Es gibt keine Bekenntnispflicht für Israel, es gibt eine für Demokratie und gegen Terror

Jeder Mensch ein Heiligtum: ZAKA nach 10/7 (Public Domain)

„Ich erkenne ausdrücklich die besondere deutsche Verantwortung für den Staat Israel und das Existenzrecht Israels an und verurteile jegliche antisemitischen Bestrebungen.“ Einen Satz wie diesen hat Sachsen-Anhalt, regiert von CDU, FDP und SPD, jetzt offenbar zur Bedingung gemacht für eine Einbürgerung. Der Schritt ist völlig richtig und ziemlich falsch.

Wer in Sachsen-Anhalt eingebürgert werden will, soll sich künftig zum Existenzrecht Israels bekennen müssen. Nicht nur daher gesagt, sondern schriftlich. So hat es das sachsen-anhaltinische Innenministerium, CDU-geführt, jetzt erlassen, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet hat: Das Existenzrecht Israels zähle zur Staatsräson, heißt es demnach in dem Erlass an die Landkreise und kreisfreien Städte. Wer sich um die deutsche Staatsbürgerschaft bewerbe, müsse schriftlich niederlegen, dass er „das Existenzrecht Israels anerkennen und jegliche gegen die Existenz des Staates Israel gerichteten Bestrebungen verurteilen“ werde. So richtig dies in der Sache ist, es wird diffus begründet, nämlich mit einer „besonderen deutschen Verantwortung“.

Eine „besondere deutsche Verantwortung“ werde, so der Tagesspiegel, in den „ministeriellen ‚Hinweisen‘“ als Begründung angeführt, die den Landkreisen und Kommunen in Sachsen-Anhalt angereicht worden seien. Verantwortung ist nun allerdings ein Phänomen, das objektivierbar ist nur dann, wenn es eine Instanz gibt  –  Gott, das Gewissen, ein Gericht  – , die sie einklagen könnte, man verantwortet sich immer vor etwas oder wem. Eine Instanz, die der Bundesrepublik gegenüber stünde, wenn es um Einbürgerung in sie geht, gibt es aber nicht. Es könnte allenfalls die bundesdeutsche Öffentlichkeit sein, eine Art kollektives Gewissen, aber die Öffentlichkeit wird hier nicht angerufen. Stattdessen wird Verantwortung von einem Amt eingeklagt denen gegenüber, die sich einbürgern lassen wollen in eine Republik, deren Verantwortung sich vor niemandem verantworten lässt außer vor sich selber, es ist ein Zirkelschluss.

Ist aber eigentlich einfach: Wo es um Einbürgerung geht, wird kein Mensch in eine Verantwortung eingebürgert, sondern in eine liberale Demokratie. Zu ihr gehört, dass sie sich   –  Israel ist ein Anwendungsfall, ein allerdings relevanter   –  allezeit auf die Seite demokratischer Gesellschaften stellt und nicht auf die von solchen, die von Terrorbanden angeleitet werden. Was Israel angeht, ist offenkundig, dass der Terror gegen Israelis mit Judenhass angetrieben wird, abgeschlachtet aber werden die Bürger einer Demokratie, jüdische wie muslimische, drusische wie christliche, agnostische wie orthodoxe. Ihnen gegenüber sind alle Demokraten gleichermaßen verantwortlich, daran ist nichts „besonders deutsch“. Das Ganze einmal als Szenario formuliert: Mit Netanjahus derzeitiger Regierung war Israel, was seine demokratische Konsistenz angeht, sicherlich auf keinem guten Weg, und auch wenn die israelische Gesellschaft  –  vor dem 7. Oktober  –  über Wochen bewiesen hat, dass sie diese Entwicklung demokratisch bremsen und neu aushandeln kann, ist denkbar geworden, dass sich Israel wie jede andere Demokratie  –  hierzulande liegt die AfD bekanntlich bei 20 %  –  zu einer illiberalen entwickeln könnte, zu einer Autokratie wie etwa der ungarischen derzeit. Könnte es jemals eine Verantwortung geben für eine Autokratie, weil sie „besonders“ sei? Eine Verantwortung, die überdies besonders „deutsch“ wäre? Und die zu tragen verlangt würde von Leuten, die aus womöglich vergleichbaren Autokratien gekommen sind und sich, mit dieser Erfahrung, jetzt demokratisch einbürgern lassen wollen?

Absurdes Setting, keine Autokratie dieser Welt hat ein „Recht auf Existenz“, noch weniger, wenn dieses Recht ein Haufen Einzelner spendierte, als spendeten sie Applaus. Aber das nur als Szenario, Israel ist eine stabile Demokratie und dies seit Gründung. Eine, die sich gegen Terror verteidigt. Nicht schwer, sich zu entscheiden, auf welcher Seite man selber spielen möchte, es kann abgefragt werden wie „Pferdefuhrwerk von links, wer hat Vorfahrt“. Fatal an dem, was Sachsen-Anhalt auf den Weg gebracht hat, an der falschen Begründung für eine richtige Sache, ist dies: dass sie die „besondere deutsche Verantwortung“ wie ein Pferdefuhrwerk in die Logik reinrauschen lasssen. Oder, besseres Bild, wie eine Fotobombe, verlässlich wie Hasenohren, die wer wem macht, kaum dass die Kamera klickt. Ein Effekt, der sich selbst an Robert Habecks wirklich guter Video-Rede „zu Israel und Antisemitismus“ zeigen lässt, die er Anfang November ins Netz gestellt hat:

Seinen Satz, „Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson“ erklärt er dort damit, „dass die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig ist“. Ein vollkommen wahrer Satz, die Sicherheit jeder Demokratie, die sich gegen Terror verteidigen muss, ist notwendig „für uns“, weil auch wir uns gegen Terror verteidigen müssen, es gibt ein unmittelbares Eigeninteresse. Ganz anders Habecks Begründung: „Dieses besondere Verhältnis zu Israel“, so der Vize-Kanzler im direkten Abschluss, rühre aus keinem eigenen und keinem politischen Interessse, sondern „aus unserer historischen Verantwortung. Es war die Generation meiner Großeltern, die jüdisches Leben in Deutschland und Europa vernichten wollte. Die Gründung Israels war danach das Schutzversprechen an die Jüdinnen und Juden …“

Nein, Habeck wirft hier „meine Großeltern“  mit „deutscher Staatsräson“ zusammen und die Gründung Israels mit dem Holocaust, beide Male hat beides nur bedingt miteinander zu tun. Die Notwendigkeit, jüdisches Leben zu schützen, indem es sich selber schützt, war lange vor den Nazis gegeben, evident geworden war dies nicht nur in Deutschland und Europa, sondern mindestens auch in der arabischen Welt. Dies alles jetzt ins selbe Formular zu pressen, wie es die sachsen-anhaltinische Initiative versucht, und eine Solidarität abzuverlangen, die sich auf Großeltern beruft, ergibt gute Absicht und keinen Sinn. Besser die Frage, wer nach demokratischen Verkehrsregeln Vorfahrt hat, ob Österreich vor Gaza, Russland vor Australien, Sachsen-Anhalt vor der Türkei, Israel vor dem Iran usw., es ist wirklich nicht schwer.

 

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