Karneval: Kütt d’r Zoch?

Wagen der Roten Funken, Rosenmontagszug 2006 Foto: Rolf Hahn Lizenz: CC BY-SA 3.0


Der Kölner Rosenmontagszug als Persiflage

Im Ernst,  wer, der einmal an einem Rosenmontagszug teilgenommen hat, lässt sich mit einem Miniatur-Zug im Fernsehen abspeisen? Wer verzichtet gern auf dieses unaufhörliche Umarmen und Bützen und setzt sich vor die Glotze, um eine liliputanischen Version des Zochs anzusehen, wo Puppen Menschen aus Fleisch und Blut ersetzen? Mögen die verkleinerten Wagen auch ganz und gar den Originalentwürfen entsprechen, und die 177 Puppen des Hänneschen-Theaters noch so kunstvoll gebaut sein und geführt werden? Wie sollen die ambitioniertesten Kameraleute die Stimmung am Straßenrand einer 35 Meter langen Strecke zwischen den Wagen einfangen ­– vom  Festkommitee Kölner Karneval selbstironisch Persiflage-Wagen genannt? Die Leere der Fußball-Arenen wird seit Monaten gefüllt von eingespielter Akustik aus Stadien, in denen sich zigtausende Fans versammelten, und so ähnlich dürfte auch beim Miniatur-Zug die Geräuschkulisse vergangener Umzüge für die Atmosphäre sorgen.

12 000 Zugteilnehmer diverser Karnevalsgesellschaften und rund eine Million Besucher lassen sich selbst von Phantasiebegabten schwerlich aufrufen. Närrisches Treiben braucht, wie das Wort schon sagt, die Menschenmenge, die in dieser Kopf stehenden  Zeit verboten ist von einer demokratisch gewählten Obrigkeit, nicht wie anno dazumal von einer autokratisch herrschenden, der maskierte Untertanen spöttisch einen Spiegel vorhielten.

„Dasselbe wiederholen wäre das eigentlich Gemeinsame. Nicht ein »So-tun-als-ob«, ein ‚Immer-wieder-tun“, merkt Walter Benjamin 1928 in seiner Rezension von Karl Gröbers „Geschichte des Spielzeugs“ an. Kunst-Honig ist süß, aber Ersatz nur, und macht nicht satt. Üben wir also Askese, bringen noch ein Opfer, damit das Virus sich endlich wieder verziehe, und wohnen der denkwürdigen Übertragung bei, um die Mühe aller Beteiligten zu würdigen. Geben wir ein Lebenszeichen via Einschaltquote und behaupten unsere Gemeinsamkeit  trotz aller Vereinzelung! Kölle Alaaf!

Im WDR zu sehen am Rosenmontag, 15. Februar, 14 Uhr.

Der LVR wird gleichzeitig einen Live-Stream auf Facebook zeigen für blinde, sehbehinderte und gehörlose Menschen.

LVR – Inklusion erleben

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ccarlton
ccarlton
3 Jahre zuvor

Die Antwort auf die Überschrift lautet: "Nein, und das ist auch gut so!" Leider hat man das Massenbesäufniss nicht schon im letzten Jahr abgesagt.

Lena Schneider
Lena Schneider
3 Jahre zuvor

"Üben wir also Askese, bringen noch ein Opfer, damit das Virus sich endlich wieder verziehe, und wohnen der denkwürdigen Übertragung bei, um die Mühe aller Beteiligten zu würdigen." – trauriges Kulturverständnis.

Wenn Sie schon Herrn Benjamin (aus dem Zusammenhang gerissen, und des Sinns beraubt) bemühen – aus gleichem Werk:
"Der Erwachsene entlastet sein Herz von Schrecken, genießt ein Glück verdoppelt, indem er's erzählt. Das Kind schafft sich die ganze Sache von neuem, fängt noch einmal von vorn an."

Und so zeigt sich der Karnevalist, wenn es nunmal nicht anders geht, beim Erzählen eines Karnevalszuges, erwachsener, womöglich vernunftbegabter, mithin weiser als Frau Bernrieder und, wenig verwunderlich, die sich wie üblich auf den Plan gerufenen Anti-Karnevalisten?

Ihnen, mit Walter Benjamin: "Und noch der trockenste Pedant spielt, ohne es zu wissen, kindisch nicht kindlich, am meisten, wo er am meisten Pedant ist."

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