Wenn der Integrationskurs stumm macht

Migrantinnen in Münster: "WIr sind Menschen vierter Klasse"

Alle Politiker wollen sie, alle Zugewanderten sollen sie belegen: Die Integrationskurse gelten als Wundermittel für den Zugang zur deutschen Gesellschaft. Wie es in den strammen Kursen wirklich zugeht, erzählen hier MigrantInnen

Neun Monate lang hat Violeta geschwiegen. Hat den Kopf über das vor ihr liegende Heft gebeugt darauf gewartet, dass der unverständliche Integrationkurs endlich vorüber geht. „Es war eine Qual“, sagt die 41 Jahre alte gebürtige Polin. Sie habe sich geschämt etwas zu sagen und nur sehr wenig verstanden. Jetzt aber ist die Frau mit den sorgfältig manikürten Fingernägeln und der schnellen Zunge aufgeblüht. Sie besucht an der Volkshochschule in Münster die Kurse „Basiskompetenzen für Arbeit“. Dazu gehören Deutschkurse, EDV-Stunden und persönliche Beratungen. Es ist ein bundesweit einmaliges Projekt, dass Migranten den Zugang zur deutschen Gesellschaft erleichtern soll. Ein Auffangbecken für die vielen Zugewanderten, die der Integrationskurs hilflos zurück ließ. „Hier verstehe ich und hier lerne ich zum ersten Mal“, sagt Violeta.

Dabei hat die vor wenigen Tagen beendete Innenministerkonferenz noch einmal einmütig betont, die Integrationskurse müssten deutschlandweit ausgebaut werden. Sie gelten den Politikern fast aller Parteien als Allheilmittel für den Zugang zur deutschen Gesellschaft. An der VHS in Münster wird offenbar, wie fatal sich hingegen diese Kurse auswirken können: In sechs bis neun Monaten sollen Zugewanderte deutsch lernen und die vergangenen Bundeskanzler kennen, sie sollen die Bundesländer aufzählen und die Daten den II. Weltkrieges auswendig können. Viele Migranten sind nach den Kursen völlig verunsichert: Darin sitzen Analphabeten mit geflohenen Ärzten und Unidozenten zusammen, Menschen mit Fremdsprachenkenntnissen und Menschen, die in ihrer Heimat gefoltert wurden.

Elena und Violeta: "Haben nur geschwiegen"

„Einige sitzen seit Monaten in den Kursen und können anschließend kaum ein Wort deutsch sprechen“, sagt Helena Donecker. Die Sprachlehrforscherin berät an der VHS die Zugewanderten, wie sie sich dem Deutschen nähern können. Einige von ihnen haben nur wenige Jahre eine Schule besucht und wissen gar nicht, wie sie lernen sollen. „Häufig verlieren die Menschen jedes Vertrauen in ihre Fähigkeiten, das müssen wir hier erst wieder aufbauen,“ so die Lernberaterin. Die 29-Jährige beobachtet, wie schwer es manchen fällt, die Integrationskurse zu nutzen. „Manche haben Gewalt erfahren, sind alleinerziehend verantwortlich für vier oder mehr Kinder oder müssen existenzielle Fragen über ihren Aufenthaltsstatus klären – da ist wenig Raum für lange Vokabellisten.“

Deshalb lernen die Teilnehmer in ihren Kursen auch nicht stumpf die Grammatik auswendig. Sie pauken die Obst- und Gemüsenamen, lernen eine Kündigung zu schreiben oder welche Vokabeln beim Frauenarzt wichtig sind. Auch die bislang unverständliche Post vom Amt wird hier geöffnet und erschlossen. Violeta möchte gerne wieder in ihrem früheren Job arbeiten, sie war Friseurin. Bislang scheint das unmöglich. „Ich spreche nicht gut genug und sehe vielleicht etwas anders aus“, ist ihre Erklärung. Auch ihre Sitznachbarinnen können den Beruf ihrer Heimat nicht ausüben, sie waren zum Beispiel Modedesignerinnen, Handelskauffrauen oder Kosmetikerinnen. Keine von ihnen glaubt, jemals wieder in ihrem erlernten Job arbeiten zu können.

Die Integrationskurse werden von der Bundesregierung immer wieder als wichtigster Schritt in den deutschen Arbeitsmarkt hervor gehoben. Auch auf der vor wenigen Tagen beendeten Innenministerkonferenz sprachen sich alle Politiker dafür aus, diese Kurse noch auszuweiten. Denn entgegen der Warnungen von Christdemokraten, den „Verweigerern“ ein Bleiberecht zu verwehren, sind die Wartelisten lang. Häufig kommen die Teilnehmer in der VHS mit dicken Aktenordner aus den Kursen an. Sie haben ordentlich jeden einzelnen Buchstaben des Alphabets abgemalt und können doch kein Wort schreiben.

Amir Pirzad: "Niemand guckt darauf, was in den Kursen passiert"

„Niemand achtet darauf, was in den Kursen passiert“, sagt Amir Pirzad. Der Iraner ist vor drei Jahren nach Deutschland gekommen und hat in seinem Integrationskurs „drei Monate verzweifelt rumgesessen.“ Die Lehrer hätten zu schnell gesprochen und das Buch durchgepaukt. Auch Pirzad ist jetzt an der VHS und glücklich über die verständnisvollen Pädagogen. „Zum ersten Mal lerne ich wirklich etwas“, sagt der junge Mann mit der trendigen Sportjacke. Aufgebracht und heftig gestikulierend erzählt er vom Integrationskurs, der ihm offenbar nicht geholfen hat und „nur verunsichert“ hat. Die Prüfung am Ende des Kurses hätten nur drei von 30 Menschen bestanden. „Das ist doch ein Skandal“, meint er. Pirzad findet, alle Migranten sollten zuerst so einen Kurs wie an der VHS besuchen dürfen.

Finanziert wird dieses Angebot von der Arbeitsagentur in Münster. In der bürgerlichen Stadt in Westfalen mit rund 300 000 Einwohnern leben 1500 arbeitslose Menschen mit Migrationshintergrund. „Menschen aus anderen Kulturen mit extremen Erfahrungen müssen viel individueller gefördert werden“, sagt Marianne Jaehnke, Teamleiterin bei der Agentur. Sie sollen lernen, sich in Deutschland zurecht zu finden. Dazu sei es wichtig, die Geschlechter in den Kursen zu trennen, weil gerade islamische Frauen in gemischten Gruppen sehr gehemmt seien. „Wir wollen auch diese Rollenbilder kräftig aufmischen“, sagt sie. In ihrem Amt säßen häufig die Ehemänner auf dem Flur, um ihre Frau direkt nach der Beratung abzufangen. „In diesen Kursen hier sind Frauen alleine und gehen selbstbewusster wieder nach Hause“, so Jaehnke.

Amir Pirzad möchte am liebsten wieder als Heizungs-und Sanitärinstallateur arbeiten, wie er es schon sieben Jahre lang im Iran getan hatte. Aber seine Ausbildung wird nicht anerkannt. So reihen sich auch bei ihm die „Maßnahmen“ der Arbeitsagentur und Praktika aneinander. Zuletzt hat er als Hausmeister gearbeitet und sein Chef, sagt er, sei „sehr zufrieden mit ihm gewesen“. Weil er aber nicht ausreichend auf deutsch schreiben kann wurde er nicht länger beschäftigt.

Der Russe Andrej Krasnokutzki lacht unaufhörlich über die „absurden Kurse“, die er schon besucht hat. Darunter waren ein Sprachkurs am Goetheinstitut, zwei Integrationskurse, zahlreiche Praktika als KFZ-Mechaniker und im Metallbau. Dutzende Bewerbungen hat er geschrieben, für Möbelhäuser, eine Metallfabrik, als Gabelstaplerfahrer. Bislang hat er nicht einmal eine Antwort erhalten. Aysche war Bürokauffrau in der Türkei und wurde hier vom Arbeitsamt „putzen geschickt“. Die quirlige junge Frau spricht verächtlich über den Job, den sie gegen ihren Willen ausüben musste. Sie habe sich am Berufskolleg beworben, um Erzieherin zu werden, sie wollte an der katholischen Schule Sozialarbeiterin lernen. „Aber das Amt hat gesagt: Du hast schon eine Ausbildung, wir geben Dir kein Geld dafür,“ sagt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern. „Ich will aber nicht immer nur von Wasser und Brot leben, sondern möchte auch mal Süßes essen“, sagt sie blumig. „In Deutschland sind wir nicht Menschen zweiter Klasse, wir sind in der vierten oder fünften Klasse.“

Angst essen Seele auf

Mario Sixtus hat ein Blog gegen die Terrorangst gestartet. Und jeder kann mitmachen.

Im Mission Statement erklärt Sixtus worum es ihm geht:

Gefährlicher als es ein Terroranschlag für unseren Staat jemals sein könnte, sind überaktive Politiker. Sie wollen im Windschatten einer vermeintlichen oder realen Terrorbedrohung unsere Freiheitsrechte beschneiden, Überwachungsstrukturen schaffen und ganze Bevölkerungsgruppen unter Pauschalverdacht stellen. Geben wir der Angst nach, haben die Terroristen gesiegt. Das gönnen wir ihnen nicht! Daher rufen wir allen politischen Entscheidungsträgern zu: Wir haben keine Angst!

Und da sehe auch ich das größte Risiko. Bedeutet das, dass die Gefahr eines Anschlags nicht realistisch ist? Keine Ahnung, ich bin kein Terrorexperte, weiß aber, dass da draussen eine ganze Menge Idioten sind, die die Art wie wir leben als Bedrohung empfinden. Und das zu Recht. Denn der Westen, seine Lebensart, hat eine ungeheure Ausstrahlung. Nicht nur die Demokratie. Vor allem die Freiheiten, die der Westen den Menschen eröffnet sind verführerisch. Wir leben in eimem sehr hohen Maße selbstbestimmt. Lieben wen wir wollen, essen was wir wollen, trinken was wir wollen, lesen was wir wollen, ziehen an was wir wollen, sagen was wir wollen. Wir entscheiden über uns. Das feste Regelwerk von Religionen gilt für uns kaum noch. Das erregt nicht nur muslimische Fundamentalisten. Auch die hiesigen Kirchen würden das Rad gerne zurückdrehen. Nur in jahrhundertelangen Konflikten wurden sie domestiziert. Der Papst ist heute für die meisten Menschen in Europa ein alter Mann, der gerne Kleider trägt und dessen moralischen Autorität sich in Grenzen hält.

Angst essen Seele auf ist der Titel eines Fassbinder Films und in dem Satz steckt viel Wahrheit. Viele wollen   dass wir Angst haben. Unsere Angst ist ihr Triumph. Das gilt für irgendwelche Terroristen, die kaum erwarten können, sich in die Luft zu jagen ebenso wie für hiesige konservative Politiker, die den Terrorismus nutzen wollen, um unsere Freiheit zu beschneiden.

Natürlich kann etwas passieren. Und dann sollten wir reagieren. Robust, wie man so schön sagt. Aber auf keinen Fall mit Angst und dem Abbau unserer Rechte.

Angst haben müssen diejenigen, die den Menschen die Freiheit verweigern. Die sie einsperren wollen und Sorge haben, dass die Welt aus den Fugen gerät, wenn die Regeln aus alten Büchern nicht mehr gelten. Das Versprechen der individuellen Freiheit, unser antikes Erbe, das Geschenk Europas an die Welt, ist für sie eine Bedrohung.  Wie heißt es so schön in 300? „Dort kauern die Barbaren, ihre Herzen zu Eis gefroren.“ Daran hat sich auch 2500 Jahren nach Plataiai nichts geändert.

Und hier geht es zu Sixtus Blog Wir haben keine Angst

Muschelschubses neues Blog

Die Zeit von Muschelschubserin ist vorbei. Sonja Kaute hat ein neues Blog gestartet: Stift und Blog.

Schade: Sonja hat – erst einmal – ihr Blog Muschelschubserin geschlossen.

Ich bin seit über vier Jahren die Muschelschubserin. Über dieses Blog habe ich nicht nur das Social Web für mich entdeckt, sondern auch Vieles für meinen Beruf gelernt. Und es hat den Ausschlag gegeben für mein Diplomarbeitsthema.
Schon lange denke ich darüber nach, etwas Neues anzufangen. In ganz anderer Form. Jetzt habe ich endlich die Zeit gefunden, das anzugehen. Was das für dieses Blog bedeutet, weiß ich noch nicht.
Ich lasse das auf mich zukommen und bin gespannt. Und ich danke bei der Gelegenheit meinen Lesern hier, die mich zum Teil die ganzen vier Jahre lang begleitet haben und die so ein Blog erst richtig lebendig machen. Danke für die schöne Zeit, auch wenn sie weiter geht. Vielleicht.

Aber Sonja macht weiter. In einem neuen Blog und der heißt Stift und Blog. Vom Design her etwas kühler als Muschelschubse geht es um das Spannungsfeld Social-Media / Journalismus:

Stift und Blog soll die Ergebnisse meiner Diplomarbeit zugänglich machen und aufarbeiten. Außerdem wird es hier auch die ein oder andere Reportage zu lesen geben.

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Der Ruhrpilot

NRW: Für Löhrmann ist Schulsystem „nicht gut genug“…Der Westen

Ruhrgebiet: Grüne Kohlehalden…Süddeutsche

Ruhrgebiet II: Zwischen Gängeviertel, Stuttgart 21 und UZDO…BSZ

Dortmund: Roxy-Kino wird umgebaut…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Jesuskind in der Kokille…RP Online

Bochum: Lichtkünstler verwandelt Kircheninneres…Ruhr Nachrichten

Essen: Nein zu Kutel und Essenspaketen…Der Westen

JMStV: RLP ratifiziert, Ausschusssitzung in NRW…Netzpolitik

Nikotinhass: Krebs allein ist nicht genug…Freitag

Umland: Konstantin Neven DuMont geschasst…FAZ

Gehaltsentwicklung: Bänker sahnen ab, Kreative und Lehrer auf Abstiegsplätzen…Frontmotor

Web: A Call for Continued Open Standards and Neutrality…Scientific American

Geschichte: Anarchismus seit 1968…Isis

Ciudad Mexico: Eine kleine Rückschau auf die Osterzeit, Juanito, ein Sprachkurs und die Puderdose als Teil der osmanischen Kultur…Zoom

So warb die GTZ für den PCB-Verseucher Envio

Das Dortmunder Unternehmen Envio verseuchte über Jahre hinweg seine Mitarbeiter und die Umwelt mit hochgiftigem PCB. Die bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) arbeitete mit dem Unternehmen zusammen. Und war mit dabei, als Envio einen Werbefilm produzierte. Wir dokumentieren die verschwundenen Videos über diese Zusammenarbeit.

Das gemeinsame Projekt mit Envio lief von Januar 2007 bis Oktober 2008. In dem Projekt ging es um die Planung eines Zwischenlagers für PCB-kontaminierte Geräte sowie Trainingsmaßnahmen zur Inventarisierung derselben in Mazedonien. Die Filme, die sie mitfinanzierte, sieht die GTZ nicht als Werbung an. Auf Anfrage wurde uns mitgeteilt:

Die GTZ hat auch nicht bei der Anwerbung internationaler Kunden mitgeholfen oder Aufträge besorgt.

Gut, so kann man die Filme auch interpretieren. Man kann sie aber auch als Reputationshilfe für ein Unternehmen sehen, das keine Reputation verdient hat. Der Laden hat Insolvenz angemeldet, die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Chancen sind hoch, dass für die Reinigung des Geländes der Steuerzahler aufkommen wird.

Vor diesem Hintergrund wirkt eine Antwort der GTZ makaber. Wir fragten wie die GTZ sichergestellt hat, in Envio einen zuverlässigen und seriösen Partner zu haben.

Die Antwort:
Wie üblich prüfen dies unsere Experten, bevor wir einen Vertrag schließen. Envio hatte sich als zuverlässig erwiesen und dies hatte sich auch während der Projektlaufzeit bestätigt.

Die von uns hier veröffentlichten Videos hat Envio vor ein paar Wochen aus dem Netz genommen. Wir baten Euch um Hilfe, um die Videos wieder zugänglich zu machen. Ihr habt uns geholfen – vielen Dank. Hier nun die Dokumente:

UZDO: Stadt erteilt Absage für den 4. Dezember – Zwischennutzung jedoch möglich

Die von der Initiative für ein Unabhängiges Zentrum (UZDO) am 4. Dezember geplante Veranstaltung im ehemaligen Museum am Ostwall kann nicht stattfinden. Aber es gibt auch eine gute Nachricht.

Die Stadt hat UZDO mitgeteilt, dass die Initiative das Museum am Ostwall nicht am 4. 12. für eine Diskussionveranstaltung nutzen kann. Noch werde das Gebäude als Lager und Büro genutzt. Auch die Reinigung und Sicherung könne nicht gewährleistet werden. Erst zum Jahreswechsel, wenn auch die Mitarbeiter in den U-Turm ziehen werden, wird das Gebäude für andere Nutzungen zur Verfügung stehen. Das teilte uns auf Nachfrage mit.

Dann soll in einem offenen Verfahren über die neue Nutzung des ehemaligen Museums entschieden werden. Dortmunds Kulturdezernent Jörg Stüdemann wird sich bald mit einem Brief an die UZDO-Leute wenden in denen er ihnen versichert, dass die Stadt in diesem Verfahren versuchen wird, auch ihre Interessen zu berücksichtigen.

UZDO: Offener Brief an die Stadt Dortmund

Die Initiative für ein Unabhängiges Zentrum in Dortmund (UZDO) möchte am 4. Dezember das leerstehende  ehemalige Museum am Ostwall für eine Veranstaltung nutzen. Wir dokumentieren einen offenen Brief der Intiative und zahlreicher Unterstützer an die Stadt Dortmund

OFFENER BRIEF (für offene Türen)

Das Dortmunder U ist eröffnet. Das kann man finden, wie man will: ästhetisch, ökonomisch, stadtpolitisch. Die Initiative UZDO hat vor allem den Umzug der Ausstellung des Museums am Ostwall am 09. Oktober zu Kenntnis genommen.  Das wollen wir zum Anlass nehmen und uns am Samstag, 04.12.2010, ÜBER das Museum am Ostwall IM Museum am Ostwall unterhalten. Hierbei wollen wir uns über “Progressive Formen der kollektiven Selbstverwaltung” informieren und über die Stadt ohne Geld sowie die Zukunft des Hauses diskutieren. Wir, die Unterzeichner/innen fordern die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zur Kooperation auf, vermeintliche Hindernisse (Versicherungsdetails und letzte Umzugskartons) aus dem Weg zu räumen.  Es ist “5 vor 12”, also Zeit, dass die Bewegungen für ein UZDO im Kulturhauptstadtjahr erneut diskutiert werden und im Museum am Ostwall ihre Bühne finden. Die Initiative drängt auf diesen Termin, da eine Lagernutzung, dem Raum nicht angemessen ist und vor allem, weil öffentliches Interesse an diesem Gebäude besteht. Eine Verzögerung des Umzugs betrachten wir als bürokratischen Akt, der einmal mehr zeigt, wie weit entfernt Stadtpolitik und Verwaltung von der Idee kreativer Veränderung sind. Was soll das werden?  Eine Machbarkeitsstudie ohne Macher/innen? Versicherungsbedenken als (Ver) sicherung des Leerstands sind nicht akzeptabel. Die Entwicklung rund um die Privatisierung und Neustrukturierung des FZWs sendet ebenfalls ein deutliches Zeichen in eine ganz andere Richtung. Es ist nicht hinnehmbar, dass das FZW in wenigen Wochen auf mainstream und Kommerz gebürstet wird, und Alternativen keine Alternative mehr haben.

Das Museum am Ostwall (MaO) entspricht unserem Anspruch auf Zentralität in der Stadt und bietet dem UZDO ausreichend Raum für soziale, kulturelle, politische Veranstaltungen, Ausstellungen, Diskussionen, Lesungen, Konzerte.  Auch wenn hier Arbeitsräume wie Ateliers, Proberäume und Werkstätten erst einmal zu kurz kommen, stünde eine Nutzung des MaO für soziale Bewegung und kreative Veränderung der Sub/kultur/politszene dieser Stadt. Wenn der kreative Imagewandel der Stadt Dortmund ernst gemeint ist, dann sollte vonseiten der Politik Bestreben gezeigt werden, das Gebäude in einer kulturellen Nutzung zu belassen. Eine Neunutzung des Gebäudes mit damit einhergehender Instandhaltung (Heizung, Lüftung) sowie kulturellen Angeboten sollte im öffentlichen Interesse liegen.

Am Ostwall treffen wir auf eine gute öffentliche Infrastruktur, in der das UZDO keine Lücke in der Dortmunder Clubszene schließt, sondern vor allem Raum für unkommerzielle Experimente fernab der ökonomischen Verwertungslogik bietet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Leonie Reygers im Zuge der MaOGründung damit begonnen ein Gegenkonzept zur konventionellen, bürgerlichen Kunst zu entwickeln. Dazu gehörte auch, die moderne Kunst, die unter dem NS-Regime als “entartet” galt, wieder in den stadtgesellschaftlichen Blickpunkt zu rücken.

Das MaO wurde ein Treffpunkt für Kreative – junge internationale und unbekannte Künstler/innen stellten aus. Neue Kunstbewegungen wurden dort gezeigt und diskutiert. Das MaO wurde zu einem Platz, an dem Neues entstand. Diese Chance bietet sich nun am selben Ort erneut.

Eine Diskussionsveranstaltung am 04.12.2010 + Tag der offenen Tür am 05.12.  stehen für Transparenz, Bewegung und tatsächliche Partizipation in der Stadtentwicklung.  Abwarten, Verzögerung, Nichtverhandlungen stehen symbolisch für den städtischen Anspruch auf die Planbarkeit des Unplanbaren und für das große Missverständnis kreativer Veränderung in Dortmund. Umzugskartons und ein Keller voller Bilder sind keine ernstzunehmenden Hindernisse, sondern lassen sich anders sichern, ausstellen, bewegen. Gerne bieten wir hier unsere Mitarbeit an, eine kreative Lösung zu finden und/ oder beim Umzug zu helfen.  Das machen wir gerne.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

UZDO

Unterstützer: Addicted, AG Kritische Kulturhaupstadt 2010, Almut Rybarsch, ASTA Fachhochschule Münster ,Aponaut, Büro für Möglichkeitsräume (BFM), Banana Underground, Buko/ASSR,Bataclan, Evil Flames, Fräulein Nina, Freiräume für Bewegung, Freiraum2010, Freiraumtanz, Gängeviertel Hamburg, Get addicted, GrünBau Dortmund, Immerwinter, INURA Rhein/Ruhr, Johannes Lührs, Rosette, KLuW e.V., Kratzeis, Kulturgrube e.V., Labor für sensorische Annehmlichkeiten e.V., LabourNet, Land For What, Langer August e.V., Lenny Weinstein, Martin Kaysh, Mauerblümchen e.V. Marc Suski, Mieterverein Dortmund, Musik und Kulturzentrum Güntherstraße e.V., Patrick Joswig, Progressiver Eltern- und Erzieherverband e.V., Radio BonteKoe & EL Zapote, Recht auf Stadt (NRW), Reclaiming Spaces, Kaltscha Club, Taranta Babu, Theater Lebendich, Transnationales Aktionsbündnis, Uwe Rothe

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Interpol in Dortmund- eine Show, die keine sein will

Zwei Gitarren durchfräsen in Moll-Harmonien die Dunkelheit, umrahmen wie dichte, erdrückende Wände die latent psychotisch anmutende Stimme von Paul Banks. Dazu donnert die Rhythmusgruppe in basslastig treibendem Viererbeat – nicht ohne vereinzelt mit charakteristischen Joy Division-Synkopen auf der Snaredrum aufzuwarten. Auch wenn bei der New Yorker Band Interpol im Jahre 2010 ein Album, der Sound und zum Teil die Besetzung neu sind, blieben die live in der Dortmunder Westfalenhalle erzeugten Stimmungsbilder verlässlich monochrom.
Karg mutet diese Show an, denn sie will gar keine solche sein. Bewegungen auf der Bühne, irgendwelche Konversation mit dem Publikum, ja sogar die gerademal auf trübes Halbdunkel dosierte Bühnenbeleuchtung – all das scheint nach maximaler Verflüchtigung des Äußeren streben zu wollen. Das Erzeugen und Rezipieren von Interpols morbider Romantik ist eben als möglichst autistischer Vorgang intendiert. Aber dadurch wirken solche Emotionen auch so unmittelbar und direkt, eben wie ein gepflegt zelebrierter November-Blues, der jede Massenextase außen vor lässt. Die Versenkung in solche Gefilde hat in Dortmund aber auch wieder etwas latent routinemäßiges.
Treffsicher, nicht wirklich risikofreudig, dosieren Interpol die Mischung ihrer Songs. Da evozieren ältere Stücke vor allem vom zweiten Alben „Antics“ die wütend-treibende, erfrischend punkige Aufbruchsstimmung – was in der Westfalenhalle sogar phasenweise die Tanzbeine in Bewegung versetzt. Zum anderen markieren Stücke wie „Summer Well“, „Safe Without“ oder „Lights“ vom aktuellen, selbstbewusst „Interpol“ betitelten Album die Gegenwart der Band. Theatralischer, grüblerischer und irgendwie auch erwachsener geworden scheint diese.
Es ist ja auch viel passiert inzwischen: Nach Fertigstellung des aktuellen Albums stieg Bassist Carlos Dengler wegen gewandelter Lebenspläne aus der Band aus. Bassist David Pajo und Keyboarder Brendan Curtis setzen das Erbe fort und damit auch die unbestechliche handwerkliche Perfektion dieser Musiker.
Verlässlich verweigern sich Interpol den meisten aktuellen Trends. Denn die düster-melancholischen Rock-Existenzialisten schöpfen nach wie vor aus dem Gründergeist der Jahrtausendwende, der sich bei Post-Punk-Bands wie den Strokes bediente und der -natürlich!- die Austrahlung der „ewigen“ Joy Division reflektiert. Das macht 2010 den zeitlosen Sound von Interpol so wirkungsvoll.

CD-Tipp
„Interpol“ (2010)

Cowen, schick die Banken in die Pleite

Europa steckt in einer tiefen Krise. Nach Griechenland und Irland müssen nun wohl Portugal und vielleicht auch Spanien und Italien vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Damit ist eines klar, die Eurozone wird sich massiv verändern.

Doch wie konnte es so weit kommen? Während in Griechenland schlichtweg der Umbau zu einem modernen Wirtschaften verpasst wurde, sieht die Lage in Irland gänzlich anders aus. Der „Keltische Tiger“ ist ein Produkt der EU-Wirtschaftsförderung. Mit dem Geld aus Brüssel wurde die Infrastruktur der Insel aufgebaut, vom Agrarland wandelte sich Irland zum Hightech-Standort mit vielen Bauernhöfen. Dass war so gewünscht und es hat auch geklappt.

Klar ist, dass Firmen wie Google, Dell oder Microsoft das Land nicht wegen seiner grünen Wiesen als Standort gewählt haben. Entscheidend war für sie die im Vergleich zu den EU-Flächenstaaten geringe Körperschaftssteuer. Aber auch die Sprache Englisch sowie die Tatsache, dass die Flugzeit nach Dublin von den USA aus kürzer ist als nach London, Frankfurt oder Paris, waren ausschlaggebend.

Mit seiner gut ausgebildeten Bevölkerung ist Irland für Investoren ein attraktiver Standort – und er bleibt es. Einige Bereiche wie der Pharmasektor weisen in dem Land Zuwächse aus.

Einer der Hauptvorwürfe gegen die irische Regierung zielt auf die laxe Regulierung des Bankensektors. Das ist in der Tat das Kernproblem. Wie die Briten hat Dublin den Finanzsektor nicht ausreichend im Auge behalten. Die Quittung kommt nun mit der Schieflage des Sektors mit den hervorstehenden Spielern Allied Irish Banks und Bank of Ireland.

Weil Irland Milliarden in die Finanzbranche pumpt, um die Banken vor der Pleite zu retten, muss das Land nun unter den Rettungsschirm von EU und IWF flüchten. Aber muss das sein? Warum die Banken nicht einfach in die Insolvenz schicken? Warum müssen die Verluste vom Staat getragen werden?

Sicherlich wären viele Spareinlagen verloren und auch die Verluste der Aktionäre wären bedauerlich. Aber eine Bank ist nun einmal ein stinknormales Unternehmen. Und als solches müssen sie bei Missmanagement auch pleite gehen dürfen. Ganz offensichtlich haben die irischen Banker einen verdammt schlechten Job gemacht, sonst würde es ihren Firmen auch besser gehen.

Ein solcher Insolvenz-Tsunami im irischen Finanzsektor würde zwar das Vertrauen in das Land belasten, aber er ließe Platz für eine schnelle Erholung. Die nun kommenden Finanzspritzen werden künftig bei der Bildung und dem Sozialsystem eingespart. Die von EU und dem Internationalen Währungsfonds geforderten Einsparungen werden dem Land zusätzlich die Luft nehmen.

Also, bitte lieber Premierminister Brian Cowen: „Let the banks go bankrupt!”

Und noch etwas zum Vorwurf der laxen Regulierung, wie in viele Kommentatoren aus Deutschland geäußert haben. Schaut euch bitte den eigenen Finanzsektor an. Die Milliardenverluste bei der WestLB, der HSH und der SachsenLB sind kein Beleg einer guten deutschen Regulierung. Für eine funktionierende Aufsicht spricht auch nicht, dass die Commerzbank mit Staatskohle gerettet werden musste.