Rettet den Blätterwald (1) – Heute: Rolling Stone (Deutschland)

Zunächst: Der Anblick eines vor Zeitschriften überquellenden Kioskes ließ mich letztens schaudern: So viele Jobs, so viel Papier, soviel Fotos von Menschen, so viel Überschriften, Sätze, irgendwie zu Ende gebrachte Sinnabschnitte. Ein hässlicher Anblick, nur zu vergleichen mit einigen Supermärkten, Parkhäusern und zusammen gequetschten Menschen in Bussen und Bahnen. Muss das sein? Können wir nicht verzichten auf diese Dinge, dieses Second Hand Leben, diese Informationsflut auf Papier? Vielleicht. Vielleicht muss auch nur zuerst die Printkultur gehen, und dann schaltet irgendwer auch noch den Strom ab und wir haben wieder Ruhe. Also exekutiere ich in dieser Rubrik mal in loser Folge symbolisch einige Printpublikationen des Landes und will feierlich schwören, sie von nun an nie mehr zu kaufen. Den Anfang macht zufälligerweise die deutsche Ausgabe des Rolling Stone.

"16 Seiten AC/DC"! Aber der Reihe nach: Man mag dem Rock’n’Roll gegenüber ja unterschiedlicher Ansicht sein. Ist sicherlich als Ventil und Freizeitvergnügen weniger spießig und potentiell Bewusstseins erweiternder als Breitensport. Hat einige viele tragische Tode und kaputte Restleben auf dem Gewissen. Ist gute Unterhaltung für Konsumenten, die ihre Dosis Brot und Spiele gerne mit persönlichen Schicksalen verknüpft sehen und dabei harte Musik hören wollen. Etc. Im Grunde aber ist es das Gegenteil von "darüber schreiben" und erst recht von "darüber lesen". (Auch wenn die betroffenen Medienleute von Lester Bangs bis Stefanie Tücking immer so taten, als sei das verwechselbar. Naja, man verwechselt schonmal Autorenschaft und Sujet. Das nennt man dann schnell Identifikation.)

Jedenfalls strahlt der Rolling Stone Deutschland nur höchst bedingt Rock’n’Roll aus und hat natürlich für den gesellschaftlichen Diskurs nicht gerade soviel zu bieten wie ehedem die Village Voice oder sein gleichnamiges amerikanisches Ursprungsblatt. Was also soll das Magazin? Mal reinsehen, vielleicht gibt es ja Interviews, in denen diese Lebenshaltung rüberkommt. Hm, Whisky-Werbung auf der U2. Stimmig. Fotos von Mick Jagger, den Toten Hosen und AC/DC. Es geht also um "in Würde altern mit Mikro oder Gitarre in der Hand"?
Überschriften: "Ein Quantum Trost". "The Killers: Leaving Las Vegas". "Das schwarze Album". Klingt ganz schön nach falsch verstandener Postmoderne: Man nimmt irgendwie vertraut klingende Wortfolgen und setzt die in Zusammenhang mit dem Thema/der Band. (Natürlich ohne dass jetzt die Hosen und James Bond mehr als ihr hohes Alter gemein hätten z.B. Doch: Sie sind bekannte Medienstars, Typen, Rollenspieler.) Immerhin.

Sony- und Nokia-Werbung. Lou Reed wird gefragt: "Was halten Sie davon, dass "Car Crash" von Andy Warhol für 71 Millionen Dollar verkauft wurde?" Er antwortet: "Ich wünschte, jemand würde soviel für eine Lou-Reed-Originalaufnahme bezahlen. Ich würde mich auch mit 50 Millionen begnügen." Ah, vielleicht ein Hinweis, warum der alte R’n’R gleichzeitig so omnipräsent und billig ist: Man lebt mit ihm wie mit einem alten Verwandten, würde aber nicht wirklich etwas dafür bezahlen. Weiter im Blatt: In einem Konzertbericht über einen Auftritt von Of Montreal in New York steht: "Man fühlt sich wie auf einer invertierten Promnight: Hier gibt es nicht ein, zwei komische Käuze, die sich in den Ecken herumdrücken, während Cheerleader und Quarterback tanzen – die Wunderlichen sind im Roseland Ballroom klar in der Überzahl." Noch ein Indiz: Das Publikum wie wohl auch die Leserschaft ist sich selbst mittlerweile der Star und die "spokesperson". Deshalb haben die Stars derzeit auch alle hauptsächlich einen individuellen Hau und sonst gar nicht mal dringend viel zu bieten. Interessant.

Peter Maffay Open Airs 2009. "Fernsehen für die tollsten Menschen der Welt: Männer". Eine CD-Beilage mit Highlights aus dem Beat Club von 1967 bis 1972. Einige Konzertagenturanzeigen. Ultralange Geschichten mit banalen Fotos in der Heftmitte. Dietmar Dath und Rainald Götz werden aufgrund ihrer neuen Bücher in einem Artikel länger erwähnt. Fazit des Artikels: Dath wohl zu individuell-komplex-holistisch-socialfictionhaft um verstanden zu werden, und bei Götz dreht sich ja irgendwie auch alles nur um ihn selbst. Ist das jetzt Rock’n’Roll? Und was war Punk jetzt nochmal? Fast kaufen (oder verschenken) mag man dann nämlich vielleicht "Die Heebie-Jeebies im CBGB’s – Die jüdischen Wurzeln des Punk", die nächste Buchempfehlung, die aber auch verdächtig individual-historisch motiviert klingt. So á la "liest ja doch jeder heraus was er will, machen wir wenigstens mal starken Tobak rein". Komisch, dass die Buchempfehlungen in einem Magazin so plausibel wirken. Und dann noch in diesem.

Letzte Chance: Tonträgerkritiken. (Wir überspringen die Sidestream-Blockbuster-Kinoseiten). Ganz groß das Album von Paul McCartney mit dem (80s-)Produzenten Youth. The Cure, AC/DC. Francoiz Breut. Bei der Kritik zu ihrem Album "A´ L’aveuglette" heißt es schön: "Der Auftritt … war eins der raren Highlights der letzten Popkomm, die immer mehr zu einer Alles-muss-raus-Veranstaltung mutiert, bei der neue Vermarktungsmodelle die immer leiser werdende Musik verdrängen." Genau, der eigentliche Rock’n’Roller ist der Werber. Und Stille ist die neue Gefahr. Oder gar nicht mal Stille. Sondern Weiß ohne Schwarz drauf.

WestLB braucht mal wieder Geld

Wie hätte es auch anders sein können: Die WestLB braucht mal wieder Geld, schreibt zumindest die Rheinische Post am Samstag. Dieses Mal soll es sich um staatliche Garantien über einen zweistelligen Milliarden-Betrag handeln.

Was soll man dazu sagen? Bei jeder Gelegenheit hält der Laden die Hand auf. Nun soll also der Bund zur Abwechslung mal bürgen. Wir erinnern uns: Bei früheren Verlusten mussten gerne mal das Land bürgen oder mit frischen Mittel dem Institut beispringen. Nur Gott allein weiß wohl, wie viel Kapital über die Jahre aus den Taschen der NRW-Bürger in die Kassen der WestLB gewandert ist.

Damit aber nicht genug: Der "Rheinischen Post" zufolge will die Bank zudem in weiteres Mal riskante Wertpapiere im höheren zweistelligen Milliarden-Betrag auslagern, um ihre Kernkapitalquote von bisher 5,4 Prozent auf acht Prozent zu verbessern. Das ist die Voraussetzung dafür, um Hilfe vom Bund zu erhalten.

Ich mache jetzt mal einen Vorschlag: Macht einfach die WestLB dicht. Gleich am Montag. Einfach die Türen abschließen. Jedem Mitarbeiter eine ordentliche Abfindung, kann gerne auch mehr sein. Denn mal ehrlich, niemand braucht einen solchen Verlustbringer. Wenn ich nur an die Nummer mit Cleverbox denke. Aua.

Nachtrag: Hat jemand Vorschläge, was man mit dem Laden machen kann?

 

Thyssen in Schwierigkeiten

Den deutschen Stahlkochern geht es nach Jahren des Booms an den Kragen. Nun packt es auch ThyssenKrupp, einem der größten Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen.

Eigentlich sollte 2009 für das Unternehmen ein richtig gutes Jahr werden. Zehn Jahre war die Fusion von Thyssen und Krupp unter Dach und Fach und mit dem Umzug nach Essen sollte das Unternehmen an seine Wurzeln zurückkehren. Der Schreibtisch im Zentrum von Düsseldorf hatte ausgedient. Doch nun kommt es anders: In einigen Bereichen gehen die Mitarbeiter bereits auf Kurzarbeit; die Stahlsparte soll im Februar oder März folgen.

Die Maßnahme soll gleich bis Ende 2009 beantragt werden, schreibt das Handelsblatt. Grund dafür ist die Sorge der Führungsmannschaft um Ekkehard Schulz, dass die Nachfrage im kommenden Jahr schwach bleibt. Diese ist berechtigt, hängt doch das Wohl von ThyssenKrupp an der Automobilindustrie; und der geht es bekanntlich schlecht. Als BMW und dann auch noch Daimler ihre Produktion zurückfuhren, schrillten die Alarmglocken bei Thyssen.

Die Mitarbeiter bei dem Unternehmen müssen sich nun auf unruhige Zeiten einstellen; immerhin gilt der Vorstand mit Schulz an der Spitze als krisenerprobt, damit dürften Schnellschüsse zu Lasten der Belegschaft ausbleiben. Getroffen hat es aber bereits 2100 Leiharbeiter, die verbliebenen 1500 Leihkräfte müssen wohl auch gehen. Sollte aber die Nachfrage nach Stahl dauerhaft niedrig bleiben, dann könnte es auch die Stammbelegschaft treffen, fürchtet so mancher im Konzern.

Für die Stahlkonzerne kommt der Abschwung überraschend, hatte sich doch seit 2003 einen kräftigen Zuwachs verzeichnet. womit der Glaube genährt wurde, das ewig Auf und Ab der Branche gehört der Vergangenheit an. Diese Annahme erweist sich nun als falsch: Am stärksten bekommen dies die Mitarbeiter des Weltmarktführers ArcelorMittal zu spüren.

ArcelorMittal unterhält in Deutschland vier Standorte; und bei zwei von diesen kreist nun der Hammer. In Eisenhüttenstadt und Bremen fallen insgesamt 1500 Stellen weg. Die Kollegen in Duisburg kommen mit einem blauen Auge davon. Dort sollen nur 10 Arbeitsplätze wegfallen.

GM, Ford und Chrysler: 28 verlorene Jahre

Die drei großen US-Automobilhersteller General Motors, Ford und Chrysler sind in der Krise – das aber schon seit sehr langer Zeit – und genau so lange bekommen sie ihre Probleme nicht in den Griff. Das Video ist aus dem Jahr 1980…

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Rüttgers und Co gegen Klimaschutz

Man hätte drauf setzen können. Die NRW-Regierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) wettert gegen den Klimaschutz und mäckelt, dass neue EU-Klimapaket werde das Land überdurchschnittlich hart treffen, anstatt sich endlich Gedanken zu machen, wie man am Besten vom Wandel profitieren kann.

Rüttgers moppert, das neue EU-Programm sei "unfair" und "einseitig". Denn gerade Unternehmen in NRW, wie beispielsweise RWE mit seinen CO2-starken Braunkohlekraftwerken, müssten kräftig zahlen, während Frankreich dank Atomanlagen kaum Kohlendioxid-Abgaben zu blechen habe.

Rüttgers zeigte sich deshalb vom Ergebnis aus Brüssel enttäuscht. Das EU-Programm helfe der Umwelt nicht weiter und gefährde Arbeitsplätze. Außerdem werde sich der Strompreis erhöhen, was die Verbraucher und damit die Wirtschaft belaste.

Ich fände es besser, wenn sich Rüttgers endlich mal überlegen würde, wie er das Geld aus den CO2-Abgaben für ein Wirtschaftsförderungsprogramm in NRW nutzen könnte. So wie es der Grüne Reiner Priggen beispielsweise vorschlägt. Etwa für ein öffentliches Programm zur ökologischen Haussanierung. Das würde neue Arbeitsplätze in einer schwierigen Zeit schaffen und der Umwelt nutzen.

Ach ja, moppern ist einfacher als machen.

Ich schweig ja schon. 🙂

Dicker Mo über Bo

handypics: ruhrbarone.de

Zum Freitag der ganz  besondere Rausgehtip: Jetzt, Mantel an, Tür auf, rausgehen. Lohnt sich. Gevatter Mond ist so fett. Wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und in Jahren nicht. Und das allerbeste: Über dem mittleren Ruhrgebiet keine Wolke. Echt. Schön.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Dudenhöfer: Geht GM in die Pleite folgt Opel ein halbes Jahr später

GM steht vor der Pleite. Nach Ansicht des Autoexperten Ferdinand Dudenhöfer könnte Opel der Mutter schnell folgen.

Opel Bochum Foto: Stadt Bochum

Eigentlich ist es um Chrysler, GM und Ford nicht schade: Die Konzerne bauen in den USA Autos die die Welt nicht braucht und nicht will. US-Autos sind ausserhalb der USA etwas für Freaks. Die US-Autoindustrie ist nicht innovativ, die Qualität der Wagen ist mau und niemand würde ihre Produkte vermissen. Dumm nur, dass von ihren  Produkten Millionen Menschen leben und das die Pleite viele in den Abgrund reissen würde. In der momentanen Krise wäre das Aus der US-Automobilindustrie ein Brandbeschleuniger. Auch Opel könnte es erwischen: Im Bochumer Werk arbeiten immer noch gut 7.000 Menschen. Insgesamt dürften in Bochum und Umgebung gut 20.000 Jobs an Opel hängen.  Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer schätzt, dass Opel  der US-Mutter mit einer Verzögerung von sechs Monaten in die Pleite folgen würde und das auch eine Bürgschaft des Bundes Opel nicht retten könnte: Das Geld würde automatisch in die Insolvenzmasse eingehen.

Das verdiente Aus von GM würden wir also voll zu spüren bekommen. Aber die Pleite könnte auch eine Chance sein, wenn bei GM, Ford und Chrysler Manager mit Ideen wären, denn das US-Innsolvenzrecht gilt als recht flexibel. Zahlreiche US-Fluggesellschaften leben mit Chapter 11 ganz gut. Der Nachteil: Unter Chapter 11 kann ein Management weiter wurschteln. Und eigentlich wäre die Zeit für einen großen Schnitt längst gekommen. Und die ganz großen Verlierer wären die Bezieher des Betriebsrenten und die Zulieferer, die auf ihren Forderunge sitzen bleiben würden und nicht das unfähige Management.

FDP will Sparmentor für Dortmund

Die FDP glaubt nicht mehr daran, dass Dortmund aus eigener Kraft aus der Schuldenfalle kommt. Die Liberalen forden einen Sparmentor.

Annette Littmann Foto: FDP Dortmund

Waltrop, Hagen, Marl: Drei Pleite-Städte im Ruhrgebiet hatten bislang einen Sparkommissar, offiziell auch  Schuldenmentor genannt. Ganz freiwillig haben sich die Städte dem Mentor, den sie selbst gezahlen mussten, nie unterworfen: Immer stand die Drohung des Landes dahinter, wenn sich die Städte nicht selbst für einen "Mentor" entscheiden würden, einen Richtigen Sparkommissar zu schicken. Nach §124 der Gemeindeordnung Nordrhein Westfalens kann das Land einen Beuftragten entsenden, der über die Finanzen bestimmt, wenn der Rat und die Verwaltung ihre Haushaltsprobleme nicht selbst lösen können. Ein scharfes, rechtliches Schwert, dass das LAnd ungerne einsetzt so dass sie in der Regel den Städten ein Angebot macht, was sie nicht ablehnen können: Die Einsetzung eines freiwilligen Sparmentors.

Trotz der eher schlechten Erfahrungen der Städte mit diesen Mentoren – in der Regel sparen sie an den freiwilligen Leistungen, gehen aber nicht an die Kernverwaltung heran – will nun die FDP in Dortmund einen solchen Sparmentor einsetzen: "Die Stadt braucht dringend externe Unterstützung bei der Haushaltskonsolidierung, bevor der Etat völlig aus dem Ruder läuft“, fordert die Fraktionsvorsitzende und Finanzexpertin Dr. Annette Littmann (FDP). „Von Anfang an waren die Haushaltsprognosen viel zu günstig. Deshalb mussten die Annahmen fast im Monatstakt korrigiert werden." Die SPD hat das Ansinnen der Liberalenin einer Erklärung brüsk zurückgewiesen:  „Eine solche Maßnahme ist weder notwendig noch sinnvoll. Die Dortmunder Haushaltslage ist entschieden besser als diejenige vergleichbarer Städte. Die bisher tätig gewordenen Sparkommissare in Waltrop und Hagen haben keinen nachhaltigen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der dortigen Finanzen erbracht“, so Jutta Starke, finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Nur auch in Dortmund wird die Finanzsituation schnell eskalieren: Im kommenden Jahr werden auch dort die Gewerbesteuereinnahmen durch die Rezession massiv einbrechen. Alle Planung sind daher heute in Dortmund wie in allen anderen Städten schon Makulatur. Allerdings haben die Sozialdemkraten Recht was die bisherigen Mentoren betrifft: Viel haben sie nicht bewegt und wenn haben sie eher bürgerfeindlich abgiert.

Die Städte werden sich jedoch was ihre Finanzen betrifft mehr als den Ruf um Hilfe einfallen lassen müssen: Nur durch weitgehende Kooperationen und das Zusammenlegen und Abgbegen von Aufgaben können sie effektiv sparen. Das sind allerdings Diskussionen, die politisch geführt werden müssen – und diese Diskussionen können die Mentoren nicht leisten. Die Forderung der Liberalen nach einem Sparkommissar ist daher eher ein politischer Offenbarungseid denn ein politischer Lösungsansatz. Den hat allerdings noch niemand in den Räten formuliert, denn er geht an die politischen Strukturen der Region.