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Weihnachten: Märkteführer zwischen Zimt und Wein…Pottblog

Sonntagabendgekritzel: Schönes Bild…Uarr.org

Pupertät: Im Zweifel für den Zweifel…FlannelApparel

Klaus Steilmann: Legendärer Unternehmer und Fussballpräsi ist tot… Bild

Trauerfeier: Enkes Beerdigung sprengt jeden Rahmen…Spiegel

Hilfpolizei: CDU in NRW will Milizen aufstellen…DerWesten

Sexgeschnatter: Lafontaine und Wagenknecht – wen geht das was an?…DenWesten

Lafontaine II: Privates als Politisches…Spiegel

Dreckluft NRW-Umweltminister versagt weiter im Mühen um bessere Luft…WDR

Opelsanierung: Es wird sauteuer…Wirtschaftswoche

P.S. PS: Das verwendete Bild stammt vom Bochumer Weihnachtsmarkt, wurde von Pottblog bei Flickr entdeckt und darf mit freundlicher Genehmigung des Fotografen Rotwang verwendet werden.

Exklusiv: Schalkes Konzernbilanz

Hier veröffentliche ich nun die Schalker Konzernbilanz für das vergangene Jahr. Zur Großansicht einfach auf die Bilder unten klicken. Die roten Zahlen zeigen die negativen Beträge in der Bilanz, also die bilanzielle Überschuldung, bzw. das negative Eigenkapital.

Durch die Geldspritze der Stadt Gelsenkirchen wird vor allem die Arena aus der Bilanz verschwinden. Das macht auf der Aktiva-Seite ein Minus zwischen 80 und 120 Mio. unter dem Posten Sachanlagen aus. Auf der Passiva-Seite  werden die Bankdarlehen um eine Summe zwischen 70 und 110 Mio. Euro absinken. Je nachdem wie sich das jetzt weiter entwickelt. Von besonderem Interesse sind die großen Posten für die Vorkassierten Einnahmen / Sonstiges auf der Passiva-Seite. Das meiste davon müsste nach meiner Meinung eigentlich unter Schulden stehen. Die vorabkassierten Einnahmen aus den Dauerkarten sind jedenfalls mit Sicherheit nicht der größte Posten hier.

Dann finde ich den Anstieg des Kaderwertes zwischen 2007 und 2008 sehr spannend. Wer ist da soviel Wert geworden? Kevin Kuranyi? Fabian Ernst? Oder alleine Manuel Neuer? Ich finde das Besorgnis erregend, da hier wahrscheinlich aktuell Abschreibungen anstehen, die auch von den Zuschreibungen nicht aufgefangen werden. Es gab ja einige Abgänge. Und einige Verträge dürften auslaufen. Wieviel ist Jermaine Jones heute wert?

Dann ist noch spannend, dass die Personalkosten so hoch sind. Und sie sind wahrscheinlich in diesem Jahr ähnlich hoch – vielleicht sogar gestiegen, es kam ja Felix Magath samt Truppe dazu. Die Einnahmen dürften dagegen weiter gefallen sein, denke ich – auf jeden Fall dürften sie ohne internationale Spiele nicht gestiegen sein. Genaue Aussagen dazu sind derzeit nicht möglich. Genauso wenig, wie man derzeit sagen kann, wer die Lieferantenkredite gegeben hat und wie diese verzinst werden. Interessant sind zuletzt die sehr hohen sonstigen Kosten, die nicht weiter detailliert sind. Wer hat da für was Millionen kassiert?

Wie dem auch sei, hier die Daten. Ich habe sie gewissenhaft abgetippt, aber es können Detailfehler drin sein. Ich schaue koninuierlich nach. Sollte ich einen Fehler finden, werde ich ihn verbessern. Sollte jemand einen Hinweis auf eine Fehler haben, gerne auch per Email an david.schraven (at) ruhrbarone.de.

 

 

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Katzen: Kratzbürsten auf Tischen…Hackblog

SZ-Blogs: Don Alphonso findet was nicht doof…Blogbar

iPhone-Roulette: Was alles machbar ist..Kueperpunk

SPD-Castingshow: Prantl über die immer neuen Großen Vorsitzenden…Süddeutsche

Wikimedia: Satzmonsterbewunderer…prospero

Wikimedia II: Fefes Streit um Artikel-Killen mit relevanten Inhalten wird international…Wikipedia Signpost

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Rocker: 1000 Mann, mehr als erwartet, in Schwerte…Ruhrnachrichten

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Mission Impossible

Sigmar Gabriel ist neuer Vorsitzender der SPD. Auch wenn er Erfolg haben sollte, wird er die SPD nicht zur alten Größe zurückführen können.

Wer die beiden mittlerweile arg geschrumpften Volksparteien retten will, muss das Wahlrecht ändern: Nur mit Mehrheitswahlrecht werden sie ihre alte Dominanz erreichen können. Und das Mehrheitswahlrecht wird nicht kommen. Also steht die Entwicklungsperspektive von SPD und CDU fest: Sie werden mittelfristig tendenziell kleiner werden. Die SPD  ist der CDU nur vorausgegangen und die hat bei der Bundestasgwahl auch in grottenschlechtes Ergebnis eingefahren.

Was passiert denn, wenn die neuen Mitglieder in die Ortsvereine kommen? Egal ob CDU oder SPD: Sie werden zumeist hoch überalterte Parteitreffs vorfinden, in denen es schwer fällt, sich zu engagieren. Das ist bei kleineren Parteien andres: Dort ist man auch als einfaches Mitglied näher dran, kann viel schneller selbst Politik mitgestalten. Und die kleinen Parteien entsprechen auch mehr dem Lebensgefühl vieler. Eine Gesellschaft die sich zunehmend in Einzelgruppen auflöst, die immer weniger über einen Kitt verfügt, der alles zusammenhält, bekommt auch eine entsprechende Parteienlandschaft. Wachsen werden Grüne, FDP, Linkspartei, Piraten oder Freie Wähler, die auf kommunaler Ebene längst der Union zuzusetzen. Bilden sie auch in den Ländern und im Bund eine demokratische, konservative Alternative zur CDU wird sie noch stärker schrumpfen. Die CSU in Bayern hat ihrer großen Schwesterpartei diese Erfahrung voraus.

Wenn Gabriel einen guten Job macht, und ich könnte mir vorstellen dass ihm das gelingt, wird er die SPD stabilisieren, ihren Mitgliedern wieder Mut machen und vielleicht bei der nächsten Bundestagswahl sogar etwas  dazu gewinnen. Zur alten Stärke wird er sie nicht bringen können. Die Zukunft wird für Volksparteien nicht Vergnügungsteuerpflichtig.

Die Herzkammer schweigt ? Aus für Engelen-Kefer

Im Hintergrund – Steinmeier Foto: ruhrbarone

Der Parteitag liest. Und zwar Zeitung(en). Während Frank-Walter Steinmeier am Samstagmorgen eine ordentliche Wahlkampfrede hielt – „Schwarzgelb,das ist Schuldenpolitik im Blindflug.“ –, interessierten sich die Delegierten und Gäste mehr dafür, wie Günter Bannas und Co. in FAZ und Konsorten den Neuaufbruch der SPD bewerten. Tenor: Oho, aber…  ein Bericht von Gastbaron Uwe Knüpfer aus Dresden

Nun ist ein Parteitag ein Printparadies, Zeitunglesers Schlaraffenland. Zeitungen liegen hier im Dutzend aus, und alle sind umsonst, von Abendzeitung bis Zürcher, vom Neuen Deutschland bis zur alten Rheinischen Post. Nur Ruhrgebietstitel sind weit und breit nicht zu finden, nirgends, und das liegt nicht daran, dass sie vergriffen wären.

Auch im Plenum des Parteitags fällt die Fast-immer-noch-Hochburg der Sozialdemokratie durch Zurückhaltung auf. Während sich Genossinnen und Genossen aus Schleswig-Holstein, Bayern und Südhessen zu beinahe jedem Thema zu Wort melden, hat die Ruhr-Sozialdemokratie zum Neuaufbruch der SPD offenbar nichts bis wenig beizutragen. Dabei gelten Dortmund und Umgebung doch als „Herzkammer der SPD“. Schlagen soll es wohl, das Herz, doch nachgedacht wird anderswo.

Michael Groschek aus Oberhausen immerhin trat auf – und schaffte es dennoch erst im zweiten Wahlgang in den Parteivorstand (mit 298 Stimmen, im ersten Wahlgang waren es 224). Deutschlands größte urbane Agglomeration (um das Wort Stadt zu vermeiden) wird im 45köpfigen Leitungsgremium der SPD jetzt von Hannelore Kraft aus Mülheim, Ulla Burchardt aus Dortmund (278 Stimmen) und Joachim Poss aus Gelsenkirchen (er bekam respektable 335 Stimmen) vertreten. Thomas Schlenz, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Thyssen-Krupp, im 1. Wahlgang missachtet, kam erst nach einer wuchtigen Intervention des neuen Vorsitzenden im weiten Durchgang auf 458 Stimmen.

Ohne jemandem zu nahe zu treten: so richtig prominent und lautstark macht das Revier im Leitungsgremium der SPD nicht auf sich aufmerksam. Dabei hat die SPD doch hier, jedenfalls bei den Kommunalwahlen, vorgeführt, dass sie noch gewinnen kann; in Gelsenkirchen zum Beispiel, wo das auch nicht ganz so einfach ist.

Die SPD hat ihre Liebe zu Losern entdeckt. Wie sonst könnte sie eine Politikerin mit der anspruchsvollen Aufgabe betrauen, der Partei neues Debattenleben einzuhauchen, die bei der Bundestagswahl die Wähler in ihrem eigenen Wahlkreis nicht zu überzeugen wusste, trotz fleißiger Präsenz vor Ort (oder vielleicht deswegen?). Dass Andrea Nahles Sigmar Gabriel allenfalls ein Papiertaschentuch reichen kann, wie während dessen Rede am Freitag geschehen – er war verschnupft -, aber nicht das Wasser, hat die Partei bislang nur klammheimlich begriffen. Mit 69,6 Prozent (255 Stimmen) erzielte Frau Nahles immerhin das schlechteste Ergebnis bei der Besetzung der Spitzenpositionen.

Hannelore Kraft kam bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden auf 90,2 Prozent, ein Kredit, den sie jetzt bei der NRW-Landtagswahl im Mai 2010 einlösen muss. Klaus Wowereit, der immerhin schon Wahlen gewonnen hat, erhielt 89,6 Prozent. Sogar die blonde, junge Manuela Schwesig („Ich bin die Neue.“), die sozialdemokratische Antwort auf Frau Koch-Mehrin, durfte sich über 87,8 Prozent fotogen freuen.

Gewählt ist gewählt, mag Andrea Nahles sich gedacht haben, und strahlte auf dem „Parteiabend“ Freitagnacht in einer ruhrgebietsartigen Industriehalle, als wäre ihr der Weihnachtsmann leibhaftig erschienen. Am Samstag durfte sie dann schon vor Franz Müntefering sitzen, der ihren Aufstieg einst fürs erste verhindern konnte. Der Alt-Vorsitzende musste sich jetzt mit einem Platz in der zweiten Reihe begnügen, in der Nachbarschaft von Ute Vogt und Chistoph Matschie. Aber immerhin noch auf dem Podium.

Ihre politische Endstation hat in Dresden Ursula Engelen-Kefer erreicht, die einst hellste Stimme der deutschen Arbeitervertretungsbewegung. Im ersten Wahlgang wählten sie nur 204 Delegierte. Sie trat dennoch ein zweites Mal an, wohl auf die Frauenquote vertrauend. Falsch. Jetzt waren es nur noch 183 Stimmen. Wahlen sind manchmal auch brutal.

Wolfgang Tiefensee, bis neulich immerhin Bundesverkehrsminister und, als er noch in Leipzig Oberbürgermeister war, ein Hoffnungsträger der ostdeutschen SPD, zog vorsichtshalber kurz vor der Wahl seine Kandidatur zurück. Von ihm wird in Erinnerung bleiben, dass er die Bahn gegen den erkennbaren Willen seiner Partei privatisieren wollte.

Frank-Walter Steinmeier darf Oppositionsführer im Bundestag bleiben, jedenfalls solange, bis es wieder ernst wird mit dem Kampf um die höchste Macht im Staat. Verräterisch, wie Versammlungsleiterin Doris Ahnen den Soeben-noch-Kanzlerkandidaten am Samstag ankündigte: „Wir freuen uns auf die Rede von Frank-Walter Steinmeier. Bitte im Raum bleiben!“

Urplötzlich lebendig war das Plenum dagegen einige Minuten früher geworden. Da war Kurt Beck ans Rednerpult getreten, um die Opel-Arbeiter der Solidarität der Sozialdemokratie zu versichern. Es erhob sich spontaner, kräftiger Applaus. Das war keine Routine. Das war Labsal auf die Seele des erst kürzlich aus dem Amt gejagten Ex-Vorsitzenden. Der Applaus am Ende der Steinmeierrede verplätscherte dagegen pflichtgemäß.

Die SPD will jetzt laut Leitantrag eine neue Sprache sprechen lernen, denn „…sie muss von allen Bürgerinnen und Bürgern verstanden werden.“ Eine klare Sprache sei „das wichtigste Medium der Politik.“ Eine interessante Erkenntnis. Noch allerdings klingt die SPD oft so wie im Antrag B4 zur Bildungspolitik: „Ziel des Bolognaprozesses (…) ist eine Bildungsexpansion und keinesfalls eine Bildungsexklusion zum Zwecke der Kostenersparnis.“

Insofern ist ausgiebige und regelmäßige Zeitungslektüre vielleicht eine gute Schule. Sigmar Gabriel geht mit gutem Beispiel voran, wie es sich für einen Vorsitzenden gehört. Er offenbarte sich als Leser von Handelsblatt, Süddeutscher Zeitung und vor allem der FAZ, die er (Ironie!) den Genossinnen und Genossen als „SPD-Kampfblatt“ zum Abonnement empfahl: wegen der Kritik der FAZ an der Finanzpolitik der schwarzgelben Bundesregierung.

Sogar acht Tageszeitungen liest nach eigenem Bekunden Christoph Zöpel, täglich, der in Bochum wohnt und viel zu sagen hätte, aber schon Minister und PV-Mitglied gewesen ist, in Dresden nur Zuschauer ist und offenbar nichts mehr werden will.

Gabriel will der SPD das Lächeln beibringen

Wenn man sich Mut anklatschen kann, hat die SPD schon wieder halb gewonnen. Vier Minuten Applaus für Franz Müntefering nach dessen starkem Abtrittsauftritt, sieben Minuten gar – rhythmischen, popstargerechten – Applaus für Sigmar Gabriel! Womöglich hätten die Sozialdemokraten bis zum nächsten Wahltag weitergeklatscht, hätte ihr zu diesem Zeitpunkt noch künftiger Vorsitzender sie nicht zur Ordnung gerufen – nachdem er sowohl Müntefering als auch Kurt Beck geherzt, Greta Wehner umarmt, Jochen Vogels und Erhard Epplers Ritterschlag entgegengenommen hatte: „Das nützt nichts,“ rief er den Delegierten des Dresdener SPD-Parteitags zu: „Ihr müsst noch wählen!“ – Vom SPD-Parteitag in Dresden berichtet unser Gastautor Uwe Knüpfer.

Das hat er gut gemacht. Die SPD hat wieder einen Vorsitzenden, der klug ist und zuschlagen kann, und das mit Witz.  Von Willy lernen heißt siegen lernen, hätte die heimliche Überschrift seiner eindreiviertelstündigen, doch immer kurzweiligen Rede sein können. Unter Willy Brandt habe die SPD die Deutungshoheit im Streit um gesellschaftlich wichtige Themen erobert. Heute sei diese Hoheit verlorengegangen. Und damit der Kampf um die Mitte, die „nie ein fester Ort war.“

Union und SPD stellten sich heute als Regierung der „bürgerlichen Mitte“ dar, dabei sei ihre Politik „weder liberal noch bürgerlich“. CDU und FDP, „das ist die demokratische Rechte dieses Landes!“ Selbst Ludwig Erhard und dessen Soziale Marktwirtschaft will Gabriel der CDU streitig machen. Er will definieren, was und wo die Mitte ist, nämlich links und rot, jedenfalls so rot wie die SPD.

„Macht Euch auf was gefasst,“ rief er zur Freude der Truppen, die im Laufe seiner Rede immer mehr zu seinen Truppen wurden, der schwarzgelben Regierung zu: „Wir kämpfen wieder!“

Kritik an vergangener SPD-Regierungspolitik bringt Gabriel stets elegant und ohne Namensnennung vor. Er sagt nicht, die SPD habe sich unter Schröder zum Büttel von Kapitalinteressen machen lassen oder ihre Ideale verraten, sondern: „Statt die Mitte zu verändern, haben wir uns verändert.“ Schröder wusste schon, warum er Dresden ferngeblieben ist.

Wenn Gabriel zu verstehen geben will, dass viele SPD-Ortsvereine überaltert und selbstgefällig vor sich hin brüten, sagt er: „Wir müssen raus ins Leben! Dort wo es brodelt, auch stinkt, und wo es anstrengend ist.“ Da klatschen dann auch die, die Pickel kriegen, wenn sie mit Menschen reden sollen, die anders aussehen, denken und reden als sie: Internetfreaks, Existenzgründer, Handwerker, Zugewanderte. Gabriel fordert: „All denen müssen wir zuhören!“
Anstrengend werde das, versprach Willy Brandts politischer Urenkel: „Mehr Basisdemokratie heißt mehr Arbeit.“ 66 Redner hatten in einer immer sachlichen, durchaus dichten Debatte immer wieder auch gefordert, die Parteiarbeit der SPD neu zu organisieren und Politik von unten her, von den Kommunen aus zu organisieren. Auch das griff Gabriel auf. Wenn er ernst meint, was er in Dresden gesagt hat, will er nicht weniger, als die SPD neu erfinden.

Dabei wird er allerdings im Parteivorstand umgeben sein von vielen altvertrauten Gesichtern. Wie Gabriel das findet, bei aller Nicht-Kritik an denen, die vor ihm Verantwortung trugen, lässt eine Episode gleich zu Anfang seiner Rede erahnen. Die Parteitagsregie hatte das Rednerpult mitten in den Saal gestellt. Das führt dazu, dass, wer redet, die nicht ansehen kann, die auf dem Podium hinter ihm sitzen: die Hochwürdenträger der Partei. Gabriel, sich dabei ein wenig ungelenk windend: „Ich fühle mich gestärkt durch Euch im Rücken – aber derzeit sähe ich Euch lieber Auge in Auge.“

Einen neuen, starken, geistreichen, schlagfertigen Vorsitzenden hat die deutsche Sozialdemokratie jetzt, nun muss sie sich nur noch selber verändern. Laut zu klatschen wird dabei nicht reichen. Gabriel weiß das genau. Zermürbt und verknirscht gäbe sich der typische Genosse gern. Auch das müsse anders werden, denn – und er ließ ein chinesisches Sprich- sein Schlusswort sein: „Wer nicht lächeln kann, soll keinen Laden aufmachen.“

472 von 503 stimmberechtigten Delegierten haben Sigmar Gabriel am Ende gewählt, gerade noch rechtzeitig zur Tagesschau. Das waren 94,2 Prozent. Nicht schlecht für einen Bissigen. Und nicht schlecht für eine Partei, die eben noch verwundet und zerrissen war.

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Das Hohelied auf die Pharmaindustrie

Flickr.com / planetmoore

Wenn in diesen Tagen über die Schweingrippe und über das Impfen gesprochen wird, kommt in meinen Augen ein Aspekt zu kurz. Wie toll ist es, dass wir Menschen heute einen Stoff haben, der uns vor einem Virus beschützen kann. Wie wahnsinnig ist die Entwicklung. Vor 2000 Jahren haben unsere Ahnen im Winter Baumrinden geknabbert und sind an Schnupfen verreckt. Heute wird ein neuer Virus in Mexiko entdeckt, breitet sich über Welt aus und gleichzeitig sitzen unsere Forscher über Mikroskope und Petrischalen und Spektrometern und suchen einen Stoff, den Virus zu bekämpfen. Diese Männer und Frauen haben Erfahrung. Sie wissen, was sie tun müssen. Und sie tun genau das. Nach sechs Monaten haben sie den Stoff gefunden und produziert, mit dem sie uns impfen können. Damit wir nicht krank werden.

Kann sich einer vorstellen, was für ein gigantischer Apparat dahinter steht, damit Millionen Impfdosen produziert werden können. Allein die Vorstellung, dass Hunderttausende von Hühnereier bebrütet werden müssen mit dem Virus, Tag ein Tag aus. Da werden ganze Häuserblocks aus dem Boden gestampft, Maschinenparks erfunden und eingerichtet. Tausende Facharbeiter, jeder eine Spezialist auf seinem Gebiet, müssen genau das richtige tun und dürfen keine Fehler machen, damit mein Junge die richtige Dosis in den Arm gespritzt bekommt, damit ich beruhigt schlafen kann.

Dieser gigantische Apparat kann nicht nur die Schweinegrippe bekämpfen. Er produziert Mittel gegen Krebs. Er erfindet Kopfschmerztabletten und Antibiotika. Selbst Aids kann er mittlerweile behandeln, weil irgendwo im Apparat eine Armee von Spezialisten forscht und sucht und findet.

Sie haben einen Bandscheibenvorfall? Vor Jahrzehnten wären Sie ein Krüppel geworden. Heute gibt es bewegliche Spritzen, die in den Hals gestochen, unter einem Magnetresonanztomograph im Spinalkanal hinab an den Brustwirbeln ausgerichtet werden, um genau da, wo es wehtut das Mittel gegen die Entzündung am Rückgrat zu platzieren. Irre.

Irgendwer im Apparat konnte sich den Magnetresonanztomograph ausdenken, weil ein anderer herausgefunden hat, was Magnetkräfte sind und wie man diese aufzeichnet.

Irgendwer konnte das Mittel gegen die Entzündung produzieren, weil ein anderen herausgefunden hat, was bei einer Entzündung im Körper passiert.

Heute meckern viele darüber, dass der Impfstoff gegen die Schweinegrippe nicht genug erprobt sei. Man, seid doch froh, dass ihr überhaupt Impfstoff habt. Die Mittel sind ausreichend getestet, die Forscher haben Erfahrung. Ich vertraue ihnen. Und wenn einer beim Impfen ins Gras beißt, tut es mir leid für ihn. Aber das immer noch besser als wenn hunderte ungeimpft ins Gras beißen. 

Andere meckern darüber, dass nicht genügend von dem Mittel da ist. Mein Gott, der Apparat produziert, was er kann und wird noch mehr liefern. Am Ende wird es genug für alle geben.

Ich muss sagen, ich bin froh, hier zu leben und nicht in Weißrussland oder in Afrika, wo die meisten Menschen nur beten können. Wir haben Tabletten und Spritzen.

Das hier alles klappt, erscheint mir immer noch wie ein Wunder, das ich kaum begreifen kann.

Dabei ist das Prinzip einfach. Ich hab eine Krankenkasse. Die bekommt von mir Geld. Auf der anderen Seite ist jemand scharf auf dieses Geld. Wenn er was sinnvolles organisieren kann, nämlich den Apparat, der Heilmittel schafft, dann kriegt er das Geld. Damit werden Forscher und Malocher bezahlt, die das Geld für ihre Arbeit und für ihr Leben brauchen. Natürlich machen die Menschen in der Industrie die ganze Arbeit nicht nur wegen des Geldes. Aber das Geld hält die Industrie in Gang. Das Geld sorgt dafür, dass genügend Werkzeuge da sind, dass es im Winter in den Labors warm ist und im Sommer kühl.

Manche meckern, die Pharmaindustrie würde sich an der Schweinegrippe bereichern. Ich kann nur sagen, Gott sei Dank wollen die Menschen in der Pharmaindustrie sich an der Schweinegrippe bereichern. Denn deswegen tun sie, was sie tun. Nämlich uns allen helfen. Ich hoffe die Pharmaindustrie will sich an möglichst vielen Krankheiten weltweit bereichern.

Ich habe noch nie so gerne wie heute meine Krankenkassenbeiträge bezahlt. Ich danke den verstorbenen und mir unbekannten Gründern der Pharmaindustrie und der Krankenkassen. Ihr habt gute Arbeit geleistet. Und ich bedaure alle Menschen auf der Welt, die nicht in einem solchen System leben dürfen.

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SPD: Auferstehen aus Ruinen…Spiegel

SPD II: Sigmar Gabriel…Wirres

SPD III: Wie sich die SPD zerlegt hat…Welt

Jamaika: Ein historisches Projekt…taz

Studi-Protest: Duisburg-Essen geräumt…Der Westen

Studi-Protest II: Bochum protestiert am Dienstag…Der Westen

Bochum: Grüne lehnen Konzerthaus ab…Der Westen

Wirtschaft: Die hinteren Kapitel des Weisen-Gutachtens…Weissgarnix

Medien: Springer streicht auch in NRW…Mediengerechtigkeit

Opel: Streit verhindert Problemlösung…Welt

Zuzug: BenQ kommt nach Oberhausen…Ruhr Digital

ThyssenKrupp: Tiefrote Zahlen…FAZ

Ruhr2010: Kulturrausch…Hometown Glory

Kabel: Unitymedia wird geschluckt…FAZ

Geschichte: Wie Mannesmann verschwand…Welt

Rocker: Es ist Krieg…Spiegel

Rocker II: Bandido Interview…Zeit

Kohle: Die Folgen des Abbaus…Tagesspiegel

Digital: Ruhr-Wiki mit Lücken…Pottblog

Springer: Kampf gegen Netzkomunisten…Zeit

Medien II: Schlechte Kreisbberichterstattung…Zoom