Die lit.Ruhr startet heute mit einem vielfältigem Programm

Die Autorin Seyda Kurt kommt am Sonntag (23.10.) zur Lesung nach Essen | Foto: Elif Küçük

Mit Lesegästen wie Elke Heidenreich, Matthias Brandt, Neven Subotic, Luisa Neubauer oder Seyda Kurt (oben im Bild) startet die lit.Ruhr am heutigen Mittwoch mit einem vielfältigen Programm und präsentiert an fünf Tagen literarische Neuerscheinungen aus Kultur, Sport und Gesellschaft. Und die rund 80 Veranstaltungen finden in diesem Jahr in Essen, Bochum, Oberhausen und Gelsenkirchen statt.

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Literarische Welthungerhilfe für den Pott


Rainer Osnowski von der lit.COLOGNE wies neulich  in der Vorankündigung zur lit.RUHR zu Recht auf die prekäre Lage der Alphabetisierung im Ballungsraum Ruhrgebiet mit rund fünfeinhalb Millionen Einwohnern hin und malte seine Vision, dass dort „erstmals Autoren auftauchen, die bislang daran vorbeigegangen sind.“ Das interessiere auch jene Verlage, „für die das Ruhrgebiet bislang noch Diaspora ist.“

Literatur und Alphabetisierung im Ruhrgebiet

Sucht man nach den Gründen für die Situation des Ruhrgebiets als Diaspora der Literatur, fällt zunächst ins Auge, dass diese Ansammlung von Steinkohletagebausiedlungen von Beginn an stark migrantisch geprägt war, was den Pütt in der Alphabetisierungsquote generell an das untere Ende der Pisa-Skala zurückwarf, sogar bereits, als es die Pisa-Studie noch gar nicht gab. Der polnische Zechenarbeiter liest nämlich am liebsten die Bibel (AT), spätere Generationen haben sich auf reich bebilderte  Bedienungsanleitungen zum Kurzschließen von deutschen Personenkraftwagen im Hochpreissegment verlegt. Spätere Wellen von Gastarbeitern wie Italiener, Jugoslawen und Türken bereicherten zwar ebenfalls die hiesige Küche, leisteten jedoch – abgesehen von italienschen Schlagertexten und den gesammelten Schriften von Mustafa Kemal Atatürk – ebenfalls keinen nennenswerten Beitrag zur Literarisierung. Was die eigeborenen Ruhrstädter angeht, so lässt sich festhalten, dass diese aufgrund ihres Soziolekts „Ruhrpott“[i] sehr in der Rezeption von Texten des Hochdeutschen behindert sind.

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Fehlzeichnungen

Leserin – gemeinfrei

Digitale Literatur? Es gibt Leute, die sind der Ansicht, sie hätte etwas zu bieten, das der analogen, in Papier ausgestaltenen Literatur, fremd ist. Dies mag sein. Eine Feinzeichnung dieses Anderen fehlt jedoch. Stattdessen gibt es seit den neunziger Jahren* diverse Bemühungen, durch verschiedene, unter Umständen verzwickte Griffe in Steckdosen, die Attraktivität des Digitalen zu erhöhen. Mit Literatur haben solche Vorgehensweisen nichts Erkennbares zu tun, jedoch mit einem Marketing, das in der Hitze der Gefechte über die Stränge schlägt. Links können als Beispiele dienen. Tauchen sie auf, wird man als Leser fortgeschickt, in andere Gefilde. Als Verweis können solche Links durchaus hilfreich sein, wird man jedoch fortlaufend aus einem Text gejagt, können lediglich eine Verbannung und eine Vermeidungsstrategie deutlich werden.

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Eine Durchführung (II) durch die literarisch Konzeption

Mark Ammern (AutorenVerlag Matern) erarbeitet derzeit eine literarische Konzeption. Einige Bestandteile der Auseinandersetzung wurden bereits bei den Ruhrbaronen vorgestellt. Zu lesen gab es Erzähler als Bedingung für künstlerische Literatur und Eine Durchführung durch die literarische Konzeption. Letztere wurde inzwischen in seinem Blog fortgesetzt. Im folgenden Text erfährt die Durchführung eine zweite Passage in vier Abschnitten. Viel Vergnügen:

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Erzähler als Bedingung für künstlerische Literatur


Bei dem präsentierten Text handelt es sich um einen vierteiligen Auszug aus Mark Ammerns aktueller Arbeit an einem literarischen Konzeptbuch, das im AutorenVerlag Matern erscheinen wird. Dieses zukünftige Kapitel hatte er bereits in seinem Blog vorveröffentlicht, um einen Eindruck zu geben, was ihn derzeit umtreibt. Dort sind die Beiträge unter einem Stichwort separat gelistet, zudem in umgekehrter Reihenfolge. Hier ist es hingegen möglich, die Texte in einem Rutsch zu lesen. Viel Vergnügen!

 

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Weshalb sind Künste unerwünscht?

Die Philosophie thront inmitten der Sieben Freien Künste – Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (um 1180) – Gemeinfrei

In der zeitgenössischen klassischen Musik sind die Klagen über ein mangelndes Interesse des Publikums schon länger bekannt. Das 20. und 21. Jahrhundert wird im Veranstaltungsbetrieb vielfach ausgespart, um überhaupt Einnahmen generieren zu können. Ebenso ist Musik aus der Renaissance kaum zu hören, Musik, die historisch noch keine wohltemperierte Stimmung hatte.
Im 20. und 21. Jahrhundert gewannen hingegen Schlager an öffentliche Relevanz, die besonders das Proletariat zum Mitsingen, Mitträllern, Mitgröhlen und Tanzen einluden. Ein Verständnis war und ist für solche Musik nicht erforderlich. Sie erklingt zumeist auf Volksliedniveau, also alter Traditionen, auch wenn, wie z.B. im Techno, auf traditionelle Liedstrukturen verzichtet wird, wohlmöglich eine Grundtonorgie im Zentrum steht, die geschichtlich noch viel weiter zurückreichen kann, auf ein rhythmisches Tanzspektakel ums loderne Feuer. Diese traditionellen Gebundenheiten machen aus dem pop-musikalischen Engagement bestenfalls Kunsthandwerk – Kunst wäre hingegen etwas anderes, enthielte ein autonomes Engagement (vgl. Kathrina Talmi, Hrg., Diabolus. Essays über Künste [eBook], Duisburg).

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Vom Reden über Literatur

Poster von WikiCon 2011 Workshop „Exzellente Benutzer“ – Poupou l’quourouce (CC BY-SA 3.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

I

Wäre es für mich erforderlich, eine Perspektive von Literaturkritikern einzunehmen, hätte ich zunächst zu entscheiden, ob ich einen Text bzw. eine Textsammlung überhaupt ernst nehmen wollte. Ich könnte eventuell in einer Weise von meinem Urteilsvermögen und meiner Urteilskraft eingenommen sein, dass mir die Machart eines Textes völlig egal ist. In einem solchen Fall wäre ich das Maß der Literatur, also primär von Machwerken.
Die Funktion wäre nicht glaubhaft? Mit einer medialen Unterstützung, die mir erlaubte, meine Selbstherrlichkeit auszuleben – Bildmedien wären allerdings von Vorteil, falls ich gelernt hätte, meine Gesichtszüge und Extremitäten wie furchterregende Waffen einzusetzen, sogar unabhängig vom Gesagten -, könnte ich mir zumindest einige Untertanen dressieren, in deren Imagination … Aber ich schweife ab.

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Hat die literarische Kunst ausgedient?

Lesende Frau (Ölgemälde von Jean-Honoré Fragonard, 1770/72) – Gemeinfrei

Je weniger Künste gesellschaftlich noch eine Rolle spielen, um so mehr ist von Kultur, Events und Streams zu lesen. In den letzten Jahren hat die öffentliche Marginalisierung besonders die zeitgenössische klassische Musik als auch den avancierten Jazz getroffen, und die belletristische Literatur.

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