Ruhrtriennale: 3 Jahre Carp, 3 Jahre BDS, 3 Ergebnisse

Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp Foto: Edi Szekely/Ruhrtriennale 2018

Wenig Kunst, viel Carp. Das ist ein Ergebnis, das Stefanie Carp, scheidende Intendantin der Ruhrtriennale, am Ende ihrer drei Spielzeiten verbucht, es festzustellen ist nicht neu. Das andere ist, was die Debatten über BDS und hippen Hass auf Israel denn nun erbracht haben, auch da gibt es Ergebnisse, ein gutes und ein schlechtes. Von unserem Gastautor Thomas Wessel.

Dem DLF Kultur hat Stefanie Carp jetzt zum Abschied ein viertelstündiges Interview gegeben, längere Passagen daraus sind unten auf der Seite dokumentiert. Darin bilanziert sie die von ihr ahnungslos ausgelöste („ich wusste damals überhaupt nicht, was BDS überhaupt ist“), dann beharrlich befeuerte Debatte über die „im Kern antisemitische“ BDS-Kampagne. Ihre Bilanz lässt sich, das vorweg, auf eine eigentümliche Formel bringen:

  Antisemitismus = „lokal“ und „erlogen“. Rassismus = „global“ und „offensichtlich“.

Der Reihe nach: Am Beginn, sagt Carp und meint die 2018er Debatte über die BDS-Band Young Fathers, habe „eine kleine lokale Intrige“ gestanden. Die 2020er Debatte habe ebenso begonnen, auch „im Fall Achille Mbembe war es die pure Intrige einiger weniger Personen, die ich auch nennen könnte, die mich persönlich beschädigen möchten“.

Eigentlich also sei sie, Stefanie Carp, das Opfer, Achille Mbembe nur vorgeschoben („ausgesucht“), und sämtliche von lokalen Intriganten ersonnenen Behauptungen  –  „Mbembe sei antisemitisch oder BDS-Unterstützer und was auch immer“  –  seien „absolut infam und erlogen. Eine ganz infame Intrige auch seitens des Antisemitismus-Beauftragten, der sich dafür hat funktionalisieren lassen.“

Felix Klein also, beauftragt von der Bundesregierung, gelenkt von örtlichen Intriganten; die intellektuellen Ausfälle, die Mbembe gegen Israel führt: alle belegt, alle „erlogen“, ebenso seine Lobhudeleien von Selbstmordattentätern, seine massive Agitation für BDS, seine irritierende Erklärung, dass er, ein Wissenschaftler von Rang, erst „nach reiflichem Nachdenken“  (ZEIT 18/2020) dahinter kommt, dass der Boykott von Wissenschaft unwissenschaftlich sein könnte: Was vor Augen steht, wischt Carp vom Tisch, sie nimmt stattdessen einen „Hintergrund“ in den Blick und dann noch einen zweiten:

„Im Hintergrund“, sagt sie, gehe es um den globalen Süden, um „Menschen aus anderen Kontinenten und anderen Erfahrungen“ mit einer „anderen Wahrnehmung“; zum anderen gehe es  –  jetzt schwenkt ihr Blick hinüber auf die „reichen westlichen Staaten“  –  um den „ganzen rassistischen Hintergrund, der ja ziemlich offensichtlich war“, Mbembe sei Opfer einer „Lynchjustiz“ geworden.

Offensichtlich ist hier, dass der carpsche „Hintergrund“, in dem Mbembe nicht etwa publiziert, sondern gelyncht worden sei, selbsterklärend wirkt: Carp behauptet, DLF sendet. Und damit ist ihr Bedeutungsfeld abgesteckt, sie hat ihre 4 Gedankenfiguren wie fürs Brettspiel aufgestellt: auf der einen Seite Antisemitismus = lokal im Doppel mit Antisemitismus-Vorwurf erlogen. Auf der anderen Seite Rassismus = global im Doppel mit Rassismus-Vorwurf evident.

Ein Brettspiel für Blöde. Das Gute daran, es ist nicht aufgegangen. Furchtbar hingegen, dass man solche Debatten am Brett überhaupt noch führen muss, am Ende ist wenig groß daran außer Felix Klein.

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Deutschlandfunk Kultur | Stefanie Carp im Interview mit Vladimir Balzer

https://www.ardaudiothek.de/fazit-kultur-vom-tage/ruhrtriennale-eroeffnet-digitales-archiv-die-spuren-von-nie-stattgefundenem/79212628

Thema ab min 7:45: Achille Mbembe

Stefanie Carp (min 9:05)  Ich möchte nur einmal einflechten. Achille Mbembe hat sich in einem Werk, das 5000 Seiten bisher umfasst, in drei Sätzen zur Politik Israels gegenüber den Palästinensern überhaupt geäußert und das auch nur als Beispiel für Segregation hat er die Wohngebiete der P beschrieben, das ist eines. Dann hat er einmal einen kleinen polemischen Text, der aber gar nicht in seinem Werk vorkommt, ich will damit sagen, Achille Mbembe ist überhaupt niemand, der sich mit dem Thema Naher Osten / Israel beschäftigt, das interessiert ihn gar nicht, er hat eigentlich ganz andere Themen. Und die Beschuldigung, er sei antisemitisch oder BDS-Unterstützer und was auch immer, war absolut infam und gelogen. Eine ganz infame Intrige auch seitens des Antisemitismus-Beauftragten, der sich dafür hat funktionalisieren lassen. Das nur mal am Rande. Und darum hat Achille Mbembe dann auch, weil ja ihm natürlich der ganze rassistische Hintergrund, der ja ziemlich offensichtlich war, sehr verletzt hat, beschlossen, erst einmal in Deutschland nicht mehr aufzutreten.  (…)

Vladimir Balzer Aber wenn Sie sich denken könnten, dass er jetzt bei der digitalen Variante der Ruhrtriennale vielleicht auch mit ein bisschen Abstand zu der Debatte, die ja nun ein bisschen Fahrt verloren hat, ein bisschen Schärfe auch verloren hat, dass er sich da nochmal zu äußert.“

Stefanie Carp Ich nehme nicht an, dass er Wert auf eine zweite öffentliche Lynchjustiz legt, wer möchte das. Ich glaube, der Mann möchte auch mal seine Ruhe haben.

Vladimir Balzer Was nehmen Sie jetzt jenseits Ihrer persönlichen Verteidigung von Achille Mbembe mit aus dieser Gesamtdebatte? Sie haben ja auch schon andere Erfahrungen gemacht, so mit der BDS-Bewegung, dieser Boykott-Bewegung ganz zu Beginn Ihrer Zeit als Ruhrtriennale-Intendantin, auch da gab es ja Debatten um Einladungen, Ausladungen … Aber diese starke Politisierung auch dieser vielleicht früher noch sehr abstrakten, vielleicht ästhetischen, künstlerischen Debatten, hat das vielleicht auch diese Ruhrtriennale verändert?

Stefanie Carp Also meine Ruhrtriennale auf jeden Fall. Ich weiß nicht, ob das in Zukunft auch so bleiben wird. Ein Teil davon sind natürlich diese extreme Eskalierungssucht durch die Social Media, also dass irgendjemand behauptet, die Band die Young Fathers sind Antisemiten, das darf man ungestraft bei uns von jeder Person und jedem behaupten … einfach eine Band eingeladen, ich wusste damals gar nicht, was BDS überhaupt ist, jedenfalls werden dann Dinge einfach hochgetrieben. Im Fall von Achille Mbembe war es die pure Intrige einiger weniger Personen, die ich auch nennen könnte, die mich persönlich beschädigen möchten, also mich beruflich beschädigen möchten, und sich dafür nun Achille Mbembe ausgesucht hatten. Ich hab da richtig Schuldgefühle ihm gegenüber, weil was an der Debatte dann so etwas absurd war, dass es wirklich das … falsche Beispiel war. Ich finde diese Debatten wichtig, ich habe nur gestaunt, warum sie nun gerade am Fall Achille Mbembe geführt werden. Es gibt viele andere Intellektuelle, die sehr viel mehr über Israel gesagt haben als die vier Sätze, die Achille Mbembe dazu gesagt hat. Ich hatte auch den Eindruck, dass fast alle, die darüber reden und darüber sprechen, selbst diejenigen, die ihn  –  und Gott sei dank und dafür muss man ihnen ewig dankbar sein  –  verteidigt haben, die vielen, muss man ja sagen, dass aber auch viele von denen ihn gar nicht  gelesen haben. Also ich habe nun wirklich jedes einzelne Buch von Achille Mbembe gelesen und ich kann sagen, das ist gar nicht sein Thema, worüber da die ganze Zeit gestritten wurde. Worüber natürlich im Hintergrund gestritten wird, ist, dass wir nicht wahrhaben wollen, dass Menschen aus anderen Kontinenten und anderen Erfahrungen eine andere Wahrnehmung auf Europa und so auf die reichen westlichen Staaten haben, von denen aus ihrer Sicht Israel einer ist. Im Hintergrund geht es natürlich um diese unterschiedlichen Wahrnehmungen. Ich denke, die muss man diskutieren.

Vladimir Balzer Aber Sie haben es ein bisschen auf sich persönlich auch bezogen diesen ganzen Streit.

Der Anfang, nicht der ganze Streit. Der Beginn, der Beginn war eine kleine lokale Intrige, und es ist ja deshalb auch umso peinlicher, dass jemand wie Felix Klein, der doch eine ganz große Verantwortung hat …

Vladimir Balzer Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung …

Stefanie Carp … dass der sich von einer lokalen Intrige so funktionalisieren lässt.

Vladimir Balzer Stefan Carp, die scheidende Intendantin …

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[…] von Thomas Schmid: „Hat denn niemand das perfide Werk gelesen?“ Doch, Stefanie Carp hat, wie sie dem DLF mitteilte: Mbembes Werk, berichtet sie, umfasse 5000 […]

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[…] im Subventionsbetrieb und ihre Treue zu BDS beweisen, tun dies seit mindestens 2018, seit dem Skandal namens Stefanie Carp: Die damalige Intendantin der Ruhrtriennale wollte BDS partout auf dem Festival der Künste […]

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[…] das unsichtbare Drohpotential des BDS früh erfahren und einkalkluiert, vier Jahre nach ihm hat Stefanie Carp, ihrerzeit Intendantin der zurecht ambitionierten Ruhrtriennale, Esches Berichte bestätigt, das […]

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[…] zurück, Boykott-Headliner waren die schottischen Triphopper Young Fathers, die daraufhin von Stefanie Carp eingeladen wurden, wenn schon nicht die Pop-Kultur Berlin, dann die Ruhrtriennale 2018 zu […]

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