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Friedensforscher Johan Galtung ist in der neuen Mitte Tübingens gut angekommen

Johann Galtung Foto: David Lisbona/cc/Wikipedia

Die Friedensstadt Tübingen sucht nach Verbündeten. Und lässt den Friedensforscher Johan Galtung hetzen. Man sollte das Angebot Tübingens großzügig ablehnen. Von unserem Gastautor Anton Brenner

Tübingen am 16. Juli 2011. Johan Galtung spricht auf dem Tübinger Marktplatz. Das Schwäbische Tagblatt berichtet am 18. Juli 2011 über Galtungs Rede, die mit großem Beifall bedacht wurde:

Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßte die „Friedensstadt“. Tübingen zeichne sich auch dadurch aus, „dass die Menschen hier für andere Menschen einstehen“, so Palmer. Sein Folgeredner, der norwegische Friedensforscher Johan Galtung, kritisierte die westliche Außenpolitik, besonders die der Vereinigten Staaten: „Die USA haben seit 1805 weltweit 17 bis 20 Millionen Menschen getötet, das sind viel mehr als Hitler, wenn auch in einem größeren Zeitraum“, sagte der 80-jährige Träger des Alternativen Nobelpreises. Deutschland sei „Teil des US-Imperialismus“, fügte er an. „Der Herr Deutschlands sitzt seit 1945 in Washington und der heilige Geist ist die Nato.“ Auch Galtung betonte die wachsende Bedeutung von Städten bei Friedensinitiativen weltweit und appellierte an Palmer: „Verbünden Sie sich mit anderen Städten!“

Das führte zu unterschiedlichen Reaktionen. Nach der Zeitungslektüre schrieb ich an das Schwäbische Tagblatt, an Boris Palmer und an die Linke:

Nach Johan Galtung war die deutsche 68-er Bewegung „eine Unabhängigkeitsbewegung“ des teutonischen Denkstils gegen den angelsächsischen (Leviathan 3,83). Das greift die Neue Rechte freudig auf. Horst Mahler (NPD, früher SDS) schrieb 1998: „In der 68er Bewegung sind zwei nationalrevolutionäre Flügel entstanden, die Neue Linke und die Neue Rechte. Erstere legte ihre Hauptstoßrichtung gegen den Amerikanismus fest, letztere gegen den Sowjetismus. Die Neue Rechte hat ihr Nahziel erreicht und wendet sich zunehmend gegen den Amerikanismus und Kapitalismus, so dass eine Wiedervereinigung dieser beiden nationalrevolutionären Flügel stattgefunden hat.“ Das nennt man auch rechts-linke Querfront. Galtung scheint einer ihrer Propheten zu sein. Im der neurechten „Jungen Freiheit“ definierte er die USA als „Geofaschismus“ (9.12.2005). Auf dem Tübinger Marktplatz steigerte er seinen Nazi-Relativismus: Die USA hätten 17 bis 20 Millionen Menschen umgebracht „das sind viel mehr als Hitler“. Mit Leuten, die so einen Typen einladen, möchte ich nichts zu tun haben.

Boris Palmer reagierte sofort per Email: Er sei sehr irritiert gewesen und habe die Veranstaltung umgehend verlassen. Der Landesgeschäftsführer der Linken drängte die Mitveranstalter Heike Hänsel und Henning Zierock zu einer Distanzierung, die dann auch im Schwäbischen Tagblatt stand:

Diese Aussage habe ich auf der Bühne nicht wahrgenommen, da ich mit dem organisatorischen Ablauf der Veranstaltung beschäftigt war. Hätte ich so eine Aussage von einem Redner vernommen, hätte ich sie umgehend am Mikrofon als völlig inakzeptabel zurückgewiesen und entsprechend kommentiert. Sie ist auch historisch falsch.

Erst im SCHWÄBISCHEN TAG- BLATT habe ich davon erfahren.(. . .)

Um es ganz klar zu sagen: Als Vorsitzender der Gesellschaft Kultur des Friedens (GKF) und Verantwortlicher für alle Veranstaltungen in diesem Namen würde ich niemals eine Relativierung der NS-Verbrechen unter Hitler dulden und solche Vergleiche akzeptieren.

Falls diese Äußerungen so gefallen sind, weise ich sie hiermit zurück.

 Von den anderen Veranstaltern der Auftritte Johan Galtungs in Tübingen liegen bisher keine  Reaktionen vor. Weder vom „Verein für Friedenspädagogik“, der eher den Grünen nahesteht. Ebensowenig von Hans Küng und seiner Stiftung Weltethos. Das Politische Seminar der Universität Tübingen schweigt über seinen Gast Johan Galtung wie das Landestheater, das mit Küng und Galtung eine Veranstaltung durchführte. Galtung hat sich überall ähnlich geäußert.

Reaktionen gab es in Leserbriefen im Schwäbischen Tagblatt:

Dem ehrenwerten Friedensforscher Johan Galtung sind bei seinem Vergleich der USA mit Hitler die Mengenverhältnisse durcheinandergeraten (…). Er sei darauf hingewiesen, dass Hitler für sämtliche Opfer des Zweiten Weltkrieges verantwortlich ist aufgrund seiner Aggressionskriege, des Genozids an den Juden sowie anderer Vernichtungsmaßnahmen an dem eigenen Volk sowie anderer, insbesondere osteuröpäischer Völker. Nach fundierten und weitgehend übereinstimmenden Schätzungen sind dabei 50 bis 55 Millionen Menschen umgekommen, darunter allein etwa 20 bis 25 Millionen Russen. Hitler ist damit einer der größten, wenn nicht der größte Massenverbrecher der Menschheitsgeschichte.

(Friedrich Schäuble)

 Dass Johann Galtung seine extremen Ansichten hundert Fans auf dem Tübinger Marktplatz verkünden kann, mag Ausdruck der Meinungsfreiheit sein. Aber dass das SCHWÄBISCHE TAGBLATT dieser so genannten Friedensforschung, die sich an den USA abarbeitet und sie mit Hitler vergleicht (. . .), ein Forum bietet und nicht Stellung bezieht, ist schlimm.

(Hans-Peter Besteck)

Das Ankündigungsheft mit dem Spielplan 11/12, lässt sich die LTT-Intendantin im Vorwort vernehmen, „kommt als Revolutionsschrift daher“, sich dabei auf den „Schwung der historischen Umwälzung der Machtverhältnisse in Baden-Württemberg am 27. März 2011“ berufend, anstatt wie andernorts angewöhnt auf den 9. November 1989, der auch schon keine Revolution war, weder eine friedliche noch sonst eine. (…)

Tübingen als Revolutions- und Friedensstadt, das ist bloß eine antiquarische Münze, geprägt, als vor zwei Jahrhunderten ein paar geniale Stiftler spannen, ungeeignet zum rezenten Gebrauch.

(Reinhard Schulte)

Während die Mitte der Gesellschaft mit ihrer klammheimlichen Zustimmung zu Galtungs Thesen auf Tauchstation ging, bekam ich vom Flügel des „Antiimperialismus der dummen Kerle“ oder des regressiven Antikapitalismus wenig Schmeichelhaftes zu hören. Ein Vertreter der Firma des früheren Europaabgeordneten und heutigen Vorstandsmitglieds der Linken Tobias Pflüger sprach auf dem Tübinger Holzmarkt zu seiner Gemeinde:

Rede von Daniel Weitbrecht (Beirat der Informationsstelle Militarisierung) auf der Friedensstadt Tübingen am Samstag den 23.7.2011: Liebe Freundinnen und Freunde,ich möchte Euch eine Solidaritätserklärung der IMI – der Informationsstelle Militarisierung – ausrichten. Eine Solidaritätserklärung an die Friedensstadt Tübingen und die Gesellschaft Kultur des Friedens gegen die unsachliche Polemik eines Tübinger Stadtrates im gestrigen Schwäbischen Tagblatt [1], der ein inhaltlich zu kritisierendes [1b][1c] Zitat des hoch verehrten Friedensforschers Johan Galtung [2] aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch um eine Größenordung verschärft hat. Herr Brenner hat bar jeden Sachverstandes die Veranstalter der Friedensstadt in die braune Ecke schieben wollen. Damit hat er sich selbst disqualifiziert und sich nicht nur gegen die Gesellschaft Kultur des Friedens sondern meines Erachtens auch gegen die gesamte Tübinger Friedensbewegung gestellt.

Auf der Internet-Plattform „lafontaines linke“  äußerten sich zwei fleißige Schreiber:

Linksman sagt: 30. Juli 2011 um 18:50 Hallo Anton Brenner, möchte mal wissen, was an Galtungs Sätzen so verkehrt sein soll. Was den letzten Satz angeht: Sie sind offenbar für die Richtung
Finanzökonomie?

Sebald sagt: 31. Juli 2011 um 00:14 Wenn ich die Beiträge zur Tübinger Friedenswoche richtig verstanden habe, dann handelte es sich um überparteiliche Veranstaltung linker Gruppen, bei der sogar der nicht gerade als Linksextremist bekannte grüne Oberbürgermeister Boris Palmer gesprochen hat. Und gegen solch eine Veranstaltung polemisiert nun ein Stadtrat der Linken? Ist das
Realsatire oder ist das wirklich Ernst gemeint?

Ich hatte auf dieser Seite die Reaktionen auf den Tübinger Auftritt Johan Galtungs mitgeteilt. Zum Beispiel von Seiten der Hardcore-Rechten (nonkonformist):

Während die bundesdeutschen Medien voll und ganz auf die Attentate in Norwegen fixiert sind und versuchen den Täter, Anders Behring Breivik, trotz seiner Nähe zu den Freimaurern und seiner Bewunderung Churchills in die rechte Ecke zu drängen, kam es auf der Friedenswoche in Tübingen zu einigen nicht ganz koscheren Äußerungen, die hierzulande eigentlich schon den Status von Meinungsverbrechen haben. … Neu sind diese Erkenntnisse freilich nicht und selbst ein Blinder mit Krückstock dürfte leicht erkennen, wem die Politik der BRD dient. Nichtsdestotrotz ist es immer wieder eine schöne Abwechslung, wenn sich mal jemand traut diese Erkenntnisse auch öffentlich kundzutun.

Und ein Kommentar auf derselben Seite:

Das Schwäbische Tageblatt ist eine widerliche Schmierenkomödie in einem roten Sumpf Links-Aktivisten aus der Universitätsstadt der verbohrten Geisteswissenschaften, die meinen mit Angriff auf den Wigbert Grabert Verlag einen Frieden erzeugen zu können? … Schade um die vernünftigen Worte Johan Galtung, doch in Tübingen mit dem Günter Grass anhängenden Tageblatt ist so nichts zu erreichen. Es ist aber denkbar, daß Galtung einen Eindruck mitbekommen hat, wie der US-Imperialismus mit seinem BRD-Vasallen die Restdeutschen im Würgegriff hat und zwischen die Schraubstockbacken nimmt. http://www.nonkonformist.net/ 5670/johan-galtung- deutschland-ist-teil-des-us- imperialismus/

Derselbe „Nonkonformist“ fand auch lobende Worte für den Osloer Attentäter Breivik:

Wer sich nun in diesem Fall echauffiert, der sollte sich wirklich mal überlegen, wo er eigentlich steht. Wer auf der einen Seite immer die gewalttätige Auseinandersetzung propagiert, der sollte sich jetzt nicht künstlich aufregen, wenn mal einer den vielen harten Worten auch mal Taten folgen läßt. Daß die Tat schrecklich und menschenverachtend war steht außer Frage, nur heiligt der Zweck manchmal auch die Mittel und wer das Eine will, der muß das Andere auch irgendwie mögen. Wer etwa die terroristischen Partisanenangriffe während des 2. Weltkriegs, den Krieg gegen den Irak und Afghanistan, einen zukünftigen Krieg gegen den Iran oder Ermordungen von politischen Gegnern gutheißt, der sollte sich nicht allzu sehr aufregen, wenn auch mal die andere Seite mit gleichen Mitteln zurückschlägt. http://www.nonkonformist.net/ 5667/anders-behring-breivik- eine-betrachtung/

Die Naivität der Linken in Sachen Johan Galtung verwundert schon. Vor acht Jahren hat die linke Friedensbewegung sich noch gewehrt, dass Esoteriker, Alt- und Neurechte wie Franz Alt, Johan Galtung, Helmut Creutz und Alfred Mechtersheimer auf Veranstaltungen reden. http://de.indymedia.org/2003/02/42877.shtml

Wer es wissen wollte, konnte wissen, was Johan Galtung für seltsame Theorien vertritt. Aber möglicherweise sind die Veranstalter, der Verein für Friedenspädagogik in Tübingen, die Intendantin des Landestheaters Tübingen, das Politische Seminar der Universität Tübingen, Hans Küng und seine Stiftung Weltethos, Heike Hänsels und Henning Zierocks „Gesellschaft Kultur des Friedens“ auf einer Wellenlänge mit Johan Galtung. Hier einige Aussagen Galtungs in den letzten 10 Jahren:

Johan Galtung vereinigt links und rechts:

“Eine Sache von rechts nehmen, eine andere von links und sie zu mischen ist für mich ganz natürlich.” Johan Galtung am 9. Oktober 2002

Johan Galtung über den Terrorismus als Chance:

Galtung glaubt nicht, dass Europa derzeit von ähnlichen Terroranschlägen wie die USA gefährdet ist. Er hält sie für ein Zeichen von “Antiglobalisierung”. “Die Globalisierung ist in den USA zu Hause. Die drei Ziele World Trade Center, Pentagon und State Department stehen für das ökonomische Amerika, das militärische Amerika und das außenpolitische Amerika”, so Galtung. Nach Ansicht Galtungs liegt in den Terroraktionen auch eine Riesenchance für eine gerechtere und friedlichere Welt.

Johan Galtung über das raffende und das schaffende Kapital:

“Wir haben eine Ökonomie, die sich hoffnungslos in Richtung Finanzökonomie entwickelt hat und nicht in Richtung Produktionsökonomie.

Beide Zitate 2002 aus: http://sciencev1.orf.at/news/23362.html

2005 ließ Galtung sich von der Neurechten Jungen Freiheit interviewen, die USA sei faschistisch:

http://www.jf-archiv.de/archiv05/200550120909.htm

2007 vom Muslim-Markt, der Seite eines Anhängers der iranischen Ultras:

http://www.muslim-markt.de/interview/2007/galtung.htm

Klar, dass Galtung Osama Bin Laden und US-Präsident Obama auf eine Stufe stellt, mit deutlicher Präferenz für Osama bin Laden. Milosovic, Khatami und Saddam Hussein sind für ihn auch dialogfähiger als die USA:

http://derstandard.at/1304551901331/US-Kommandoaktion-Obama-und-Osama-Brueder-im-Geiste-der-Gewalt

Zitate: „Schön wäre es, wenn das US-Imperium offen für Dialoge und Konfliktlösungen wäre. Aber Obama ist so weit davon entfernt wie Osama von der Gewaltlosigkeit. Milosevic, Khatami, Saddam Hussein, alle wollten den Dialog.“ Und: “Beide, Obama und Osama, sind extrem gewalttätig, sie töten massiv Zivilisten. Beide sind rhetorisch begnadet und intelligent. Aber einer ist auf der Seite der Geschichte, kämpft allerdings unrechtmäßig für die unrechtmäßig Unterdrückten und der andere kämpft für die unrechtmäßigen Unterdrücker, für ein sterbendes Imperium, gegen die Geschichte.” (Johan Galtung, STANDARD-Printausgabe, 14./15.5.2011)

Linke Vorgeschichte und Tübinger Besonderheiten

Der Auftritt Johan Galtungs in Tübingen hat eine Vorgeschichte und steht in einem Zusammenhang. Auf der Seite der Linken wie in der Tradition Tübingens, wo ihn Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßte. Hierzu nur wenige Bemerkungen:

Die Auseinandersetzung zweier Linien auf der Linken ist so alt wie die Linke selbst: Die international-universalen Linkshegelianer Marx und Engels gegen den antisemitisch-romantischen Linkshegelianer Bruno Bauer. Die nationalistischen Versuchungen der SPD von Eugen Düring über die Bewilligung der Kriegskredite bis zu Schumachers Vorwurf an Adenauer (Kanzler der Aliierten) und Münteferings „Heuschrecken“. Der Wechselkurs der Kommunisten zwischen Internationalismus und Nationalbolschwismus, zwischen wahllosem Antiimperialismus und Anti-Hitler-Koalition.  Der österreichische Marxist Ernst Fischer beschreibt in seinen Erinnerungen die Auseinandersetzungen in Moskau nach dem Hitler-Stalin-Pakt. Ulbricht und Pieck hätten die Entscheidung strategisch gesehen, jetzt werde links des Rheins der Sozialismus verteidigt gegen die westliche Plutokratie, der Nationalsozialismus als entarteter Bündnispartner. Dimitroff und Togliatti jedoch sahen es als taktische Entscheidung, um Zeit zu gewinnen, rechts des Rheins werde immer noch die Zivilisation gegen die Barbarei verteidigt. Bebel nannte den Antisemitismus den „Sozialismus der dummen Kerle“. Heute haben wir es eher mit einem „Antiimperialismus der Dummköpfe“ zu tun. Und die wissen nicht, wie nahe sie dem deutschen Mainstream, der neuen Mitte Deutschlands stehen.

Die Stadt Tübingen hat 1933 als erste Stadt ein Schild am Freibad aufgehängt: Kein Zutritt für Hunde und Juden. Der verantwortliche Bürgermeister hieß Scheef. Zuerst wurden mit den Stimmen aller Gemeinderäte die beiden Kommunisten und der Jude Simon Hayum aus dem Gemeinderat entfernt, zwei Monate später die drei Sozialdemokraten. 2010 gelang es, eine Straße nach Simon Hayum zu benennen. Die Stadtverwaltung unter dem Oberbürgermeister Boris Palmer scheute sich nicht, das auch damit zu begründen, in der Nachbarschaft gebe es ja auch eine Scheef-Straße.

 

1976 haben die Tübinger Kommunisten Richard Scheringer eigeladen. Er hielt in der alten Mensa „Prinz Karl“ eine Rede und der langjährige Nachkriegsbürgermeister Hans Gmelin kam ins Haus eines kommunistischen Stadtrats, um mit Scheringer Kaffee zu trinken. Scheringer war wie Hanns Ludin Angeklagter beim Ulmer-Reichswehrprozess, wo Adolf Hitler seinen Legalitätseid schwor. Doch Scheringer wurde in der Festungshaft Kommunist, während Hanns Ludin seine Nazi-Karriere fortsetzte, Statthalter in der Slowakei wurde und dafür auch in Bratislava hingerichtet wurde. Hans Gmelin war die rechte Hand von Hanns Ludin in Bratislava, als dort 57 000 Juden ins KZ und ins Gas geschickt wurden. Und Hans Gmelin ist auch heute noch Ehrendbürger der Stadt Tübingen. Seine in Bratislava geborene Tochter wurde dafür bekannt, dass sie den US-Präsidenten mit Hitler verglich.

Unter den Augen der Tübinger Friedensbewegung durfte die Grünen Moschee bei einer internationalen Woche 1992 ein Buch mit Hitler-Lobpreisungen kostenlos verteilen. Ich schrieb damals im Tübinger Schwäbischen Tagblatt:

„Der Nazi-Opfer zu gedenken, scheint nicht zu den ‚postmodernen‘ Gepflogenheiten zu gehören. Im Gegenteil. Zug um Zug wird die Nazi-Ideologie wieder hoffähig gemacht. Das Landratsamt Tübingen empfiehlt den Schülern im Kreis Tübingen wärmstens den SS-Mann Alois Gabrysch im Rahmen des Wettbwerbs ‚Schüler fragen Ältere‘. Ist der Titel ‚Schlächter von Maribor‘ wieder ein Ehrentitel? … Bei der ‚Internationalen Woche‘ wurde in Tübingen kostenlos ein Buch gegen die ‚jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung“ verteilt. Ein wahrhaft multikultureller Beitrag: Die Weltherrschaft übt danach die „universale Loge“ mit „zwölf Juden an der Spitze“ aus. Natürlich arbeitet diese Loge nach dem Geheimcode des „Buches Zohar des Rabbi Akiva Ben Joseph“. Positiv wird in dem Buch bemerkt, dass „im Deutschland Hitlers die freimaurerischen Logen besetzt und ihr Inhalt zerstört wurde, nachdem die Verbindung mit dem Weltjudentum bekannt geworden war:“ Hitlers ‚Mein Kampf‘ wird positiv zitiert. Unglaublich, was heutzutage auf Veranstaltungen der Tübinger „Linken“ verteilt wird.“

(Gabrysch, in Tübingen mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt, zeigte mich damals an, 500 000 DM sollte ich damals bei Nicht-Unterlassung zahlen, es kam jedoch zu einer Mordanklage gegen Gabrysch und er musste sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben.)

2004 lud die SPD-Oberbürgermeisterin von Tübingen wiederwillig die überlebenden Tübinger Juden ein. Beim Empfang im Rathaus und bei der Rede des Professors Kuschel (Hans-Küng-Nachfolger – Stiftung Weltethos) kam es zu einem Eklat, der unterschiedlich wahrgenommen wurde. Der damalige Besitzer und Chefredakteur des Schwäbischen Tagblatts Christoph Müller beschrieb es so:

 

Während Kuschels Rede verließ Noemi Hamm den Saal mit den Worten: „Wie kann der Mann so sprechen, wenn er nie in Israel war!“ Kuschel hat in Israel studiert und besuchte das Land inzwischen siebenmal. Auf Befragen sagte er gestern zum TAGBLATT: „Das Thema meines Vortrags war mir von der Oberbürgermeisterin vorgegeben worden.“ …

Die ganze Aufregung nicht verstehen kann das Ehepaar Inge und Walter Jens, von der ersten Reihe

aus die Veranstaltung verfolgend. Inge Jens: „Wir waren ganz stolz auf unsere Stadt. Zwei erstklassige Reden – kein Blabla, nichts Anbiederndes, nur Analysierendes, ohne zu prahlen: Seht mal, wie gut wir hier in Tübingen sind! Kuschel verwies darauf, dass es möglich ist, eng aufeinander friedlich miteinander auszukommen, wenn man nur die Techniken des interkulturellen Zusammenlebens einübt!“

TÜL-Stadtrat Anton Brenner empfand den von Misstönen begleiteten Empfang so: „Zuerst nervte die Oberbürgermeisterin die angereisten jüdischen Mitbürger, die knapp der Vernichtung entkommen sind, mit deutscher Opferbefindlichkeit. Ein ellenlanges Zitat berichtete von Erlebnissen deutscher Jugendlicher in Bombennächten. Professor Kuschel mit seinem Weltethos-Bauchladen setzte dann noch eins drauf und las den Juden die Leviten mit einem Geschwafel über den Palästina-Konflikt. Eine angereiste Überlebende hielt es nicht mehr aus und ging vor die Tür.“ …

Wieder anders die Reaktion vom Grünen-Landtagsabgeordneten Boris Palmer, der sich an den spontanen Antwortreden von Joseph Rothschild und Arnold Marque, den Vertretern der jüdischen Gäste, störte und ihnen deshalb einen Brief schrieb: „Der Empfang auf dem Rathaus hat mich nicht nur bewegt, sondern auch erschüttert. Ihre Reden zum Palästina-Konflikt haben mir gezeigt, dass die Lehren aus der Vergangenheit weiter diskutiert werden müssen. Sie verwahrten sich dagegen, die Juden auf die Anklagebank zu setzen, wenn sie sich wehren. Sie leiteten aus der Geschichte den Auftrag an die Juden ab, nie mehr wehrlos zu sein. Sie, Herr Marque, verlangten, ‚der Jude‘ müsse zeigen, ‚wozu er fähig ist‘, Israel müsse seinen ‚Platz an der Sonne sichern‘ und rekurrierten damit in Sprache und Begriff auf das Kaiserreich und die unselige Nazizeit.“

Inzwischen ist Boris Palmer Oberbürgermeister von Tübingen. Er getraut sich nicht, einem Vorgänger, der beteiligt war, 57 000 slowakische Juden in das KZ und die Gaskammer zu schicken, die Ehrenbürgerwürde zu entziehen. Er will die Fehler seines rebellischen Vaters nicht machen. Er will lieber zum Mainstream gehören. Vielleicht kennt er die Machtverhältnisse in Tübingen auch zu genau. Seine Vorgängerin wurde 2004 an den Tübinger Stammtischen gefeiert, sie habe es den Juden aber gezeigt. An denselben Tischen war 2006 über die Kandidatur Palmers zum Oberbürgermeister zu hören: „Dieses Judenbüble kommt mir nicht ins Rathaus.“

 

Unser Gastautor Anton Brenner sitzt für die Linke im Tübinger Stadtrat, im Kreisrat und in der Regionalversammlung Neckar-Alb

 

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[…] den Friedensforscher Johan Galtung hetzen. Man sollte das Angebot Tübingens großzügig ablehnen. Mehr bei den Ruhrbaronen… Dieser Eintrag wurde veröffentlicht unter Antisemitismus Antizionismus, Öko Bio, Deutschland […]

Dr. Cornelius Kimperle
Dr. Cornelius Kimperle
12 Jahre zuvor

Herr Anton Brenner: Sie haben scheinbar nichts zu tun in ihrem Tübinger Stadtrat. Statt zuzusehen wie Sie mit überzeugenden lokalrelevanten Themen an die dringend gebrauchten Stimmen kommen, legen sich mit einem der intelligentesten Menschen unserer Ära an… wenn Sie sich nicht gerade verzetteln.

Stefan Laurin
Admin
12 Jahre zuvor

@Dr. Cornelius: Ganz so helle scheint Galtung ja nun nicht zu sein. Ich denke, er sollte dankar sein, dass sich Herr Brenner mit ihm beschäftigt. Wir hatten schon einen Artikel über Galtung. Und da wurde deutlich, wieviel Stuss der Mann von sich gibt. Was man an den Kommentaren ablesen kann:
https://www.ruhrbarone.de/johan-galtung-integrationsdebatte-vom-kopf-auf-die-fuse-gestellt/

Stumpe
Stumpe
12 Jahre zuvor

„intelligentesten Menschen unserer Ära“: …wenn Sie – Herr Kimperle – sich da nicht gerade verzettelt haben.

trackback

[…] Prophet des Friedens auch schon „strukturelle Gewalt“, über die der namhafte Friedensforscher John Galtung gearbeitet hatte, für eine Form des Krieges. Man mag darüber streiten; aber ein Luftangriff auf […]

Spinozafreund
Spinozafreund
10 Jahre zuvor

“Wir haben eine Ökonomie, die sich hoffnungslos in Richtung Finanzökonomie entwickelt hat und nicht in Richtung Produktionsökonomie.“

So so – das ist also auch eine „böse“ Äußerung?

Na da weiß man ja, woher hier der Wind weht…

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