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Ein Porträt des Zeichners Alexander Bednarz – „Luk Perceval hat mein Leben verändert.“

FOTO BITTE NUR IN RÜCKSPRACHE MIT SEBASTIAN BARTOSCHEK NUTZEN

Es war eine bedeutende Begegnung. Als Alexander Bednarz dem Schauspieler und Regisseur Luk Perceval 2015 im Landschaftspark Duisburg zufällig über den Weg lief, entstand etwas Zauberhaftes. Ein Leben drehte sich, kehrte sich selbst den Rücken zu und begann von Neuem. Eine Geschichte über einen Mann aus sehr einfachen Verhältnissen mit keinem Bezug zu Kunst oder Kultur, der sich selbst und seine Kreativität entdeckte. Ein Interview von Sebastian Bartoschek. 

1. Hey. Schön, dass du Zeit findest, um mir ein paar Fragen über dich und deine vergangenen als auch anstehenden Projekte zu beantworten. Vielen Dank. Meine erste Frage bezieht sich auf deine Vergangenheit. Du sagst, dass du aus einfachen Verhältnissen stammst. Als Bild, wie hab ich mir deine Kindheit vorzustellen? 

Enge, geistig wie räumlich. Ruhrgebiet-Plattenbau. Uninsipiratives Nicht-Sein. Alkohol & Bands. Da ist schon viel zu Bruch gegangen. Schule war einfach nur der blanke Horror. Politisch zu sein war sehr früh sehr wichtig. Die Bilder von Rostock Lichtenhagen haben mich geprägt.

2. Du hattest keinen Kontakt zu Kunst oder Kultur, bezeichnest dich als bodenständig. Beinhaltet das auch Kritik an der aktuellen „Kultur-/Theater-Elite“? 

Nein. Aber es beinhaltet Spannung. Das mag ich. Das Theater ist eine Art Meta-Ort voller faszinierender, vielschichtiger kreativer Energien. Ich bin und bleibe ein Außenstehender, ein Gast. Aber einer der nimmt – und gerne auch gibt. Alles muss generell in Frage gestellt werden. Auch man sich selber – erst dann lebt man richtig. Gerade die eigenen Vorurteile zu attackieren ist verdammt wichtig. Und lustig! Vermeintlich konservatives „Sprechtheater“ kann unglaublich toll sein. Ätsch! Davon ab: Eliten sind generell dafür da, Ihnen den Gewehrlauf an die Stirn zu setzen.

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Nana
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Es ist doch nur Wein

3. Du bezeichnest  „Den Zeichner als Voyeur“. Man dürfe beobachten, müsse aber unentdeckt bleiben. In der Psychologie gibt es den Begriff der „teilnehmenden Beobachtung“. Wieso wäre das für Zeichner deiner Meinung nach undenkbar? Ich hab bei dem Begriff ganz andere Assoziationen, als malende Menschen. Wertest du dich, wenn du dich selbst als Voyeur bezeichnest nicht selber ab? 

Nein, im Gegenteil. Ich erhöhe mich. Diese Rolle ist ja eine ganz Besondere. Sie fordert starke Konzentration & Respekt vor der Person gegenüber. Es gilt diesen einen besonderen Punkt des Erkennens zu erreichen. Wenn du den auf’s Blatt bringst, dann fliegst du. Absolute Freiheit. Unfassbar.

4. Aber am Anfang war ja die Begegnung mit Luk. Wie wurde er auf dich aufmerksam und was ist dann passiert? 

Ich arbeite als Techniker für die Ruhrtriennale. Zufällig war sein Ensemble vom Hamburger Thalia-Theater mit dem ersten Stück der Trilogie „Liebe-Geld-Hunger“ in Duisburg in der Gießhalle im Landschaftspark. Ein unwirklicher Ort. Keine Veranstaltungshalle. Eher so eine Art kaltes, nasses, totes Grab. Da hat was „klick“ gemacht und ich habe angefangen rumzukritzeln. Daraus wurde dann ein Skizzenbuch, dann große, komponierte Arbeiten inklusive umfassendster Recherche.

Ein Freund hat mich dann überredet, meine Arbeiten bei der Triennale vorzustellen. Da hatte ich das große Glück, auf einen wirklich tollen Dramaturgen zu treffen, der sofort begeistert war und den Kontakt zu Luk hergestellt hat. Tatsächlich wurde ich dann 2016 zu den Proben zum zweiten Teil nach Hamburg ans THALIA THEATER eingeladen und durfte aus nächster, intimster Nähe wirklich alles mitverfolgen. Von den frühesten Leseproben bis zur letzten Generalprobe zurück in Duisburg. Ab da ist alles explodiert.

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Ich will das wissen.
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Friede

5. Kurz, worum geht es in dem Stück „LiebeGeldHunger“. 

Um’s Überleben. Und die unausweichlichen Zwänge denen wir unterliegen und, die uns scheitern lassen. Familie. Gesellschaft. Zeit.

6. Wenn das, also die Begegnung mit Lok der Anfang von allem war, wie standest du vorher zu Kunst und zum Zeichnen? Du bist doch auch Musiker, wieso wurde dein Medium nicht die Musik? 

Kunst? Ich war das erste mal in einem Museum vor etwa anderthalb Jahren.  Früher hatte ich als Jugendlicher mal etwas in Büchern gestöbert. Das war’s. Ähnlich weit weg wie Raketenwissenschaft oder Ozeanologie. Ich glaube, dass mein Medium nie die Musik war. Ich denke, fühle und erinnere mich in Musik und Klängen. War aber nie wirklich dazu bestimmt, mich mit Musik auszudrücken.

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Bin ich schuld?
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Ich liebe ihn so sehr.
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Martine

7. Es gibt Menschen in deinem Leben, ein guter Freund bspw., die dich aktiv begleitet und dazu aufgefordert haben mit deiner Kunst auf dich aufmerksam zu machen. Welche Rolle oder Bedeutung bekommt so ein Mensch im Nachhinein für dich? Bist du dankbar? 

Damals bei der Vorstellung des Ensembles im ersten Jahr in Duisburg stand wie aus dem nichts heraus eine Frau vor mir – eine Schauspielerin des Ensembles – und sagte: „Guten Tag. Sein einfach der große Mann, der du auch sein sollst.“ Das, war, als ob eine riesige Ladung TNT in mir hochging. Und dann wieder. Und nochmal … Das verfolgt mich bis heute.

8. Wieso hat dich die Thematik des Stücks so mitgerissen? Hat das was mit deiner eigenen Geschichte zu tun? 

Diese Familie Coupeau auf der Bühne zu sehen war unglaublich intensiv. Das war wie ein Flashback in die eigene Kindheit. Der Sohn Etienne explodiert am Ende des Stückes „Was? Was? Was hätte ich tun sollen?“. Das sagte einfach alles. Ein mitreissend starkes Ensemble in diesem kalten alten Seelenfresser Gießhalle. Wie dieser Ort klang. Diese tiefe Melancholie. Wie tote Zeit. Emile Zola, der Autor der zugrundeliegenden Romane, hat am für mich entscheidenden Wendepunkt der europäischen Geschichte unsere Gesellschaft bis auf die Knochen seziert. Was ist da passiert? Welche Kräfte, welche Zwänge wirkten? Nicht 1938 fasziniert mich. 1914 ist der entscheidende Schlüssel zum jetzt.

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Bordenave
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Glaube

9. Und wie fühlt sich so ein Wandel an? Vom einfachen Mann (Besser: Malocher?) zum sich selbstverwirklichenden Künstlersubjekt? 

Wenn man einmal weiß, wer man wirklich ist, gibt’s kein Zurück mehr, ob man will oder nicht. Schmerzhaft und erlösend zugleich. Wie eine Sucht, ein Fluch. Hunger. Wunderschön. Ansonsten habe ich ca. ein Jahr jede Nacht maximal 4 Stunden geschlafen. Aufstehen-arbeiten-Nickerchen-Zeichnen. 3 Uhr ins Bett, 7 Uhr aufstehen und von vorne. Es zählt nur noch eins: Wie stark ist dein Wille? Mittlerweise hab ich mich da etwas besser organisiert (grinst).

10. Und wieso muss man sich eigentlich Künstler nennen? Was oder wie bist du denn noch außer Künstler? 

Keine Ahnung. Ich will einfach nur sein.

11. Was können wir denn in nächster Zukunft von dir sehen? Gibt es schon Pläne? 

Erstens werde ich im nächsten Jahr die bis dann ca. 150 Arbeiten zu allen drei Teilen zu einem Buch ausarbeiten lassen, inlusive Details wie geschichtliche Hintergründe u. Ä.. Zweitens habe ich gerade mit einer Autorin die Arbeit an meiner ersten Grafic Novel begonnen. Dafür suchen wir ein Theater, dass mit uns zusammen arbeiten möchte. Ein spannendes Projekt, dass ich aktuell sehr schnell entwickelt. Generell fasziniert mich der Gedanke sehr, meine Kreativität und Energie um’s Theater herum auszuleben. „Bewegtes Bild“ wird auch ein Thema werden! Ich will Geschichten erzählen.

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Alexander Bednarz

 

Ja, vielen Dank für das nette Gespräch. Das klingt richtig gut und ich freu mich auf das, was kommt. Man ist hier im Ruhrpott ja auch immer gut informiert, was in der Nähe zumindest passiert. Bis bald.


Kontakt

Alexander Bednarz,
baseline76@gmx.de,
https://www.facebook.com/AlexBednarzGraphics999/

 

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