
400 Bürger des Ruhrgebiets gründeten heute um 18:20 Uhr im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen die Stadt Ruhr. Es ist die größte Stadt Deutschlands – zumindest virtuell.
Vorher beschworen zahlreiche Redner – unter ihnen Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert, Gelsenkirchens OB Frank Baranowski (SPD) und der Vorsitzenden des Vereins "pro Ruhrgebiet" Roland Kirchhoff – die Einigkeit des Ruhrgebiets. Die sozialdemokratischen Redner nutzten jedoch die Gelegenheit, um gegen die Pläne der Landesregierung, dem Land NRW eine neue Struktur zu geben, Stellung zu beziehen. So betonte Baranowski die Notwendigkeit der Gründung einer Stadt und machte sich über die Versuche einzelner Städte lustig, "sich mit ihrem schwachen Umland zusammen zu tun, um stärker zu wirken". Dann wendete er sich gegen die Strukturreform des Landes. Baranowski malte das Schreckgespenst eines Regierungsbezirks Ruhr an die Wand, der vom Land gesteuert und dem Revier aufgezwungen werde.
Nun hat allerdings das Land nicht vor, einen neuen Regierungsbezirk zu gründen, sondern neue Strukturen zu schaffen, die mit den heutigen nicht mehr viel zu tun haben. Und die CDU-Ruhr fordert längst die Wahl eines Ruhrparlamentes.
Doch auch dem erteilte Baranowski eine Abfuhr. Er wolle eine richtige Stadt, dann könnte es neben einem direkt gewählten Parlament auch eine zweite Kammer mit den Bürgermeistern geben. Und das Land, so seine Idee, sollte diese Stadt finanzieren – und damit die Städte ablösen, die im Moment den Regionalverband Ruhr bezahlen.
Alles leider ein wenig unkonkret. Doch so wird die Linie der SPD zum Thema Ruhrgebiet deutlich: Verbale Zugeständnisse, Forderungen, die weit in der Zukunft liegen und mauern, wenn es konkret wird.
Schade. Aber sind wir ehrlich: Es war schon schlimmer. Zumindest wird jetzt anerkannt, dass das Ruhrgebiet verbindliche Strukturen benötigt und auch Direktwahlen sind nicht mehr tabu. Nur dass Grüne, CDU und FDP programmatisch viel weiter sind als die SPD, werden die Genossen dauerhaft auch mit flotten Sprüchen nicht übertönen können.
Eher launig war die Rede von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er forderte die Bürger zu mehr Engagement für die Region auf und befürwortete eine Diskussion über die Perspektiven der Region. Lammert war in Festtagsstimmung – ich habe ihn schon kämpferischer erlebt.
Aber ich will nicht zu kleinkrämerisch sein: Die Idee, das Ruhrgebiet zu einer Einheit werden zu lassen, steht wieder auf der Agenda – und die Initiative davon ging von den Bürgern aus. Ein gutes Zeichen. Die sollen sich auch künftig an der Diskussion beteiligen – und Bürger der Stadt Ruhr werden. Auf der Internetseite Stadt Ruhr.de kann man der Stadt Ruhr beitreten, morgen eine Aufzeichnung der Veranstaltung sehen und in einem Forum seine eigenen Ideen einbringen.
Auf erste Forderungen, wie die Direktwahl eines Ruhrparlamentes, ein einheitliches Nahverkehrssystem und einen Regionalbezirk Ruhr haben sich die Initiatoren der Veranstaltung schon geeinigt – und, nein, niemand will einen Staatskommissar aus Düsseldorf, den RVR Chef Klink als Schreckgespenst an die Wand malte. Was der im Musiktheater zu suchen hatte, gehört für mich zu den großen Geheimnissen eines ansonsten gelungen Abends, durch den der ehemalige WAZ-Chef Uwe Knüpfer führte.








