
Russland greift erstmals Nato-Gebiet massiv mit Drohnen an – mögliche Vorbereitung oder Test für die befürchtete Ausweitung des Kriegs gegen die Ukraine zu einem europäischen Flächenbrand. Doch in Berlin beschäftigt sich man lieber mit anderen Dingen.
Am Tag nach dem Beschuss mit etwa 20 russischen Drohnen kannte man im betroffenen Polen und im Nato-Hauptquartier nur ein Thema: Ist das der Beginn der nächste Stufe von Putins Krieg gegen Europa? Polnische Medien berichteten in Sondersendungen, Ministerpräsident Donald Tusk versuchte, die Bürger zu beruhigen. Man habe alles im Griff. Die Nato löste Artikel 4 aus – Vorstufe zum Bündnisfall. Die deutsche Regierung dagegen senkte an diesem Tag die Mehrwertsteuer für Gastronomen. Mehr muss man zur deutschen Ahnungs- und Sorglosigkeit nicht sagen.
Krisensitzungen, Ansprache des Kanzlers, Livesendungen im Fernsehen und Radio? Iwo! Das könnte den deutschen Michael ja aus seinem Traum wecken, der große Krieg zögen diesmal an ihm vorüber.
Kriege verhindert man aber nicht, indem man die Augen fest verschließt und sie sich wegwünscht. Solchem Kinderglauben hängen nur Putin-Hörige wie Sarah Wagenknecht und ihr Gefolge an. Und Pazifisten, die geistig immer noch im Kalten Krieg leben.
Wir sind jedoch längst in einem heißen Krieg, nicht nur in der Ukraine. Putin-Russland attackiert auch Deutschland ständig mit Cyberangriffen, Sabotageaktionen, Brandstiftungen, Paketbomben, Morden, Vergiftungen und seiner feindlichen Propaganda und Trollfabriken. Und testet auch auf diese Weise, wie weit es gehen kann, ohne Gegenwehr hervorzurufen. In das allgemeine Bewusstsein ist das allerdings bisher kaum gelangt.
Sind Polen und die baltischen Staaten das nächste Ziel?
Der Politikwissenschaftler Carlo Massala beschreibt in seinem neuen Buch „Wenn Russland gewinnt. Ein Szenario“, wie ein Putin-Nachfolger nach einem Waffenstillstand in der Ukraine im Frühhjahr 2028 den Dritten Weltkrieg auslöst: durch die Besetzung der estnischen Grenzstadt Narwa und der Ostseeinsel Hiiumaa. Die baltischen Staaten wären dadurch faktisch von Nato-Hilfe abgeschnitten und leichte Beute. Begleitet wird das von Terroranschlägen in Deutschland und England und einer Militäroperation in Mali zur Ablenkung. China eskaliert gleichzeitig einen Konflikt im Südchinesischen Meer, um das US-Militär dort zu binden. Die Nato kann sich nicht einigen, den Bündnisfall auszurufen, weil es sich um einen begrenzte russische Aggression handele…
So muss es nicht kommen. Es könnte auch scheinbar viel harmloser beginnen. Und früher. Nächste Woche startet Russland im verbündeten Weißrussland ein Großmanöver. Eine solche Militärübung mit Hunderttausenden Soldaten diente 2021 auch schon zur Vorbereitung der Vollinvasion in die Ukraine. Sind nun die baltischen Staaten oder Polen das nächste Ziel? Allein solche Befürchtungen reichen Putin, um Europa und den Westen weiter zu destabilisieren. Und zu spalten.
Wären die Deutschen und anderen Westeuropäer bereit, für die Verbündeten im Baltikum oder im Nachbarland in den Krieg zu ziehen, da sie es schon für die Ukraine nicht wollten und viele bis heute dagegen sind, ihr wenigstens Waffen zu deren Verteidigung zu liefern? Und vor allem: Würde Trump Truppen schicken und die US-Atomwaffen in Gefechtsbereitschaft versetzen?
Ist Trump senil?
Auf seiner Plattform Truth Social schrieb der US-Oberbefehlshaber nach dem Luftangriff nebulös: „Was ist da los mit Russland, das Polens Luftraum mit Drohnen verletzt?“ Und: „Here we go!“ Mehr als Trumps Unberechenbarkeit muss man in dieser Situation fürchten, dass er schlicht senil ist und gar nicht mehr weiß, was er von sich gibt. Und ob und wie er reagieren sollte, falls Putin seine Drohungen wahrmacht und aus seinen Provokationen echter großer Krieg wird.
Die im Vergleich weniger verheerende, aber kaum bessere Variante ist, dass es Putin vorerst bei Nadelstichen belässt, also einem schleichenden, nicht offenen Krieg gegen ganz Europa. Auch dann bliebe die dauernde Anspannung und Gefahr, dass er den hybriden jederzeit ohne Vorwarnung zu einem Vollkrieg hochfahren kann.
Der Illusion, dass er oder wer immer ihm irgendwann nachfolgt vom imperialen Kriegskurs gen Westen ablässt, sollte sich niemand mit klarem Verstand mehr hingeben. Sein Kettenhund Medwedew hat dieser Tage sehr klar formuliert, was das Ziel ist: ein eurasischer Raum von Wladiwostok bis Lissabon, unter Moskauer Knechtschaft.
Das Mindeste wäre daher, dass Europa nun endlich eine gemeinsame Luftabwehr organsiert, auch für die Ukraine. Dass es diese befähigt und unterstützt, russische Kommandozentralen, Rüstungsfabriken, Ölraffinerien und andere Nachschubquellen tief in Feindesland zu zerstören. Dass es sich entschlossen auf den Worst Case vorbereitet. Und dass Merz den Deutschen klar sagt, dass der große Krieg begonnen hat.
Nicht erst mit dem Drohnen-Angriff auf Polen. Aber spätestens jetzt.
