
Moderne Bilder oben, Kafkas Worte unten. Der Applaus nach der „Amerika“-Premiere im Bochumer Schauspielhaus war lang anhaltend und in seiner Intensität konstant. Standing Ovations oder Buh-Rufe gab es keine. In zweieinhalb Stunden ohne Pause brachte Jan Klata das unvollendete Werk Franz Kafkas, das ursprünglich den Titel „Der Verschollene“ trug, auf die Bühne des Bochumer Schauspielhauses. Klata illustrierte den Text dabei reichhaltig, indem er die klischeehafte Ästhetik eines Amerikas ausgiebig zitierte, wie es sich in den vergangenen Jahrzehnten in die Köpfe seiner Beobachter gebrannt hat. Was blieb, war ein beeindruckender, aber nicht unbedingt einzigartiger Remix von Popkultur und gesellschaftlichen Klischees – durchzogen von Kafkas entlarvendem Geist.
Der 16-jährige Karl Rossmann wird von den Eltern verstoßen und nach Amerika geschickt. Rossmann scheitert in der neuen Welt schuldlos. Permanent ist der junge Rossmann Last, Unrecht und Härte ausgesetzt. Rührend in der Wirkung, tragisch in der Konsequenz. Er begreift weder das Leben noch, was ihm zustößt. Er begreift es nicht, weil es einfach nicht zu begreifen ist. Rossmann reiht sich ein in die Riege der bürgerlichen Individuen, die ihre eigene Vernichtung in masochistischer Weise inszenieren.
Come to where the Flavour is…
Klata gilt als einer der profiliertesten polnischen Regisseure und markiert mit seiner Inszenierung den Moment, in welchem der dem Leben ausgesetzte Mensch selbstreflexiv wird. Er inszeniert hier mithilfe der dramaturgischen Unterstützung von Olaf Kröck den Roman eines Mannes, der eine ausgeprägte Liebe für Untergänge hatte. Kafka schrieb die ersten sieben Kapitel der Geschichte in einem viermonatigen produktiven Rausch. Wie kein Zweiter beschrieb Kafka, der Freund der Söhne und der Untergänge, die Dramatik eines Wachkomas, das nichts als Enge und Ich-Dramatik bereithält. Es ist ein wuchernder Alptraum einer Lebenswirklichkeit, die sich rapide wandelt und in der jeder Keim eines Ausbruchsversuchs auf den Boden eines alles verschlingenden Treibsands gesät und somit von vornherein verloren ist. Diese Realität kann nicht mit Mitteln überwunden werden, die in ihr zur Verfügung stehen. Denn Ausbruch und Entkommen sind nicht vorgesehen.





