Aufklärung? – Ach neeeeeee, doch nicht in Bottrop

Kennen Sie Bottrop? Nein, das ist diese kleine verschlafene Stadt am Nordrand des Ruhrgebietes. Hier herrscht Ruhe.

c: Stadt Bottrop

Ich bin Bürger in Bottrop. Und mir kommt diese Ruhe oft trügerisch vor. Wie ein Morast, unter dessen Oberfläche die fauligen Schlämme sich verquirlen, zusammenschmieren und irgendwann hochkommen und explodieren

Warum denke ich das? Es sind ein paar Beobachtungen, die mich mißtrauisch machen. Ich sehe NPD-Sticker an Laternenpfählen. Ich höre von Naziparties und von Schlägereien.

Wussten Sie, dass einer der Täter aus dem Siegburger Knast aus Bottrop kommt? Ja, einer von denen, die ihren Zellenkumpel zu Tode gefoltert haben, lebte hier. In Bottrop. Und hat Schwulenpornos gedreht.

Bottrop ist beschaulich, sagen alle.

Mir kommt es so vor, als sei Bottrop so verlogen, wie der Säufer, der seinen Kindern sagt, eine Flasche Korn am Abend sei völlig OK.

Vor ein paar Tagen habe ich Flugblätter von PRO NRW gesehen. Die hatten irgendwelche Typen in die Briefkästen der Stadt gesteckt. Auf den Flugblättern war ein roter Kreis, mit einem roten Querbalken. Im Kreis, eine Moschee. Darüber der Spruch "Nein zu Minaretten und Muezzinruf" Darunter: "Islamistische Terrorgefahr bekämpfen:"

Mit dieser Rechts-Propaganda versucht PRO NRW in Bottrop Stimmen bei den kommenden Kommunalwahlen zu gewinnen.

Ich wollte meine Stadt über PRO NRW aufklären.

Deswegen habe ich bei der Lokalzeitung angerufen. Bei dem örtlichen Chefredakteur der WAZ. Ich hab ihm gesagt, dass ich freier Reporter bin. Ich hab ihm gesagt, dass ich seriös arbeite. Dass ich vor kurzem den Wächterpreis gewonnen habe. Zwar nur den dritten Platz, aber immerhin. Ich habe dem örtlichen WAZ-Chef gesagt, dass ich gerne über PRO NRW in Bottrop schreiben würde. Damit die Menschen in unserer Stadt wissen, wer sich hinter der Biedermann-Fassade versteckt.

Pro NRW. Das ist ein rechtsdrehender Verein, der mit übler Propaganda versucht, Dummköpfe zu ködern. Der Verfassungsschutz beobachtet die Bande. Fast wie unter einer Tarnkappe schleichend will die Truppe landesweit bei den kommenden Kommunal- und Landtagswahlen antreten. Ortsverbände gibt es schon in Gelsenkirchen, Bottrop, Nettetal und Warendorf.

Hinter Pro NRW steckt die fast gleichnamige Gruppe Pro Köln. Hier in der Domstadt, da haben die Populisten ihren ersten Erfolg gefeiert. Sie sitzen im Stadtrat. Dank ihrer verquasten Hetz-Sprüche.

Die „Pro Köln“-Aktivisten nennen sich "seriös“ und „demokratisch“. Es soll scheinen, als gehöre man zur politischen Mitte, sei sogar die „Stimme der schweigenden Mehrheit der einheimischen Bevölkerung“. Kritik wird als „billige propagandistische Masche“ des Establishments abgetan. „Werden Sie misstrauisch, wenn irgendjemand den Eindruck zu erwecken versucht, Pro Köln würde mit Rechtsextremisten gemeinsame Sache machen“, heißt es auf der Pro-Köln-Homepage.

Tatsächlich aber laufen im Umfeld der Gruppe und ihres politischen Vorläufers der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ haufenweise dubiose Figuren herum.

Da ist der glühende Hitler-Verehrer Thomas Adolf etwa.

Adolf fuhr den damaligen Liga-Aktivisten und heutigen Pro-Köln-Stadtrat Manfred Rouhs zu Veranstaltungen. Später machte er als „Killer von Overath“ von sich reden. Mit einer Schrotflinte erschoss er einen Anwalt, dessen Frau und Tochter.

Manfred Rouhs selber ist auf einem Foto zu sehen, wie er auf einer Demo für die Jungen Nationaldemokraten redet.

Jungen Nationaldemokraten – hinter dem Titel verbirgt sich die Jugendorganisation der rechtsextremen NPD.

Der Neonazi-Führer Axel Reitz gab schon mal als Berufswunsch „SA-Standartenführer“ an. Seine politischen Gegner wollte er mit eigenen Worten eines Tages auf den „Marktplatz stellen und erschießen."

Für Pro Köln hat Reitz nach eigenen Angaben eine Kundgebung organisiert – was die Kölner Rechten bestreiten.

Das sind die Kumpane, mit denen sich der Jupp Scholand eingelassen hat.

Jupp Scholand, Ex-Bergmann, Diplom-Ingenieur, 53 Jahre, baut mit offenem Bezug auf die Kölner Truppe den Kreisverband der Neodumpfer in Bottrop auf.

Sein Thema: "In Köln und Duisburg hat die Bevölkerung massive Kritik am Bau von Groß-Moscheen geäußert. Schon morgen kann es Bottrop treffen."

Ich habe dem Bottroper WAZ-Chef gesagt, dass ich gerne über die Hetzer im "seriösen" Kleid schrieben würde.

Der lokale WAZ-Chef hat abgelehnt. Er sagte, er wolle den Rechten keinen Platz in seiner Zeitung einräumen. Ich sagte, ich würde keine Propaganda Pro Scholand schreiben. Ich würde dafür sorgen, dass die Bottroper erfahren, wer hinter der Pro Truppe steckt. Damit sie nicht auf die Propaganda reinfallen. Ich habe gefragt, was der lokale WAZ-Chef von Aufklärung hält.

Der lokale WAZ-Chef hat gesagt: Aufklärung sei nicht nötig.

Vielleicht hat er ja recht, wenn er meint, die Rechten würden sich über jeden Text in der Zeitung freuen – auch wenn sie verrissen würden. Vielleicht hat er recht zu ignorieren, was da aus der Gosse stinkt.

Aber ich glaube an die Kraft der Aufklärung.

Die Menschen müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sie brauchen keine selbstgewählte Zensur, sondern klare Worte. Gerade wenn es um Pro NRW geht.

Nur Aufklärung garantiert Freiheit.

Darum wurden Zeitungen einst gegründet, verboten und im Untergrund verteilt.

 

 

 

 

 

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ZSK

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Casi
16 Jahre zuvor

bitte? es kann doch im Leben nicht richtig sein, ein Thema totzuschweigen, oder? Natürlich freuen sich auch die Rechten darüber, dass sie in den Medien stattfinden – gerade, wenn es wieder darum geht, über eine größere Versammlung oder Demo zu berichten. Noch klarer ist die Begeisterung der Rechten zu verstehen, wenn bei so einer Kundgebung auch linke Gruppen anwesend sind, die sich mitunter nicht wesentlich schlauer anstellen und durch die eigene schlechte Presse vieles von dem wieder Entschärfen, was man den Rechten vorwerfen möchte. Aber wenn jemand wie Du – dem ich unterstelle, sich fundiert und sachlich mit so einem Thema auseinandersetzen zu können – in der lokalen Presse darüber berichtet, wie diese Gruppierung tickt und funktioniert und was dahintersteckt, dann kann ich nicht erkennen, wie das der Pro Truppe weiterhelfen soll, wenn sie von Dir öffentlich entzaubert werden. Da nützt auch die schönste und größte Medienpräsenz nichts. Schade, dass die WAZ diese Chance nicht ergriffen hat.

weltkind
16 Jahre zuvor

gut, dass du darueber schreibst, es tut ja sonst kaum jemand. auch in gelsenkirchen kehrte und kehrt die waz das problem unter den teppich: der skandal um die vom spd-ob ermoeglichte „gelsenkirchener erklaerung“ von pro nrw auf schloss horst, einer vorzeige-immobilie der stadt gelsenkiirchen, wurde von der lokalredaktion unter den teppich gekehrt. maulkoerbe wurden offenbar verhaengt. so weit mir bekannt, war ich die einzige, die darueber berichtet hat. dazu gab´s dann einen – anonymen – boesen kommentar.

Rolf
16 Jahre zuvor

Heute ist es Aufklärungsjournalismus, wenn man Dieter Bohlen im Teppichgeschäft erwischt. Oder Faruk Sen, wie er eine Flasche Wein auf dem Spesenzettel abrechnet.

Heute, da wird die WAZ 60. Heute ist sie von einem unabhängigen kritischen Journalismus etwa so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Man hat sich mit den Herrschenden arrangiert, man hat sich mit der Wirtschaft arrangiert, und man möchte doch keine Anzeigenkunden verärgern. Lieber übt man sich in Hurra-Journalismus bei jeder noch so bescheuerten Ankündigung. In der Hoffnung, auch den nächsten Druckauftrag für die nächste Sonderbeilage zu bekommen.

Nein, die WAZ macht keinen Spaß.

Thomas Stratmann
Thomas Stratmann
16 Jahre zuvor

Da hat der Bottroper WAZ Lokalchef sich wohl die Dortmunder zum Vorbild genommen.
Dort wurde WAZ intern beschlossen nicht mehr auf die ständigen Aufmärsche der Nazis zu reagieren.
Es sollte den Deppen die Öffentlichkeit entzogen werden. Das hat dort nach meinem Wissen auch funktioniert.
Man muss nicht über jeden Furz berichten – aber eine Äufklärung darüber wer „PRO NRW“ ist notwendig.
Totschweigen kann keine Patentlösung für den Umgang mit Rechtsextremismus sein!

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