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Fußball in der DDR (Teil 4)

Flutlichtmast. Quelle: Wikipedia Lizenz: gemeinfrei
Flutlichtmast. Quelle: Wikipedia Lizenz: gemeinfrei

Unser Gastautor Thomas Weigle rundet mit seinem hier und heute vorliegenden vierten Teil seine kleine Serie zum DDR-Fußball für die Ruhrbarone ab:
DAS HAMBURGER TOR

„ Heute frage ich mich oft; Warum musstest gerade du dieses Tor schießen? Denn was mich international berühmt gemacht hat, hat mir daheim eigentlich nur geschadet. Nicht nur die Gerüchte, dass ich für dieses Tor Auto und Haus geschenkt bekommen habe. Das stimmt nicht…. Damals standen die Leute selbst vor dem Fernseher eher vor dem Deutschlandlied achtungsvoll auf als vor der DDR-Hymne. Wer wusste das nicht?
Die Sympathien in der DDR waren eindeutig gegen uns. Und dagegen stand diese wahnwitzige Medienkampagne in der DDR, die unseren Fußballsieg zu einem politischen Erfolg hochstilisierte. Weil mein Tor bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit immer wieder gezeigt wurde, haben mich die Menschen plötzlich mit dieser Kampagne identifiziert, für die ich nun wirklich nichts konnte. Das war eine schlimme Erfahrung. Obwohl ich doch wirklich eine gute WM gespielt hatte, bekam ich weniger Autogrammpost aus der DDR…Schlimm für mich, weil ich doch nie hinter dieser Kampagne gestanden habe.“
Fuwo Unser Fußball im Osten, Erinnerungen an 42 Jahre DDR-Fußball, S.7

 
Der verständige bundesdeutsche Fan, ich gehe davon aus, dass unter den Ruhrbaronen nur solche zu finden sind, dagegen wird Jürgen Sparwasser immer in Ehren halten, denn ohne dessen Tor wären „der Kaiser“ und Co nie ins Endspiel gekommen, denn im Falle eines Remis oder Sieges hätten die Gegner in der zweiten Finalrunde NL, Brasilien und Argentinien geheißen, nicht Jugoslawien (2:0), Schweden ( 4:2) und Polen(1:0). Wahrscheinlich wäre dann „der Kaiser“ möglicherweise gar nicht „der Kaiser“. Letzteres hätte natürlich auch seine Vorteile…..

 

 

DREI ENDSPIELE

Im Gegensatz zum Meistercup waren die DDR-Clubs im Pokalsiegercup um einiges erfolgreicher. An erster Stelle steht natürlich der sensationelle Erfolg der Magdeburger im EC2. Traurig nur, dass diesen Erfolg nur wenige 1000 Zuschauer in Rotterdam erlebten. Ähnlich blamabel war die Zuschauerzahl sieben Jahre später als CZ Jena in Düsseldorf mit 1:2 Dynamo Tiflis unterlag. Als einer von 9000 stellte ich überrascht fest, dass die Mehrzahl der Zuschauer eher Tiflis unterstützte. Einige hundert DDR-Fans waren ebenfalls im Stadion, allerdings waren sie auf ihrem Tribünenteil säuberlich geschieden von den bundesdeutschen Fans.
Das erste Ausrufezeichen setzte in der Saison 61/62 der SC Motor Jena, der über Swansea Town, CS Düdelingen und Leixoes Porto bis ins Viertelfinale vordrang, wo dann Atletico Madrid mit 0:1 und 0:4 Endstation war. Bis auf das Spiel in Malmö gegen Atletico fanden wegen des Nato-Boykotts alle Spiele in der DDR statt.
Der 17.11.65 war für 8000 Magdeburger und die Elf des SC Aufbau Magdeburg ein grandioser Tag. 8:1 gegen die Schweizer Mannschaft FC Sion, eine Runde später scheiterte man am TV West Ham United, der wiederum einige Wochen später am neuen Titelträger BVB nicht vorbei kam, der im Upton Park 2:1 und zu Hause 3:1 gewann. „The Terrible Twins“ (Emmerich und Held) vom Borsigplatz avancierten vorerst in Glasgow gegen Liverpool (2:1 n.V.) zum Dortmunder Inselschreck. Im Londoner WM-Endspiel konnten sie diesern Ehrentitel leider nicht bestätigen.
Erst 69/70 war aus DDR-Sicht wieder ein Glanzlicht zu vermelden: 0:2, 2:0 und 5:3 im Elfmeterschießen für die Berliner Armeefußballer gegen Benfica Lissabon, im Viertelfinale war dann in Eindhoven die Europareise beendet 0:2, 1:0. Große Enttäuschung dann im Frühling 72 als der Berliner BFC Dynamo nur ein Elfmeterschießen vom Finale entfernt war, Im Felde unbesiegt, scheidet Dynamo am ominösen Punkt aus.1:4

 

 

Am 7.11.73 gilt für die Magdeburger „Spielen, spielen. Den Ball laufen lassen, um das 0:2 aus dem Hinspiel in Ostrava aufzuholen. Diese Absicht können die Bördefußballer umsetzen, Jürgen. Sparwasser, der einige Monate später Weltruhm erlangen wird, aber damit nicht glücklich geworden ist (s.o.) erzielt in 104. Minute das den Sieg bringende dritte Tor. In der DDR galt Zagora, der nächste Gegner, als „heißer Boden“, diesmal aber blieben die Magdeburger kühl und beherrscht, das 1:1 sichert nach dem 2:0 im Hinspiel die Halbfinalteilnahme. „Um gegen Sporting zu bestehen, muss unsere Mannschaft Großartiges leisten“ gibt Trainer Krügel das Ziel vor. Und schon wieder ist es Sparwasser, der ein eminent wichtiges Tor erzielt, sein 0.1 kann Sporting vor 45000 Zuschauern nur noch ausgleichen, im Rückspiel sichert ein 2:1 vor 35000 Zuschauern den ersten Finaleinzug einer DDR-Mannschaft, dass es „nur“ das des Pokalsiegercups ist, stört nun wirklich und zu Recht, niemanden. In Rotterdam ist der AC Mailand der große Favorit und fällt, wie es hin und wieder vorkommt, sehr tief- 0:2 gegen überglückliche Magdeburger, zunächst ein Eigentor kurz vor der Pause und Seguin macht eine gute Viertelstunde vor Schluss den Sack endgültig zu. UEFA Präsident Franchi gratuliert den Siegern. „Selten wurde ein Favorit von einem begeisterungsfähigen Außenseiter so überrascht, wie das in diesem Endspiel der Fall war. Mein Respekt vor der Leistung des FC Magdeburg.“

 

 

75/76 sorgt aus DDR-Sicht Sachsenring Zwickau für Furore. Panathinaikos Athen, der AC Florenz und Celtic Glasgow müssen konsterniert feststellen, dass in Sachsen guter Fußball gespielt wird, im Achtelfinale verwandelt DDR-Torhüterlegende Croy den entscheidenden Elfmeter gegen den AC Florenz. Im Halbfinale ist der spätere Sieger Anderlecht dann leider ein zu schwerer Brocken, 0:3 in Zwickau, 0:2 in Brüssel bedeuten das deutliche Ende aller sächsischen Finalträume.
Erst 80/81 stehen wieder für ein Team aus der DDR bis zum Endspiel alle Signale auf „Grün“, nur im Endspiel zeigt die Ampel drei Minuten vor Schluss „Rot“. Den 1.10. 80 wird man weder beim AS Rom noch bei CZ Jena vergessen. Um das 0:3 aus dem Hinspiel zu übertrumpfen, brauchen die Thüringer nicht mal eine Verlängerung, Bielaus 4:0 in der 87. Minute sorgt für große Begeisterung in Jena und großes Staunen in Fußballeuropa. Im Achtelfinale muss dann TV Valencia erkennen, dass es in Thüringen steile Berge hat, die nicht von jedem zu erklimmen sind. Das 1:3 in Jena können die Spanier mit dem 1:0 zu Hause nicht wettmachen, schon wieder Begeisterung in Thüringen und Staunen in Europa. Im Viertelfinale scheint Jena nach dem 2:2 im Ernst-Abbe-Sportfeld schon in Bedrängnis, ist aber nach einem 1:0 in Newport auf der Insel nicht reif für selbige, sondern für`s Halbfinale, wo Benfica enttäuscht feststellen muss, dass 80.000 Zuschauer und ein 1:0 das Hinspiel 0:2 nicht wettmachen können.
Düsseldorf ruft zum Endspiel am 13.5.81, die 1:0 Führung der Jenaer hält nur vier Minuten bis zur 67., ehe Darasseljia in der 87. den Siegtreffer für die Georgier, die sowjetischer Pokalsieger waren, erzielte. Begeistern konnte das Spiel nicht wirklich, zu erwähnen ist die Fairness beider Mannschaften. In der nächsten Saison wird die Lokomotive aus Leipzig vom großen FC Barcelona im Viertelfinale aufs Abstellgleis geschoben. Dem 0:3 in Leipzig folgt immerhin ein überraschendes 2:1 in Spanien.
Nach dem 3:0 gegen Rapid Wien im Viertelfinale des 84/85er Wettbewerbs erleben die Dresdener Dynamos vor 15000 begeisterten Wiener ein Fiasko- 0:5. Ein Jahr später kommt dann der absolute Tollschock für Dynamo bei Bayer Uerdingen, dem bundesdeutschen Pokalsieger, der bis dato eher für solide bis knochenharte Abwehrleistungen bekannt war und nicht für Torfestivals. An diesem Mittwoch muss irgendetwas im Pausentee der Uerdinger gewesen sein. Nach dem 2:0 in Dresden führten die Sachsen zur Halbzeit in Krefeld mit 3:1. Schäfer, der schon mit seinem Tor die Uerdinger zum Pokalsieger über die Bayern gemacht hatte, erzielt in der 87. Minute das 7:3 und sorgt für Schockstarre beim DDR-Pokalsieger. W.Funkels Foulelfmeter zum 2:3 in der 58. Minute eröffnete eine Hatz auf die Sachsen, die keinerlei Mittel wussten, um den unglaublichen Sturmlauf der Uerdinger zu stoppen. Ein Grund für die Torflut mag der Torwartwechsel gewesen sein, den Dynamo in der zweiten Halbzeit hat vornehmen müssen. Unvergessliche 30 Minuten.

 

 

Ein Jahr später fährt die Leipziger Lok über Belfast, Wien, Sitten und Bordeaux ins Athener Endspiel, dort schickt van Basten die Lok auf das Silbergleis. Spannend war das Halbfinale gegen die Franzosen. 1:0 gewinnen die Sachsen an der Gironde, das Rückspiel endet 0:1, so dass fast 100.000 Zuschauer erleben können, wie TW Müller erst hält und dann trifft- Leipzig im Freudentaumel. Ein Jahr später schickt Klaus Allofs die Sachsen schon in der ersten Runde aufs Abstellgleis: 0:1 und 0:0 gegen Olympique Marseille.

 

 

VORTEIL BUNDESLIGA

Auch im UEFA-CUP kommt es 73/74 im Achtelfinale zum deutsch-deutschen Duell und die Leipziger Lok „rächt“ Dresden, die Wochen zuvor unglücklich gegen Bayern ausgeschieden waren. 1:2 und 3:0 gegen Fortuna Düsseldorf. Erst Tottenham stellt im Halbfinale das Endspielsignal auf „Rot“. Im Herbst 74 In Hamburg stürmt Dynamo Dresden in die Niederlage, die Konter der Hanseaten sitzen – 4:1 Im Nach dem Dresdener 2:2 gesteht Kuno Klötzer, nachdem Kargus einen Elfer abwehrte: „ Ein 0:2 hätten wir nicht verkraftet.“
Am 19.10.77 kann S.04 zwar binnen sieben Minuten die beiden Sparwassertore zum 2:2 ausgleichen, ehe selbiger und Steinbach den 4:2 Sieg der Elbstädter festschreiben. Die zwei Auswärtstore lassen am Schalker Markt Achtelfinalträume reifen, die die Magdeburger mit einer ganz souveränen Vorstellung vor 70.000 Zuschauern platzen lassen- 0:3 nach 50 Minuten, Kremers 1:3 ist kein Trostpflaster, der bundesdeutsche Vize kann für diese Saison und für längere Zeit Europareisen nur mit dem Finger auf der Landkarte vollziehen und lernt bald die Niederungen der bundesdeutschen Fußballprovinz kennen, die der BVB schon hinter sich hatte und andere, noch viel später, ebenfalls kennen lernen würden, selbst ein EC3 Sieger.
Ein Jahr später gibt der MSV seine Visitenkarte in Jena ab, das 0:0 im Ernst-Abbe-Sportfeld wird im Rückspiel mit einem 3:0 n.V. gekrönt, Dietz(!!), Jara und Fruck lassen 30.000 Duisburger jubeln. Wieder ein Jahr später rettet sich der VFB Stuttgart in einem torlosen Spiel im Neckarstadion ins Achtelfinale, nachdem man in Dresden 1:1 remisiert hatte. Am Ende dieser Saison jubelte die Bundesliga und für ausländische Klubs gab es in diesem Jahr keinen Schlüssel, der die Tür zum Halbfinale öffnete. Die Bundesliga war unter sich und der Sieger kam vom Riederwald.
Am 22.10.80 sehen 30.000 Schwaben einen chancenlosen FC Vorwärts aus Frankfurt an der Oder- 5:1, auch das Rückspiel sieht die Schwaben als Sieger- 2:1. Am 30.9.81 macht BMG mit einem 2:0 das 1:3 von Magdeburg wett, die große Zeit der Magdeburger in Europa neigt sich dem Ende zu. Werder, aus Bundesliga zwei direkt in den UEFA-Cup gestürmt, hat in der 1. Runde 82/83 Gäste aus der DDR, die nach ihrem 2:0 Sieg im Rückspiel feststellen „ Jetzt müssen wir uns erst recht über das 1:3 in Frankfurt ärgern, weil wir da schon das Weiterkommen verschenkt haben.“ Am 2.11. 83 stürmt Werder wie entfesselt, aber nur ein Eigentor von Kreer führt zum einzigen Werdertor, das schlussendliche 1:1 macht das 0:1 von Leipzig nicht wett.
Im März 86 hatte Uerdingen den Dresdenschreck (s.o.) gegeben, im September darf CZ Jena ebenfalls unangenehme Bekanntschaft mit der Werkstruppe vom Niederrhein machen: 0:3 in der Grotenburg, 0:4 im Ernst-Abbe-Sportfeld.
Nicht nur dass Dresden nach zehn endlosen Jahren in der Saison 88/89 die Berliner Namensvettern als DDR-Meister ablöst, im UEFA-Cup mischt man u.a. Aberdeen und die Roma auf, erst im Schwäbischen wird im Halbfinale der Dynamoexpress gestellt. 0:1 und 1:1. Zum letzten deutsch-deutschen Duell kommt es am Vorabend der Einheit in Chemnitz, der BVB siegt 2x 2:0. Als die Dortmunder am Abend des 2.Oktober 90 im Westen landen, müssen sie etwas überrascht feststellen, dass sie noch ihre Pässe vorzeigen müssen, deutsch bis zur Einheit ist und war man in NRW. Vier Tage später wurde mir in Bautzen ein fröhliches „Heil Hitler“ zugerufen. Großdeutschland schimmerte in der Oktobersonne.

 

 

Literatur:
Deutschlands Fußball Länderspiele, Sport-und Spielverlag, Köln 1989
Friedemann (Hg): Sparwasser und Mauerblümchen. Klartext, Essen 1991
Grüne: EM-Enzyklopädie, AGON, Kassel 2004
Grüne: Enzyklopädie der Europäischen Fußballvereine, AGON, Kassel 1992
Kluge: Das Sportbuch DDR, Eulenspiegel, o.O. und o.J., aber ernst gemeint!!!
Leske: Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder, Die Werkstatt, Göttingen 2004
Querengässer: Fußball in der DDR, Bände 1-5, Die Liga, Die Nationalmannschaft, Die Meisterschaft, Der FDGB-Pokal, Der Europapokal, AGON, Kassel 1994
Simon u.a. Fußball informativ. Sportverlag Berlin, Ostberlin 1986
Verschiedene Ausgaben von „Elf“, „Kicker“, „neue Fußballwoche“, „Sportmagazin“

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