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In Gedenken an Herbert Wehner

Herbert Wehner – der große Mann der SPD | Credit: Bundesarchiv, Bild 175-Z02-00866 / CC-BY-SA 4.0

Heute vor 31 Jahren (am 19. Januar 1990) ist Herbert Wehner verstorben. Der große Mann der SPD war von 1966-1969 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und anschließend 14 Jahre lang bis zum Jahr 1983 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Gegen Ende seines Lebens litt er viele Jahre an einer Multiinfarktdemenz, die durch seine Diabetes ausgelöst worden ist. Wehner liegt auf dem Burgfriedhof in Bonn Bad Godesberg begraben.

Herbert Wehner wurde am 11. Juni 1906 als Sohn des Schuhmachers Robert Richard Wehner (1881–1937) und dessen Ehefrau, der Schneiderin Alma Antonie Wehner, (1881–1945), in Dresden geboren. Die Wurzeln seines proletarischen Elternhauses und sein pointiert freches Mundwerk sorgen für die Popularität von Wehner – denn vor rund 50 Jahren gehört der passionierte Pfeifenraucher zu den beliebtesten SPD-Politikern. „Herbert Wehner war nicht immer der einfachste Mensch, aber er gehörte zu den Zuverlässigsten. Wenn mehr Politiker so standhafte Positionen hätten wie Wehner, würde Deutschland viel besser da stehen“, sagte Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal im Jahr 1997 über seinen Partei-Genossen.

Wehner – ein rhetorischer Rambo

Politik bekommt der junge Herbert schon in frühen Jahren zuhause in der Küche aufgetischt. Sein Vater zieht als Soldat in den Ersten Weltkrieg und tritt danach in einen lockeren Zusammenschluss von sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Soldaten ein. Schon als Schüler wird Herbert Wehner eingetragenes Mitglied bei der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) im Dresdener Vorort Striesen. Im Alter von 17 Jahren wechselt er zur “Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands“ (SAJD). Er ist enttäuscht von der Sozialdemokratie, weil sie den Einmarsch der Reichswehr in sein Heimatland Sachsen unterstützt und sich nicht klarer dagegen positioniert hat. Anschließend schließt er sich der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an.

Über diese Phase hat er später eine sehr reflektierte Einstellung. „Dass ich Kommunist gewesen bin“, so die Worte Wehners in einer Bundestagsdebatte im Jahr 1976, „habe ich nie geleugnet. Ich werde es mein Leben lang büßen, dank derer, die patentierte Christen sind und sich als solche bezeichnen.“ Austeilen kann er wie ein rhetorischer Rambo – vor allem gegen die Opposition. Die hitzigen Rede-Duelle, die er sich mit Helmut Kohl oder Franz-Josef Strauß liefert, sind bis heute legendär. Und wenn Wehner, den sie in der SPD-Zentrale meist als Zuchtmeister bezeichnet haben, einmal zu bestechender Form aufläuft, dann konnte sein schnelles Mundwerk laut, giftig und angreifend werden. Bis heute sind im Bundestag die meisten Ordnungsrufe gegen ihn ausgesprochen worden: insgesamt 58 Verwarnungen.

Bildung der erfolgreichen SPD-Troika mit Brandt und Schmidt

„Vieles was mit ihm und seinem Wirken zu tun hat, liegt an seinem Lebenslauf begründet – er hat bis zum Ende des zweiten Weltkrieges wirklich sehr viel einstecken müssen“, sagte sein Parteikollege Hans-Jochen Vogel über Wehner. Als die Nazis an der Macht sind, setzt sich Wehner aktiv für den kommunistischen Widerstand ein. Zwischen 1937 und 1941 arbeitet er im Moskauer Exil, wo er im Emigranten-Hotel Lux wohnt. Das Stalin-Regime vermutet unter deutschen Kommunisten viele Verräter, die einer nach dem anderen ermordet werden. Nur um Haaresbreite kann Wehner seinem Todesurteil von der Schüppe springen und flieht mit dem Zug nach Schweden.

In Stockholm wird er im Jahr 1942 verhaftet und landet im Gefängnis. Nachdem Deutschland den zweiten Weltkrieg verloren hat, kehrt Wehner im Jahr 1946 nach Hamburg zurück. Dort wird er Text-Redakteur für die sozialdemokratische Zeitung “Hamburger Echo“. Sein politisches Talent spricht sich schnell herum und so gehört Herbert Wehner schnell zu den engsten Mitarbeitern vom SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher. Über sein Selbstverständnis sagte Wehner einmal: „Ich bin es gewohnt, ausgepfiffen zu werden. Dafür schäme ich mich nicht. Es werden sich andere einmal dafür schämen müssen.“ Mit solchen spitzen Aussprüchen zeigte er immer wieder seine Schlagfertigkeit. Mit viel harter Arbeit führte der gewiefte Taktiker zusammen mit Bundeskanzler Willy Brandt und dem charismatischen Intellektuellen Helmut Schmidt die SPD zu ihrer Blütezeit.

Konsequenter Kampf für die bundesdeutsche Sozialdemokratie

Bei der Bundestagswahl 1972 erzielt die SPD ihr bestes Ergebnis aller Zeiten: 45,8 Prozent. Plötzlich stellt die sozialdemokratische Partei ein erfolgreiches Regierungskabinett – und das über viele Jahre.Herbert Wehner hat tief in die Abgründe von Nationalsozialismus und Sowjet-Kommunismus geschaut. Dieses Trauma macht ihn zu einem lupenreinen Demokraten und idealistischen Kämpfer für Demokratie, Mitbestimmung und Kompromiss-Bereitschaft. Das Brandt und Schmidt Kanzler geworden sind ,liegt auch am Arbeitstier Wehner, der beiden den Rücken frei gehalten hat und mit viel Disziplin die Werte der alten Bonner Republik hochzuhalten. Vor allem führte Wehner mit eiserner Hand die Außenpolitik von Adenauer weiter, er suchte stets den Dialog zu den Großmächten in Ost und West.

Am 1. Oktober 1982, dem Tag des Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt, die Helmut Kohl schlussendlich zum Bundeskanzler machen, zitiert Herbert Wehner in einer beeindruckenden Rede seinen politischen Förderer Kurt Schumacher:
„Im Jahr 1947 hat Schumacher in Nürnberg drei Sätze gesagt, die uns allen wieder gegenwärtig sein sollten:  Erstens: Demokratie beruht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und der Ehrlichkeit.
Zweitens: Die Demokratie kann nur leben, wenn die Menschen selbständig sind und den Willen zur Objektivität haben. Drittens: Aber die technokratische und geradezu kriegswissenschaftliche Handhabung der politischen Mittel führt zum Gegenteil. Ich möchte sagen, wer sich über diese Einsichten kalt hinwegsetzt oder hinwegzusetzen versucht, handelt verantwortungslos und zerstört letztlich unsere mühsam aufgebaute und gefestigte Demokratie.“ 

Es war ihm nicht vergönnt, die deutsche Einheit bewusst mitzuerleben – schließlich hatte Wehner ursprünglich den Tag der deutschen Einheit erfunden, um an den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 zu gedenken. Damals kam es in der DDR zu einer Welle von Protesten, die mit politischen und wirtschaftlichen Forderungen verbunden waren. Diese Demonstration wurde von der Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen. Dabei wurden 34 Demonstranten, sowie fünf Angehörige, von den Sicherheitsorganen getötet.

Geschwächt am Lebensende

Das lange Sterben von Herbert Wehner beginnt um 1982 herum, als er noch als Abgeordneter im Bundestag lange Arbeitswochen ableistet. Ständig fallen im wichtige Namen und Daten nicht mehr ein, den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann nennt er plötzlich Konrad Heinemann. Einmal wird er sogar orientierungslos in einem Hotelzimmer aufgefunden. Am 19. Januar 1990 schlägt seine letzte Stunde. Gegen 17:50 Uhr schläft Herbert Wehner an der Seite seiner dritten Ehefrau Greta in seinem Reihenhaus in Bonn Bad Godesberg friedlich ein. In den Geschichtsbüchern steht er als harter, pflichterfüllter und gerechter Kämpfer für die bundesdeutsche Sozialdemokratie.

Im Jahr 1993 hat der Filmemacher Heinrich Breloer unter ›Die unerzählte Geschichte‹ das biografische Leben in dreieinhalb Stunden nacherzählt. Er lohnt sich sehr diese Dokumentation noch einmal anzuschauen:

 

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Guiseppe Bottazzi
Guiseppe Bottazzi
3 Jahre zuvor

Vielen Dank für diesen Beitrag.

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