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Duisburg: Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950

Die Kommissare - Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr, 1920 bis 1959: Aktuell im Landesarchiv NRW; Foto: Peter Ansmann
Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr, 1920 bis 1959: Aktuell im Landesarchiv NRW; Foto: Peter Ansmann

Am 8. Mai 1945 endete, mit der am 7. Mai 1945 unterzeichneten bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, der Zweite Weltkrieg in Europa . Das Deutsche Reich war besiegt, die Herrschaft der Nationalsozialisten beendet.

Für einige Akteure, die während der Zeit des Tausendjährigen Reiches an Verbrechen beteiligt waren, bedeutete dieser Zeitpunkt aber nicht die Stunde Null in ihrem beruflichen Leben: Mit der Kontinuität in der Nachkriegszeit beim Personal der Kriminalpolizei zur NS-Zeit beschäftigt sich die von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf konzipierte Wanderausstellung „Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920 – 1950

Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Januar 2023 im Landesarchiv NRW in Duisburg zu sehen.

Die Kommissare

„Einmal Polizist, immer Polizist?“ – „Ich bin stolz, dass ich Polizist bin. Und dankbar. Weil man uns Polizisten immer brauchen wird, ganz egal wer gerade am Ruder ist. Ob Deutschland von einem Kaiser regiert wird oder von Kommunisten oder Nationalsozialisten. Jeder braucht Polizei.“

Dialog zwischen Eddie Chapman, aka „Franz Graumann“ – gespielt von Christopher Plummer – und Oberst Steinhäger – gespielt von Gert Fröbe – in „Spion zwischen zwei Fronten

Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950

Seit dem 25. Oktober 2022 ist die Ausstellung „Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920 – 1950“ im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Schifferstraße 30, 47059 Duisburg) zu sehen. Mit dem Mythos des unschuldigen Kriminalbeamten („…alle Kriminalbeamte haben durch ihren aufreibenden Kampf gegen das Verbrechen lediglich ihrem Volk gedient…“ – Paul Schmitz-Voigt, 1948 – Leiter der Düsseldorfer Kriminalpolizei von 1913 bis 1936) in der Zeit des Nationalsozialimus räumt die Ausstellung auf: Dass die Kriminalpolizei während der NS-Zeit – im Gegensatz zu Gestapo und Schutzpolizei – nur „echte Verbrecher“ gejagt hat, ist ein Mythos der seit der Nachkriegszeit gepflegt wurde.

Mit diesem Mythos räumt die Ausstellung auf.

Die Schwerpunkte der Ausstellung "Die Kommissare"; Foto: Peter Ansmann
Die Schwerpunkte der Ausstellung „Die Kommissare“; Foto: Peter Ansmann

Aus dem Flyer zur Ausstellung „Die Kommissare“:

Die neue Rolle der Kriminalpolizei

Während die Kripo in der Weimarer Republik auf der Basis rechtsstaatlicher Normen „auf Verbrecherfang ging“, verschob sich in der NS-Zeit der Fokus ihrer Arbeit. Nun stellten sich viele Kriminalisten willig in den rassistisch-sozial disziplinierenden Dienst des Regimes.

Im Gegensatz zur Gestapo richteten sich die Verfolgungsmaßnahmen der Kripo gegen Menschen der „arischen“ Mehrheitsgesellschaft, für die in der idealisierten „Volksgemeinschaft“ kein Platz sein sollte: Homosexuelle oder Frauen, die dem nationalsozialistischen Familienbild nicht entsprachen.

Die Kripo verfolgte Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen oder durch das Regime bewusst dorthin gedrängt wurden. Arbeitslose, psychisch Kranke, Obdachlose, Prostituierte, Süchtige: Diese Menschen galten nun als „gemeinschaftsfremd“, „arbeitsscheu“ oder „asozial“.

So war die Kriminalpolizei zwischen 1933 und 1945 massiv an den Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt. Die Kripo war es auch, die Sinti und Roma verfolgte und anschließend deportieren ließ.

Bei der Verfolgung von Menschen außerhalb der „arischen Volksgemeinschaft“ setzte die Kriminalpolizei neue und moderne Methoden, welche zur Identifizierung und Ermittlung von Tatverdächtigen entwickelt wurden, wie die systematische Erfassung und Personendaten, Fotos und Fingerabdrücken („Das neue Rüstzeug eines Kripobeamten“). Auch auf diese forensischen Fortschritte in der Weimarer Republik geht die aktuell stattfindende Ausstellung ein. Die Jagd nach dem Serienkiller Peter Kürten („Der Vampir von Düsseldorf“), der in Düsseldorf Ende der 20er Jahre eine brutale Mordserie verübte, wird im dritten Teil der Ausstellung analysiert.

Julia Nöltgen (Öffentlichkeitsarbeit beim Landesarchiv NRW); Foto: Peter Ansmann
Julia Nöltgen (Öffentlichkeitsarbeit beim Landesarchiv NRW); Foto: Peter Ansmann

Der zeitliche Rahmen, den die Ausstellung behandelt ist nicht willkürlich gewählt – wie uns Julia Nöltgen (Öffentlichkeitsarbeit beim Landesarchiv NRW) erklärt:

„Die Ausstellung behandelt den Zeitraum 1920 bis 1950. Der Schwerpunkt der Ausstellung auf der NS-Zeit. Man muss halt ein bisschen verstehen wie es anfing, bisschen gucken wie es dann auch weitergegangen ist. Und deshalb dieser größer gefasste Zeitraum.“ (Julia Nöltgen)

Der Wandel der kriminalpolizeilichen Arbeit im Dritten Reich, im Vergleich zur Zeit der Weimarer Republik, ist ein Fokus in der Wanderausstellung:

„Seit wann gibt es die Kriminalpolizei? Welche Delikte gab es nur in der NS-Zeit? Das ist eigentlich viel spannender, das zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Dass sich eben auch Gewaltenteilung verändert hat. Dass irgendwann nicht mehr nur die Gerichte angeordnet haben, dass jemand in Schutzhaft oder Haft kam. Sondern die Polizei selbst. Gesetze haben sich nicht nur verändert, sondern wurden auch irgendwann einfach nicht mehr beachtet.“ (Julia Nöltgen)

Wie Kripobeamte und Polizei sich in die Dienste des NS-Staates gestellt haben, wird an teilweise sehr persönlichen Beispielen – die Opfer stehen dabei im Mittelpunkt – dargestellt:

Die Deportation der Sinti und Roma, die Bekämpfung von „asozialen Elementen“ – in diese Gruppe wurden alle Personen zusammengefasst, die nicht ins ideologische Bild des Nationalsozialismus passten – und die Jagd auf „Volksschädlinge“ an der Heimatfront während des Krieges.

Opfer im Mittelpunkt: Erinnerung eines Duisburgers
Opfer im Mittelpunkt: Erinnerung eines Duisburgers

Spannend an der Ausstellung in Duisburg ist der Blick auf die eigene Stadt. Der regionale Schwerpunkt, der anhand der Adressen der Betroffenen sichtbar gemacht wird, ist auch hierbei klar zu erkennen:

„Die Mahn und Gedenkstätte hat nämlich die Ausstellung zu 90% oder so mit Materialien aus unserem Haus konzipiert. Weil – Polizei ist Landessache gewesen, staatlich gewesen – wir haben die Unterlagen hier als Landesarchiv. Deshalb haben wir sehr viel recherchiert. Und dann hatten wir die Möglichkeit zu sagen: OK, das passt total gut in unser Konzept hier. Wir bestücken unsere eigenen Vitrinen auch nochmal mit dem Focus auf Duisburg und zeigen Regionaleres, was hier eigentlich passiert ist. Wir haben noch ein oder zwei Vitrinen mit dem Stadtarchiv gemeinsam bestückt.“ (Julia Nöltgen)

Interessant und beklemmend: Duisburg im Fokus

Auch Tätern aus Duisburg gibt die Ausstellung ein Gesicht: Wilhelm Helten (1891 – 1968), verantwortlich für die „Überwachung, Erfassung  und Kontrolle der in Duisburg ansässigen ‚Zigeuner‘, insbesondere für deren ‚Festsetzung‘, ist einer der dieser Täter – der bis seinem Tod nicht zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Informationen zu den Taten, sind beklemmend: So von einer Familie, in der die Eltern deportiert wurden und die Kinder zuerst entkommen konnten – anschließend aber, nach deren Ergreifung, persönlich von dem verantwortlichen Kriminalpolizisten zum KZ gefahren wurden.

Exponat des Stadtarchivs Duisburg: Rückkehr der Duisburger Schutzpolizei aus dem besetzten Sudetenland 1939
Exponat des Stadtarchivs Duisburg: Rückkehr der Duisburger Schutzpolizei aus dem besetzten Sudetenland 1939

Mit der Legende von der „damals so sicheren Zeit“, die heute noch in rechtsradikalen Kreisen gepflegt wird, räumt die Ausstellung auf: Statistiken in der Ausstellung zeigen, dass auch während der NS-Zeit geraubt, betrogen und gemordet wurde – unabhängig davon, dass eine Vielzahl von Verbrechen während im Dritten Reich legal waren, wie politische Morde und Verbrechen in Konzentrationslagern und in besetzten Gebieten.

Linke Seite: "Die geschiedene Ehefrau des Verstorbenen hat von dem Ableben des Vorbeugungshäftlings Kenntnis erhalten: Lapidarer Aktenvermerk für den Polizeipräsidenten in Duisburg; Foto: Peter Ansmann
Linke Seite: „Die geschiedene Ehefrau des Verstorbenen hat von dem Ableben des Vorbeugungshäftlings Kenntnis erhalten: Lapidarer Aktenvermerk für den Polizeipräsidenten in Duisburg; Foto: Peter Ansmann

Dass es mit der Entnazifizierung nach dem Krieg nicht allzu genau genommen wurde, wird im letzten Teil der Ausstellung deutlich: Hier richtet sich der Blick verstärkt auf die Täter, die sich während der NS-Zeit in die Dienste des Regimes gestellt haben und – im Gegensatz zu Beamten der Gestapo – nach dem Krieg nahtlos weiter ihrer Arbeit nachgingen:

Die Kurzbiografien von Günter Grasen (1909 – 2000), der als Polizeikommissar bei der Geheimen Feldpolizei an Verbrechen in Belgien, der Ukraine und Südrussland beteiligt war, Dr. Oskar Wenzky. Friedrich D’heil, Friedrich Karst (Beteiligt an der Erschießung von 71 Häftlingen), machen dies deutlich. Der gemeinsame Nenner der alten Kameraden, neben der Beteiligung an NS-Gewaltverbrechen: Alle genannten wurden nach dem Krieg Leiter des Landeskriminalamtes.

Eine Ausnahme bei diesen Biografien, ist der Lebensweg von Gustav-Adolf Lehnert – der von seiner Tätigkeit bei der Polizei entbunden wurde und bei der französischen Résistance landete: Und damit im krassen Gegensatz zu einigen Lebensläufen, die in der Ausstellung zu sehen sind, steht.

Widerstand statt Arbeit bei der Kripo: Guastav-Adolf Lehnert; Foto: Peter Ansmann
Widerstand statt Arbeit bei der Kripo: Guastav-Adolf Lehnert; Foto: Peter Ansmann

Die Ausstellung „Die Kommissare – Kriminalpolizei an Rhein und Ruhr 1920-1950“ ist noch bis zum 6. Januar 2023 im Landesarchiv NRW Duisburg (Schifferstraße 30, 47059 Duisburg – Zugang von der Wasserseite aus!) zu sehen. 

Am 19.12.2022 um 18:00 findet im Rahmen der Ausstellung eine Sonderveranstaltung zum Thema „Polizei und Anti-Atomkraftproteste in der 1970er und 1980er Jahren“ statt.

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