, so eine Erkenntnis der Planer, ist das alles nicht zu machen: „Gemeinsam Schrumpfen bedeutet für viele Akteure kurz- und mittelfristigen Verzicht und Besitzstandsverlust, der kommunalpolitisch schwer vermittelbar ist.“

Die gemeinsamen Runden der Städte folgen im Moment dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners. Zu wenig, um das Ruhrgebiet, das beständig  vor allem gut qualifizierte Einwohnern verliert, auf die Zukunft einzustellen.

Speer und Partner kritisieren, dass es zu viele Pläne gibt, die nicht aufeinander abgestimmt sind und parallel laufen. Ein Plan für das ganze Ruhrgebiet soll dies ändern. Wer ihn durchsetzt? Eigentlich könnte das nur eine starke, zentrale Instanz, die es so noch nicht gibt, und die über den Städten steht.

Im Moment wird das Papier, das aus dem Herbst des vergangenen Jahres stammt, diskutiert: Bauministerium, Vertreter der Städte und des Regionalverbandes Ruhr arbeiten an einem Plan für das ganze Revier. Besser: Sind dabei, sich Gedanken zu machen, wie ein solcher Plan eventuell in kleinen Schritten entstehen könnte.

Heute ist schon klar: Speers Ideen werden nicht umgesetzt. Die Städte werden einen solchen Prozess nicht mitmachen. Allerdings soll der irgendwann beginnende Planungsprozess von Fachleuten außerhalb des Ruhrgebiets begleitet werden. Womöglich wird das  Speer übernehmen. Michael Deckel von Albert Speer und Partner bekundete auf Anfrage der Ruhrbarone Interesse: „Wir würden gerne im Bereich Raumordnung im Ruhrgebiet tätig werden. Es ist eine spannende Region.“ In Frankfurt und Köln war man bei vergleichbaren Projekten schon tätig.

Und dann ist da noch Rüttgers mit seiner IBA II: Im Bauministerium weiß niemand, was das sein soll. Und Geld ist dafür auch nicht da. Vor allem nicht bei den Städten, die ein solches Projekt mitfinanzieren müssten. Rüttgers IBA II ist ein Heißluftballon im Wahlkampf. Speers Papier sollte allerdings breit diskutiert werden: Es zieht aus einer treffenden Problemanalyse die richtigen, wenn auch oft schmerzhaften, Konsequenzen.

Update:

Der Ruhrplan als PDF zum Download. Es ist das Angebot von Albert Speer und Partner, einen solchen Plan komplett zu erstellen und gibt in groben Zügen die Idee des Ruhrplans der Frankfurter Architekten und Planer wieder…AS&P1 AS&P2 AS&P3 AS&P4

Foto: Eva K. Lizenz: GNU

Der Ruhrpilot

Dortmund: Rätsel um die ominöse Akte L…Der Westen

NRW: Geheimnisse eines Giganten…Süddeutsche

NRW II: Neuer Spendenärger im Wahlkampf-Endspurt…Welt

NRW III: NRW-CDU verschärft Kampagne…RP Online

NRW IV: Die Linkspartei verteilt Bärenfelle, bevor sie erlegt sind…Pottblog

NRW V: Fahrkarte oder Blattschuss…Post von Horn

NRW VI: Laumann will mehr Migranten in den Landesministerien…Der Westen

NRW VII: Mit Sponsoring zum Gewinn…Stern

Dortmund: Stadt such neues Betreibermodell für das FZW…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Stadtumbau mal anders…Der Westen

Essen: Gutachter rät zu Theater-Fusionen…Der Westen

Unis: Die “Eichmannisierung” der Akademiker…Coffee & TV

Ruhr2010: Fotoausstellung„VitalRäume – verzweifelte Lebendigkeit“…xtranews

Google: Street View will viel mehr wissen…Law Blog

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Nachricht in eigener Sache

Ja, ich gehe zur WAZ-Gruppe. Ich werde da im Team für Recherche-Journalismus arbeiten. Ich freue mich auf die Aufgabe – und bin happy, dass die WAZ-Gruppe mir die Chance gibt, dort mitzumachen. Es wird sicher toll. Ich werde in Essen arbeiten.

Von David Schraven

Gleichzeitig bin ich traurig, dass ich bei der Welt aufhören muss. Es war eine tolle Zeit im Wirtschaftsressort und im Ressort NRW. Die Leute dort haben mir sehr großen Rückhalt gegeben und mich mächtig bei den ganzen Streitereien unterstützt, die ich ausgelöst habe. Ich danke dem Springer-Verlag für den Mut, es mit mir versucht zu haben.

Ich war jetzt bei der taz, die tageszeitung. Ich habe bei der Süddeutschen gearbeitet, als die noch einen NRW-Teil hatte, und konnte eben auch für Springer schreiben. Und eins ist mir nach dieser Zeit echt wichtig. Im Vergleich muss ich sagen, die ganzen Vorurteile über die Welt, die gerade in Blogs andauernd kolportiert werden, stimmen nicht. Dort sind gute Kollegen, die eine gute Zeitung machen. Vor allem den Geschichten verpflichtet, die erzählt werden müssen. Es war schön dort.

Naja und jetzt WAZ. Ich denke auch dort sind gute Kollegen, mit denen man eine gute Zeitung machen kann. Ich freu mich drauf. Mitte Mai fang ich dort an.

Auf viele spannende Geschichten, hoffentlich nicht soviel Ärger und tolle Projekte!!

Ob ich bei den Ruhrbaronen weitermachen kann, weiß ich noch nicht. Das muss man sehen. Echt keine Ahnung. Aber selbst wenn ich ab Mitte Mai nicht mehr hier mitschreiben sollte:

Die Ruhrbarone wird es noch lange geben. Da bin ich sicher. Sie sind eine verdammt gute Plattform für Geschichten aus dem Ruhrgebiet und von sonst woher.

Hier arbeiten etliche Leute, die richtig was auf der Kiste haben. Ich bin echt stolz drauf, mit Euch hier geschrieben zu haben und vielleicht auch weiter zu schreiben.

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Alles Gute, David

Erst einmal herzlichen Glückwunsch an die WAZ.  Dass die sich mit David einen profilierten, investigativen Journalisten ins Haus holt, wird dem Blatt  gut tun.

Von Stefan Laurin und Christoph Schurian

Und klar, der Weggang von David ist eine Zäsur. David gehörte zusammen mit uns zum Leitungsteam der Ruhrbarone und war einer der Gründer des Blogs. Ohne ihn wären wir heute nicht da, wo wir sind.  Seine Geschichten haben die Ruhrbarone mitgeprägt und diese Geschichten werden künftig in der WAZ erscheinen. Ob David als WAZ-Mann überhaupt noch für uns tätig sein wird, ist noch offen.

Aber wie sagte schon der einstige Eintracht-Frankfurt-Trainer Dragoslav Stepanovic: „Lebbe geht weiter!“.

Die Ruhrbarone werden von über 30 Autoren und Autorinnen getragen. Wir werden weiterhin jeden Tag aufstehen und versuchen, einen guten Job zu machen. Wir bleiben auch ohne David, was wir sind: Eine kritische Stimme aus dem Ruhrgebiet mit dem Talent, jedem auf die Füße zu treten und immer wieder unsere Leser zu überraschen.

Umfrage: Kein Lager mit Mehrheit – Linke wackeln – Piraten in NRW bei 1,7 Prozent

Eine aktuelle TNS-Emnid-Umfrage bestätigt den Trend der vergangenen Wochen: Weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb haben eine Mehrheit wenn die Linkspartei in den Landtag kommt. CDU und FDÜ sind allergings im Aufwind. Interessant sind die sonstigen Parteien: Die Piraten könnten einen erneuten Achtungserfolg erzielen.

Nach den  Ergebnissen einer noch ungewichteten aktuellen Umfrage des Institutes TNS-Emnid die uns zugetragen wurden gibt es nach wie vor weder eine Mehrheit für CDU und FDP noch für SPD und Grüne wenn die Linken reinkommen. Und dieses wenn wird immer größer. Das Ergebnis der ungewichteten Umfrage: CDU 39,6 Prozent SPD 32,7 Prozent, Grüne 10,0 Prozent, FDP 7,5 Prozent und Linkspartei 5,2 Prozent. Für die Linkspartei wird es also sehr knapp werden – aber auch in dieser Umfrage liegt sie allerdings über der Fünf-Prozent-Hürde. Immerhin: Schwarz-Gelb holt auf und vergrößert den Abstand zu Grünen und SPD.

Spannend sind auch die Zahlen für die kleinen Parteien: In diesem Block führen die Piraten klar mit 1,7 Prozent. Nach den Achtungserfolgen bei den Bundes- und Europawahlen könnten die Piraten könnten die Piraten also ein weiteres Mal für eine Überraschung sorgen. Peinlich wird es für die  Rechten: Die NPD kommt in der Umfrage auf 1 Prozent, Pro NRW sogar nur auf 0,9 Prozent, die Republikaner auf 0,3 Prozent. Das ist noch schlechter als die Tierschutzpartei: Die schafft immerhin 0,5 Prozent.

Die Daten sind ungewichtet und die reinen Ergebnisse der Befragung von 5000 Wahlberechtigten in NRW in den vergangenen Tagen. Die Wichtung der Rohdaten gehört zu den Kernkompetenzen der Institute, jedes hat dafür ein eigenes Verfahren. Und natürlich ist gerade bei so kleinen Parteien die Unsicherheit sehr groß, denn es gibt Schwankungsbreiten von bis zu drei Prozent.

Ob die Piraten am es Ende schaffen werden zwischen ein und zwei Prozent zu kommen ist also nach wie vor unsicher. Aber die Daten geben zumindest her, dass die Piraten von ihren Wählern nicht vollkommen vergessen wurden.

Rüttgers Problem ist Rüttgers oder was passiert wenn ein Ministerpräsident lügt? Nix


Wir haben uns hier schon öfter gewundert, warum die NRW-Landesregierung moralisch angreifbar ist. Wir haben uns gefragt, wie es sein kann,

– dass Regina van Dinther (CDU) noch Präsidentin des NRW-Landtages ist, obwohl sie offenbar keine ausreichenden Parteiabgaben leistete und dazu noch Kohle für Kaffekränzchen bei der RAG einstrich.

– dass Umweltminister Eckhard Uhlenberg die Öffentlichkeit mit frisierten Daten zur Giftbelastung täuschte, dieses Vergehen von einem Gericht bestätigt bekam und trotzdem behauptet, dem wäre nicht so.

– dass Roswitha Müller-Piepenkötter Justizministerin bleiben konnte, obwohl unter ihrer Herrschaft Leute in Gefängnissen zu Tode gefoltert oder ermordet wurden.

Die Reihe lässt sich fortsetzen. Der einzige der zurücktrat, war Oliver Wittke, der CDU-Chef aus dem Ruhrgebiet. Er war zu schnell gefahren. Eine Petitesse. Aber er wusste, was sich gehört. Vielleicht hat er sich deswegen auch aus dem Umfeld von Rüttgers davon gemacht.

Wie konnte es sein, dass Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Skandale wie die Miet-Mich-Sache erdulden musste?

Heute enthüllte die Süddeutsche Zeitung auf der Seite 3 einen Vermerk des Ministerpräsidenten, den dieser im Urlaub 2005 verfasst hat. Darin geht es handschriftlich um Ideen für seine Regierungszeit. Was er machen will, wie er da stehen will. Auf dem Papier steht klein aber lesbar: „Imagekampagne“.

Ist das was besonderes? Ja. Dieses Wort beweist, dass der Ministerpräsident Rüttgers die Unwahrheit gesagt hat. Denn als der Ministerpräsident vor Jahren gefragt wurde, ob er mit Hilfe der Staatskanzlei eine Millionenschwere Imagekampagne geplant habe, ließ Rüttgers diese Pläne dementieren. Einer der engsten Vertrauten von Rüttgers sagte damals in der Staatskanzlei: „Nicht ich lüge, der Ministerpräsident lügt.“ Dem Vertrauten passierte nichts.

Diese Anekdote beweist, dass Rüttgers nicht in der Lage ist, einen moralischen Pol zu bieten, an dem sich seine Mitarbeiter und seine Regierung ausrichten können – und müssen. Rüttgers zweifelhafte Moral verdirbt damit auch die Moral seiner Umgebung, sie verdirbt die Moral der Landesregierung.

Der Ministerpräsident lügt, sein Vertrauter enthüllt die Lüge und nichts passiert.

Aus diesem Grund darf Uhlenberg lügen. Aus diesem Grund darf jeder andere in der Regierung das tun, wonach ihm der Sinn steht.

Aufrechten Konservativen ist das ein Graus.

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Der Ruhrpilot

NRW: Merkel glaubt dem Nein der NRW-SPD zu Rot-Rot nicht…Der Westen

NRW II: SPD umwirbt Migranten…Spiegel

NRW III: Das nebulöse Dienstwagen-Angebot der Rüttgers-CDU…Spiegel

NRW IV: Zwei Farben Rau…Jungle World

NRW V: „Rüttgers ist insgesamt kein Volkstribun“…Cicero

Dortmund: Langeweile statt Wahlkampffieber…Der Westen

Mixa: Vier Fäuste für ein Halleluja…Gelsenkirchen Blog

IHK: Aus für Metropolregion Rhein-Ruhr…Kölner Stadtanzeiger

Recht: Anwälte gegen Aussagepflicht bei Polizei…Law Blog

Bildblog: So sorry, Stefan Niggemeier…Achse des Guten

Ein paar Anmerkungen zur Missbrauchsdebatte

Gut an der gegenwärtigen Debatte ist, dass die Opfer endlich wagen zu sprechen. Das befreit. Doch dringt der aktuelle Diskurs in den Massenmedien, der stark an die sprichwörtliche durchs Dorf getriebene Sau erinnert, zum Kern des Problems vor?

Kein Mitleid mit der katholischen Kirche! Die öffentlichen Aggressionen treffen hier sicherlich keine falsche Adresse. Aber ist die Tatsache, dass sie sich auf dieses Ziel richten, nicht schon ein Indiz für eine rapide verfallende Macht? Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker glänzt manchmal auch als scharfer Analytiker: für ihn ist die katholische Kirche, wie sie sich hierzulande darstellt, ein Auslaufmodell – „die wäre imgrunde nur noch durch die Frauen zu retten“ meint er sehr richtig. Das wird sie natürlich nicht zulassen; lieber geht sie unter. Fast ist es schon mitleidserregend, dass diese streng hierarchisch strukturierte Organisation, mit einer besonders hohen Schwulenkonzentration in den Führungsebenen, sich als führende Organisation des Schwulen- (und damit Selbst-!)Hasses zu profilieren versucht. Herrgott, wirf Therapeuten vom Himmel! Welche Erkenntnisse werden sich erst auftun, wenn mann parallel mal die diversen Islamistenzirkel darauf untersucht? Aber das ist ein anderes Thema.

Obwohl nicht ganz. Das, was wir den Islamisten oftmals zu Recht als mittelalterlich unterstellen, wenn wir ihre gesellschaftliche Unterdrückung individueller Freiheiten anklagen, ist hierzulande noch nicht einmal eine historische Hundertstelsekunde her: egal, ob es die Rechte von Kindern, Menschen diverser sexueller Orientierung oder auch von erwachsenen Frauen betrifft. Ich selbst bin 53 Jahre alt, als Kind in der Mitte des Ruhrgebietes in Gelsenkirchen, Gladbeck und Essen aufgewachsen – nicht sexuell missbraucht worden, auch als Messdiener nicht – aber selbstverständlich wurde noch auf mannigfachste Art geschlagen und geprügelt, zuhause, in der Schule (Volksschule und Gymnasium) und der Kirche.

Vieles hat sich gebessert. Vor allem natürlich, dass das alles keine Privatsache mehr ist, sondern öffentlich debattiert wird. Auch dass die Eltern heute mehr wissen über die Erziehung von Kindern, und dass sie so engagiert für ihre Kinder Partei nehmen, wie sie es niemals zuvor getan haben. Was selten ist, ist wertvoll. In den Straßen, in denen ich aufgewachsen bin, sehe ich heute keine Kinder mehr toben. Nicht nur, weil es viel weniger Kinder gibt. Die Eltern haben vor lauter Kindesliebe- eine bedauernswerte Kehrseite – auch Angst, das Kind noch alleine auf die Straße zu lassen – bekanntestes Symptom: die berühmten „Mama-Taxis“. Und die Aufregung, wenn es mal zu einer Prügelei gekommen ist; das steht heute sofort in der Zeitung. Weil es dort häufiger steht, heisst das aber nicht, dass es häufiger vorkommt, sondern vor allem, dass wir heute besorgter darum sind, was ja kein Fehler ist. An „Jugendgewalt“ hat es jedoch durch alle Zeiten keinen Mangel gegeben.

Die Kriminalitätsstatistiken geben klare Auskunft, wo es für Frauen und Kinder am gefährlichsten ist. Es ist nicht in der Schule, nicht im dunklen Stadtpark, nicht in Bus und S-Bahn, sondern zuhause in der eigenen Wohnung. Die ist aber heilig, ebenso wie die Familie, hier gilt, wie in den Schulen, aus denen der Missbrauch jetzt öffentlich wird, das „besondere Gewaltverhältnis“, das sich weiter austobt, mit einer Riesendunkelziffer. Und übrigens scheint es kein Klassenproblem zu sein; Frauen und Kinder werden auch in der Oberschicht misshandelt.

Es ist also gut, dass es die Diskussion heute gibt. Aber sie darf nicht stehen bleiben. Das Private ist politisch. Da gibt es noch vieles, von dem bisher kaum die Rede war.

Eine öffentliche Debatte über Körperpolitik gibt es kaum. Fast rührend hilflos sind die Versuche, Jugendliche vor den Gefahren der Pornografie zu bewahren, sind es doch die Kids, die heute Eltern und Lehrern Technik- und oftmals auch Medienkompetenz vermitteln müssen.
Einerseits ist es moralisch notwendig und richtig, sexuelle Handlungen nur zwischen Personen zu erlauben, zwischen denen ein gleichberechtigtes und kein Gewaltverhältnis besteht. Andererseits werden in unserer Gesellschaft immer mehr Lebensbereiche durchökonomisiert und vermachtet, eine Entwicklung, die die Kids sehr aufmerksam rezipieren und uns mit ihren neuesten Pornotrends oftmals brutal den Spiegel vorhalten. Verdruckste erzieherische Moralisiererei hilft da nicht viel weiter. Die Älteren tragen selbst noch schwer an der Ideologie von Körper- und Lustfeindlichkeit, die sie nicht nur in einer Kirche, sondern – zumindest in Deutschland – auch in linken Bewegungen eingebimst bekommen haben. Das hat dazu geführt, dass sich eine Mehrheit der Alten und der Jungen in ihrem Körper unwohl fühlt – zu dick oder zu dünn, aber keinesfalls richtig, ganz so, als wenn ein Körper „richtig“ oder „falsch“ sein kann. Wie soll jemand, der oder die so wenig zur Selbstliebe fähig ist, andere lieben oder ihnen Liebesfähigkeit beibringen können? Als „MärtyrerIn“ vielleicht? Womit wir wieder bei Lattenjupp und den Parallelen zum Islamismus wären …..