Französische Gas-Strategie heizt RWE-Braunkohle ein

Der möglicherweise entschiedene Machtkampf um den ostdeutschen Gasimporteur VNG wirft eine wichtige Frage für den Ruhrgebietsversorger RWE auf. Wie wichtig sind Braunkohlekraftwerke für die Zukunft des Energiekonzerns?

Der Hintergrund: 2013 will die EU ein neues CO2-Management einführen. Dann sollen die Verschmutzungsrechte für das klimaschädliche Gas drastisch verteuert werden. Bis zu 50 Euro soll das Recht kosten, eine Tonne CO2 in die Luft pusten zu dürfen. Damit erscheint es immer schwieriger für das RWE eine wirtschaftliche Zukunft mit den Meilern über 2013 hinaus zu finden. Die Braunkohlekraftwerke sind die größten CO2-Fariken in Europa. Gleichzeitig gerät der Konzern unter Druck, denn Wettbewerber des RWE suchen ihre Zukunft in Gaskraftwerken. RWE hat das grundsätzlich erkannt und betreibt den Bau der Gaspipeline Nabucco, um einen eigenen Zugang zu Pipelinen-Gas zu gewinnen und damit die Grundlage für eigene Gaskraftwerke zu schaffen.

Doch während dieses wichtige Projekt aus der Ferne Gas von Asien her nach Europa führen soll, stürzen sich die Franzosen vom Versorger Électricité de France (EDF) auf die nahe Beute. Sie wollen den Leipziger Gasimporteur VNG über ihre deutsche Tochter EnBW kaufen. Gelingt das Geschäft der Franzosen, können sie die Konkurrenz vom Braunkohleverstromer RWE weit hinter sich lassen. Denn neben dem Gas kann sich EdF in ihrer Entwicklung auf den Betrieb von Kernkraftwerken stützen. Beides bietet hervorragende CO2-Perspektiven.

Das Objekt der französischen  Begierde sieht dabei völlig gewöhnlich aus. Irgendwo am Leipziger Stadtrand steht das Bürohaus des Gasimporteurs Verbundnetz Gas (VNG). Die Sonne spiegelt sich in den Fenstern eines gewöhnliches Bürodesigns. Daneben wächst Gras über eine Industrie-Brache und Überland-Heizungsrohre verschwinden im Boden.

Doch hier ist nichts gewöhnlich. Um die Kontrolle über die VNG tobte über ein Jahr lang ein wilder Machtkampf. Der Chef des fünftgrößten deutschen Versorgers EWE, Werner Brinker, hat versucht, die VNG feindlich zu übernehmen. Dagegen sträubten sich ostdeutsche Kommunen, die um ihren Einfluss auf den Gaslieferanten bangten.

Erst jetzt scheint dieser Kampf weitgehend entschieden. Brinker hat aufgegeben. Nach meinen Informationen verhandelt er derzeit über den Verkauf der EWE-Anteile an der VNG mit dem Süddeutschen Energiekonzern EnBW. Es geht um immerhin 48 Prozent.

Die Leidenschaft, mit der Brinker versucht hat, die Kontrolle über die VNG zu gewinnen, lässt sich erklären. Hinter der sachlichen Fassade des Gasversorgers verbirgt sich die Zentrale des zweitgrößten ostdeutschen Konzerns, hier werden die Gasverträge aus der untergegangenen DDR verwaltet, neue Felder in Norwegen gekauft und Produktionslizenzen im Osten ergattert. Die VNG ist nach E.on Ruhrgas und Wintergas der drittgrößte Gasimporteur Deutschlands.

Und damit nicht genug. Das Leipziger Unternehmen besetzt eine Schlüsselposition im Kampf um die Zukunft der europäischen Energieversorgung. Erst vor wenigen Wochen kamen der Vorsitzende des russischen Staatskonzerns Gazprom, Alexei Miller, sein Stellvertreter und Gazprom Exportchef, Alexander Medwedew, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, und duzende Botschafter und Firmenchefs aus der ganzen Republik zusammen, um mit VNG-Chef Klaus Ewald Holst das fünfzigjährige Bestehen seines Unternehmens zu feiern. Der ungewöhnliche Auftrieb ost- und westeuropäischer Prominenz im Gasgewerbe verdeutlicht die Rolle der Firma als Brücke im Energiegeschäft. Die Russen haben Vertrauen in das Leipziger Unternehmen. Sie fördern den Austausch mit der VNG und besetzen Lehrstühle an der örtlichen Uni. Dafür kauft auch schon mal das deutsche Unternehmen Bilder von der Ehefrau Medwedews auf. Die Bande sind eng.

Und das ist wichtig. Denn nur wer in der Lage ist, langfristige Gasverträge abzuschließen, kann Gaskraftwerke bauen. Die Kontrolle über einen Importeur wie die VNG ist damit eine notwendige Voraussetzung, um großflächig in eine neue Industrie investieren zu können. Vor dem Hintergrund der EU-CO2-Bestimmungen ist die VNG zur Trumpfkarte im Wettkampf der Versorger.

Der Süddeutsche Energieversorger EnBW hat das erkannt. Er will für die 48 Prozent der EWE an der VNG eine Summe von rund 1,2 Mrd Euro bezahlen.

Für das Geld hat EWE schon eine Verwendung gefunden. Das Unternehmen würde gerne den Anteil der holländischen Essent an den Bremer Stadtwerken kaufen. Auch diese Beteiligung ist derzeit auf dem Markt. Denn nach der Übernahme der Essent durch das RWE rechnet die Branche damit, dass der Essener Konzern die Bremer Beteiligung aus Kartellrechtsgründen wieder verkaufen muss.

Für die EWE hätte dieser Schritt große Bedeutung. Die bisherige Strategie des EWE-Chefs Brinkers würde umgeschmissen. Statt weiter die internationalen Ausrichtung zu forcieren, würden sich die Oldenburger ganz auf ihre Rolle als Regionalbetrieb konzentrieren.

Aber noch wichtiger ist das Geschäft ist für EnBW. Hinter der Firma steckt zu 45 Prozent der französische Versorger Électricité de France (EDF). Das Unternehmen bezieht seinen Strom nahezu komplett aus Atomkraftwerken. Sollte die EnBW tatsächlich 48 Prozent an der VNG kaufen können, würden die Franzosen auch direkten Zugang zu Importgas aus Russland und Norwegen gewinnen. Das wäre der strategische Urknall, um in Deutschland und darüber hinaus in Osteuropa neue klimafreundliche Kraftwerke zu bauen. Ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber Konzernen wie Vattenfall oder RWE, die auf Braunkohlekraftwerke setzen.

Für EnBW ist das ein Grund im Osten freundlich zu sein. Ende Januar versprach EnBW, das Leipziger Gewandhaus mit 300 000 Euro drei Jahre lang zu unterstützen. Gleichzeitig versichern Emissonäre, die Franzosen wünschten freundliche Beziehungen zu den ostdeutschen Kommunen und garantierten deren Einfluss. Die Antwort ist bislang genauso freundlich. Aus der Politik wird die Bereitschaft signalisiert, die EnBW zu unterstützen. Dazu begleitet als Beauftragter des Bundes, Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Schauerte, die Verhandlungen positiv.

Dabei ist noch ist nicht alles entschieden. Der Aufsichtsratschef der EWE, Günther Boekhoff, will gerne einen Wettbewerb um die VNG-Anteile inszenieren – um den Preis zu treiben. Gleichzeitig gibt es Probleme mit dem Kartellamt: die Behörde sieht derzeit eine zu große Macht in dem Zusammenschluss von VNG und EnBW. Die Süddeutschen halten bereits Mehrheiten an dem sächsischen Gasversorger Enso. Gleichzeitig ist die VNG in Baden-Württemberg als Wettbwerber der EnBW aktiv. Doch eine an den Verhandlungen beteiligte Person ist sich sicher, dass alle Probleme bewältigt werden. „Wenn es um soviel geht, wird es eine Lösung geben.“

Stöckchen: Kann man einen Mac lieben?

Jens vom Pottblog hat mir ein Stöckchen mit der Frage ob man einen Mac lieben kann zugeworfen. Was für eine Frage…

Nein, natürlich liebe ich meine Macs nicht. Ein Mac ist ein Computer, nichts anderes. Gut, beim Apple ist die mittlerweile profane Technik auf Intel-Basis hinter einem etwas ansehnlicherem Chassis verpackt, aber das war es auch schon, mal abgesehen davon, dass auch noch ein wirklich gutes Betriebssystem in jedem Mac seine Arbeit zumeist klaglos versieht.
Ich hatte schon immer ein eher abgeklärtes Verhältnis zum Mac. Nur aus Gründen eines besseren Technologieverständnisses habe ich jede Biografie von Steve Jobs und Steve Wozniak gelesen – angefangen von der Ersten, die bei GfA  erschien. Mit Fankult hatte das nie etwas zu tun. Und als wir uns Anfang der 90er Jahre bei den Gladbecker Grünen angeschrieen und beleidigt haben als es um die Frage ging, ob nach den Ataris Macs oder PCs angeschafft werden – die Frage eine Koalition mit der CDU wurde hingegen recht leidenschaftslos geklärt – war das eigentlich nur reiner Zweckrationalismus. Gut, bei ein paar Leuten von damals muss ich mich wohl noch immer entschuldigen: Ich habe damals wohl leicht übertrieben, als ich mit hochroten Kopf erklärte, dass ein Votum für die Anschaffung eines PCs immer auf einen liederlichen Charakter schließen lässt. Heute wie ich es besser: es ist oft einfach nur Dummheit.

Klar, als ich bei Marabo anfing war es bestimmt etwas ungeschickt als ich voller Ekel auf die frisch angeschafften PCs in der Grafik herabblickte – in den folgenden Jahren blieb das Verhältnis zu den Grafikern immer leicht angespannt.
Ein paar Jahre später hatte ich ja auch einmal selbst einen PC- einen Gericom. Ich fühlte mich in jener Zeit so, als ob ich ein BvB-Tattoo auf der Stirn hätte – alles eine Frage der Ästhetik. Und ich meinte es bei all meinen Freunden, die ich in langen Nächten vom Kauf eines Mac überzeugte, immer nur gut mit ihnen.
Ob ich meinen Mac liebe? Nein, mein Verhältnis zu Apple ist nicht leidenschaftlich. Es ist eher religiös…

Und ich gebe das Stöckchen weiter an Frank, Dennis, Malte, Hans und Casi

IHK NRW verschwendet Geld gegen Umweltzonen

Die Industrie- und Handelskammern sind Zwangsverbände. Niemand kann sich aussuchen, ob er dazugehören will oder nicht. Per Gesetz ist jeder Unternehmer verpflichtet seine Beiträge zu bezahlen. Um so ärgerlicher ist es, wenn die Industrie- und Handelskammer NRW, namentlich der Geschäftsführer Joachim Brendel, offensichtlich Geld verschwendet, um politische Meinungsmache zu betreiben. So geschehen über einen Fragebogen, den die IHK NRW über einzelne Tochter-Kammern unter anderem im Ruhrgebiet per teurer Briefpost verteilen ließ.

Dabei geht es um die Umweltzonen in NRW. Eigentlich sollen diese Zonen der Bekämpfung des Feinstaubes in den meisten Großstädten des Landes dienen. Für das Ruhrgebiet war ursprünglich eine große Umweltzone angedacht, in der keine Stinker-Wagen mehr fahren sollten. Doch aufgrund des Widerstandes der IHKs und anderer Interessenverbände ließ die Landesregierung von diesen Planungen ab. Statt einer einheitlichen großen Regelung haben wir im ganzen Land einen Flickenteppich. Je nach Straße und Quartier darf ein altes Auto fahren oder nicht. Das ist nach langem Streit der Kompromiss.

Gut. Ich fand und finde den Widerstand gegen die Umweltzonen unsinnig. Mit einer einheitlichen Regelung hätte man etliche Privatpersonen und Firmen dazu bringen können, ihren Fahrzeugpark zu modernisieren – und die Luft in den Städten zu verbessern. Man ließ das bleiben. Nun wird mit einem Milliarden-Konjunkturprogramm versucht, dass gleiche Ergebnis zu erzielen. Der einzige Unterschied, jetzt werden Subventionen geblecht.

Aber darüber rege ich mich hier eigentlich gar nicht auf. Mich ärgert, dass die IHK nun einen Fragebogen verschickt hat an die Unternehmer im Land. Darin forschen die Funktionäre der Zwangsgemeinschaft ihre Mitglieder in vier Fragen aus, was die so gegen die Umweltzonen sagen können. 

Niemand hat eine Chance in diesem Fragebogen zu sagen, dass er die Umweltzonen sehr gut findet. Statt dessen wird abgefragt, ob Ausnahmegenehmigungen unbürokratisch verteilt werden, wie hoch die internen Kosten für die Anpassung sind und wie negativ die Informationspolitik aussah.

Vor allem der Punkt der Kosten macht mich mißtrauisch. Da kann jeder Hansel Phantasiebeträge in den Fragebogen eintragen und die IHK wird diese Antworten als Studie verkaufen. Irgendein Berater wird dafür eine satte Summe kassieren und alles zu einem vorgefertigten Zweck – nämlich nachzuweisen, dass die Umweltzonen schlecht für die Wirtschaft sind und die Unternehmen im Land über Gebühr belasten. Denn die einzige mögliche Auswertung auf die Kostenfrage lautet: Umweltzonen kosten die Firmen im Land (vor allem den Mittelstand) XY Millionen Euro. Die IHK braucht diese Aussage, weil die IHK nämlich immer noch gegen die Zonen kämpfen.

So steht es nämlich im Anschreiben zum Fragebogen. Sinn der Übung sei es: "die Argumentationslinie der IHK zu untermauern."

Kein Wort darüber, ob die Unternehmen das Geld gerne ausgeben, ob sie es sowieso ausgeben wollten oder ob es schlichte Ersatzinvestitionen sind. Einfach alles kann den Umweltzonen untergeschoben werden.

Die Fragebögen sollten zum 23. Januar zurückgeschickt werden, man kann also mit der entsprechenden Propaganda-Meldung Ende Februar rechnen.

Tolle Geldverschwendung. Ärgerlich nur, dass dieser nutzlose Propaganda-Versuch auch von meinem Geld bezahlt worden ist.

Ruhrgebiet Aktuell am Montag

 Nachrichten aus dem Ruhrgebiet und mehr

  Kreis Unna: SPD nominiert Makiolla…Ruhr Nachrichten

  Termine: Veranstaltungstipps…Pottblog

  Medien: Offener Brief eines WAZ-Freien…Medienlese

  Kongress: Recruitung auf dem CAR-Kongress…FAZ

 Krise: Kultur leidet mit…K.West

Essen: CDU nominiert Britz…Der Westen
(Siehe auch Ruhrbarone vom 7. Mai 2008: Duel Lehrer gegen Diplomingenieur)

Seemänner: Dosensuppen für Hertie-Chefs…Castroper Geschichten

Und sonst:

Facebook: Handel mit Benutzerdaten…blogbar

Judenwitze: Lustiges bei…Denkfabrikblog

DFB-Pleite: Presseurteil im Wortlaut…Jens Weinreich

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WAZ überlegt sich von dpa-Beteiligung zu trennen

Die WAZ-Gruppe aus Essen würde sich nach dem Auslaufen der dpa-Lieferverträge gerne auch von der Beteiligung an der Deutschen Presseagentur dpa trennen- sagt WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus.

Der Zeitung "Die Welt" sagte Nienhaus: "Wenn Sie jemanden wissen, der unseren Anteil will, sagen Sie mir bescheid." Die dpa wurde nach dem Krieg als Solidar-Projekt von den deutschen Verlagen gemeinsam gegründet. Als staatsunabhängige Agentur gehört dpa heute 191 verschiedenen Medienunternehmen – neben Verlagen auch Fernsehsendern und Radiostationen. Damit niemand dominierenden Einfluss auf die Agentur bekommt, dürfen einzelne Firmen maximal 1,5 Prozent an dpa besitzen.

Für ihre Grafik, Text und Bilddienste beschäftigt dpa in Deutschland 814 Journalisten. Die WAZ-Gruppe ist das erste Medienunternehmen, dass alle diese Dienste auch für Online-Produkte aufgegeben hat. Zuvor hatten die Düsseldorfer "Rheinische Post", bei der der heutige WAZ-Chef Ulrich Reitz früher als Chefredakteur beschäftigt war, die Chemnitzer "Freie Presse" und die Ludwigshafener "Rheinpfalz" lediglich den Basisdienst gekündigt.

Die "Saarbrücker Zeitung" und die "Lausitzer Rundschau" hatten in den Neunziger Jahren den Basisdienst vorrübergehend abbestellt, nutzen den Service aber heute wieder.

Linkspartei will Landschaftsverbände erhalten

Die Linkspartei will die beiden Landschaftsverbände erhalten. Ihr Gutachter beruft sich dabei auf ein Lobby-Gutachten der Kammer in Duisburg.

Mit der Linkspartei ist eine Modernisierung des Verwaltungsstrukturen in NRW nicht zu machen: Das geht aus einem Gutachten hervor, dass der Bonner Leichtjurist Michael Faber im Auftrag der Linkspartei in NRW erstellt hat. Sein Fazit: "Höhere Kommunalverbände haben sich auf der Mittelebene in NRW bewährt. Sie sind zu erhalten und auszubauen."

Die Linkspartei wendet sich damit gegen das Vorhaben der Landesregierung aus den zwei Landschaftsverbänden und fünf Bezirksregierungen drei neue Institutionen zu bilden. Dabei sieht Faber durchaus die Berechtigung des Reviers auf Selbsverwaltung – allerdings glaubt er nicht, dass das Ruhrgebiet dazu in der Lage ist, diese Aufgaben zu erfüllen. Faber bezieht sich dabei vor allem auf ein Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW) aus dem vergangenen Jahr – in Auftrag gegeben wurde es von der Duisburger Industrie- und Handelskammer, die im Gegensatz zu den Kammern in Bochum und Essen gegen eine Neustrukturierung des Landes ist. Den Ansatz, für einen Ruhrbezirk eine vernünftige finanzielle Ausstattung zu fordern, wie er im Gutachten immer wieder aufkommt, folgt Faber nicht – er setzt auf Strukturkonservatismus.

Liest man das Vorwort ahnt man warum: Unterschrieben wurde es von Jörg Detjen, Roland Busche und Pitt Müller: Allesamt  Mitglieder der Landschaftsversammlung Rheinland und alle wohl daran interessiert, ihre Pöstchen auch in Zukunft zu behalten. 

Aus Fehlern lernen- wie das so ist mit der Kulturhauptstadt

Schon im nächsten Jahr wird das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europas. Doch kaum einer kann sich vorstellen, was das heißt. Erleben wir Massenaufläufe, abgesperrte V.I.P-Zonen oder nur hier und da ein wenig Kulturdonner? Die neue Ruhrbaroness Olga Kapustina hat das schon mal mitgemacht. Bei einer Kulturhauptstadt. In Sankt Petersburg – vor fünf Jahren.

Ein Theater beginnt an der Garderobe, eine Stadt — am Bahnhof. Wer jetzt in Essen einreist, wird vom Hauptbahnhof zu einem Stadtbesuch kaum verführt. Hier wird gebaut. Genauso am Limbecker Platz. Selbst wenn shoppinglustige Touristen das große Kaufhaus dort stürmen wollen, müssen sie mit einiger zeitlichen Verzögerung wegen der Umleitungen und Straßensperrungen rechnen. Nicht nur am Bahnhof — überall in Essen wird gebaut.

Heute, ein Jahr bevor das Ruhrgebiet rund um Essen zur Kulturhauptstadt Europas wird, erinnert mich die Gegend an eine andere Kulturhauptstadt — die russische. Damals gab es in Petersburg eine grandiose Feier – und grandiose Vorbereitung dazu. Das war 2003. Die Petersburger Behörden gaben ihr Bestes, damit das 300jährige Jubiläum der Stadt zum Ereignis des Jahres wird. Es wurde sogar eine Sonderkommission für die Organisation des Festes unter Leitung des Präsidenten Wladimir Putin geschaffen.

Allein aus dem staatlichen Haushalt wurden für die Feier etwa 17 Mio. Dollar bereitgestellt. Die ganze Stadt wurde zu einer Baustelle. Die Denkmäler wurden restauriert, die Parkanlagen mit den neuen Bänken ausgestattet, die Fassaden frisch gestrichen, die Straßen repariert.

Vor allem die Straßen, durch die die hohen Gäste des Festes fuhren. Auf der Jagd nach Sauberkeit versuchten die Behörden, auch die Ratten und herrenlose Hunde auszurotten. Zwei Jahre später während der Vorbereitung zum G8-Gipfel gingen sie noch weiter und hatten die Obdachlosen aus der Stadt verjagt.

Sogar das launische Petersburger Wetter wurde besiegt. Die Regenwolken wurden während des Festes von Flugzeugen auseinander getrieben.

Zur Feier kamen Chefs aus allen möglichen wichtigen Ländern. Besonders Silvio Berlusconi und George Bush lobten das Fest. Es sei hervorragend gelungen. Die Gouverneurin Walentina Matwienko zog Ende 2003 folgende Bilanz. "Das Jubiläum fand eine große Resonanz in der ganzen Welt. 45 Staatsoberhäupter aus verschiedenen Ländern besuchten unsere Stadt. Kaum ein Staat hat uns kein Geschenk geschickt. Die Petersburger wussten solche Aufmerksamkeit zu schätzen".

Allein, die Menschen selbst schienen diese Auffassung nicht ganz zu teilen. "Fünf Jahre ist das nun her, aber ich kann immer noch nicht über dieses Fest sprechen, ohne zu schimpfen", sagt der Online-Radakteur Michail Rybaso. "Das war kein Fest für die Menschen hier, auch nicht für die Gäste der Stadt. Die ganze Show wurde nur für einen Haufen wichtiger Politiker aus verschiedenen Ländern organisiert. Die normalen Bürger galten für die Organisatoren als Störung. Es wurde uns sogar empfohlen, für die Festtage aus der Stadt rauszufahren."

Was soll ich sagen.

So war das auch.

Etliche Petersburger waren während der Feiertage auf einer Landpartie. Wer in der Stadt geblieben ist, erinnert sich an eine misslungene, aber teure Lasershow, an Gedränge auf der Hauptstraße, dem Newskij Prospekt, weil die besten Plätze am Ufer der für die hohen Gäste abgezäunt wurden, an gesperrte Straßen und miesen Empfang für das Handy.

Es heißt, die Kulturhauptstadt sei am besten mit den Worten zu beschreiben: "Hast", "Chaos", "Augenwischerei" und "Übertreibung". Ein russisches Sprichwort sagt: Der Kluge lernt aus den Fehlern der Anderen, der Dumme aus den eigenen.

Ich glaube nicht, dass hier im Ruhrgebiet die Fehler von St. Petersburg wiederholen werden. Ein Jahr vor der Kulturhauptstadt will man alles im besten Licht sehen. Das größte innerstädtische Shoppingcenter wird am Herbst 2009 fertig sein. Der Hauptbahnhof wird Gäste freundlich empfangen.

Nur die Chance, einen Platz für einen Englisch-Sprachkurs an der Uni zu bekommen, wird immer noch so hoch sein, wie die Chance auf den Gewinn einer lebenslangen Rente im Lotto.

Im Unterschied zur Essener Uni begann meine Alma-Mater in St. Petersburg wie ein Theater an der Garderobe. Da nahm eine alte Dame – hieß sie nicht Lidija Petrowna? – unsere Mantel in die Hand. Wer sie nicht grüßte, bekam eine kurze Vorlesung über Höflichkeit. "Als Petersburg noch Leningrad hieß, da sagten alle Guten Morgen." Lidija Petrowna hat uns beigebracht, dass die Kulturhauptstadt bei uns beginnt.

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