Neue Finanzlöcher im Rot-Weiß-Essener Stadionkäse

OB Reiniger (CDU und 2. vr) läßt sich bei Rot-Weiß Essen feiern. Jetzt neue Finanzlöcher im "Volkseigenen Kickerclub" Foto: Stadt Essen

Auf die Stadt Essen rollen nach meinen Recherchen neue, bislang versteckte Kosten in der Causa Rot-Weiß zu. Es geht um den Innensusbau des geplanten Stadions, für das eine weitere kommunale Tochter aufkommen könnte. Wie gesagt, bin ich seit gut zwei Wochen in Sachen RWE-Stadion unterwegs. Und, wie ich jetzt erfahren habe, hat die Stadt nur zwei Großsponsoren für das Stadion anzubieten. Aus diesem Grund wird heftig überlegt, wie man weiter Geld schwitzen kann. Doch der Reihe nach:

Über die kommunale Anstalt Sparkasse Essen sollen 5 Mio Euro in das Projekt gepumpt werden – und der Stromriese RWE, an dem die Stadt Essen beteiligt ist, hat sich verpflichtet zwei Mio Euro für die Namensrechte an der Arena zu zahlen. Des Weiteren hat schon in der vergangenen Saison die kommunale Tochter RGE 100.000 Euro als Sponsoring in den Club gepumpt. Damit nicht genug. Neben ihrem direkten Zuschuss von 7,5 Mio Euro will die Gemeinde über ihre kommunale Tochter GVE drei Jahre lang hohe Millionenbeträge in das Stadion investieren. Die Rede ist von 8 Mio Euro im Jahr, die auf die Kreditlinie der Stadt angerechnet werden sollen. Sprich, das Geld geht direkt zu Lasten von Investitionen in Schulen und Kindergärten. Dann kommen noch die bereits bekannten Gelder aus dem Stadt- Kölmel-Deal hinzu. Weitere 6,8 Mio Euro Zahlungsverpflichtungen. Den Beratervertrag mit Strunz habe ich jetzt nicht mitgerechnet. Das sind die bekannten Fakten.

Jetzt kommt aber raus, dass auf die Gemeinde weitere versteckte Kosten durchaus in Millionenhöhe zukommen können. So liegen mir Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass in den bisherigen Finanzierungsplanungen für das Stadion der Innenausbau weiter Teile der Gebäude nicht berücksichtigt worden ist. Alleine die Summe von 750.000 Euro ist demnach veranschlagt. Der Rest des Ausbaus sei Sache des Caterers, heißt es.

Und als Bewerber um den Posten des Caterers ist die RGE im Rennen – eine städtische Firma. Die Stadt sagt dazu, derzeit werde ein Gesamtkonzept zur Bewirtschaftung des Stadions erarbeitet. Später sollten sich diverse Anbieter um den Job bewerben, Würtschen und Co in der Arena zu verkaufen. Und unter diesen Bewerbern soll dann selbstverständlich auch der ortsansässige Dienstleister RGE angesprochen werden. Wie ich höre, ist die Nummer mit der RGE aber schon abgemacht.

Sollte also die RGE den Zuschlag erhalten, würden die anfallenden Investitionen für den Ausbau wieder zu Lasten der Stadt und nicht zu Lasten des Vereines gehen. Tolle Planung. Die Essener Bürger dürften für den VIP-Spaß in der Catererhütte ihrer Vorleute blechen. 

Wie hoch die Ausbaukosten sind, die von der städtischen RGE getragen werden müssten, sollte sie den Zuschlag erhalten, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich kommt es darauf an, ob die Kloarmaturen verchromt werden oder nicht.

Spannend finde ich in diesem Zusammenhang noch, dass die RGE zusätzlich in der kommenden Saison den Sicherheitsdienst für das Stadion übernommen hat. Als Subunternehmerwurde die Firma Issa Security beschäftigt. Genau diese Firma war auch bislang für die Sicherheit im Stadion verantwortlich. Und musste schon mal auf ihre Begleichung ihrer Rechnungen warten. Nun allerdings ist der Issa-Schuldner solventer. An die Stelle des Clubs tritt die städtische Tochter RGE. Man kann es auch anders sagen: Die Erlöse werden privatisiert, die Risiken kommunalisiert.

Die Gesamtsumme der gesamten städtischen Ausgaben inklusive der Aufwendungen aus den Töchterbetrieben für das Projekt Rot-Weiß Stadion kann man schwer beziffern. Ich schätze es sind fast 40 Mio Euro. Noch-Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) hat nur 24 Mio Euro städtische Investitionen zugegeben. Der Rest wird schön geredet.

Unterdessen versuchen Leute auf den Forumsseiten des Revierssports zu Rot-Weiß Stimmung gegen mögliche Petzen in den eigenen Reihen zu machen. So wird vor allem gegen einen Aufsichtsrat gehetzt, der Journalist ist. In meinen Augen ist das peinlich. Es wird einfach ein Sündenbock ausgeschaut, auf diesem rumgehackt, anstatt das Problem zu erkennen und zu lösen. Die Stadt Essen kann sich das Stadion auf Steuerkosten einfach nicht leisten. Vielleicht hat das keiner in der Gemeinde gehört. Essen ist mir 3 Mrd Euro in der Kreide. Die Stadt ist am Ende. Hallo? Jemand da? Auf jeden Fall hat die Bezirksregierung Düsseldorf jetzt was gesagt. Und zwar greift die Behörde die Beteiligung der Gemeinde an der Profifußballabteilung von Rot-Weiß an. So sei die Bezirksregierung als Kommunalaufsicht nicht über den Erwerb einer 49-Prozent-Beteiligung an der Spielbetriebsgesellschaft informiert worden. In einem Schreiben der Bezirksregierung heißt es:

Zu einer Beteiligung der Stadt Essen an einer Profifußballfirma des Clubs Rot-Weiss Essen gibt es hier keinerlei Erkenntnisse.

Der Betrieb eines Profifußballclubs durch eine Gemeinde entspricht nicht den Voraussetzungen einer wirtschaftlichen bzw. nicht-wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden nach § 107 Abs. 1 bzw. 2 der Gemeindeordnung NRW und wäre damit nach hiesiger Auffassung unzulässig.

Ich bleibe am Ball.

Köhler will eine Debatte. OK: Alle raus aus Afghanistan – sofort

Foto: bundesregierung

Unser Bundespräsident Horst Köhler will, dass wir in Deutschland eine breite Diskussion über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr anfangen. OK, da mach ich gerne mit. Vorneweg meine These: Jeder Soldat, der dort stirbt, stirbt nutzlos. Jedes abgerissene Bein, jeder zerfetzte Arm, jede zerrissene Niere, Leber, Milz ist sinnlos verloren. Die Männer und Frauen der Bundeswehr erfüllen einen unsinnigen Auftrag.

Was verteidigen wir in den Bergen Afghanistans? Nichts.

Was erobern wir in Afghanistan? Nichts.

Was machen wir da? Unsinn. Wir verschwenden dort Leben, Gesundheit und Geld.

Ist es ein Erfolg deutscher Politik, wenn die Statistik eine gute Weizenernte in Afghanistan zeigt – und eine Rekordernte für Opium? 

Die Wahlen jetzt in Afghanistan haben gezeigt, dass wir bei einem unsinnigen Spiel mitmachen. Präsident Karsai ist kein Vertreter der Demokratie nach unserem Verständnis. Was ein Hohn. Der Mann beschirmt seinen Brudereinen Natoweit bekannten Drogendealer. Er setzt Truppen ein, um Konkurrenten seines Bruders aus dem Weg räumen zu lassen. Erst vor wenigen Wochen haben britische Natosoldaten tonnenweise Opium aus einem Anwesen des Karsai-Bruders geschleppt.

Hier ein aufschlussreicher und detaillierter Bericht von Thomas Schweich im New York Times Magazine. Klack. Schweich war ein hochrangiger Anti-Drogenbeauftragter im US-Aussenministerium und hatte vor allem mit den Problemen in Afghanistan zu tun.

Wenn wir also Karsai und sein Regime unterstützen, fördern wir eine korrupte Bande. Das ist ein Fakt. Was macht uns in diesem Fall besser als die Russen, die seinerzeit irgendeinen anderen korrupten Funktionär unterstützt haben? Nichts.

Aus Angst vor Anschlägen verbunkert sich die Bundeswehr in ihren Festungen wie eine Besatzungsmacht, die Soldaten kommen heraus in Sonnenbrillen, das Gewehr im Anschlag. Wie Besatzer.

Das soll ein Zustand sein? Das ist Unsinn. Das einzige was so gestärkt wird, ist der Wille zum Widerstand in der afghanischen Bevölkerung. Wir verheeren das Land weiter und sichern es nicht. Weil unsere Festungen im afghanischen Sand Ziel der Aufständischen. Weil unsere Soldaten Ziel der Aufständischen sind. Weil Menschen sterben.

Es heißt, unsere Armee würde die Zivilgesellschaft in Afghanistan aufbauen? Wie soll eine blonde Soldatin mit einem Gewehr im Anschlag und einer Sonnenbrille auf der Nase einem Patschtunen erklären, was er zu tun und zu lassen hat? Oder zieht sie sich erstmal eine Burkha an? Oder schicken wir da gar keine Soldatinnnen hin, weil das die Afghanen nicht verstehen würden? Das nenne ich Clash of Cultures.

Dann wird gesagt, alle die, die gegen unsere Bundeswehr in Afghanistan kämpfen, sind Terroristen. Dann gibt es da aber verdammt viele Terroristen in Afghanistan. Ich glaube eher, da kämpfen verschiedenen Völker und Ethnien, Verbrecherbanden und Clans um Macht und Einfluss. Und unsere Bundeswehr ist vor Ort nur eine Rechengröße, die jeder Beteiligte vor Ort zu seinen Gunsten einzusetzen versucht. Nehmen wir die Tipps der Informanten, wo sich Taliban verstecken. Ich wette, da schwärzen sich jede Menge Drogendealer gegenseitig an, damit unsere Soldaten den jeweils anderen umlegen.

Die Taliban selbst scheinen mir eine Unabhängigkeitsbewegung zu sein, die gegen die Besatzer kämpft. Vielleicht sind die Taliban Patschtunen, vielleicht sind das Pakistani, was weiß ich. Auf jeden Fall weiß ich, dass die Taliban sich nicht aus drei duzend RAF-Leute zusammensetzen, die wirren Hauptes Anschläge auf Repräsentanten des Staates durchziehen. Sie führen eine Armee und erobern, besetzen und beherrschen ganze Landstriche. Ich denke, die Talban sind eine Unabhängigkeitsbewegung. Keine sympathische. Und ziemlich sicher haben die auch Drogendealer in ihren Reihen und durchgeknallte Vergewaltiger. Aber sie kämpfen gegen die Karsai-Brothers-Clique und eine ausländische Besatzung und dann haben sie eine politische Agenda in Pakistan und Afghanistan. Klar gefallen mir die Pläne der Taliban nicht. Aber man muss die Fakten feststellen. Man kann nicht erzählen, die Taliban wären alles Terroristen. Das stimmt einfach nicht.

Foto: bundesregierung

Es heißt, wir würden im Kampf gegen den Islamismus in Afghanistan stehen. Wenn wir uns dort zurückziehen, würde unsere Welt zusammenbrechen und wir würden den Kampf verlieren.

Entschuldigung, aber das halte ich für Blödsinn. Auch ich fand den Angriff auf Afghanistan nach den Anschlägen in New York gerechtfertigt und richtig. Die Osama-Tat und der Schutz der Taliban für den Terroristen konnte nicht ungesühnt bleiben.

Ok, aber jetzt geht es um andere Dinge. Jetzt geht es um Besatzung eines wildfremden Landes. Wir wehren uns nicht mehr, sondern lassen uns in einen Kampf ziehen, in dem sich die anderen gegen uns wehren. Die Taliban haben im Widerstand gegen unsere Besatzung eine Rechtfertigung für ihre Handlungen gefunden.

Was passiert, wenn wir aus Afghanistan verschwinden? Auch dann ist Afghanistan immer noch sehr weit weg. So ungefähr die halbe Erde weit weg. Wenn die Afghanen uns nach unserem Rückzug Probleme machen sollten, kann man immer noch Bomber schicken. Zumindest eher, als dass die Taliban Bomber-Einsätze nach Bottrop fliegen. Aber zunächst wage ich die These, dass die Taliban kein weiteres Interesse an Angriffen auf Deutschland oder Europa haben, wenn wir erstmal da verschwunden sind. Klar werden die weiter gegen uns hetzen. OK. Dann mach ich in Talibanistan halt keinen Urlaub. So what? Wenn die uns angreifen, können wir uns wehren.

Ich bin sicher, dass wir hier in Europa genügend Truppen haben, um die Invasion der afghanischen Flotte in der Normandie abzuschlagen. Und genügend Sicherheitspersonal an europäischen Flugplätzen, um jede Flasche Spreng-Wasser zuverlässig aus den Kabinen der Air Lines in Mülltonnen am Security-Check zu verbannen. Und wenn dann doch ein Afghanischer Top-Terrorist mit einem Plastikmesser durch den Flieger stürmt, dann bin ich sicher, wird er von einem Sky-Marshall erschossen, bevor er mit seinem Plastikbesteck die verschlossene Cockpittür durchschabt.

Worauf ich hinaus will. Ich halte die Bedrohung Europas durch Afghanen für übertrieben, wenn unsere Sicherheitsorgane nicht so pennen, wie vor dem 11. September. Ich bin sicher, Berlin kann gehalten werden.

Oder anders gesagt, wir können doch nicht jahrezehntelang ein Land besetzen und tausende Menschen töten, aus Angst vor einem möglichen Anschlag?

Zudem habe ich Söhne und wenn ich mir denke, dass diese Söhne irgendwann in so einem Unsinnskrieg wie in Afghanistan ziehen sollten, um sinnlos irgendeine Wüste für eine Drogendealer-Clique aus Kabul zu sichern, dann wird mir ganz anders.

Ich hoffe, in der von Köhler geforderten Debatte um den Afghanistan-Einsatz kommt schnell heraus, dass die Deutschen den Einsatz ablehnen. Wenn aber der Unsinn in Afghanistan erkannt ist und der Abzug beschlossen wird, dann muss so schnell wie möglich jeder Soldat aus dem Land raus. Denn jeder Tote nach einem Abzugsbeschluss ist noch schwerer zu begründen, als in einem unsinnigen Einsatz.

Ich hoffe, Präsident Horst Köhler geht persönlich zu den Eltern der getöteten Soldaten, um zu erklären, warum es richtig war, ihr Kind zu opfern.

Die Bundeswehr ist stark genug, um jede Schlacht zu gewinnen. Den Krieg in Afghanistan kann sie niemals gewinnen. Wenn aber gewiss ist, dass kein Sieg möglich ist, müssen sofort die Opfer beendet werden, oder nicht? Alles andere ist Volkssturm-Mentalität.

Mir tun die Menschen leid. Mir tun die Soldaten leid. Lasst Euch nicht verheizen. Ihr seid kein Road-Side-Bomben-Futter. Ihr seid freie Menschen. Denkt nach und kommt zurück nach Deutschland. Hier könnt Ihr Aufgaben erfüllen. Nicht aber in Afghanistan. Findet einer von Euch den Job in Afghanistan sinnvoll? Oder seid Ihr nur dort aus Treue zu Euren Kameraden? Wie fühlt Ihr Euch, wenn die Menschen in Deutschland Eure Pflichterfüllung in Afghanistan als sinnlos erachten? Wenn die Menschen in der Heimat Euch nicht verstehen, euch nicht unterstützen können? Was zur Hölle tut ihr da? Ihr holt Euch nur posttraumatische Psychokrankheiten. Das ist alles. Sorry. Nix gegen Euch.

Das zum Bundeswehr-Einsatz.

Ich wette viele Menschen sehen das in Deutschland genauso. Vielleicht sogar die Mehrheit. Aber ob das hilft, diesen Unfug zu beenden? Was meinen Sie?

Ich glaube eher nicht.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

Kommunalwahl: Verkehrte Welt in Köln…FAZ

Kommunalwahl II:…mit Unsicherheiten…Kölnische Rundschau

Kommunalwahl III: SPD setzt auf Leuchttürme…Der Westen

Kommunalwahl IV: Wer boxt wem aus dem Ring?…Bild

Kommunalwahl V: BIG und Pro NRW – ein Vergleich…Hometown Glory

Wahlen: Likedeeler, Linke, Politik, Netz…FXMBR

Netzsperren: Richtlinine sollen geheim bleiben…Netzpolitik

Wahlkampf: Die unantasbare Meinung der Jennifer M…Gelsenkirchen Blog

Krise: Wer an den Aufschwung glaubt wird selig…Zoom

Karstadt: Insolvenzverwalter fordert Lohnverzicht…Der Westen

Bochum: Freie Szene muss nicht sparen…Ruhr Nachrichten

 

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Zeltfestival Ruhr vergrault Konzertbesucher

30 Euro kostet eine Karte für Tim Fischer beim Zeltfestival Ruhr. Da denkt man ja erstmal, stolzer Preis und der, der das veranstaltet, wird schon wissen, was er tut. Tim Fischer hätte Freitag Abend beim Zeltfestival auftreten sollen. Nachdem er sich den Zeltplatz angeschaut hat, ist er lieber im Hotel geblieben.

Sein Manager musste den enttäuschten KonzertbesucherInnen die Nachricht überbringen. Man habe nichts davon gewusst, dass direkt nebenan Polka und noch ein weiteres Konzert stattfinden. Tim Fischer, erfolgreicher Chansonnier, wäre mit seinem Zarah Leander-Programm sang- und klanglos untergegangen. Daher habe man kurzfristig entschieden, das Konzert abzusagen.

Letztes Jahr gab es das Zeltfestival zum ersten Mal und es lief recht erfolgreich. Von weitem sah ich immer nur ein großes Zelt und dachte, dort spielt jeden Abend ein Highlight und das ist auch gut so. Weit gefehlt. Das Ganze ist eine Mischung aus Weihnachtsmarkt und Festival, allerdings auf engem Raum und komplett eingezäunt. Ganz viele kleine Zelte stehen dort und auch ein großes, wo jeweils Kunsthandwerkgedöns verkauft wird. An sich nicht schlecht.

Draußen sind die Fressbuden – durchaus edel, von Livingroom (deren Geschäftsführer Lukas Rüger ist Mitveranstalter des Festivals) usw. – ähnlich wie bei „Bochum kulinarisch“. Es kostet natürlich Eintritt, auf den Zeltplatz überhaupt draufzukommen. Für Nicht-Konzertbesucher vermutlich zwei Euro, diese Info kann man der Internetseite nicht eindeutig entnehmen. Jedenfalls ist der ganze Zeltplatz sehr trubelig, überall laufen Menschen rum, palavern, kaufen ein, essen und trinken. Die Geräuschkulisse ist also auch ohne weitere Konzerte beachtlich.

Der Manager von Tim Fischer erklärte, der Veranstalter, der Fischer eingeladen hätte, habe behauptet, nichts von den akkustischen Konkurrenzveranstaltungen direkt nebenan gewusst zu haben. Selbst wenn das nicht stimmt – wie unprofessionell muss man sein, Musiker und KonzertbesucherInnen einer solchen Zumutung auszusetzen? Chansons mitten auf dem Jahrmarkt – super Plan.

Tim Fischer sitzt also im Hotel, die Konzertbesucher können zusehen, wie sie ihr Geld zurückbekommen. Das Zeltfestival Ruhr ist eine kompakte Kommerzveranstaltung, was ja zunächst nichts Schlimmes ist. In diesem konkreten Falle ging der Schuss allerdings nach hinten los. Weniger ist manchmal mehr. Ich zahle gern 30 Euro für eine Eintrittskarte – für EIN gutes Konzert, nicht für drei gleichzeitig mit Hintergrundrauschen.

RWE macht neue Firma für Kraftwerks-Bau

Der Energieversorger RWE bündelt den Kraftwerksbau in einer neuen Konzernsparte. In Zukunft sollen alle Bauvorhaben länderübergreifend in der Gesellschaft RWE Technology verantwortet werden, teilte das Unternehmen mit. Geschäftsführer der neuen GmbH wird der bisherige Vorstand der Erzeugersparte RWE Power, Matthias Hartung. Er ist in dieser Funktion direkt Holdungvorstand Ulrich Jobs untergeordnet. „Wir bündeln unser großes Know-how im Neubaugeschäft und erreichen dadurch eine noch bessere technische und wirtschaftliche Optimierung der Milliardeninvestitionen in unsere Großprojekte“, sagte Jobs. Mit dem einheitlichen Auftritt gegenüber Lieferanten soll zudem die Wirtschaftlichkeit der Projekte gesteigert werden. RWE baut derzeit sechs große Kraftwerke in Deutschland, den Niederlanden und in Großbritannien. Weitere Anlagen im In- und Ausland sind geplant.

Bis zuletzt hatte sich vor allem Manager aus der Erzeugungssparte RWE Power gegen die neue Firma gewehrt, da sie weitere Einflussverluste fürchteten und am Ende sogar die Zerschlagung der eigenen Strukturen, so wie es dem einst mächtigen Teilkonzern RWE Energy erging.

Die Gründung der Technologiesparte stand deswegen mehrfach in der ursprünglich geplanten Version auf der Kippe. Bis zuletzt war zum Beispiel unklar, wer für Projekte wie den geplanten Bau eines Atomreaktors im bulgarischen Belene verantwortlich sein soll. Diese Widerstände scheinen nun überwunden worden zu sein.

Die RWE Technology GmbH soll zum 1. Januar 2010 gegründet werden. Die Entscheidung muss noch von den zuständigen Aufsichtsgremien abgenickt werden.

„Schwarz-Grün hat nichts mit Werten zu tun“

Stefan Zowislo unternimmt heute zum wiederholten Male den Versuch, schwarz-grünen Bündnissen höhere Weihen zu verleihen. Das ist unnötig, denn außer einer Elite, die ihre Zeit im Berliner Café Einstein mit dem Studium von Hochglanzmagazinen verbringt, verlangt niemand nach einer hohen moralisch-ethischen Begründung. Die Zeit der Koalitionsprojekte ist nämlich abgelaufen. Ein realistischer Blick verlangt mehr Nüchternheit.

Foto: Börje Wichert

Schwarz-Grün regiert. Im Ruhrgebiet in Essen und Duisburg. Auf Landesebene im Stadtstaat Hamburg. Bislang erfolgreich. Die Begründung dafür ist keine metaphysische, sondern ganz praktischer Natur. Es gibt weder qualitativ noch quantitativ andere Mehrheiten, die funktionieren können. Gäbe es die Option für eine funktionierende rot-grüne oder schwarz-gelbe Koalition, hätten die Akteure bei Grünen und in den anderen Parteien sie gestrickt, weil eine übergroße Mehrheit der Wählerinnen und Wähler dieser Parteien immer noch eine Präferenz für eine dieser Konstellation hat.
 
Wer CDU oder FDP wählt, will fast immer schwarz-gelb. Die Wählerinnen und Wähler der Grünen haben auch eine eindeutige Präferenz, und zwar für eine andere Konstellation. Nämlich für rot-grün. Das besagt die Wahlforschung eindeutig. Deshalb kann man den grünen Wählerinnen und Wählern auch kaum glaubhaft vermitteln, man solle diese Konstellation nicht eingehen, wenn sie möglich ist. Dieser letzte Halbsatz ist entscheidend. Rechnerisch scheidet rot-grün aus, wenn es nicht für die Mehrheit der Sitze reicht. Inhaltlich scheidet rot-grün aus, wenn man es mit einer Beton-SPD zu tun hat. Das war in vielen Revier-Städten viele Jahre der Fall. Manchmal geht rot-grün aus einem anderen Grund nicht: Es mangelt dann bei der SPD an Verlässlichkeit. Es mangelt dann am Verständnis dafür, dass Koalitionen Zweckbündnisse und keine Liebschaften sind. Nur, wenn auch Grüne Erfolge erarbeiten können und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfolgt, halten diese Konstellationen. Zweifeln die Wählerinnen und Wähler und grünen Mitglieder an der Tragfähigkeit eines Bündnisses, ist das Verständnis dafür recht groß, dass man auf schwarz-grün ausweichen muss. Das gilt es immer wieder zu beherzigen.
 
Nun sollte man weiter abschichten. Zowislo vermischt alle Ebenen des föderalen Staats zu einer unkenntlichen Ursuppe und garniert das ganze dann Habermas-Zitaten, die zwar eine gebildete Leserschaft beeindrucken, aber nichts weiter zum Verständnis beitragen.
 
Deshalb hier eine kurze chronologische, pragmatische Herangehensweise an die Dinge, die anstehen. Am Sonntag ist in NRW Kommunalwahl und die eigentliche Frage stellt sich jenseits des rot-grünen oder schwarz-grünen Diskurses. Was passiert denn, wenn zwei potentielle Partner gar keine Mehrheit haben ? Gibt es dann mehr Dreier-Konstellationen oder wechselnde Mehrheiten? Das lässt sich nicht generell sagen. Aber klar ist, dass der Faktor Verlässlichkeit entscheidendere Bedeutung gewinnt. Eine bisher verantwortungsunerfahrene Linke, FDP oder Wählergemeinschaft wird sich von den Akteuren vor Ort insbesondere auf ihr handwerkliches Können und die Integrität der  Neuen im Rat überprüfen lassen müssen. Werte im ethischen Sinne sind da nur insofern von Interesse, als dass sie sich nicht gegen die demokratische Grundordnung richten dürfen oder einen Minimalkonsens in einer potentiellen Koalition oder Kooperation unmöglich machen könnten. Prinzipiell müssen alle demokratischen Parteien miteinander koalieren können. Danach gilt es, die Basis von der Sinnhaftigkeit der sondierten Bündnisse zu überzeugen. Dabei müssen sowohl die herausgehandelten Inhalte als auch das Verhältnis im Duo oder in der Trias stimmen.
 
Bei der Bundestagswahl am 27. September liegen die Dinge komplett anders, als Herr Zowislo und auch manche Edelfeder glaubt. Schon strukturelle Gründe machen schwarz-grün unwahrscheinlich. Erstens sollte man sich vergegenwärtigen, welche Regionen die CDU dominieren. Das sind nicht die Großstädte und erst recht nicht die Metropolen. In Berlin zum Beispiel führt die CDU ein Schattendasein und hat es gerade geschafft, ihren Vormann, Friedbert Pflüger, zu vergraulen. In den Flächenländern holt die CDU ihre Stimmen gerade auf dem flachen Land. Hierher kommen auch die meisten Delegierten auf den Parteitagen, die möglichen Koalitionen zustimmen müssen. Den Cicero haben sie selten auf der Zugfahrt in die nächste Messehalle gelesen. Der Jubel für schwarz-grün wird also eher verhalten ausfallen.
 
Dann sollte man auch inhaltlich mal etwas genauer auf die Kompatibilität der Forderungen von schwarz und grün schauen. Ich glaube gern, dass die CDU die Atomdebatte nicht will. Sie schadet ihr ja auch. Fakt ist aber, und das schreibt Zowislo, dass die Union die Atomkraft will und intensiven Kontakt zu den Energieproduzenten pflegt. Das ist ehrlich und offenbart genau das Problem der CDU. Die Bindung an das Energiekartell ist viel stärker als die an die Verbraucher- und Umweltverbände. Das Festhalten an der Atomkraft ist ein no-go für schwarz-grün auf Bundesebene.
Die von Zowislo so gelobte Ursula bzw. Zensursula von der Leyen ist ein Garant für alles außer schwarz-grün. In den letzten Monaten hat sie sich durch die Durchsetzung ihrer wirren Idee der Netzsperren derart ins Abseits gestellt, dass sogar eine neue Partei Erfolge verbuchen konnte, von deren Existenz vorher nur Eingeweihte wussten. Einer der grünen Kernwerte, die Freiheit, hat die CDU hier, leider unter tätiger Mithilfe der SPD, mit Füßen getreten.
 
Schon fast kafkaesk wirkt Zowislos Auseinandersetzung mit dem Sozialen. Gerade hier macht er Tengelmann-Chef Haub zum Kronzeugen. Also einen der Gesellschafter der Unternehmensgruppe, die einer Berliner Kassiererin kündigte, weil sie angeblich einen Pfandbon im Wert von ein paar Cent unterschlagen haben solle. Unsozialer geht es wohl kaum. Säße Tengelmann nicht gerade in Mülheim, wäre das wohl nicht passiert.
 
Da wirkt es eher hilflos, wenn der geerdete NRW-Sozialminister Laumann an den virtuellen Verhandlungstisch gebeten werden soll. Mit ihm könnte man sicher recht schnell einen Nenner finden. Aber Laumann weiß eben auch, dass Politik kein philosophisches Oberseminar, sondern pragmatische Lösung von Problemen ist. Möglicherweise wird Laumann an einem schwarz-grünen Verhandlungstisch sitzen. Aber der wird dieses Jahr bestimmt nicht mehr eingedeckt. Und wenn überhaupt irgendwann, dann in Düsseldorf.
 
Mein Rat an alle Realpolitiker: Weniger über Werte reden, mehr nach Werten handeln. Sonst wird das eigene Denken, Schreiben und Handeln wenig Würdigung finden. Das musste Mechthild Hugenroth, Stefan Zowislos Ehefrau, über die er so gern schreibt, 2006 erkennen. Damals erreichte die ausgewiesene grüne Linke Daniela Schneckenbruger gegen Hugenroth, die „Kandidatin jenseits der grünen Flügel“ 75,3 % der Stimmen. Das war ein Realtest für eine diffuse Politik der „Meta-Werte“.
 
Börje Wichert ist Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen Bezirksverband Ruhr

Schwarz-Grüne Bündnisse sind möglich – warum nicht im Bund?

Der CDU-Oberbürgermeisterkandidat für Mülheim, Stefan Zowislo, hat einen Bericht geschrieben über seine Erfahrungen mit Bündnissen von Schwarzen und Grünen. Und er sagt, sie sind möglich. Warum nicht auch im Bund? Ob kurz oder lang werden sie sowieso kommen. Dabei redet Zowislo nicht um den heißen Brei herum. Er benennt die Probleme etwa in der Atompolitik und mögliche Lösungen. Zowilso kennt sich gut aus mit schwarz-grün. Seine Frau war lange grüne Funktionärin. Er selbst ist ehemaliger CDU-Kreisgeschäftsführer und Manager des ersten schwarz-grünen Bündnisses in einer deutschen Großstadt. Das regierte nämlich bis 1999 in Mülheim an der Ruhr. Seit 2004 arbeitet Zowislo als Marketing-Chef der WAZ-Gruppe. Ich habe gestern über den spannenden Wahlkampf in Mülheim berichtet. Ich denke es ist interessant, Zowislos Ideen zu schwarz-grün kennenzulernen. Sie haben mehr zu bieten, als ein Feuerwerk. Deswegen veröffentliche ich hier seinen Bericht.

Die Zeit ist reif! Von Stefan Zowislo

Foto: Stefan Zowislo

Die Prozentzahlen der Europawahlen – oder auch jene von Umfragen – sind flugs addiert: Schwarz-Grün kann die Mehrheit bei der bevorstehenden Bundestagswahl erlangen. Was bedeutet das aus der Perspektive eines in den 1990er Jahre schwarz-grün erfahrenen CDU-Politikers (was ja schon fast einer Zeitzeugenschaft gleichkommt), der zudem in diesen Wochen in den Wahlkampf als Oberbürgermeister-Kandidat in Mülheim an der Ruhr zieht?

2005: „Wir wollen Schwarz-Grün“

Vor vier Jahren, nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl, haben meine Frau (die in den 1990er Jahren als Geschäftsführerin der europäischen Bündnisgrünen tätig war) und ich einen Artikel zur schwarz-grünen Lage für die politische Monatszeitschrift Cicero verfasst. Die neue Bürgerlichkeit, der Zusammenhalt der Gesellschaft als zentrales Ziel, nicht links oder rechts, sondern oben oder unten als die eigentlichen Koordinaten, ein Plädoyer für die Kategorie Sinn, die mehr aussagt als Geld oder Macht – um dies zu erreichen, war für uns klar: „Wir wollen Schwarz-Grün“.

Was kam, war die große Koalition, Jamaika oder Ampel blieben Blütenträume. Das Miteinander von CDU und SPD macht bis heute „üble Laune“, auch das stand schon 2005 in Cicero; doch nicht nur das: Der politische Wettbewerb, jener Ur-Nukleus des Fortschritts um die besten Ideen, blieb auf der Strecke. Es stimmt: Große Koalitionen werden zum „Gift, wenn sie über Legislaturperioden hinweg Bestand haben sollen“ (Norbert Röttgen).

2009: Ein neuer Anlauf?

Die CDU ist eine Volkspartei, aber auch sie stößt an eine Glasdecke des Wachstums. Viele Milieus lassen sich nicht mehr mir nichts, dir nichts mobilisieren, jedenfalls nicht für politische Ziele. Dafür bleibt man zunehmend „unter sich“, es fehlen die Themen, über die alle reden.

Das Verbindende innerhalb der CDU, die Sinnstiftung über christliche Werte, ist im Rückzug – und allzu kirchennah darf (und kann) es sowieso nicht mehr sein. Ist das Milieu der Kirchgänger zwar auch weiterhin wichtig für die Akzeptanz der Union – die Menschen dort werden weniger und modernisieren sich nur noch (dann ebenso kräftig wie kurzlebig) über Kirchen- und Katholikentage, was eine sonntägliche Gemeindearbeit jedoch kaum erreicht. Modernisierung aber ist unabdingbar für jedwede Erneuerung, auch die der Union. Genauso die Öffnung der CDU-nahen Milieus für neue und andere werteorientierte Fragestellungen.

Auf der „anderen Seite“, beim lange so genannten alternativen Milieu, dominieren Selbstgewissheit und das „Gutmenschentum“. Man gibt sich postmateriell, steht auf der Seite der Unterdrückten, macht sich auf die Suche nach der besseren Gesellschaft – und ist zugleich Bohème. Lebensstil als Vorbild – abseits von Bio-Kost – scheidet aus! Die Sinnfrage wird lautstark gestellt, man ist aber ungläubig, wenn sich ein christdemokratischer Politiker werteorientiert verhält. Höchste Zeit, sich der Floskel zu entledigen, dass eine schwarz-grüne Koalition angeblich aus „kulturellen Gründen“ ausgeschlossen sei.

Unabhängig von „ihren“ Milieus hat sich die Union in der Bundesregierung erfolgreich modernisiert und den Weg weiter beschritten, der einst in den 1980er Jahren mit der Thematisierung der Frauenfrage begann (dies nicht zuletzt dank Helga Wex, der langjährigen CDU-Politikerin aus Mülheim an der Ruhr, die 15 Jahre lang an der Spitze der Frauen Union stand). Nicht nur, dass die CDU die Kanzlerin stellt – das Modernisierungsprogramm für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfreut Mütter, Väter und Kinder.

Die Bündnisgrünen dagegen sind wieder – so wirkt es – in ihr angestammtes Milieu zurückmarschiert und haben den Weg von den Regierungs- auf die Oppositionsbänken dazu genutzt, verbal radikal zu bleiben, sich inhaltlich anzupassen und personell auf 1998er-Niveau zu verharren.

Im Zeichen der Krise

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ So hatte Bertolt Brecht in seiner „Dreigroschenoper“ den historischen Materialismus auf den Punkt gebracht. Im Angesichte von Hunger und Elend – und unter dem Eindruck der Lektüre von Karl Marx.

Ist es heute nicht viel mehr umgekehrt? Erst kommt die Moral, dann das Fressen? Trotz aller sozialpolitischen Verwerfungen, die in unserem Land herrschen? Für mich steht fest: Wir werden die sozial-moralischen Voraussetzungen unserer Gesellschaft benennen und erneuern müssen. Wenn es stimmt, was Karl-Erivan Haub, Gesellschafter der Mülheimer Tengelmann-Gruppe, beschreibt, dass wir „den höchsten Lebensstandard gemessen am Bruttosozialprodukt hinter uns haben“, dann muss das in der Politik „ankommen“.

Deshalb steht – im Sinne von Jürgen Habermas – die Debatte um die „Zivilgesellschaft“ auf der Tagesordnung. Wie beteiligen wir sie an politischen Prozessen? Die inzwischen hoch professionalisierte Politikmaschine muss für die Brücken von Parteien und Politikern zur Zivilgesellschaft sorgen, sie muss dem Subsidiaritätsprinzip – und damit dem „Recht der kleinen Lebenskreise“ – dringend eine neue Renaissance verschaffen.

Kommunalpolitiker können, ja, müssen, für diese Erneuerung Trendsetter sein. Sie werden an der Praxis gemessen. Ihre Parameter müssen sein: Ansprache, Akzeptanz und Augenhöhe. Oder: Solidarität und Subsidiarität. Denn, so formuliert es Peter Slotterdijk: Die Gesellschaft der Zukunft ist „zum Vertrauen verurteilt“.

Die schwarz-grüne Reform

Reichlich Arbeit für Schwarz-Grün. Die CDU mit der katholischen Soziallehre und dem Ahlener Programm im Gepäck, ist gewappnet für den sozial-moralischen Diskurs und für den Umbau einer Gesellschaft, die zivilgesellschaftliches Engagement in großer Vielfalt ermöglichen will. Und die weiß, wovon sie spricht, wenn sie verstärkt die Familien stärken und fördern will, „auf die in guten und in schlechten Zeiten Verlass ist“ (Ursula von der Leyen).

In einer schwarz-grünen Konstellation hat die CDU die Aufgabe, sehr konkret den sozialpolitischen Teil zu formulieren – aber auch zu repräsentieren. Gerade die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) und an ihrer Spitze Karl-Josef Laumann (für den Guido Westerwelle und Oskar Lafontaine die „beiden größten Vorsitzenden von populistischen Parteien in Deutschland“ sind) gehören bei schwarz-grünen Verhandlungen an den Tisch.

Im Zeichen der Krise kann es kein stures Festhalten an der „unsichtbaren Hand“ geben – dafür waren die sichtbaren Schäden zu groß. Nun wird es um die konkrete Umsetzung einer weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftsordnung gehen. Genug und gut zu tun für Schwarz-Grün.

Spaltpilz Atomkraft?

Die aktuelle Atom-Debatte ist von der CDU nicht gewollt. Sie hat eine klare Position für einen Energie-Mix, der die Atomkraft einbezieht. Die Union pflegt intensiven Kontakt zu allen Energieproduzenten und kommt in den Ländern ihrer Aufsichtspflicht gegenüber Atomkraftbetreibern nach – Ole von Beust aus dem schwarz-grünen Hamburg ist hier keinen Deut weniger eindeutig als Sigmar Gabriel. Kein CDU-Politiker wird sich von einem Energiekonzern die Glaubwürdigkeit nehmen lassen. Deshalb: ZEIT-Chefredakteur Bernd Ulrich liegt richtig, wenn er schreibt: „An der Atomkraft würde Schwarz-Grün nicht scheitern, vielmehr wäre Schwarz-Grün das endgültige Aus für die Atomkraft in Deutschland.“

Doch auch jenseits der Atomfrage wird die sozial-moralische Erneuerung nur dann gelingen, wenn sie die ökologische Perspektive beinhaltet. Der in den 1980er Jahren populär gewordene Satz (in so mancher WG schmückte er Küche oder Flur): „Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“, verdient neue Konjunktur.

Forderungen des „Grünen Neuen Gesellschaftsvertrages“, mit dem die Bündnisgrünen in den Bundestagswahlkampf ziehen, sind in einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft jederzeit umsetzbar. Dass durch Umweltprodukte Arbeitsplätze geschaffen werden können, ist eigentlich nicht mehr als neuer Wein in alten Schläuchen. Die Diskussion um Solarenergie bekommt dank Desertec eine neue Dynamik; E.on-Manager verkünden hoffnungsfroh: „Wir steigen schrittweise auf erneuerbare Energien um.“

Vom Abschied der Romantik

Aus meinen Erfahrungen als CDU-Geschäftsführer des schwarz-grünen Bündnisses in Mülheim an der Ruhr (das erste in einer deutschen Großstadt) sei überliefert, dass die Grünen aus dem Staunen nicht herauskamen, dass die CDU sich an Vereinbarungen hielt, wenn man sie geschlossen hatte. Das führte zwar zu stets langwierigen Koalitionsrunden – aber anschließend war es perfekt. Grüne wunderten (und freuten) sich über Politiker, die sagen, was sie tun und tun, was sie sagen.

Eines wäre für mich bei einer schwarz-grünen Zusammenarbeit heute anders als einst in den 1990er Jahren in Mülheim: Es wäre kühler und nüchterner, das Romantische wäre perdu, von dem wir seit der großen Safranski-Studie wissen, dass es allzu sehr „die Intensität bis hin zu Leiden und Tragik sucht“ und damit „nicht sonderlich für Politik geeignet ist“. Aber ein wenig Romantik, in Maßen und wohldosiert, sei vielleicht gar nicht so übel – denn, so Rüdiger Safranski, „politische Vernunft und Realitätssinn ist zu wenig zum Leben“ und „Romantik macht neugierig auf das ganz andere“.

Und noch eines hat sich nach über einem Jahrzehnt verändert: Waren die Grünen damals ein wesentlicher Modernisierungsanstoß für die Christdemokraten – benötigte doch deren Pragmatismus die Prinzipientreue der Alternativen dringend zur Blickfelderweiterung –, so können wir heute vermelden: Selbstbewusst steht sie da, die Union, als Volkspartei der alten Schule mit neuer Öffnung und neuem Personal. Geradezu keck könnte sie den Grünen auch zurufen: Vorsicht, dass wir euch nicht davonlaufen! So zum Beispiel, wenn man im Vorfeld der Bundestagswahlen die Programmatik zum Thema Bürgergesellschaft der beiden Parteien vergleicht. Da attestieren Wissenschaftler Bündnis 90/Die Grünen, dass hier „kein Konzept für neue Formen des Regierens und Verwaltens“ zu finden sei und das „hohe Lied auf das bürgerschaftliche Engagement (…) kaum orchestriert“ werde. Lob dagegen für die Union: In deren Programm „werden alte und neue Engagementformen zu einer neuen Art von Gesellschaftspolitik zusammengeführt“, wenngleich – leider! – hier nach wie vor das „traditionelle Engagement mit traditioneller Motivation“ zu sehr im Mittelpunkt stehe. All das ist purer schwarz-grüner Humus!

Lernen aus der Krise

Das Vorhaben der sozial-moralischen Erneuerung unserer Gesellschaft benötigt – unter Führung der Union – zahlreiche Mitstreiter. Im Zeichen der Krise wird viel davon abhängen, wer sich wie lernfähig und engagiert erweist. Wer den Bankern in den Bars klar macht, dass Umkehr angesagt ist und es Grenzen und Maßstäbe gibt. Wer die Neuordnung der Finanzmärkte nach vorne treibt. Wer aus der Krise gelernt hat und – nur als ein Beispiel! – die Kirchen als Partner ansieht, erst recht nachdem der Papst mit seiner neuen Sozialenzyklika deutliche Worte gefunden hat.

Wir brauchen eine Neujustierung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Wirtschaft ist gefordert, ihren diskursiven Beitrag zur sozial-moralischen Erneuerung zu leisten, auch wenn die Aktienkurse wieder steigen. Der ehrenhafte Beruf des Politikers hat in der Krise bereits viel geleistet. Fast schon vorbildlich. Ein funktionierendes schwarz-grünes Bündnis in Berlin wird die Ehre des Berufsstandes weiter mehren.

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Arcandor II: Goldener Handschlag für Eick…Welt

Dortmund: Protest gegen Naziaufmarsch…Indymedia

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Dreck kommt zu Dreck und Saubere Luft bleibt sauber.

In Herten geben sich im Wahlkampf die Polit-Promis die Klinke in die Hand. Frank Walter Steinmeier (SPD) besuchte – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – das Wasserstoffkompetenzzentrum auf Ewald. Gregor Gysi (Die Linke) war wohl für viele auf der Hohewardhalde kaum erreichbar und Bärbel Höhn (B90/Grüne) diskutierte vor ein paar Tagen in der Revierstadt mit rund 20 Menschen über das „Müllklo der Nation“ – sprich die Müllverbrennungsanlagen der Abfallgesellschaft Ruhrgebiet vor Ort, die Anlagen RZR I und RZR II. Von unserem Gastautor Hans Heinrich Holland

Foto: Holland und Höhn Anfang der 90er. Ausriss: Hertener Allgemeine

Bärbel Höhn geht es bei ihrem Einsatz gegen die Verbrennungsanlagen für vor allem um eine Grundstruktur des Ruhrgebietes, die den Norden dazu verdammt, dreckig zu bleiben, und dem Süden schöne Wiesen beschert. Ihre These: Die Teilung in Schmutz und Schönheit stammt aus den Frühzeiten des letzten Jahrhunderts. Die Ruhr sollte als Trinkwasserreservoir geschützt werden, die Emscher als Kloake herhalten. Höhn sagte weiter: „Es gibt eine Zweiteilung im Ruhrgebiet.
Im Süden wohnen die Reichen, stehen die Villen und im Norden ballen sich die Umweltbelastungen.“ Tatsächlich sind längs der Emscher die Müllverbrennungsanlagen des Reviers zu finden und nicht in Essen-Werden.

Dieses Ungleichgewicht führe zu besonderen Belastungen der Bevölkerung. Angeblich leben die Menschen im Norden des Reviers fünf Jahre kürzer als etwa in Bonn. Laut Höhn würden die gesetzliche Vorgaben diese Entwicklung begünstigen. So darf eine neue Anlage die Umgebung nur mir einem Prozent mehr belasten als im Ursprungszustand. Genau das ist im dreckigen Norden eher einzuhalten, als im sauberen Süden. Eine
Ruhrgebietsspirale also: Dreck kommt zu Dreck und Saubere Luft bleibt sauber.

Und was noch schlimmer ist: die Überkapazitäten der Hertener Verbrennungsanlagen führen auch noch zu Abfallimporten.  Das Zeug kommt aus Italien, selbst aus Australien sollte Giftmüll zur Verbrennung rangeschifft werden. Dabei sind die Überkapazitäten laut Höhn für die Betreiber der Anlagen wirtschaftlich nahezu risikolos. Die Menschen müssen aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwang sowieso die Zeche zahlen. Damit, so Höhn, würden auch noch die Abfallgebühren im ohnehin ärmeren Norden zu einem sozialen Problem. Toll.

Höhn befürchtet, dass durch dieses Situation bedingt, die Lage weiter schlecht bleibt. Die Strukturen im Pott seien durch wirtschaftliche Macht entstanden, und würden durch wirtschaftliche Macht, etwa durch E.on und RWE, zementiert. Höhn sagt, der heutige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers würde nichts daran setzen, diese alten Strukturen zu verändern.

So würden die regenerative Energien nicht so fördert, wie es möglich wäre. Und dass, obwohl in dieser Branche derzeit viele neue Arbeitsplätze entstehen. Der Druck der mächtigsten Energiekonzerne in Deutschland würde dazu führen, dass NRW abgehängt werde. „Im Bundesgebiet sind 280.000 neue Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien entstanden, in NRW lediglich 20.000“, sagte Höhn. Und dass, obwohl NRW ein Industrieland ist. Weiter sagte die ehemalige NRW-Umweltministerin: Der Anteil der regenerativen Energieträger beträgt bundesweit 16 Prozent – in NRW liegt die Rate bei lediglich 6,1 Prozent, wovon 2 Prozent auch noch auf Energiegewinnung aus
Müllverbrennungsanlagen und Verwertung von Grubengas entfallen – mit regenerativer Energie habe das in Wahrheit wenig zu tun.

Hans Heinrich Holland ist Stadtverbandssprecher DIE LINKE. Herten