Der Ruhrpilot

Eine Tragödie ohne Schuldige?

Loveparade: Keine Hilfe bei Überführung von Loveparade-Toten…Der Westen

Ruhrtriennale: Deutsche Uraufführung der „Blechtrommel“…Focus

Ruhrtriennale II: Sieben Oskars trommeln…Ruhr Nachrichten

Ruhrtriennale III: «Die Blechtrommel» in Bochum…Hometown Glory

Dortmund: Vorläufiger Abschlussbericht des S4-Bündnisses…S4

Dortmund II: Zoff unter Dortmunds U-Turm…Der Westen

Gelsenkirchen: Fernsehen, das Web und das Theater…Der Westen

Bochum: Etat 2010 in Arnsberg abgelehnt…Der Westen

Arbeitslosigkeit: Scheißtag…Prospero

Bildung: Menschenrecht auf Bildung in Gefahr….Zoom

Recht: Der Humor der Steuerfahnder…Law Blog

Digital: Freier Musik-Sampler “Freiheit statt Angst 2010″…Netzpolitik

Erfahrung: Mein erstes Jahr in der SPD…Frontmotor

PCB: Hätte die Envio-Verseuchung verhindert werden können?

Die Verseuchung zahlreicher Mitarbeiter des Dortmunder PCB-Entsorgungsunternehmens Envio hätte möglicherweise verhindert werden können. Schon im September 2008 wurde die Stadt Dortmund durch einen anonymen Brief über die illegalen Aktivitäten des Unternehmens informiert. Statt die Polizei zu informieren, wurde eine Kopie dieses Briefes Envio übergeben.

Das Schreiben, dass uns vorliegt, ging am 11. September 2008 beim Umweltamt der Stadt ein. Es schildert ausführlich und detailliert die Zustände auf dem Betriebsgelände von Envio:  Es weist auf den rücksichtslosen Umgang mit PCB-verseuchten Transformatoren hin, schildert, dass nicht genehmigte Reinigungsverfahren verwendet werden und weist auf die Verseuchung des Geländes mit PCB und deren Konsequenzen hin: „Die (ehemaligen) Mitarbeiter laufen ein erhöhtes Risiko auf Gesundheitsschaden. Der Standort ist nicht nur im Schwarzbereich verunreinigt.“ Eigentlich ist nur im so genannten Schwarzbereich auf dem Betriebsgelände der Umgang mit den PCB-verseuchten Transformatoren gestattet.

Auch auf weitere illegale Aktivitäten von Envio gibt es deutliche Hinweise: „Die PCB verunreinigten Gehäuse werden als sauberer Metallschrott verkauft. Der Schrotthändler, der dieses Material kauft, wird über die Gefahr nicht unterrichtet. Auch das Kupfer und die Bleche werden verkauft mit zu hohen PCB-Werten, die Käufer werden hierüber nicht informiert.“

Viele der in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe haben sich mittlerweile bestätigt. Envio ist die Verarbeitung von PCB-belasteten Transformatoren mittlerweile untersagt worden. Das Unternehmen ist geschlossen und hat erste Mitarbeiter entlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen vorsätzlicher Luft- und Bodenverunreinigung in einem besonders schweren Fall sowie gefährlicher Körperverletzung gegen die Verantwortlichen des Unternehmens. Die Bezirksregierung Arnsberg hat Strafanzeige wegen Verstößen gegen das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung gestellt.

Doch im September 2008 geschah nach dem Eingang des anonymen Schreibens nahezu nichts. Die Stadt Dortmund leitete den Brief an die Bezirksregierung weiter. Dort kam er am 12. September an. Am 22. September kam es zu einer ohnehin geplanten und angekündigten Kontrolle der Bezirksregierung bei Envio. Bei dieser Kontrolle wurden zwar Mängel festgestellt, aber eine Stilllegungsanordnung wurde nicht getroffen. Die Vorwürfe aus dem anonymen Schreiben wurden laut vorliegenden Akten der Bezirksregierung „erörtert“. Danach wurde Envio eine Kopie des Briefes ausgehändigt.

Obwohl die Vorwürfe schwer und detailliert waren, haben weder die Stadt Dortmund noch die Bezirksregierung schnell gehandelt. Und obwohl in dem Schreiben erhebliche Straftatbestände geschildert wurden, hielt keine der Behörden es für notwendig, die Polizei einzuschalten oder durch eine unangemeldete Kontrolle den Vorwürfen nachzugehen.

Für die Bezirksregierung Arnsberg ergaben sich durch das anonyme Schreiben  auch aus heutiger Sicht „keine Hinweise auf einen akuten Handlungsbedarf bzw. Gefahr im Verzuge“, erklärt sie auf Anfrage. Bei der Stadt Dortmund beurteilt man das eigene Handeln heute selbstkritischer: „ Das Vorgehen (kann)aus heutiger Sicht und mit dem heutigen Wissen vielleicht mit „zu wenig“ bewertet werden. Aus damaliger Sicht (…) stand Envio nicht vorrangig im Fokus.“

Das blieb trotz des Briefes noch lange so. Zwar wurden seit 2006 in der Nähe des Envio-Unternehmenssitzes am Dortmunder Hafen erhöhte PCB-Werte gemessen, aber nach einem Sachstandsbericht der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung stand bis Anfang 2010 Envio nicht im Zentrum der Ermittlungen: „Die Zahl der möglichen Emittenten kann eingeschränkt werden, eine eindeutige Eingrenzung ist aber nicht möglich.“

Dokumente, die uns vorliegen, ziehen diese Betrachtungsweise in Zweifel. Messungen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), die von Juni bis September vergangenen Jahres vorgenommen wurden, zeigen, dass zwar zu dieser Zeit acht Betriebe als mögliche Verursacher der PCB-Verschmutzung ausgemacht worden waren, aber kein Betrieb von so vielen Messpunkten umzingelt war wie Envio. Unangemeldete Kontrollen fanden trotzdem erst im Frühjahr 2010 statt.

Auch das Umweltministerium, damals noch unter der Leitung des heutigen Landtagspräsidenten Eckhard Uhlenberg (CDU), wurde nicht informiert. Von dem anonymen Schreiben erfuhr Düsseldorf erst am 9. Juli – fast zwei Jahre nach Eingang. Mit dem Ablauf des Verfahrens ist das Ministerium nicht zufrieden. Die Vorgänge rund um Envio werden geprüft. Eine fachaufsichtliche Projektgruppe durchleuchtet nun die Behördenvorgänge. Am Fall Envio soll auch die Behördenstruktur- und Organisation überprüft werden. Für Verbesserungen scheint es Raum zu geben.

Envio kämpft indes mit den Folgen des Skandals. Schon Ende Juni wurde der Name einer Tochterfirma geändert: Aus Envio-Gas wurde Bebra-Gas. Eine Befragung habe ergeben, teilt Unternehmenssprecherin Claudia Weirich mit, dass Kunden die Biogasanlage vorwiegend mit Bebra assoziieren: „Envio wurde dagegen hauptsächlich mit Transformatoren und PCB-Entsorgung verbunden und nicht mit dem Bau von Biogasanlagen.“ Und mit PCB möchte man wohl den Geschäftszweig Biogasanlagen nicht verbunden sehen.

Das Unternehmen versucht auch, gegen die von der Stadt Dortmund erlassene Gewerbeuntersagung vorzugehen. In einem Brief der von Envio beauftragen Anwaltskanzlei Büge, Tünnesen-Harmes an die Stadt wird die Rechtmäßigkeit der Untersagung angezweifelt. Die Stadt, schreiben die Juristen, hätte noch immer kein Ermittlungsergebnis zum Verschulden Envios vorgelegt, das eine Gewerbeuntersagung rechtfertigen würde.  Die Stadt sieht das anders: Sie will Envio endgültig verbieten, in Dortmund tätig zu sein.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form auch in der Welt am Sonntag

Der Ruhrpilot

adolf_sauerland
Adolf Sauerland

Loveparade: SPD nennt Sauerlands Reaktion „dilettantisch“…Welt

Loveparade II: Rat fordert Sauerland zum Rücktritt auf…Der Westen

Loveparade III: Wilde Schreierei vor Duisburger Rathaus…Der Westen

Loveparade IV: OB-Abwahl nach Loveparade wenig wahrscheinlich…Ruhr Nachrichten

NRW: Kraft wirft Vorgänger-Regierung „Bilanzbetrug“ vor…Der Westen

NRW II: Attacke auf Röttgen…RP Online

Dortmund: Museum am Ostwall öffnet später im U-Turm…Der Westen

Dortmund II: Europas Schlager-Museum kommt ins Revier!…Bild

Bochum: 100.000 Besucher kamen zum Zeltfestival…Der Westen

Gelsenkirchen: Arte sustenibile uno…Hometown Glory

Medien: Bodo-Hombach Portrait…Zeit

Sarrazin: SPD will von Buschkowsky lernen…taz

Sarrazin II: Die Gegenwut…Spiegel

Prost: Saufen soll gesünder sein als völlige Abstinenz…Welt

Digital: ACTA-Leak aus der Verhandlungsrunde in Washington…Netzpolitik

Werbung
Werbung


Mietpreise im Revier: Hier bleibt es billig – hier will keiner hin

Gladbecker Innenstadt

In Deutschland steigen die Mieten. In ganz Deutschland? Nein, in den Regionen ohne Zukunft nicht. Im Ruhrgebiet wird es immer billiger und leerer.

Nennen wir ihn mal Michael. Michael hat einen Job in Bochum und ein paar Jahre in Bochum gewohnt. Nun ist er weg. Den Job hat er noch, aber er wohnt lieber in Köln. Zur Arbeit nach Bochum pendelt er ein. In Köln, sagt er, sei es netter. Man müsste weniger fahren um Freunde zu treffen, alles wäre kompakter und unkomplizierter. Und  natürlich ist Köln auch sonst eine geile Stadt.

Und natürlich verlassen ganz viele das Ruhrgebiet, weil sie hier keine Jobs finden.

Das so viele das Ruhrgebiet verlassen, hat natürlich auch seine angenehmen Seiten. In vielen Teilen Deutschlands steigen die Mieten. Nicht im Ruhrgebiet. Überall wird  über Gentrifizierung und ihre Auswirkungen gestritten. Im Ruhrgebiet wird diese Diskussion eher simuliert. Klar, in Essen-Rüttenscheid, in Bochumer Ehrenfeld oder in Dortmunder Kreuzviertel braucht man ein paar Monate um eine Wohnung zu finden. Vier Zimmer ist sowieso schwierig. Aber das war es dann schon. Denn, nur einen Steinwurf entfernt gibt es Leerstände und nichts deutet darauf hin, dass sich daran was in absehbarer Zeit ändert. Im Gegenteil. Noch nicht einmal die billigen Mieten sorgen dafür, dass Leute hier hinziehen.

Neu gebaut wird sowieso relativ selten. Renoviert auch nicht. Es lohnt sich ja auch kaum.

Mit intelligenten Zwischennutzungskonzepten könnten wir die Wegzüge von ein paar Künstlern  vielleicht verzögern. Vielleicht bleiben auch ein paar dauerhaft hier. Aber nicht einmal diese intelligenten Zwischennutzungskonzepte für leerstehende Immobilien gibt es. Das Ruhrgebiet ergibt sich einmal mehr seinem Schicksal, zeigt natürlich keine Initiative und wartet darauf, dass die Hilfe von Aussen kommt. Genügsam schauen wir uns an, wie eine Region mit fünf Millionen Menschen zum Vorort von Düsseldorf und Köln wird. Ein Mega-Ratingen. Nur ärmer.

Es gibt schon gute Gründe, warum es hier so ist wie es ist.  Und der Grund sind wir.

Dazu der passende Soundtrack:

Der Ruhrpilot

Rüttgers und Rau

NRW: CDU-Wirtschaftsflügel rechnet mit Rüttgers ab…Der Westen

NRW II: Ein Masterplan für Generationen…Welt

NRW III: Stuttgart 21 gefährdet ÖPNV-Ausbau in NRW…RP Online

Herne: Interview mit OB-Schiereck…Pottblog

Bochum: Lesen, Lesen, Lesen…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Trauerzeit nach Loveparade endet mit Würde…Der Westen

Essen: Täglich sieben Einwohner weniger in Essen…Der Westen

Internet: Guck mal, wer da löscht…Weissgarnix

Stadtentwicklung: Lob der Ramschmeile…Spiegel
Wissenschaft: „Die deutsche Zuwanderungspolitik war verheerend“…RP Online
Karstadt: Das bunte Imperium des Nicolas Berggruen…FAZ
Freizeit: Lörmecke Turm…Zoom

Dortmund: Protest muss möglich sein

Tausende protestieren gestern in Dortmund gegen die Nazis. Die haben davon allerdings kaum etwas mitbekommen.

Wer glaubt, mit Verboten das Nazi-Problem lösen zu können irrt. Hätte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Demo am Samstag bestätigt, nichts wäre gewonnen gewesen. Sicher, die Nazis konnten in Dortmund nicht demonstrieren, ihre Kundgebung am Rand der Nordstadt war schlecht besucht. Auch wenn alle Rechten die auf dem Weg waren dort angekommen wären: Die Zahlen der Vorjahre wären nicht erreicht worden. Das Verbot hat ihnen Probleme gemacht. An den  Übergriffen auf Nazigegner wird das aber auch in Zukunft nichts ändern.

Wirkungsvoller wäre engagierter Protest gewesen. Den hat die Polizei allerdings nicht zugelassen. Jeder demokratischen Partei wird aus gutem Grund zugemutet, dass beispielsweise bei Parteitagen in Rufweite zur Halle demonstriert wird. Den Nazis nicht. Auch in Dortmund hätte man die Demonstranten näher an das Kundgebungsgelände heranlassen können, ohne die Sicherheit zu gefährden. Der Skandal war weniger die genehmigte Nazi-Demo, als die Unterdrückung des Protests durch eine übertrieben weite Absperrung von großen Teilen der Nordstadt.

Dass die Dortmunder Polizei am Freitag ein Nazi-Konzert in den Innenstadt genehmigte, aber den Protest des S4-Bündnis am Samstag untersagte passt in das Bild einer zweifelhaft agierenden Dortmunder Polizei.

Kein Ruhmesblatt war auch das Verhalten  der Sozialdemokraten und Grünen. Während in der Nähe  ihres Kundgebungsortes am Nordmarkt im Bereich der Kreuzung Mallinckrothstraße/Leopoldstraße die Situation zwischen Polizei und Demonstranten zu eskalieren drohte, waren sie nicht vor Ort. Sie überliessen es der Linkspartei, sich als Vermittler in Szene zu setzen.  Das war töricht und dumm. Zumindest von den Grünen hätte man anderes erwarten dürfen, als die Menschen in Dorstfeld mit einem Konzert des  unsäglichen Purple Schulz zu traktieren.

Werbung
Werbung


Der Ruhrpilot

Nazis: Dortmunder protestieren gegen Neonazis…Zeit

Nazis II: Tausende protestieren friedlich – 160 Festnahmen…Ruhr Nachrichten

Nazis III: Dortmunder protestieren friedlich gegen Nazis…Der Westen

NRW: Zwei Christdemokraten auf Ochsentour…Welt am Sonntag

NRW II: Ranking sieht NRW im Mittelfeld…Welt am Sonntag

NRW III: Im Land der Computerspiele…Welt am Sonntag

NRW IV: Unis fürchten ums Geld…Der Westen

NRW V: 365 Tage Stillstand…DL

RWE: „Laufzeitverlängerungen um 20 Jahre am besten“…FAZ

Bochum: Poker um neues Landesinstitut für Gesundheit…Der Westen

Duisburg: Gedenktafel an Loveparade-Rampe enthüllt…Der Westen

Duisburg II: Das Container-Prinzip…Xtranews

Herten: Subjects in transformation…Hometown Glory

Umland: Die Presse ist frei…Zoom