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Wikipedia-Hoax beschädigt Web-Enzyklopädie

Foto: Bildblog

Ein Spaßmacher hat im Wikipedia-Beitrag zu den vielen Namen des neuen Wirtschaftsminister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg einen frei erfundenen hinzugefügt: Wilhelm. Damit hat er den Wahrheitsgehalt von Wikipedia verfälscht. Und nennt das einen Scherz. Später freut er sich, dass sein Hoax in der Bild und in anderen Zeitungen abgedruckt wird. Dann kommen ihm Zweifel und am Ende dann beklagt er sich anonym in Bildblog, dass die Reporter einfach Wikipedia vertrauen würden.

Zugegeben, der Scherz war anfangs nicht gerade originell. Innerhalb weniger Stunden bekam er aber eine höchst interessante Eigendynamik, die mich an den Recherche-Methoden vieler Journalisten erheblich zweifeln ließ.

Ich frage mich, ob der Anonymus nicht viel mehr ganz einfach aus einem Aufmerksamkeitsdefizit heraus die Glaubwürdigkeit von Wikipedia erheblich beschädigt. Denn wenn er nach seinem Beschiss die Recherche-Methoden der Journalisten angreift, die Wikipedia vertraut haben, greift er gleichzeitig alle anderen Wikipedia-Nutzer an, denn auch diese trauen der Enzyklopädie.

Die einzige Konsequenz aus seinem Angriff ist es für alle, Wikipedia nicht mehr zu vertrauen, weil immer wieder Witzbolde dabei sein können, die Basisfakten fälschen.

Für seinen Angriff auf Wikipedia hat sich der Anonymus viel Mühe gemacht. Er den Lesern der Enzyklopädie eine getarnte Falschinformation untergejubelt. Dann hat er schnell die Prüfmechanismen von Wikipedia umgangen. Um schließlich die Leser zu beschimpfen, die seinem Betrug geglaubt haben. Und das alles nur, um einen Scherz zu machen, spich, sich selbst zu unterhalten.

Ich will das mal vergleichen: Ein Falschgeld-Macher, verteilt Falschgeld und zeigt dann mit dem Finger auf den Markthändler, der sein Falschgeld angenommen hat, um sich über ihn lustig zu machen. Hihi, sie mal der Doofmann, der nimmt Falschgeld an. Dann merkt, er, dass sein Witz doof ist, und als Ersatz behauptet er, man dürfe allem Geld nicht vertrauen, da es viele Markthändler gebe, die Falschgeld annehmen würden.

Die richtige Konsequenz aus seinem Handeln wäre es, den Falschgeld-Macher und Wikipedia-Beschädiger aus Wikipedia auszusperren. In meinen Augen ist die Idee einer Web-Enzyklopädie wichtig. Diese Idee ist es wert ernstgenommen zu werden. Dummwitzler sollten hier keine Chance bekommen.

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christian
christian
15 Jahre zuvor

Informationen auf Wikipedia sollten immer erst hinterfragt werden. Das weiss jeder, der Wikipedia häufig nutzt. Die Selbstreinigungskräfte der Wikipedia allerdings hätten über kurz oder lang den Misstand korrigiert.

Der Vergleich mit Falschgeld hinkt allerdings: Geld wird von einer Zentrale, sprich der Bundesbank, herrausgebracht. Dieser wird vertraut und Fälschungen sind strafbar. Wikipedia ist dezentral organisiert und seit seinem Bestehen gibt es gewollte Falscheinträge (siehe Beispiel mit dem Namen), oder es werden auch falsche Informationen durch Weltanschauungen (z.B. Kreationismus und die Evolution) geschrieben. Wikipedia deshalb nicht mehr trauen? Nein, aber immer sich bewusst sein, dass es nie 100% richtig liegt.

Christian S.
15 Jahre zuvor

„Witzbolde“ wird es immer geben. Ich denke nicht, dass die Glaubwürdigkeit der Wikipedia unter diesem Scherz gelitten hat. Erfahrene Webnutzer wissen, dass Wikipedia-Informationen niemals zu 100% zu vertrauen ist, deshalb wurde ja das Konzept der „geprüften Artikel“ entwickelt.

Vielmehr hat dieser Vorgang die mangelnde Recherchearbeit der alten Medien mal wieder offen aufgezeigt: wie Lemminge schrieben sie von einander ab und erfanden gar lustige Anekdoten. Wäre ein Anruf im Büro Guttenbergs zuviel Arbeit gewesen? Ich denke nicht.

Elmar Kok
15 Jahre zuvor

Oh mann. Was hat das mit Kriminalität zu tun. Die Sache gab es schon einmal nach der Frauen-Fußball-WM. Google mal „Bügelbrett und Kaffeeservice“.
Fakt ist: Wikipedia sollte man als Quelle immer überprüfen. Und ich finde es schön, wenn die Journalisten immer mal wieder darauf hingewiesen werden, dass dort nicht unbedingt die ultimative Wahrheit verbreitet wird und dass dort immer auch Spaßmacher unterwegs sein können.
Ein passenderer Vergleich wäre vielleicht:

„Psst, Schlemihl: Ich habe hier Geld. Schenke ich Dir. Kann aber sein, dass da auch ein paar unechte Scheine dabei sind.“

Nimmst Du es dann und bezahlst überall damit ohne die Scheine zu prüfen?

Wie lange hätte es wohl gedauert, sich im Wirtschaftsministerium nach den Vornamen zu erkundigen?

Ach so, noch etwas: Hoffentlich schreibt niemand hier bei uns ab: Denn schließlich heißt er auf seiner Homepage nicht „von und zu“ sondern bloß zu Guttenberg.

https://www.zuguttenberg.de/

Nicht, dass hier im Netz noch irgendwas schlimmes passiert…

Stefan Evertz
15 Jahre zuvor

In einem Punkt kann ich zustimmen: Es ist definitiv nicht witzig, wenn jemand absichtlich Falschinformationen einstellt.

Aber gehen wir doch mal kurz davon aus, dass die betreffende Person unabsichtlich eine Falschinformation bei Wikipedia eingepflegt hätte. Dann hätte das – meines Wissens im (seriösen) Journalismus übliche – „Prinzip der zwei unabhängigen Quellen“ verhindern müssen, dass sich da diverse Journalisten / Redaktionen lächerlich machen. Hat es aber nicht – und das scheint mir hierbei der wirklich springende Punkt zu sein.

Hinzu kommt, dass man meines Erachtens der Wikipedia eben nicht (pauschal) vertrauen kann. Ohne dies im einzelnen belegen zu können oder zu wollen, bin ich sicher, dass dort tagtäglich Falschinformationen eingestellt werden – in aller Regel nur eben unabsichtlich. Das ist auch (leider) unvermeidlich, wenn dort jeder – also auch ein Nicht-Fachmann – Informationen einstellen oder ändern kann. Für mich persönlich war (und ist) jedenfalls die Wikipedia nie die einzige Informationsquelle, sondern eine von mehreren Anlaufstellen, um mich über ein Thema zu informieren – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Als letztes noch eine Anmerkung zum Vergleich: Der Vergleich greift nur dann, wenn man davon ausgeht, dass da extrem schlecht gefälschtes Falschgeld zum Einsatz kommt. Falschgeld, das schon bei einer flüchtigen Prüfung sofort auffallen würde – wenn man eine solche Prüfung denn vornehmen würde…

stefan niggemeier
15 Jahre zuvor

„Für seinen Angriff auf Wikipedia hat sich der Anonymus viel Mühe gemacht.“

Nein. Er hat nur ein Wort hineingeschrieben. Dauert ca. 3 Sekunden.

„Und das alles nur, um einen Scherz zu machen, spich, sich selbst zu unterhalten.“

Oder um zu zeigen, wie gutgläubig die Medien sind. Wie der Zirkelschluss funktioniert, mit dem Wikipedia und Medien sich gegenseitig zitieren und so falsche Informationen als richtig erscheinen lassen.

Wieso beschädigt das die Wikipedia? Jeder sollte wissen, dass die Inhalte von Wikipedia mit Vorsicht zu genießen sind. Es beschädigt die Medien, die sich ungeprüft auf Wikipedia verlassen.

David Schraven
15 Jahre zuvor

Hi Stefan Niggemeier,

Klar gibt es in Wikipedia Fehler und man muss die Dinge überprüfen.

Aber ich sehe hier die Nummer wegen der Böswilligkeit des Angriffs mit Falschinfos und der anschließenden öffentlichen Schadenfreude kritischer.

Der Anonymus hat beschrieben, wie der Zirkelschluss gelaufen ist. Er hat einen Fehler absichtlich eingebaut und dann eine Sicherheitssperre umgangenen – durch das Erstzitat. Das ist ein wenig mehr als 3 Sekunden Mühe.

Übrigens: Wenn ich absichtlich und aus Spaß heraus eine Vase kaputt werfen will, schaff ich das sogar noch schneller. Und die Vase kann fast so kostbar sein wie Wikipedia.

Aber mir geht es um einen anderen Punkt. Nämlich genau um diesen:

>>>Jeder sollte wissen, dass die Inhalte von Wikipedia mit Vorsicht zu genießen sind. Es beschädigt die Medien, die sich ungeprüft auf Wikipedia verlassen.<<<<

Genauer formuliert heißt das: Wegen möglicher böswilliger Angriffe auf das System Wikipedia sollte sich niemand ungeprüft auf Wikipedia verlassen.

Gut. Das ist eine Position. Die kann man teilen.

Wenn ich der Chef vom Brockhaus wäre, würde ich auf Basis dieser Position drei solcher Spaßvögel beschäftigen, die Falschinformationen wie PC-Viren in das System Wikipedia einschleusen.

Toll und demaskierend fände ich das trotzdem nicht.

Zum Schluss:

Der Anonymus hat seine Absichten selbst erklärt. Seine Urspungsintention war es, einen Scherz zu machen, nicht ein System zu demaskieren.

Das habe ich mir nicht ausgedacht. Und einen Scherz macht man, um sich oder andere zu unterhalten.

Das Niveau des Scherzes liegt auf der Höhe der Schadenfreude eines pubertierenden Fallenstellers.

Ich find das nicht gut.

stefan niggemeier
15 Jahre zuvor

Ich habe immer noch nicht verstanden, welche „Sicherheitssperre“ er umgangen hat.

stefan niggemeier
15 Jahre zuvor

Nein. Das ist ja das Schöne bzw. Beunruhigende an der Geschichte: Außer dem Einfügen des einen Namens (3 Sekunden) war kein weiterer Schritt nötig, um alles, was folgte, auszulösen. Den Einzelnachweis haben andere Wikipedianer gefunden. (Kann man in der Versionshistorie nachvollziehen.)

Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

@David: Sperren sind doch Quatsch – Wikipedia korrigiert sich meist sehr schnell selbst und es schadet nicht, auch noch mal eine zweite Quelle zu nutzen. Ich habe selbst schon einmal mit zu großer Wikipedia-Gläubigkeit falsch gelegen. Aber es bleibt dabei: Wikipedia ist genial und wäre unter den Bedingungen zu großer Regulierung nie entstanden. Außerdem glaube ich dass der Fehler von von Guttenbergs Eltern begangen wurde: Die haben sicher ganz einfach vergessen, „Wilhelm“ zur Namensliste hinzuzufügen 🙂

stefan niggemeier
15 Jahre zuvor

„Es bleibt kein gutes Beispiel, um die Fehlerhaftigkeit von Wikipedia zu beweisen.“

Richtig. Dafür ist es kein gutes Beispiel. Es ist aber ein gutes Beispiel, wie leicht es ist, einen Fehler in Dutzende Medien von der „Bild“-Titelseite über „Spiegel Online“ bis zur Seite 3 der „Süddeutschen Zeitung“ zu bringen.

Mr.Plow
15 Jahre zuvor

sehr guter punkt und unheimlich peinlich für journalisten und wikipedia gleichermaßen… ich rieche die medien- und internetschelte schon um die ecke kommen.

aber war früher wirklich alles besser?!

ich bin der sache mal nachgegangen 😉

trackback

Noch mal kurz zum Wilhelm…

Die Wogen um den falschen Wilhelm im zu Guttenberg gehen hoch. Ich habe dazu eine klare Meinung. Die Wikipedia ist gut, weil sie ist wie sie ist. Medien dürfen sich in großer Eile gerne einmal auf sie verlassen, sollten das aber bitte transpa…

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