„Weltgebete“und „Weltoffenheit“: Touch Turn Terror

„Widerstand und Blutvergießen“: Mohnblume (c) by Brunhilde Raiser, WGT (Ausschnitt)

Schon wahr, Barbarei entsteht in keinem Vakuum, sie blüht in ihrem Resonanzraum auf, es geht zu wie beim Pingpong: Terror wird „aufs Schärfste“ verurteilt, der nächste Satz beginnt mit „gerade jetzt“, dann alle zurück auf Start. Die Intendanten-Initiative namens „Weltoffenheit“ führt dies routiniert vor, der christliche „Weltgebetstag der Frauen“ betet die Glaubensformel nach: Touch Turn Terror.

Kurzer Rückblick: Im vergangenen Jahr ertrank die Documenta im eigenen Judenhass. Als es nicht mehr anders ging, erklärte die „Initiative Weltoffenheit“, das milliardenschwere Bündnis deutscher Kulturfürsten: antisemitische Werke auszustellen, sei ein „inakzeptabler Vorgang“. Nächster Satz: Die Documenta gebe dennoch „entscheidende Impulse für den globalen Dialog“. Und dann: „Gerade angesichts des Schadens“ sei die „Intensivierung dieses Dialogs zwingend notwendig“. Und das ist schon die ganze Logik: Je mehr Judenhass in Deutschland, umso mehr Judenhasser mit Honorarvertrag. Alkoholiker argumentieren ähnlich: Auf jeden Kater ein frisches Bier. Rückwärts gelesen ergibt es Sinn.

Immerhin zwei der weltoffenen Intendanten sind jetzt, von diesem Blog befragt, ausgestiegen aus dieser dialectics for dummies, die anderen bleiben bei ihren Leisten. So wie Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums in Berlin, oder auch Stefanie Schüler-Springorum, Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin, sie erklären jetzt, man müsse „differenzieren“. Nächster Satz: Dies sei „auch und gerade“ jetzt usw.

Beim Differenzieren ist es nun aber wie beim Tango, es braucht zwei. Die Weltoffenen haben immer 1 Namen genannt, den sie „differenzieren“ möchten, den von Achille Mbembe. Der postkoloniale Vordenker, behaupten sie noch heute, sei eine „wichtige internationale Stimme“, die gehört werden müsse und honoriert. Mbembe  –  wir haben mehrfach darauf hingewiesen  –  ist einer, der westlichen Demokratien „Ausrottungsphantasien“ attestiert, der Terror gegen israelische Zivilisten als eine „Vision der Freiheit“ verhimmelt und Killerhorden, denen nichts wichtiger ist als Juden abzuschlachten, als eine „Gemeinschaft der Märtyrer“. Mit diesen Einsichten bezog sich Mbembe auf die sog. „Intifada“, jene von 1987 bis 2005 andauernden Massaker im israelischen Kernland, denen weit über 1000 Israelis zum Opfer gefallen sind. Ausgangspunkt der Terrorattacken damals: Dschabaliya im Norden des Gaza, die Stadt ist gerade wieder in den News, weil sich Hamas in ihr verschanzt. Hierzulande wird Dschabaliya als „Flüchtlingslager“ vorgestellt.

„Zur Differenzierung gehört“, so hat es Robert Habeck (Grüne) jetzt in seiner vielfach gelobten Videoansprache erklärt, „dass die Mordtaten der Hamas Frieden verhindern wollen. Die Hamas will nicht die Aussöhnung mit Israel, sondern die Auslöschung von Israel.“ Was der Bundeswirtschaftsminister über die Hamas sagt, gilt ebenso für BDS: Hamas sitzt der antisemitischen Hetzkampagne vor, die „Initiative Weltoffenheit“ dagegen adelt BDS als „kritische Stimme“. Und Claudia Roth, Habecks Parteifreundin? Bisher lässt die Kulturstaatsministerin nicht erkennen, dass sie begriffen haben könnte, dass zum Differenzieren die Fähigkeit gehört, Terror von Demokratie zu unterscheiden.

Mit ihr verglichen zeigt sich der Weltgebetstag der Frauen (WGT) beinahe lernbereit. Im kommenden März will der WGT „Palästina“ zum Thema machen, nach der Kritik dieses Blogs  –  hier und hier  –  erklärte er jetzt, er verurteile den Terror der Hamas aufs –  was?  –  „aufs Schärfste. Wir halten aber auch daran fest, dass …“  –  was?  –  sich „alle Konflikt- bzw Kriegsparteien an das humanitäre Völkerrecht halten“.

„Wer würde solche Erwartungen je an die Hamas formulieren?“, hat Robert Habeck jetzt zurückgefragt. Mit zuletzt 800 000 Teilnehmern allein in Deutschland ist der WGT keine kleine Nummer, „er könne dabei helfen, neues Vertrauen zu finden“, so Brunhilde Raiser, Vorstand des deutschen WGT-Komitees, kürzlich gegenüber dem Sonntagsblatt. Offenbar reagiert der WGT auf Kritik, nur ist es auch hier wie beim Tango: Um Vertrauen zu finden, braucht es zwei, beim christlichen WGT sind aber Juden nicht beteiligt, Muslime ebensowenig, Raisers Satz wirkt wie Trickbetrügerei: Wem oder was sollen christliche Frauen, die sich in diesem Weltgebet versammeln, ihr Vertrauen schenken?

Antwort: BDS. Von den drei Frauen, die den WGT „aus Palästina“ vorbereitet und die Texte formuliert haben, die nun weltweit nachgebeten werden sollen, ist eine, Nora Carmi, hochaktiv für BDS unterwegs, sowas ist mühelos auszugoogeln. Wenn es nun aber stimmt, was der Bundestag eingesehen hat  –  dass BDS antisemitisch sei  –  und es ebenfalls stimmt, was die Evangelische Kirche in Deutschland eingesehen hat  –  dass Antisemitismus Gotteslästerung sei  –  , was sind dann Weltgebete, die BDS formuliert? Und was ist, wer arglos Fromme dazu einladt, solche Gebete mitzubeten?

Stand heute will der deutsche WGT festhalten an allem, was Habeck „die große Widerstandserzählung“ genannt hat. Heißt: Weiterhin wollen die christlichen Frauen „auch und gerade jetzt“

  • Israel als „Palästina“ verkaufen und
  • Jesus als einen Palästinenser,
  • wollen beten lassen dafür, „stark und widerstandsfähig zu sein“,
  • wollen festhalten an einem Titelbild, das „Widerstand und Blutvergießen“ verklärt,
  • wollen „Handala“, das Nazi-affine Maskottchen des BDS, im Kindergottesdienst ausmalen lassen,
  • wollen eine völkische Blut-und-Boden-Ideologie infundieren mit haufenweise Wurzelwerk, das hinunterreiche dahin, wo Hamas Geiseln in Tunneln hält und
  • wollen eine Ruhrpott-Künstlerin weltweit promoten, die stolz erklärt, noch während Hamas massakriert: „I stand with Palestine“.

Ein irrsinniges Amalgam (hier im Einzelnen). Eines, das lebensgefährlich wird für Juden in Deutschland. Dies gar nicht mal wegen aufgehetzter Muslime, sondern weil der WGT mit diesem Programm dort landen wird, wo Ulrich Duchrow gelandet ist: beim identitären Komplott. Duchrow, emeritierter Professor für evangelische Theologie, hat sich früh als „Befreiungstheologe“ gelabelt. „Kern der These“, der er anhängt, ist die, dass „die westliche Zivilisation zum Tode führt“. Bis es soweit ist, lässt er seine These zum Tod von Juden führen: Israel, behauptet Duchrow, produziere „immer mehr Terroristen und damit Profit“, der Staat mache seinen Gewinn damit, Güter und Dienstleistungen zu verkaufen, „die Menschen unterdrücken und überwachen“. Sieben Zeilen später schreibt er: „Innerhalb dieser Logik braucht es die Palästinenser nicht.“

So logisch ist Duchrow: Unterdrückung ist Profit, also braucht es keine Unterdrückten. 2019 ist Duchrow –  auch dies auf Initiative dieses Blogs  –  selbst vom Evangelischen Kirchentag herausgebeten worden. Von Belang ist er hier, weil er, ein scheinbar Linker, sich in aller Selbstverständlichkeit mit Ultra-Rechts verbrüdert: Seine Einsichten über Juden unterlegt Duchrow mit dem Verweis auf sezession.de, der Website des extrem rechten „Instituts für Sozialpolitik“, das es seit Jahren darauf anlegt, die Schlägertrupps der Straße mit etwas Hirn kurzzuschließen.

Und jetzt der Weltgebetstag der Frauen? Der ebenfalls die Identität von Blut und Boden anbeten will? „I stand with Palestine“, hatte Halima Aziz, die Hamas-Künstlerin, erklärt, während Hamas massakrierte, wo steht der Weltgebetstag? „Wir überprüfen die Vorwürfe“, erklärt der WGT jetzt, “sollten sie sich bewahrheiten, werden wir uns klar distanzieren und diese Stellungnahme dem jeweiligen Material beilegen.“

Eine Packungsbeilage, die über Risiken und Nebenwirkungen für Juden informiert. Hier ein Blick auf die Beilage von Halima Aziz:

Halima Aziz auf Instagram (Screenshot)

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