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Wokeness beim Film: Selbstdarsteller statt Schauspieler

Natalie Wood Foto (Ausschnitt): Unknown publicity photographer Lizenz: Gemeinfrei


Immer häufiger und heftiger wird gefordert, dass Schauspieler nur das spielen dürfen, was sie auch tatsächlich sind – ob es jetzt um ihre Ethnizität oder ihre sexuelle Präferenz geht. Aspekte, die früher mal Privatsache waren. Nicht mehr. Big Brother is casting you. Von unserem Gastautor Karsten Kastelan.

In Shakespeares und Christopher Marlowes Zeiten wurden Frauenrollen ausschließlich von Männern gespielt, was sich letzten Endes als etwas antiquiert und verfehlt herausstellte. Aber auch nachdem dieser elisabethanische Ausrutscher korrigiert wurde, änderte dies nichts an der Profession. Menschen stellten jemanden oder (im Fall von Außerirdischen) etwas dar, was sie im wirklichen Leben nicht waren. Was irgendwie sinnvoll erscheint, schließlich blieben die Superhelden-Filme unserer Zeit sonst unbesetzt, weil man für Thor keinen entsprechenden Gottessohn finden kann und das Casting für Superman immer damit enden würde, dass ein Darsteller vom Wolkenkratzer plumpst.

Klingt logisch, oder?

Beziehungsweise es klang mehrere Jahrhunderte lang logisch, aber Logik gilt ja inzwischen als nicht mehr zeitgemäß.

Inzwischen soll nur noch besetzt werden, wer auch wirklich der geschlechtlichen, ethnischen oder sexuell orientierten Minderheit angehört, die der Charakter erfordert.

Klingt idiotisch, aber hier einige Beispiele aus jüngster Zeit.

Steven Spielbergs „West Side Story“ wurde heftigst damit beworben, dass der Film im Gegensatz zum Klassiker von 1961 politisch korrekt besetzt sei. Statt Natalie Wood sollte also diesmal eine wirkliche Latina die Rolle der Maria spielen, Rachel Zegler. Dass die eine in San Francisco als Tochter russischer Immigranten geboren wurde und die andere in Ohio, aber zumindest eine Mutter aus Kolumbien aufweisen konnte, gab den Ausschlag für eine fehlgeleitete Werbekampagne. Und einen langweiligen Film, da die durchaus begabte Zegler nun einfach keine Natalie Wood war. Ihr fehlte die Starqualität, die uns auch dann zuschauen lässt, wenn sie auf der Leinwand gerade Kreuzworträtsel löst. Was auch für den Rest der ethnisch korrekten Besetzung gilt und der Film, um es gelinde zu sagen, nicht gerade von seiner Handlung lebt, sondern von den Darstellern und Tanzszenen. Dumm gelaufen, aber wer in einem kleinen Tümpel fischt, darf sich nicht beschweren, wenn er keinen Fisch von Rekordgröße ködern kann.

Dies ist noch ein gelindes Beispiel, da die Diskussion momentan nur noch mehr an Fahrt aufnimmt. Schauspieler John Leguziamo beschwerte sich kürzlich auf Twitter, dass James Franco die Rolle des Fidel Castro in „Castro’s Daughter“ übernehmen solle. Franco, der natürlich nicht aus Kuba stammt, sondern jüdisch/schwedische/portugiesische Wurzeln hat. Geht ja gar nicht! Was Leguziamo, der möglicherweise auf die Rolle schielte, aber auch nicht geholfen hätte. Er stammt nämlich aus Kolumbien, dass sich – nach genauerer Konsultation mit dem Atlas – nicht auf Kuba befindet. Abgesehen davon hatte Leguizamo bislang französische Zwerge und italienische Sanitätsfachleute gespielt, ohne dass sich die Gewerkschaft der Klempner, der Verein der Kleinwüchsigen oder Italiener und Franzosen darüber aufgeregt hätten.

Das schönste Beispiel ist allerdings ein Film namens „Music“ mit Kate Hudson, in dem sie die Mutter eines autistischen Mädchens spielt, das in seinen Träumen unglaublich gekonnt tanzt, in der Wirklichkeit aber sehr scheu ist. Für diese Besetzung brauchte man entweder eine professionelle Tänzerin oder eine Autistin. Und man entschied sich, ich schätze mal ohne lange Beratungszeit, für die Tänzerin Maddie Ziegler.

Großer Fehler, denn sofort setzte ein Shitstorm ein, dass man eine Autistin hätte besetzen sollen. Eine Aussage, die nur von Menschen stammen kann, die in ihrem Leben weder mit Autisten zu tun hatten, noch jemals auf einem Filmset waren. Bei dem Chaos eines Filmdrehs ist es schon schwer genug mit regulären Schauspielern umzugehen, die alle ihre eigenen Macken haben. Jemandem aus dem autistischen Spektrum in das Chaos groß inszenierter Tanzszenen einzubinden, würde an Folter grenzen.

Aber es wäre politisch korrekt.

Gut, alle diese Beispiele sollten uns eigentlich nicht tangieren. „West Side Story“ wurde hierzulande selten gesehen, „Music“ auch kaum und „Castro’s Daughter“ dürfte auch eher obskur bleiben.

Dummerweise haben es diese „woken“ Ideen inzwischen immer weiter in den Mainstream geschafft. Tom Hanks, der 1993 dafür gelobt wurde, dass er als Heterosexueller es wagte, in „Philadelphia“ einen an Aids erkrankten Schwulen zu spielen, sagt, er würde die Rolle nach eigener Aussage heute ablehnen. Dabei war es gerade die Tatsache, dass ein so geliebter und anerkannter Star einen „Außenseiter“ spielte, die viel zum Verständnis zwischen Heteros und Homosexuellen beitrug.

Dieser Identitätswahn zieht sich inzwischen durch alle Genres. Batman, sowieso immer schon latent schwul, wir denken mal an Robin, könnte zu „Batsomething“ werden. Beschwerden bei auf Tatsachen basierenden Serien wie „Chernobyl“, dass keine Schwarzen in der Sowjetunion der 80er zu sehen seien, werden ernst genommen. Und ohne Trans-Charaktere kommt wohl kaum kein Film aus, obwohl sie immer noch einen mathematischen Bruchteil unserer Gesellschaft darstellen. Es gibt sie, keine Frage. Nur nicht immer und überall.

Film und insbesondere Fernsehen haben viel Positives geleistet, wenn es darum geht, Randgruppen zu integrieren. Die überwältigende Mehrheit von Amerikanern die Homosexualität akzeptieren, ist auf Sitcoms wie „Will & Grace“ zurückzuführen – plötzlich schaffte es ein Schwuler ins Wohnzimmer der Amerikaner und – siehe da – er war wie sie auch, wenn auch nicht scharf auf Frauen. Amerikanische Polizeiserien hatten mehr Schwarze und Latinos als Gesetzeshüter – was allerdings die Realität abbildete, nicht wie im ZDF, wo die Anzahl der schwarzen Kommissare die bundesdeutsche Realität deutlich überstieg. Es wurde abgebildet, was auch schon der Fall war. Und das war auch gut so.

Nicht, dass Film immer die Realität abbilden muss – ansonsten würden wir uns das Eintrittsgeld sparen und zwei Stunden an einer Straßenecke stehen – mit gleichem Effekt und weniger Werbung. Aber wenn kein Hauch von Realität mehr zu finden ist und – schlimmer noch – wir uns belehrt fühlen müssen, schalten wir ab.

Der Tod des Kinos hat nicht nur mit Covid zu tun, sondern auch mit dem Programm. Der letzte James Bond, in dem er sich sehr keusch gibt, mag für viele auch der endgültig letzte sein – James Bond soll trinken, rauchen und tolle Frauen flachlegen. Weil wir zumindest eines davon im wirklichen Leben nicht tun können und die anderen zwei immer teurer werden. Superman soll fliegen können, der (bislang) noch nicht als Kannibale geoutete Anthony Hopkins soll Hannibal Lecter spielen dürfen und Nuklearwissenschaftlerinnen durchaus mal so sexy sein, wie Denise Richards in „Die Welt ist nicht genug“. So lächerlich dies gewesen ist, sie sah in den kurzen Shorts halt genauso aus, wie wir uns ein Bondgirl vorstellen.

Wer Kino als Wunschvorstellung liebt, sollte sich auflehnen und mit dem Geldbeutel abstimmen – was durchaus schon passiert. Woke Filme laufen nicht mehr so gut, Netflix Abos gehen zurück.

Oder einen Ahnennachweis fordern, wenn die zu spielende Rolle nachweislich als für jemanden seiner Ethnizität geschrieben wurde. Tom Cruise müsste seine angebliche Heterosexualität mit mehr nachweisen, als bei einer Talkshow auf der Couch zu hüpfen. Und Elyas M’Barek dürfte keine Türken mehr spielen.

Absurde Forderung? Selbstverständlich. Rassistisch? Sicherlich auch. Die intime Privatsphäre verletzend? Sowieso.

Allerdings nicht irrsinniger, als dass, was die „woke“ Besetzungsmafia gerade fordert.

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paule t.
paule t.
1 Jahr zuvor

Das Bedenkenswerteste an dem Artikel ist dieser Satz (über die Peinlichkeit, die entsprechende Zeit „viktorianisch“ zu nennen, wollen wir nicht weiter reden):

„In Shakespeares und Christopher Marlowes Zeiten wurden Frauenrollen ausschließlich von Männern gespielt, was sich letzten Endes als etwas antiquiert und verfehlt herausstellte.“

Er zeigt: Wenn ganz regelmäßig und gewohnheitsmäßig eine relevante Bevölkerungsgruppe, die – weil relevant – auch auf der Bühne vorkommt, nicht in der Besetzung vorkommt, ist was faul. Dann ist das ein deutliches Zeichen für Diskriminerung. Dann muss sich daran etwas ändern. Und am einfachsten lässt sich das natülich ändern, wenn die entsprechenden Rollen auch von Personen aus den entsprechenden Gruppen gespielt werden. Dann dürfen Frauen auch auf die Bühne und spielen Frauen, dann dürfen Schwarze Schauspieler:innen sein und die Rollen werden nicht mehr von Weißen mit gefärbten Gesichtern gespielt, dann können Schauspieler:innen aus anderen Minderheiten auch vorkommen, dann ist ein Outing als Schwuler/Lesbe nicht mehr das Karriereende etc.pp.. Es hat zudem den Vorteil, dass die Schauspieler:innen auch ihre Erfahrungen als Angehörige der entsprechenden Gruppe einbringen können.

Wenn es – nach einer gewissen, längeren oder kürzeren Zeit – die entsprechenden Gruppen nicht mehr diskriminiert werden und es diese speziellen Erfahrungen keine wichtige Rolle mehr spielen , wenn Schauspieler:innen aus diesen Gruppen auch in nennenswerter Zahl Engagements haben – dann ist diese Debatte überflüssig. Dann kann es auch mal zu großartigen Ergebnissen führen, wenn ganz gezielt in die andere Richtung besetzt wird, etwa Katharina Thalbach Friedrich den Großen spielt u.Ä.

Bis dahin brauchen aber Leute, die keiner irgendwie diskriminierten Gruppe angehören, den Leuten, die das tun, eigentlich nicht zu erzählen, dass Repräsentaion überflüssige Kacke ist. Wirklich nicht. Kann man einfach lassen.

discipulussenecae
discipulussenecae
1 Jahr zuvor

@#2: „Bis dahin brauchen aber Leute, die keiner irgendwie diskriminierten Gruppe angehören, …“

Wenn der Tag, an dem sich nicht irgendjemand in Deutschland mehr diskriminiert und einer entsprechenden Gruppe anghörig fühlt …
Ja, wenn der Tag gekommen ist, dann schmeiße ich Freibier für alle Ruhrbarone Leser*innen+außen. Bei dem vorherrschenden weinerlich-selbstbezogenen Zeitgeist wird der Tag auf den 30. Februar fallen, und das Bier wird es geben, wenn es dann 13 schlägt.

Aber im Ernst: Die Leute sind SchauSPIELER*innen+außen. Sie SPIELEN etwas, das sie nicht sind, weil das ihr BERUF ist!

Theater wurde einmal als moralische Anstalt zur Bildung des Volkes verstanden. das Drama wurde als höchste Form der Poesie gesehen. Das sind die Konzepte, an denen sich das zeitgenössische Theater messen lassen sollte. Dagegen hat sich das hoch subventinierte Theater freiwillig die Daumenschrauben selbstmitleidiger Minderheiten ansetzen lassen. Damit hat es aber freiwillig und unaufgefordert begonnen, sich sein eigenes Grab zu schaufeln. Denn welcher Kulturpolitiker gibt freiwillig viel Geld für die Befindlichkeiten irgendwelcher dauerbeleidigten Kleinstgruppen aus?

Der große Mathematiker David Hilbert hat einmal festgestellt: „Ein mathematisches Institut ist schließlich keine Badeanstalt!“
Ebensowenig ist ein öffentlich subventioniertes Stadttheater eine Verwahranstalt für sich selbst immer wieder neu erfindende und alle anderen anklagende Personenkreise, von denen die allermeisten Leute noch nie etwas gehört haben! (Stichwort: Einmal im Monat haben nur FLINTA* Zutritt in die öffentliche Kneipe des Schauspielhauses Bochum …)

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
1 Jahr zuvor

#2
Wenn wir über Integrationsprobleme von Farbigen reden, sollte man schon bei den Fakten bleiben und sich nicht in Allgemeinplätze flüchten, die die Realität in ihr Gegenteil verkehren.

Bis 2015 waren Farbige in Deutschland eine quantitativ marginale Gruppe. Diese Gruppe war in der Kunst überproportional vertreten. Dort, bis heute, jedoch klischeehaft auf bestimmte, Farbigenrollen festgelegt, wogegen sich die Betroffenen zu wehren versuchen.

Das gleiche gilt ähnlich auch für andere Migranten und erst recht für Transsexuelle, die als Dragqueen oder anderweitig schräger Clown das Publikum zu amüsieren hatten.
Der erste Schauspieler, der das Getue durchbrechen konnte war meines Wissens Günther Kaufmann in Derrik.
Auf identitäre Diskriminierung, die damals völlig richtig als Rassismus identifiziert worden ist, legte er damals und legen die Künstler heute keinen Wert.

An dieser stereotypen Realität hat sich bis heute auch im ÖRR wenig geändert. Die vorhandene Erfahrung wird aus naheliegenden Gründen nicht genutzt. Was wir bräuchten wären Farbige hinter den Kulissen als Regisseure. Aus anderen, länger etablierten Migrationshintergründen gibt es diese inzwischen. Fassbinder brauche ich wohl nicht extra erinnern. Aber gerade auch dessen Wirken hat wohl seinen Anteil daran, das George meinte einen Homosexuellen so anlegen zu müssen, wie er es getan hat. Es blieb Joachim Krol überlassen einen Schwulen ohne tuntige Affekte einem großen Publikum vorzustellen.

Eine einfältige Wokeness, die Verhältnisse der USA, in denen Repräsentanz tatsächlich bis in unsere Zeit eine drängende Frage darstellt, die hiesigen Herausforderungen jedoch ignorierend für deutsche Schauspieler annimmt, zeigt überdeutlich wie sch…egal ihnen die Betroffenen sind.

Der paternalisierende Rassismus der „Wokies“ als linke Geisterfahrer ist eine neubraune Kacke, die niemand braucht.

nussknacker56
nussknacker56
1 Jahr zuvor

Der Autor hat sich große Mühe gegeben, die Problematik an aktuellen Beispielen herauszuarbeiten. Dass Vertreter der Woken (siehe Fall #2) dieses Bemühen nicht im Ansatz reflektieren, geschweige denn auf die aufgeführten Beispiele eingehen, muss man wohl als gegeben hinnehmen.

Die Penetranz, mit der die woke Gemeinschaft probiert, ihre engstirnigen Verklemmungen als allgemein verbindliche Verhaltensanweisungen zu zementieren, geht weit über das eigentliche Ziel hinaus. Wenn jede Minigruppe ihre Partikularinteressen durchsetzt, gibt es in Filmen, Büchern und Theaterstücken bald keine Handlung mehr, sondern eine Aneinanderreihung von „politischen Korrektheiten“. Schon heute ist es nervtötend, wenn in einem Film oder Buch sämtliche Vertreter aller möglichen Kombinationen das dahinplätschernde Geschehen verwässern.

Noch etwas ist gesichert: Die woken Sektierer haben an den Fortschritten und der gestiegenen Toleranz in den letzten Jahrzehnten nicht den geringsten Anteil.

Karsten Kastelan
Editor
1 Jahr zuvor

Zugegeben: ich hätte das Zeitalter als Elisabethanisch benennen sollen – was allein deshalb oberpeinlich ist, weil ich gerade einen (noch unveröffentlichten) Roman korrekturlese, in dem Shakespeare, Marlowe und Königin Elisabeth als Charaktere vorkommen. Da sich diese Praxis meines Wissens nach aber bis in das viktorianische Zeitalter hinzog, habe ich da eine Abkürzung genommen, die nicht hätte sein müssen. Sorry.

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