Werbung

Roger Waters (BDS) vor Gericht: Zahlt sich Antisemitismus aus im Kulturbetrieb? Für wen? Und warum?

Antisemitismus vor leeren Rängen? Das Narodni Divadlo in Prag by Jorge Ryan cc 3.0

„Israel-Kritik!“, „Tod Israel!“, „Tod den Juden!“ Gibt es ein Menschenrecht darauf, den Hass zu betrommeln, den BDS vorsingt? Möglicherweise, Roger Waters lässt die Frage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt verhandeln. Die eigentliche Frage, die der Ex-Pink Floyd vorlegt: Gibt es genügend Leute, die Israel-Hass in Kauf nehmen, wenn sie Tickets kaufen für Kultur? Was sich bisher sagen lässt: Roger Waters hat verloren, auch wenn er vor Gericht gewinnt, nur was dann? Übernimmt dann Amelie Deuflhard? Deren „Initiative Weltoffenheit“, durchweg staatsfinanziert, bastelt sich ihren eigenen BDS, den will sie weiter hassen lassen, es verspricht Glück.

„Wenn selbst jemand wie Waters nicht daran gehindert werden kann, seinen Israel- und Judenhass öffentlich zu verbreiten, dann werden viele in der jüdischen Gemeinschaft sich fragen, ob das Recht den Schutz für Antisemitismus höher gewichtet als den Schutz vor Antisemitismus.“ So Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, nachdem der dortige Stadtrat im März entschieden hatte, das Konzert von Roger Waters, dem Brüllwürfel des BDS, nicht abzusagen. Drei Überlegungen zu Charlotte Knoblochs Satz:

(I) BDS ist Targeting

Die Hetze gegen den jüdischen Staat, 3000 km Luftlinie entfernt, stellt eine Bedrohung für Juden in Deutschland dar, das macht Knobloch deutlich, die Staatsanwaltschaft Kassel streitet es ab: Sie ermittelt nicht wegen der diversen Antisemitismen, die im vergangenen Jahr auf der documenta, der Ausstellung für Gegenwartskunst, gezeigt worden sind, weil sich diese nicht „gegen die inländische jüdische Bevölkerung“ gerichtet hätten. Ähnlich irritierend die Unterscheidung, die Dunja Hayali versucht, wie Peter Ansmann in diesem Blog berichtet hat: Den „Tod Israel“ zu fordern, twitterte die Fernseh-Moderatorin, sei „ein unterschied zu ‚Tod den J*d*n‘“. Mit ihren Sternchen tut Hayali so, als sei eindeutig, wer oder was Israel sei, dem der Tod gewünscht wird: Tatsächlich addressiert Israel nicht allein den Staat, sondern, darauf hat Stefan Frank jetzt freundlich hingewiesen, ebenso das Land, das Volk oder eben  –  von den Nazis 1939 allen männlichen Juden als Zweitname aufgezwungen  –  jeden einzelnen Juden.

Und der Davidstern, den Roger Waters auf seine fliegenden Schweine malt, bevor er sie abschießen lässt? Er verweise auf „religiöse Dogmen“, die ihm zuwider seien, deutelt der Brite sein künstlerisches Werk. „Ressentimentgeladen“, hat dies Ronen Steinke genannt, aber, so der rechtspolitische Korrespondent der SZ: „Red du nur“, eine Meinung wie diese lasse sich eh nicht verbieten, „‘immer bricht der Geist die Ketten‘“, das habe bereits Karl Löwenstein gewusst, Vordenker der militant democrary. Der von den Nazis ins Exil getriebene Löwenstein, so Steinke, „plädierte 1937 dafür, ausschließlich Faschisten mit Verboten zu begegnen. Und auch das nur, weil Faschismus eben keine Meinung sei. Sondern eine Methode. Die Methode Gewalt.“

Synagoge Bochum mit Davidstern-Ornament. Foto (Ausschnitt) by Frank Vincentz cc 3.0

Wenn Antisemitismus aber beides ist? Eine freie Meinung sowohl wie eine Methode, nämlich die der Markierung, Ausgrenzung und Vernichtung? Entscheidend der „Übergang“, so Steinke, aber da, an einem „Übergang“, sieht er keinen Waters stehen, weil der ja „den gewaltfreien Boykott Israels und von Israelis“ predige. Als frei flatternde Meinung sei dies von der Verfassung geschützt, die  –  hier zitiert Steinke aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das einen Anti-BDS-Beschluss des Münchner Stadtrats von 2022 für unzulässig erklärt hatte  –  „auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien“ setze.

In der Tat, die Passage im Leipziger Urteil hebt liberales Selbstbewusstsein. Meinungen, heißt es darin, seien „durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt“ unabhängig davon, ob die Äußerung als „gefährlich oder harmlos“ eingeschätzt werde. Mag also sein, dass Roger Waters „religiöse Dogmen“ abschießen will, wenn er sein Ballon-Schwein fliegen lässt, faktisch lässt er  –  es ist derselbe Davidstern  –  auf die Flagge des Staates Israel symbolisch schießen genauso wie etwa auf die Synagoge Bochum, auf sie wurde kürzlich scharf geschossen. BDS ist Targeting.

 (II) Zukunft einer Illusion

Wenn Antisemitismus der Marke BDS als Meinung gelte, die „wir ertragen müssen“, könnte man Waters beinahe dankbar sein: BDS-Hetze hat immer vom Pop-Faktor gelebt, der Assemblage aus Klang und Mode, Habitus und Stil, Gefühl und Werten. Ob dieser Pop-Impuls gezündet hat, als Roger Waters den Vereinten Nationen zugeschaltet wurde, das Gesicht dicht vor die Kamera gedrückt und dabei, als sei es ein motorischer Tic, immer wieder geräuschvoll die Nase hochzog? Seine Konzerte verkaufen sich, das Erbe hat Bestand, aber kein Veranstalter Lust, sich vom eigenen Künstler zu distanzieren, dessen Konzerte er vor Gericht durchdrücken muss, keiner ist scharf auf eine Presse wie die, die Waters dem CTS-Konzern bereitet hat, alle wollen das Schöne und Gute verkaufen und Glück und Glanz und ihre Künstler an den Maßstäben messen, die sie an sich selber legen, an der Pop-Idee von einer großen Gemeinschaft, die alle Differenzen überbrückt. Pop ist Illusion, eine Phantasie der Wunscherfüllung, „die Zukunft einer Illusion“ liegt darin, dass sie in sich stimmig bleibt und der Wunschzettel plausibel: „Das Geheimnis ihrer Stärke ist die Stärke dieser Wünsche“, schrieb Sigmund Freud über eine andere, nicht unähnliche Illusion. Bad news sind bad news im Pop und BDS ein böses Risiko.

Was sich allerdings ändern könnte, Pop agiert auf dem freien Markt. Wenn man sich einmal für einen Moment vorstellt, ein Gigant wie CTS Eventim würde, weil es sich nun doch zu rechnen schiene, auf BDS-Linie einschwenken und die Illusion, die er verkauft, dadurch beglaubigen, dass er auch ihre illusionäre Antithese markierte? Was, wenn die schöne Pop-Welt ihr böses Gegenüber gleich mit erschüfe, eine glückselig machende „Jouissance“ und zugleich deren „Dieb“? Im vergangenen Jahr ist die Dissertation von Natascha Müller erschienen über die Frage, wie das eigentlich vonstatten gehe, dass BDS brettharten Antisemitismus produziert, sich dafür auf die Menschenrechte beruft und Beifall erntet vor allem im Kunst- und Popmilieu. Eine Kampagne gegen den Terror, dem Palästinenser tatsächlich unterworfen sind, wäre sehr viel plausibler, warum dieser Turn?

Demo Mai 2021 in Los Angeles by Levi Clancy cc 1.0

Müller spricht von einer „antisemitischen Aneignung des universalen Menschenrechtsdiskurses“, sie erklärt sich das Phänomen mit dem von Jacques Lacan geprägten Begriff der „Jouissance“  –  gemeint ist die in der Psyche eines jeden Menschen grundgelegte Vorstellung eines „mit sich selbst identischen Zustands der Ganzheit, der Fülle, des Seins ohne Mangel“. Etwas, das, weil letztlich religiös, nur symbolisch realisiert werden könne, weshalb der „Jouissance“ die Erfahrung andauernden Scheiterns eingeschrieben sei, die wiederum  –  und hier greift Müller auf das Konzept der „sozialen Fantasie“ von Slavoj Žižek zurück  –  einen Schuldigen suche, den „Dieb der Jouissance“. Dieser Gauner finde sich  –  hier ruft Müller diverse Antisemitismustheorien auf  –  in der Gestalt des „konzeptionellen Juden“, gemeint ist damit die tradierte Fantasie über einen, der alles besitze, was man für sich selber ersehnt: Lohn ohne Arbeit, Glück ohne Macht, Religion ohne Mythos, wie es in der Dialektik der Aufklärung heißt, und ersehnt hier eben auch eine „Heimat ohne Grenzstein“. Weltoffenheit, wenn man so will; dazu später.

Das Verteufelte als insgeheimer Wunsch: In dieser Gleichzeitigkeit von Hass und Begehren  –  Thomas Haury hat dies am Antisemitismus des 19. Jahrhunderts herausgearbeitet: die Juden als Anti-Nation, die alles vereine, was man sich selber wünscht –  in dieser Gleichzeitigkeit von Abscheu und Sehnsucht liegt ein Strukturprinzip des modernen Antisemitismus, heute strukturiert dieses „Zusammenspiel von antisemitischer Dystopie und menschenrechtsorientierter Utopie“ den internationalen BDS-Diskurs.

Dies das Ergebnis von Müllers poststrukturalistischer Analyse. Um es zu pointieren: Israel, der „Jude unter den Staaten“, wie Leon Poliakov 1992 formuliert hat, wird im World Happiness Report der UN beständig in den Top Ten geführt, im jüngsten Glücksreport liegt Israel auf Platz 4, und klar wurden auch die arabischen Israelis befragt  –  im Menschenrechtsdiskurs dagegen, der sich um BDS gruppiert, wird Israel zum Gegenprinzip des universalen Glücksversprechens, hier verkörpert der kleine Staat, groß wie Österreich oder Togo, ein andauerndes Scheitern, nämlich das der menschenrechtlichen Ideale weltweit. Ein Unverhältnis, das jedermensch ins Auge springt, aber gerade deshalb, schreibt Müller, seien das Willkürliche, Widersprüchliche, Vieldeutige im BDS-Diskurs keine Irrtümer, die sich diskursiv ausräumen ließen, sondern seien dem Diskurs vorausgesetzt und dessen „notwendige Bedingung“. Charakteristisch für diesen BDS-Diskurs sei, dass beides ständig ineinander greife, die „grauenvolle Dimension“ der sozialen Fantasie und ihr Pendant, die „glückseligmachende Dimension“.

Nun ist letzteres, das glückseligmachende Moment, ohne Frage der Pop-Kultur verwandt, Menschenrechte leuchten so fraglos ein wie guter Pop es tut, sie gelten so universal wie Pop gehört werden kann, und sie versprechen wie der schönste Pop ein Glück auf Erden, das sich natürlich niemals nirgends ganz erfüllt. Pop ist nun allerdings eine Illusion, die ein Bewusstsein hat davon, dass sie illusionär ist und dass ihr ganzer Wert darin liegt, illusionär zu sein; die Einsicht schützt davor, sich selber für bare Münze zu nehmen und die kleinen Momente des Glücks fürs große Ganze: Wer schwärmt, weiß, dass er schwärmt, es gibt wenig Schöneres auf Erden, das ist der Sinn des Pop. Völlig anders Roger Waters, ohne beständig auf den Dieb zu verweisen, der das Scheitern aller Fantasien von gesellschaftlicher Jouissance verkörpert, kriegt der Brite seit Jahren keinen Sinn mehr in seine Musik.

Warum dieser Ausflug in die Theorie? Damit deutlich werde, dass Antisemitismus nichtlinear ist, es gibt  keine „Übergänge“, es gibt sie bei BDS nicht und nicht beim Targeting, das BDS betreibt, es gibt Gleichzeitigkeiten. Das, was Jean Améry „das Gewitter in der Wolke“ genannt hat, den Mord im Wort. Worte sind keine Taten, schon klar, sie können es werden, auch klar, beim Antisemitismus geht es nicht mehr ums Werden, es geht ums Können. Deshalb ist BDS keine Meinung, sondern Methode, BDS markiert.

(III) Wir basteln uns BDS

Es sind Terrorfirmen, die BDS anführen, ihre Firmenpolitik unterscheidet sich um kein Gran von der, die Nazis verfolgen. In Frankfurt haben Stadt und Land den Vertrag über Waters Konzert gekündigt, sie haben, auch wenn sie vor Gericht verlieren sollten, bereits gewonnen, nämlich eine öffentliche Stimmung, in der von Waters Antisemitismus gesprochen wird und nicht  –  wie noch bei Ruangrupa, den Kuratoren der Documenta  –  von „Antisemitismus-Vorwurf“ oder einem „Antisemitismus-Verdacht“. Und was zumindest die Pop-Branche jetzt gewonnen haben dürfte: die Einsicht, dass auf dem Weg, den Waters vorangeht, alle verlieren. Würde es hingenommen, dass sich die Pop-Idee kurzschließen lasse mit dem Terror-Tod von Demokratie, stünde nur noch in Frage, wer als nächstes dran käme, wäre Israel erst einmal „befreit“. Das ist im Übrigen der Grund, warum die Sicherheit Israels zur Staatsräson rechnet, zur demokratischen.

Auf dem freien Kulturmarkt also wird eine Grenze gezogen, mühsam genug. Die „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ dagegen setzt alles daran, das Biest zu füttern, das Demokratien frisst. Hinter dieser Initiative mit ihrem Titel, der wie ein Wunscherfüllungsprogramm klingt, stehen zwei bis drei Dutzend Intendanten und Direktoren von mittel- bis größten Kulturinstituten der Republik, alle durchfinanziert mit Steuergeld, das andere dort erwirtschaften, wo Antisemitismus derzeit in Schach gehalten wird, auf dem freien Markt. Die „Weltoffenen“ halten sich  –  man nenne es verwegen oder vermessen –  für imstande, BDS-Antisemitismus zu wehren, indem sie ihm die Bühne bereiten. Auffällig an ihrer Strategie, dass sie sich allein auf die glückseligmachende Dimension des BDS-Diskurses kaprizieren. Ihr Plädoyer, im Dezember 2020 präsentiert, ist purer Jargon, eine Aneinanderreihung von Eulogien, mit denen sie dem antisemitischen BDS „kritische Reflexion“ attestieren und BDS-Aktivisten den Status von „marginalisierten Stimmen“, dem BDS-Hass die Qualität einer „gesellschaftlichen Vision“ und dem „Diskurs“ darüber „vielschichtige Solidaritäten“. Eine Soli-Adresse an die, denen der BDS-Hass gilt, sparen sie sich, bei der Präsentation ihres „Plädoyers“  –  an Chanukka, dem jüdischen Feiertag  –  wurde stattdessen Achille Mbembe hofiert, der Schöngeist des Terros, sobald der sich gegen Israel richtet.

Das alles ist zum Überdruss bekannt. Jetzt, am Karsamstag, hat BDS sich einmal selber demaskiert, die knallroten Styropor-Buchstaben „B“ und „D“ und „S“ tauchten nicht mehr vor der Berliner Philharmonie auf, um ein Klavierkonzert zu bekritteln, sondern als inklusiver Teil jener Demo, die den „Tod Israel!“ gefordert hat und „Tod den Juden“. Diskurs und Pogrom, wie reagiert die „Initiative Weltoffenheit“? Der Deutschlandfunk hat, aufgeschreckt von den Ruhrbaronen („in einem Blog wird kritisiert“), Amelie Deuflhard befragt, die Intendantin der  Staatlichen Bühne „Kampnagel“ in Hamburg, sie hat die „Initiative Weltoffenheit“ von Beginn an mit getragen. Ergebnis: 10 Minuten und 36 Sek, aber kein Moment des Erschreckens, kein Innehalten, kein Gedanke daran, sich vielleicht getäuscht haben zu können in dem als gewaltfrei verkauften Boykott der BDS-Aktiven. „Null Einsicht, null Empathie für die von ihnen offen bedrohte jüdische Minderheit“, so kommentierte die FAZ die Reaktion, meinte damit allerdings die von Samidoun, den Demo-Veranstaltern, einer Vorfeld-Organisation der PFLP. „Natürlich distanziere ich mich total von solchen Skandierungen“, sagt Deuflhard, einen Atemzug später wirft sie sich Achille Mbembe an den Hals, dem Terror-Flüsterer, der den Mord an israelischen Zivilisten zur „Vision der Freiheit“ erklärt hat, die Terror-Killer zu „Märtyrern“, die „Märtyrer“ zu „Befreiern“ und deren Tod zum „Mittler der Erlösung“:

Wo um alles in der Welt soll ein Unterschied liegen zwischen dem, was Mbembe in seinen Büchern schreibt und dem, was BDS auf Neuköllns Straßen brüllt? „Ich erzeuge den blutigen Körper“ und „Tod, Tod Israel!“ und Qassam-Raketen auf Tel Aviv „Tag für Tag!“? Deuflhard nennt Mbembe „berührend“.

Raketen aus Gaza auf Israel November 2012 by Dima Vazinovich (IDF) cc 4.0

In der Tat, „es verschwimmt alles“, sagt sie, die alles verschwimmen lässt. Der freie Markt wirft Dämme auf gegen Judenhass, steuerfinanzierte Betriebe fluten sie. Waters Anwälte hätten jedes Recht zu fragen, warum ihr Mandant nicht dürfe, was Amelie Deuflhard darf. Wenn es um Israel gehe, erzählt sie, gebe es halt solche Stimmen und solche in ihrem Programm, „das Einzige, was wir nicht machen, dass wir sie direkt aufeinanderprallen lassen“. Aber hatte ihre „Initiative Weltoffenheit“ nicht genau dies gefordert? Wörtlich: „Konfrontation und Auseinandersetzung müssen gerade in öffentlich geförderten Kultur- und Diskursräumen möglich sein“? Sah Deuflhard sich nicht eben noch „beauftragt“, genau dies zu tun? Und erklärt jetzt, ein öffentlich geförderter Diskurs sei, wenn man sich nicht auseinandersetzt? Es verschwimmt alles.

Und das eben ist die Strategie, BDS wird verwaschen und verbastelt. „In Teilen antisemitisch“, so die gängige Formel im Mediensprech. Nur kurz tippt Deuflhard die grauenvolle Dimension des Hasses an („distanziere mich total“), schon rahmt sie den Mordaufruf als „israelkritisch“ ein und schwenkt hinüber in die glückseligmachende Dimension eines Diskurses, den sie mit sich selber führt: „Unsere Politik ist, dass wir ein weltoffenes Haus sind, das auch unterschiedliche Positionen zulässt“, sagt sie über sich, „bei uns funktioniert es ganz gut.“

Was wahrlich nichts Neues wäre „bei uns“, moderner Antisemitismus war immer diskursiv, indem er sich selber bespiegelt hat. „1000 Leute“ ruft Deuflhard in den Zeugenstand, „1000 Leute“ hätten Mbembe bei ihr live gehört, „und es gab kein Problem“. Wenn das kein Beweis ist. Antisemitismus ist auf genau diese Weise groß geworden. Und genozidal. Und es gab kein Problem, es gab Debatten, Bücher und Songs, es gab Vorträge und Diskussionen, flotte Filme und volle Theater, es gab bürgerlichen Schick und studentischen, kulturellen Rabatt und politischen, mit Antisemitismus ließ sich Moral reklamieren und Karriere machen, ließen sich tiefe Gefühle wecken und Überzeugungen empfinden, hehre Ideale und aufrichtige Empörung: Der diskursiv veredelte Antisemitismus  –  Shulamit Volkov hat einem dies wieder und wieder erklärt  –  hat überhaupt keinen politischen Wert, er hat einen symbolischen. Es geht nie um die, die auf die Bühnen geschoben werden, nicht um Palästinenser, nicht um Israelis, um keine politische Lösung. BDS selber grenzt den menschenrechtlichen Ansatz   –  den „rights-based-approach“  –  von jedem „solution-based-approach“ ab: „Rechte einzufordern, ohne konkrete Vorschläge für deren Umsetzung zu unterbeiten“, schreibt Natascha Müller, „lässt sich als eine zentrale strategische Ausrichtung der Bewegung definieren“.

Heute zu glauben, dass sich dieses Paradoxon  –  die „Gleichzeitigkeit menschenrechtsorientierter Antisemitismen“  –  diskursiv einfangen ließe, indem man sie inszeniert und beklatscht, wie soll man diese Strategie der „Weltoffenen“ nennen? Wenn nicht so, wie Roger Waters seine Tour benannt hat: „This is not a drill“? Es ist keine Übung mehr.

 

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
Werbung