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Welche Chancen bietet Wasserstoff der Industrie im Ruhrgebiet?

Der Saturn mit seinen Ringen aus Eis und Staub. Der Planet selbst besteht größtenteils aus Wasserstoff und Helium. Foto: NASA/JPL – NASA planetary photojournal Lizenz: Gemeinfrei


Wasserstoff soll künftig die Industrie im Ruhrgebiet antreiben. Nur ein Traum oder eine realistische Chance?

Das Ruhrgebiet ist im Wasserstoff-Fieber. Auf der Internetseite des Regionalverbandes Ruhr tönt es, dass Wasserstoff die neue Kohle sei und die Region auf dem Weg, ein „Hydrogen Valley“ zu werden. 40 Unternehmen haben sich zum h2-netzwerk-ruhr zusammengeschlossen, ein Verein mit dem wohlklingenden Namen Hy.Region.Rhein.Ruhr wurde gegründet und vor wenigen Tagen fand in Duisburg, Hamm und Bochum die dreitägige Konferenz „Hy-Summit Rhein-Ruhr“ statt. Dort sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck voller Zuversicht: „Das Ruhrgebiet wird ein Wasserstoff-Hub, das ist klar“. Ist es das?

Nicht zum ersten Mal träumt das Ruhrgebiet von dem einen großen Wurf, der seine Wirtschaft erneuert. Man wollte schon ein Zentrum der Kreativwirtschaft werden, sah sich als das kommendes „Solar Valley“ der Republik und als Wissensregion, in der für den Rest des Landes gedacht wird.

Triebkraft all der Träume war allerdings immer die Aussicht auf staatliche Gelder, die der Bund, das Land und die Europäische Union aufbringen sollten und die auch regelmäßig in großem Umfang in das Ruhrgebiet flossen. Gebracht hat es meist nicht viel: Gelsenkirchen ist noch immer die ärmste Stadt Deutschlands, die Krise der Innenstädte verschärft sich durch die Crack-Welle, die in Dortmund heute schon sichtbar ist und die Deindustrialisierung schreitet auch im Ruhrgebiet ungebremst voran. Das ist ohnehin schon lange kein Industriegebiet mehr. Die sorgt hier nur noch für 16,5 Prozent der Bruttowertschöpfung. Lediglich in Köln und Düsseldorf liegt diese Quote in Nordrhein-Westfalen niedriger, in allen anderen Landesteilen höher. In Südwestfalen zum Beispiel bei 39,1 Prozent.

Nun soll es also der Wasserstoff richten. Wasserstoff ist tatsächlich etwas wunderbares: Er kann aus CO2-neutralem Strom gewonnen werden, lässt sich in Pipelines und mit Schiffen transportieren, kann industriell in großem Maßstab eingesetzt werden und taugt sogar dafür Autos anzutreiben und in Thermen ganze Wohnungen zu beheizen. Bei seiner Verbrennung gibt es keine problematischen Rückstände. Er ist energiereich und sauber.

Und er ist teuer, obwohl er mit einem Massenanteil von 70 Prozent das häufigste Element im Universum ist. Denn auf der Erde ist zum größten Teil an Sauerstoff gebunden und bildet mit ihm zusammen Wasser. Diese Bindung kann man trennen: Mit viel elektrischer Energie kann der im Wasser vorhandene Wasserstoff mit Elektrolyseuren vom Sauerstoff getrennt werden. Im Ruhrgebiet soll das künftig an sieben Standorten geschehen.

Der in Deutschland benutzte Wasserstoff soll grün sein. Er darf nicht mit Strom hergestellt werden, der aus Gas oder Kohle gewonnen wird. Das macht auch Sinn, denn es ist schlicht Unfug, in einem Stahlwerk Kokskohle durch Wasserstoff zu ersetzen, der aus in Braunkohle gewonnenem Strom hergestellt wurde. Nachdem alle Kernkraftwerke abgeschaltet wurden, bleiben als CO2 neutrale Stromquellen nur noch Wasserkraft, Windkraft und Solarenergie. Da Deutschland kein besonders gebirgiges Land ist und der Bau neuer Stauseen wegen Bürgerprotesten kaum denkbar ist, soll die Energie des Landes künftig ausschließlich aus Sonne und Wind kommen. Ein Kilo mit Solarstrom hergestellten grünem Wasserstoff kostet sechs Euro, wird Windenergie genutzt, liegt der Preis bei gut 4 Euro. Aus Gas durch Abscheidung gewonnener Wasserstoff ist mit 2,20 Euro deutlich günstiger.  Nutzt man Strom aus Kohle, sinkt der Preis auf  1,62 Euro das Kilogramm.

Auch wenn Sonne und Wind angeblich keine Rechnung schicken, ist erneuerbare Energie in Deutschland teuer: Das Land wegen seiner vergleichsweise kurzen Küstenlinie (Deutschland: 2.389 Kilometer, Griechenland 13.676 Kilometer) und durch die hohe Bevölkerungsdichte ein überschaubares Potenzial für Windenergie, denn der Wind weht am häufigsten an der Küste. Und auch bei den Sonnenstunden schaut es wenig überraschend mau aus: In Deutschland scheint die Sonne im Durchschnitt an 2000 Stunden, in Spanien sind es 3000. Noch mehr sind es in Saudi-Arabien: Dort kommt man auf 3400 Sonnenstunden im Jahr und entsprechend günstig ist alleine wegen der besseren Auslastung der teuren Solaranlagen der mit ihnen erzeugte Strom: Er kostet gut einen €Cent die Kilowattstunde (kWh). In Deutschland ist er mit Gestellungskosten zwischen 5,24 und 19,72 €Cent /kWh deutlich teurer. Gelänge es, die Kosten der Stromproduktion aus Sonnenenergie zu senken, würde sich das natürlich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Saudi-Arabien bemerkbar machen, wo gerade große Solarkraftwerke entstehen. Denn Platz dafür hat das nur dünn besiedelte Land. Der so produzierte Wasserstoff würde in Deutschland nach Berechnungen der Lobbyorganisation Agora Energiewende einen Euro pro Kilogramm kosten – allerdings nur, wenn er in Pipelines transportiert wird, die es nicht gibt.

Produkte, die in Deutschland mithilfe von hier erzeugtem Wasserstoff hergestellt werden, werden also auf dem Weltmarkt teuer sein. Dass der Staat den Umbau eines Hochofens in Duisburg auf Wasserstoffbetrieb fördert, ändert daran nichts. Die Stahlerzeugung in Deutschland wird sich künftig nicht mehr lohnen. Die Politik weiß das. Bei den Hochofensubventionen geht es dann weniger um den Erhalt einer ganzen Industrie, sondern darum, Produktionsketten sicher zu stellen und sich nicht vollkommen von Importen abhängig zu machen. Der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak (Grüne) sagte das im Gespräch mit der WAZ auch ganz offen: „Nicht jeder Hochofen wird ersetzt werden“.  Das ist ehrlich, denn alles andere würde auch weder Sinn machen noch zu bezahlen sein.

Wasserstoff, der im Ruhrgebiet hergestellt wird, ist nicht wettbewerbsfähig und viel zu teuer. Er nutzt der Industrie wenig, denn mit ihm hergestellte Produkte haben auf dem Weltmarkt kaum eine Chance.

Die deutsche Industrie gehört nicht zu den Gewinnern der Energiewende. Und bei der Industrie im Ruhrgebiet sieht das nicht anders aus. Sie bedeutet schlicht einen massiven Wohlstandsverlust.  Deutschland muss aus den grünen Träumen aufwachen. Schnell.

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