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letzte Woche / diese Woche (KW2)

Letzte Woche hat mir überhaupt nicht gefallen, wie wieder einzelne Politiker mit mehr oder weniger gezielten Provokationen oder auch nur Parteitagen wichtige Themen wie das Zusammenleben der Menschen in Deutschland aus den Schlagzeilen gefegt haben. Plus natürlich die Tatsache, dass neben den Parteien offensichtlich das Wetter am besten verkauft – aber damit hatte ich letzte Woche schon gelangweilt. Gestern hatte ich dann eines dieser typischen Pamphlete geschrieben. Zum Glück gefällt mir das heute nicht mehr. Aber das Foto ist zumindest übrig geblieben. Oben steht „Sei Berlin: Sei BND“ und darunter sehen wir zwei überangepasste „Volldeutsche“ – dieses Wort war mir gestern eingefallen. Auch war mir aufgefallen, dass hierzulande – gestern schrieb ich „im postfaschistisch sozialdemokratisierten Deutschland“ – immer lieber Postkommunistinnen und Vertreter des freien Marktes als Exoten herzuhalten haben (und sonstige total alternative Volldeutsche), als dass sich auch nur ansatzweise mit anderen Lebensweisen beschäftigt wird, die nicht hausgemacht sind.
Ich befürchte, dass viel zu wenige deutsche Migrantinnen und Migranten etwas zu sagen haben bei der „vierten Macht im Staate“, und wenn dann halt nur diese Überangepassten. Auch war mir aufgefallen, dass alle möglichen Oppositionen hier bis hin zu den Antideutschen grundsätzlich zu deutsch sind. Diese Woche möchte ich mich folgerichtig damit beschäftigen, inwiefern es in Deutschland überhaupt undeutsch orientierte politische Gruppen gibt, die mehr tun dürfen, als für ihre „Minderheit“ zu sprechen. (Vielleicht wird ja ein Artikel daraus.) Was für die Frauen hierzulande vor Jahrzehnten erst möglich war, sollte doch so sachte auch für Migranten möglich sein: Quote, Macht, uneingeschränkte Betätigung auf allen gesellschaftlichen Ebenen nicht nur als Vorzeigeobjekte. Dass dabei dann keine Überanpassung an den gängigen Mainstream stattfindet, sollte also nicht nur Hannelore Kraft gefallen. Es steht aber zu befürchten, dass „die Ausländer“ dann dafür natürlich viel zu rassistisch, sexistisch und egomanisch sind. Alles das, was wir natürlich nie sind oder womit wir uns lieber intern beschäftigen, um bloß keinen Spiegel vorgehalten zu bekommen.

Letzte Woche in Berlin hatte ich nicht nur einen kurzen Einblick in so ein deutsch-alternatives WG-Leben (gestern schrieb ich etwas von „Terror nach Innen“ und „totaler Küchenkrieg“ oder so), sondern mir fiel auch auf, dass mir die Artikel über die Stadt am besten gefielen, in denen eher „Externe“ schreiben. Solche wie eben Roger Boyes von der Times im Tagesspiegel oder die Leute von Exberliner. Überhaupt schreiben immer zu viele Ruhries über die Ruhr, etc. und seit dieser Woche schreiben bei 2010lab zusätzlich verstärkt Londoner über London und Milanesen über Milan. Dem Chef von Heimatdesign gab ich letztens wiederum den Rat, er möge doch spätestens in diesem Jahr einmal seine Hefte auch außerhalb des Ruhrgebietes auslegen – ähnlich den Ruhrbaronen. Immer noch frage ich mich: Was will ich da eigentlich? Wie geht all das zusammen?
Ich denke mal und schreibe: Wenn alle immer nur in ihrem kleinkarierten Platzhirschrevier und über es schreiben, ist das a) naheliegend und b) kostengünstig, bringt aber nur wenig neue Perspektiven und erst recht keinen Austausch. (Gruß an Herrn Schurian!) Blickt und geht man hingegen über den Tellerrand – am besten mehrsprachig – so muss man sich damit auseinander setzen, dass man eben nicht für eine homogene Zielgruppe schreibt. Und das muss von vielen noch gelernt werden, denn auch hier schreiben alle eher „frei nach Schnauze“ und beleidigen viel mehr Leute als sie denken. Also müssen letztlich die Designer raus aus Deutschland. (Nach Italien vielleicht?) Und wer nicht so sachte einmal andere als den eigenen Blickwinkel in seine Medien integriert, gehört gescholten oder besser von nicht-volldeutschen Medien beobachtet und ggf. bloßgestellt. Und so sieht es wohl aus: Ich meine es doch ernst. Liebe Migrantinnen und Migranten: Seien Sie Ruhr: Seien Sie BND! Seien Sie Wikileaks! Im Zweifel Ihr eigener. Vielleicht schon in dieser Woche? Oder bleiben Sie auch gern weiter unbeeindruckt und lassen uns am langen Arm verhungern in unserer tollen Datenwelt, in der wir uns ja so gerne mit uns selbst beschäftigen. Und jetzt vielleicht doch wieder etwas über Guido und Gesine? Und Sie so: *click*

Foto: Jens Kobler (feat. u.a. den Tagesspiegel vom 8.1.2011 und das Cover von „First take then Shake – F.S.K. meets Anthony ‚Shake‘ Shakir“)

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Christoph Schurian
13 Jahre zuvor

gruss zurueck, aber bin ich jetzt platzhirsch oder avantgarde? so oder so lass ich mir grad spikes draufziehen, dazu laeuft beim tireman.ee eurodisco also lena, nena und natuerlich sandra

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