
Eigentlich ist die Geschichte eine kleine Anekdote aus dem Lokalgeschäft. Die Tochter des Weseler Chefs der CDU-Kreistagsfraktion ist eine Radioreporterin. Die jobbt beim lokalen Sender RADIO KW. Dort ist sie als faire, engagierte Frau bekannt. Politisch interessiert, warum auch nicht. Das politisch wichtigste Thema im Kreis ist derzeit der mögliche Austritt aus dem Regionalverband Ruhr (RVR). Als der Kreisausschuss in Vorbereitung zum Kreistag über diese Frage beraten wollte, ging die Reporterin hin,um zu berichten. Das aber mißfiel dem amtierenden SPD-Landrat Ansgar Müller. Er rief in einer Sitzungspause bei der Chefredaktion von Radio KW an und erkundigte sich, was die Tochter des CDU-Kollegen da überhaupt mache.
Ein Skandal, fand unter anderem die CDU: Landrat Müller (SPD) habe versucht, die Berichterstattung über die RVR-Debatte durch die Reporterin zu stoppen. Müller ein Zensor?
Doch der angegriffene Landrat wiegelt ab. "Die Aufregung über meinen Anruf verstehe ich nicht." Schließlich sei die Reporterin selten da. Und da habe er sich eben über die "seltsame Einsatzplanung" des Radiosenders informiert. Die Frage zwischen den Zeilen lautet: Schickt es sich, eine Tochter von einem Politiker zu einer politischen Veranstaltung zu schicken?
Sicher eine spanndende Frage, gerade im Lokalen Geschäft. Ich weiß auch nicht, wie sie beantwortet werden soll.
Auf der einen Seite ist es für einen politisch interessierten Reporter wichtig zu den Sitzungen zu gehen, wo etwas passiert. Und das ist hier der Fall, also ist das Verhalten der Reporterin normal. Auf der anderen Seite ist es eher nicht normal, in einer Sitzungspause eine Chefredaktion anzurufen. Ich hab so etwas noch nie gehört.
Aber dass sich Müller diese Frage stellt und gerne eine andere Reporterin sehen würde, kann ich verstehen. Aber soll deswegen die angesprochene Reporterin Arbeitsverbot in ihrer Heimat kriegen – weil das dem Landrat so paßt? wie gesagt, schwierig.
Die angegriffene Radiodame sagte jedenfalls der Rheinischen Post: „Ich habe neutral dargestellt, worum es beim Thema RVR geht.“ Und weiter: „Ich gehöre keiner Partei an, sehe Politik total kritisch. Eben wegen der Verwandtschaft lege ich besonderen Wert auf meine Unabhängigkeit.“
Ich neige dazu, Ihr zu glauben. Zumal auch Müller in seiner Stellungnahme feststellt: "ich schätze die journalistische Arbeit der Reporterin, weil sie ausgewogen und fair ist."
Was bleibt dann? Der Anruf. Aber auch der ist eigentlich normal. Nur üblicherweise hätte ein Landrat nach der Sitzung in der Chefredaktion angerufen und gefragt, ob das nötig ist, dass ausgerechnet die Tochter des CDU-Chefs im Kreistag aufläuft.

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