Der Ruhrpilot

NRW: Bärbel Beuermann (Linkspartei) kann (oder darf?) jetzt wieder reden…Pottblog

NRW II: Die zwei Linksparteien…Sprengsatz

NRW III: Linke wirft NRW-SPD Wahlbetrug vor…Bild

Kultur: Rock-Hard-Festival…Der Westen

Karstadt: …wartet dringend auf Steuerverzicht von Köln…Ruhr Nachrichten

Umland: Dirt Masters Freeride Festival in Winterberg: Ein Kurzbesuch…Zoom

Krise: Japan – nicht Griechenland, sagt Krugi…Weissgarnix

Internet: Vorratsdatenspeicherung als Auskunftsbeschleuniger?…Netzpolitik

Internet II: Google Streetview, Nerds und ihre Spielzeuge…F!XMBR

letztes update: Endlich Opposition: Landesparteitag von Die Linke in Bottrop – live

Kommen doch noch Neuwahlen und es muss befürchtet werden, dass die frisch gewonnenen Sitze im Landtag doch wieder abhanden kommen? Oder darf jetzt schon angegriffen werden, auf dass in NRW einmal andere Themen auf das Tableau des Landtags kommen als höchstmögliche „Regierungsfähigkeit“? Ein Sonntagnachmittag in Bottrop.

16.30 Uhr: Eine Rednerin betont die historische Komponente des Einzugs in den Landtag und den einhergehenden Stimmungswandel. Im anschleißenden Redebeitrag wird auch einmal Black Sabbath zitiert und bei der Gelegenheit dem Tod von Ronnie James Dio gedacht. Als kurz vor 16 Uhr noch mehr als 40 RednerInnen auf der Liste stehen, wird die Redezeit auf zwei Minuten pro Person beschränkt, um 16.30 Uhr die Aussprache schließlich vorzeitig beendet. Auszüge aus der Debatte: Ein Redner, der als Realo bezeichnet wird, bekräftigt, dass man sich nicht auseinander dividieren lassen wollte durch die Sondierungsgespräche und speziell die Frage nach der Haltung der Partei zur DDR. Auch wird klargestellt, dass mit 5,6% und dieser SPD und diesen Grünen noch kein Politikwechsel zu machen sei. In diesem Sinne raten einige Parteimitglieder sogar davon ab, jetzt der SPD oder den Grünen einen Schwarzen Peter zuzuschieben in Bezug auf das Scheitern der Sondierungsgespräche – es sei eh nie viel von ihnen zu erwarten gewesen. Es sammeln sich vermehrt Aufrufe, die außerparlamentarische Komponente nicht zu vernachlässigen, da jetzt auch eine stärkere Mobilisierung der Öffentlichkeit möglich sei.
15.30 Uhr: Rüdiger Sagel ist übrigens auch krank, heißt es. Generell wird sehr viel über Neuwahlen geredet und darüber, dass sich dann vielleicht die FDP ein wenig bewegen müsse, um strategisch mehr Optionen zu haben. Bei der Aussprache der Linkspartei vom Podium aus sagt eine Mülheimer Delegierte, egal was man in den Sondierungsgesprächen zum Thema DDR gesagt habe, es hätte SPD und Grünen nie gereicht.
Michael Aggelidis hält Hannelore Kraft den vor ihr geäußerten Satz vor, Wahlprogramme müssten an der Realität gemessen werden. Damit sei einerseits implementiert, dass sie ihre Versprechen nicht halten müsse, während sie andererseits diesen Satz gegen die unveränderten Positionen der Linkspartei ins Feld führe. Bei anderen Parteimitgliedern fallen Sätze wie „Die SPD hat die Menschen immer verraten, wenn es darauf ankam“, „Unsere Genossinnen und Genossen haben sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen“ und „Wer Sozialabbau betreibt, ist nicht koalitionsfähig“. Auch in Berlin fände die SPD in der Oppositionsrolle plötzlich genau die Politik falsch, die sie in der Regierung noch durchgesetzt habe. Und für diese Oppositionsrolle schreibe die SPD eh die meisten Ideen von der Linkspartei oder den Grünen ab. Ähnliches würde in NRW gelten, weshalb eine linke Kraft im Parlament unabdingbar sei. Ein Knackpunkt bei den Sondierungsgesprächen sei auch gewesen, dass man sich zum Verfassungsschutz hätte bekennen müssen, der die eigenen Mitglieder bespitzele. Und gleichzeitig würde man damit Nazis finanzieren, die als V-Leute agieren. Das sei für eine linke Partei untragbar.
Gunhild Böth erklärt, man wolle im NRW-Parlament den Antrag stellen, die Kopfnoten abzuschaffen. Dies sei ein Beispiel dafür, wie man in der Opposition vorführen werde, dass man genau diese Arbeit könne, weil man sie auch im Alltag ständig vollbringe: Das politische Spektrum nach links zu verschieben, die Taktik und Wahlbetrügereien der SPD vorführen. Die Presse wolle man nach den Erfahrungen der letzten Zeit weniger gut versorgen. „Wir sehen uns auf der Straße!“, schließt Böth.

14.30 Uhr: Es folgt ein geradezu Mantra artiges Einschwören auf die Oppositionsrolle: Endlich eine Partei „links der SPD“ im Landtag. „Politik für die Mehrheit der Menschen im Lande“. Zimmermann erklärt das „Patt“ als ein Ergebnis eines „Lagerwahlkampfes“, obwohl die vier etablierten Parteien relativ austauschbar seien. SPD und Grüne hätten in den Sondierungsgesprächen gezeigt, dass sie nach der Wahl das Gegenteil von dem getan hätten, was sie zuvor versprochen haben. Er wirft aufgrund dessen speziell „Wahlbetrug an der Bevölkerung“ vor. Rot-Grün hätten z.B. auch bei Gelegenheit, also an der Regierung damals, das Schulsystem nicht geändert. Zimmermann ist auch selbstkritisch: Er hätte SPD und Grünen bei den Gesprächen direkt sagen sollen: „Ihr tickt doch nicht ganz sauber!“
Die Verhandlungen in NRW wie schon zuvor in Thüringen und Hessen seien an SPD und Grünen gescheitert, da sie nicht in der Lage seien, sich auch nur ansatzweise auf das Politikverständnis der Linkspartei einzulassen. „SPD und Grüne können mit allen“. Dagegen wolle Die Linke „den Widerstand gegen die asoziale Politik in NRW organisieren“. Denn die anderen Parteien wollten in Wahrheit gar nichts an den Verhältnissen ändern. Um die Lebensbedingungen der Menschen im Land zu verbessern, wolle man Anträge mit folgenden Zielen in den Landtag einbringen: Sofortige Abschaffung der Studiengebühren; eine Schule für alle, mindestens bis zur zehnten Klasse; ein neues Arbeitsschutzgesetz; ein Sozialticket für ganz NRW. Um Tarifsicherheit und mehr zu erreichen, werde man nun auch verstärkt außerhalb des Parlamentes z.B. auf die Gewerkschaften zugehen.

13.30 Uhr: Begrüßung durch den Kreisverband Bottrop in Form von Christoph Ferdinand: Die Bottroper haben bei der NRW-Wahl in manchen Stadtteilen mehr Stimmen geholt als die CDU und sind insgesamt deutlich vor den Grünen gelandet: Drittstärkste Partei der Stadt.
Dann Landesvorstand Zimmermann, der gleich drei Frauen aus der ersten Reihe entschuldigt: Schwabedissen, Jelpke und Wagenknecht sind wegen Hochzeit oder Krankheit nicht anwesend. Lob an die gesamte Partei für die Erfolge bei der Landtagswahl. Ein Grund für diesen Landesparteitag sei, dass man selbst erklären und auch diskutieren müsse, wie die Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen tatsächlich gelaufen seien. Presselob für die Anwesenden, Presseschelte für verkürzte Berichterstattungen der letzten Tage. Dann Verlesung des Grußworts von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst: „Hannelore Kraft hat Unrecht, wenn sie meint, nach der Wahl spielten Wahlprogramme keine wichtige Rolle mehr. Wir sind sozial. Vor und nach der Wahl.“ (…) „nicht von unseren Kernforderungen abgewichen“, „kraftvolle Opposition“. Dann erst einmal Formalia.

Einladung von Unschulds-Lammert

Nun ist der Bericht über die als überparteilich getarnte Wählerinitiative von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auf dem Weg nach Berlin: Die Bundestagsverwaltung prüft den zweiten Mann im Staat.

Wir fangen hier bei dem Brief an, um den es geht. Er ist schnörkellos – ohne Logo und Impressum. Auf zwei Seiten hat die „Initiative Bochumer für Norbert Lammert“ im Juni 2009 prominente Personen in Bochum angeworben, Lammert bei der Bundestagswahl zu unterstützen. In dem Brief heißt es, viele Bochumer seien „unabhängig von ihren jeweiligen politischen Bindungen und Überzeugungen“ von Lammerts Engagement beeindruckt und wünschten, „dass er seine Arbeit in Berlin fortsetzen kann“. Die Initiative wolle sich „zum überparteilichen Sprachrohr“ dieser Bestrebungen machen. Auf dem Papier wird die CDU nicht ein einziges Mal namentlich erwähnt – dabei hat sie die Werbekampagne für den Christdemokraten finanziert.

Die Aktivitäten der Initiative seien „Bestandteil“ von Lammerts Wahlkampf gewesen, bestätigt sein Berliner Büro. Die Öffentlichkeitsarbeit sei aus dem Wahlkampfbudget der Bochumer CDU finanziert worden, heißt es in der schriftlichen Antwort. Demgegenüber trat die Initiative offensiv als überparteilich auf.

Die Initiative gehört zum System Norbert Lammert. Als ehemaliger Vorsitzender Ruhrgebiets-CDU hat er gute Kontakte. Und wer würde sich weigern, für den Bundestagspräsidenten zu werben? Zwar fungierte als offizielles Gründungsmitglied der CDU-Kulturpolitiker Clemens Kreuzer. Aber einige der Unterstützer der angeblichen unabhängigen Gruppe, die den Werbe-Flyer unterzeichneten, wurden von Lammert angesprochen und stehen in seiner persönlichen Schuld.

Wer sich jetzt kritisch äußert, wird von Lammert oder seinem Büro offenbar direkt kontaktiert. So erging es einigen der Personen, die schon in vorangegangenen Artikeln erwähnt wurden. „So kennen wir ihn“, heißt es aus dem Bundestag.

Gleichzeitig berichtet die WAZ, dass die Initiative zwar keine eigenen Barspenden gesammelt hat, den Wahlkampf Lammerts aber mit Sachgaben unterstützt hat.

Jetzt greift die SPD Nordrhein-Westfalens den CDU-Politiker scharf an. „Derjenige, der die Finanzaffäre rund um die CDU-NRW aufklären soll, ist anscheinend selber Teil einer CDU-Finanzaffäre“, sagte der Generalsekretär der Landes-SPD, Michael Groschek. Lammert hätte den Vorgang längst offen legen und zusätzlich seine Befangenheit bei der Untersuchung der anderen Affäre der CDU-NRW um Wählerinitiativen erklären müssen, so Groschek.

Der CDU-Kreisverband Bochum übermittelte seinen Bericht über die Initiative nach Informationen der Frankfurter Rundschau schon am Donnerstag an die Landes-CDU. Deren Sprecher Matthias Heidmeier bestätigte den Eingang. Das Material sei umgehend an die Bundespartei in Berlin gegangen. Von dort soll es der Bundestagsverwaltung zugeleitet werden. In Berlin läuft inzwischen eine eigene Prüfung. Der Ältestenrat des Bundestags sprach sich dafür aus, Lammerts Stellvertreter Wolfgang Thierse (SPD) mit dem Vorgang zu betrauen. Dieser hat nach eigener Auskunft nun festzustellen, „ob die Bundestagsverwaltung die Hinweise auf einen möglichen Verstoß gegen das Parteiengesetz angemessen geprüft hat“.

Die Grünen hingegen bezweifeln, dass Thierses Auftrag im Einklang mit dem Parteiengesetz ist. „Eine Prüfung durch Herrn Thierse wäre eine im Gesetz nicht vorgesehene Krücke,“ sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck. Er plädiert seit langem dafür, die Kontrolle der Parteien auf eine unabhängigere Grundlage zu stellen. „Die gegenwärtige Rechtslage ist sehr unbefriedigend“, so Beck.

Unbefriedigend ist auch die fehlende Transparenz der Initiative. Die Geschäftsstelle des Kreisverbandes der Bochumer CDU lehnte mehrfach eine Stellungnahme zu den Finanzdetails des Lammert-Wahlvereines ab. Zuletzt wurde der Telefonhörer einfach aufgelegt.

Werbung
Werbung


Der Ruhrpilot

Ruhr2010: Akzente-Eröffnung in Duisburg…Der Westen

Ruhr2010 II: SchachtZeichen über der Zeche Friederica…Pottblog

Ruhr2010 III: Schachtzeichen Eindrücke…Hometown Glory

Ruhr2010 IV: Duisburg rockt Stanfour…Xtranews

Ruhr201o V: Ein Sonnenaufgang zur Mittagsstunde…Der Westen

NRW: Große Koalition oder Neuwahlen?…Welt

NRW II: Kraft droht mit Neuwahlen…Spiegel

NRW III: Rüttgers lässt sich Zeit…Stern

Kamp-Lintfort: Busfahrer fesselt kleinen Jungen an Sitz…Spiegel

Karstadt: Berggruen: „Ich kann Karstadt retten“…Welt

Umland: Mit deutschen Söldnern gegen Somalias Regierung…Zeit

Internet: Draussen im Netz hängt ein Guru…Blogbar

Internet II: Ruhr2010 Twitterwall, Flickr-Gruppe, Videos…Pottblog

Recht: Gericht darf nicht videoüberwacht werden…Law Blog
Gericht darf nicht videoüberwacht werden

Schöne Schachtzeichen

Über dem ganzen Ruhrgebiet sind sie seit heute zu sehen. Zwar war nicht an allen Standorten viel los, an manchen war – entgegen den Ankündigungen auf der Seite schachtzeichen.de – nur der Ballon mit einem Aufpasser. Aber es ist rundum einfach schön anzuschauen. Hier ein Foto mit Blick auf die Schachtzeichen über der ehemaligen Zeche „Lothringen“ in Bochum-Gerthe.

Wo sind die fucking Schachtzeichen? Überall!

Heute sind sie aufgestiegen, dieSchachtzeichen der Kulturhauptstadt. Diese Symbole der untergegangenen Zechen, wie sie Fritz Pleitgen und Konsorten priesen.

Und sie haben Recht behalten: Im zentralen Ruhrgebiet und im Kreis Recklinghausen waren viele der gelben Ballons zu sehen. Es war ein schöner Anblick und er verzauberte die Menschen. Überall? Nein, nicht überall.

Wie immer in Bottrop wurde dabei auch geschummelt. Einer hing über dem noch aktiven Bergwerk Prosper und wurde von E.on zumindest unterstützt, wie mir heute zwei E.on Leute erzählt haben, die den Ballon hochgepustet haben. Aber egal, diese Helliumhüllen als Symbole des Strukturwandels, diese leichten Lüfte über dem Ruhrgebiet, sollten zeigen, was erreicht wurde, seit Montan und Erze nicht mehr so sexy sind. Nun, hier ist mein Panorama-Such-Foto der Schachtzeichen. Ehrlich gesagt, ich sehe nix. Ich habe über das gesamte Revier fotografiert. Von der Stelle aus kann man von Bottrop über Essen bis Herne, Gelsenkirchen und Gladbeck schauen. Mit ganz viel Übung sieht man zwei Schachtzeichen – so wie mit bloßem Auge. Um zu zeigen wo, habe ich sie extra in dem unteren zweiten Foto markiert.

Viel Spaß bei finden. Für ein großes Bild bitte auf das kleine klicken.

Irgendwie irre, wenn man sich denkt, dass dieser Luftballon-Scherz das größte Ding der Kulturhauptstadt ist. Aber irgendwie auch bezeichnend. Viel leichte Luft, viel Bohai, und wenig zu sehen. Zumindest in Bottrop.

Werbung
Werbung


Duisburg nach dem Karstadt-Coup

„Wir haben es gehofft, aber natürlich haben wir auch gebangt. Und es ist so passiert, und wir sind glücklich“, sagt Rita Rodenbücher, die Betriebsratsvorsitzende bei Karstadt in Duisburg, dem WDR. Eine Beitrag von unserem Gastautor Werner Jurga.

Sie wissen vermutlich schon, was passiert ist. Und wenn nicht, können Sie es sich denken. Der Rat der Stadt Duisburg hat gestern in einer kurzen, nicht öffentlichen Sitzung beschlossen, auf die Erhebung von Gewerbesteuern bei dem insolventen Warenhauskonzern zu verzichten.
Dass 98 % der Städte mit Karstadt-Häusern einen solchen Verzicht erklären, ist eine der Bedingungen dafür, dass der Insolvenzverwalter seinen Rettungsplan überhaupt in Kraft treten lässt. Sonst spielen nämlich die Gläubiger nicht mit. Einerseits.
Andererseits gehe den Städten durch diesen Verzicht kein einziger Cent verloren. Weil es ja nur um rein „virtuelles“ Geld gehe, weil Karstadt ja insolvent ist, und was man sich sonst so erzählt bzw. erzählen lassen muss.

Wir reden also über einen Verzicht, der im Grunde gar kein Verzicht ist, auf den die Gläubiger aber doch zwingend bestehen, weil sie nun einmal Prinzipienreiter sind. So kennt man sie doch, diese Hedgefonds, Private Equitity Fonds und wie sie sonst alle so heißen, an die der Super-Manager Middelhoff dereinst Karstadt verkloppt hatte.
Zugegeben, die ganze Sache ist auch für besagte Gläubiger in Sachen „creating value“ nicht ganz so toll gelaufen wie für Herrn Middelhoff selbst. Und dies führt dann dazu, dass selbst Sozialdemokraten ihren Respekt bekunden. Selbstverständlich nicht für Herrn Middelhoff, der sich – möglicherweise nicht immer ganz gesetzestreu -eine goldene Nase verdient hat, sondern Respekt für die Gläubiger.
Wenn die nämlich so richtig Verluste gemacht haben und versuchen zu retten, was zu retten ist, sind das nämlich – im sozialdemokratischer Terminologie – gar keine Heuschrecken mehr, sondern einfach nur Leute, vor denen man einfach Respekt haben muss.
Opfer bringen, tolle Sache – egal ob Investoren oder Arbeitnehmer. Und wenn Letztere dann auch noch bereit sind, demnächst noch mehr Opfer zu bringen, dann, ja dann …
… sind sie glücklich. Wie Frau Rodenbücher. Die einfach nur darauf hofft, dass irgendwie gerettet werden kann, was vielleicht noch irgendwie zu retten ist. Für die meisten Karstadt-Beschäftigten ist es die einzige Chance. Denn wenn die Stelle weg ist, ist sie weg.
Insofern sieht es für die Belegschaft schon etwas anders aus als für die Gläubiger. Sicher, die Motive zur Erlangung sozialdemokratischen Respekts ähneln sich. Auch hier gilt: wenn weg, dann weg. Das Geld, aber eben in den meisten Fällen nur ein Teil des Geldes. Irgendwie wird es schon weitergehen. Gehedget wird schließlich immer.
Trotzdem: wenn´ s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf. Und der Insolvenzverwalter tut sowieso nur seine Pflicht. Und so hat er in freundlichen Worten über eine Anwaltskanzlei der Stadt Duisburg dargelegt, dass es absolut rechtswidrig ist, wenn eine Stadt nicht auf ihren Anspruch auf die Gewerbesteuer verzichten möchte. xtranews hatte aus einem der Redaktion vorliegenden Schreiben zitiert.
Der Insolvenzverwalter reagierte mit diesem Vorgehen auf eine Entscheidung des Rates der Stadt. Am Montag, den 10. Mai, hatte der Stadtrat einstimmig (!) einen Verzicht auf die Gewerbesteuer abgelehnt. Das heißt: nicht ganz einstimmig. Der Oberbürgermeister hatte sich als einziger dafür ausgesprochen.
Es kam zu wütenden Protesten der Karstadt-Belegschaft, die schon am 12. Mai ihrem Ärger vor dem Rathaus und vor dem SPD-Parteibüro Luft machte. Auch in der örtlichen wie überörtlichen Presse wurde ein enormer Druck aufgebaut, der glauben lassen wollte, das weitere Schicksal Karstadts hinge vom Abstimmungsverhalten im Duisburger Stadtrat ab.

Der Ältestenrat wurde einberufen, der eine weitere Sitzung des Stadtrates anberaumte, der gestern, am 21. Mai 2010, gerade einmal zwanzig Minuten dafür brauchte, seine Entscheidung vom 10. Mai zu revidieren. Und – irgendwie schön: abermals fiel der Beschluss einstimmig. Nur eben, dass gestern das exakte Gegenteil beschlossen wurde, nämlich der Steuererlass.
Dass die SPD sowohl in diesem Beitrag als auch bei den gewerkschaftlichen Protesten besonders erwähnt wird, ist folglich nicht ganz fair. Es mag zum einen dadurch erklärlich werden, dass sowohl das Karstadt-Personal als auch ich in besonderem Maße auf die SPD hoffen – wenn auch die Hoffnungen nicht immer deckungsgleich sind.
Es liegt aber auch daran, dass sich die sozialdemokratische Fraktion den 180o-Schwenk schwerer gemacht hatte als die anderen. Während die CDU recht früh ein Einlenken auf die Linie ihres Oberbürgermeisters signalisierte, schwiegen Linke und Grüne eisern. Dagegen posaunte die FDP – als wolle sie unbedingt ihrem Umfaller-Image besonders eindrucksvoll gerecht werden – öffentlich heraus, auf jeden Fall bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben zu wollen.
Bei der SPD mag man den Prozess der demokratischen Willensbildung innerhalb der Fraktion kritisieren. Und dass sich die Sozialdemokraten in ihrer Außendarstellung mit Ruhm bekleckert hätten, lässt sich beim besten Willen nicht sagen. Doch dass es eine ernsthafte Abwägung zwischen den nachvollziehbaren prinzipiellen Bedenken gegen einen Steuererlass und den scheinbar verheerenden Folgen eines Duisburger Sonderwegs gegeben hat, steht außer Frage.

Die Duisburger Kommunalpolitik steht – unabhängig von vordergründig parteipolitischen Betrachtungen – in diesen Tagen und Wochen nicht gut da. Sie wirkt – sei es Karstadt, sei es das Duisburger Stadtfenster, sei es die Duisburger Freiheit – manchmal inkompetent, häufig ohnmächtig. Dabei geht es doch um etwas!
Jedes einzelne dieser drei Projekte ist bedeutend für die Innenstadtentwicklung. Doch die Sache ist ernster: laufen die Dinge auch weiterhin so bedenklich wie bislang, ruinierte dies nicht nur das Prestige des Oberbürgermeisters (was zu verschmerzen wäre), es nährte Zweifel an den demokratisch gewählten (Kommunal-) Politikern insgesamt.
Zugegeben: die Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklungen in Sachen Karstadt sind relativ gering. Inzwischen ist ein neuer Bieter aufgetaucht. Offenkundig wird hier ein großes Rad gedreht, und eine einzelne Kommune kann da nur schwer hineingreifen. Manchmal reicht auch schon eine solche Einsicht, um sich nicht weit über die Region hinaus lächerlich zu machen.
Doch meistens kann man auch ein wenig mehr bewirken. Dann geht mehr; mehr als nur Kleinigkeiten. Was auch immer geändert werden muss, ich kann mir nicht helfen: ich werde den Eindruck nicht los, in vielen Fällen würde schlicht ein höheres maß an Professionalität ganz gut tun.