Foto: WestLB
Die Weltwirtschaftskrise ist beim Energieriesen RWE angekommen. Zumindest auf Umwegen. Und sie rüttelt die Aktionärsseite auf. Die dominierende Position der Kommunalen Anteilseigner wird bedroht, weil die WestLB ihre Beteiligung am Versorger verkaufen muss, um ihre Umstrukturierung voran zu bringen. Damit soll den Vorgaben der EU entsprochen werden, heißt es. Dies könnte eine Kettenreaktion auslösen, an deren Ende der Einfluss von Städten und Gemeinden im Konzern gebrochen wird. Offiziell wollten sich weder RWE noch die WestLB zu dem Vorgang äußern.
Wie aus Unterlagen hervorgeht, die mir vorliegen, muss die WestLB bis Ende Juni rund 3,4 Mio Aktien verkaufen, die derzeit in einer Schachtelbeteiligung mit mehreren Städten zusammengeschlossen sind. Der Wert der Papiere liegt bei rund 190 Mio Euro. Insgesamt kontrollieren die Kommunen über die Schachtelbeteiligung 15,8 Prozent am RWE.
Für die Kommunen ist diese Beteiligungshöhe entscheidend. Nur wenn sie über 15 Prozent am RWE halten, gilt ihr gemeinsamer Aktienbesitz als strategisches Investment, auf dessen Erträge keine Gewerbesteuer zu zahlen sind. Im laufenden Jahr brachte der Steuervorteil immerhin 64 Mio Euro ein.
Sinkt der kommunale Besitz unter die Marke von 15 Prozent, wäre dies aufgrund des Steuernachteils für die Kämmerer etlicher RWE-Kommunen das Signal, ihre Aktien zu verkaufen.
Wie aus den vorliegenden Unterlagen hervorgeht, könnte dieses Szenario eintreten, wenn die WestLB ihre Beteiligung am kommunalen Paket über die Börse verkauft. Die Bank hält rund 3 Prozent an der Schachtelbeteiligung der Städte.
Die kommunalen Aktionären des RWE stehen unter Druck. Neben der Schachtelbeteiligung halten mehrere Gemeinden Aktien des Versorgers im freien Besitz. Bislang hat RWE offiziell immer angegeben, dass die Kommunen insgesamt eine Sperrminorität von rund 25 Prozent besitzen. Doch diese Marke ist offensichtlich bereits unterschritten. Nachdem meinen Recherchen im vergangenen Jahr offenbarten, dass immer mehr Kommunen ihre freien Aktien verkaufen, bestätigten nun kommunale Vertreter im Hintergrund, dass die städtischen Anteile deutlich unter 25 Prozent gesackt seien. Auch beim RWE wird das inoffiziell bestätigt. Sollten diese Angaben zutreffen, hätte RWE keinen Schutz vor einer Übernahme mehr durch eine kommunalen Sperrminorität.
Schon jetzt versucht die Kapitalseite im RWE-Aufsichtsrat den Einfluss der Kommunen im Konzern zu begrenzen. Dies geht aus einer Studie der Unternehmensberatung Board Consultants International im Auftrag des RWE-Aufsichtsrates hervor, die mir vorliegt. Bislang stellen die Städte vier Mitglieder des 20-köpfigen Aufsichtsrates und halten gemeinsam mit den Arbeitnehmern die Mehrheit. Laut Board Consultants sagt ein Vertreter der Kapitalbank deshalb: „Wenn man es negativ formulieren will, kann man sagen, die freien Aktionäre sind immer in der Minderheit.“ Weiter heißt es in der Studie: „Nach meiner Auffassung ist der Aufsichtsrat eindeutig überbesetzt auf der kommunalen Seite.“ Ein weiterer Vertreter der freien Aktionäre fragt: „Entsprechen die Quoten in der Besetzung eigentlich noch den Aktionärsquoten?“ Zuletzt regt ein Aktionärsvertreter an, den Städten Sitze im Aufsichtsrat abzunehmen. „Sie könnten sich auch für einen verständigen oder meinetwegen auch zwei.“
Um ihren Einfluss zu sichern, versuchen deshalb die Kommunen die frei werdenden Aktien der WestLB trotz klammer Kassen im eigenen Einflussbereich zu behalten. In einem Geheimdeal soll die WestLB zunächst auf rund 35 Mio Euro verzichten, die der Bank eigentlich bei einem Verkauf der RWE-Aktien über die Börse zustehen würden. Im nächsten Schritt sollen die Stadt Dortmund, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe sowie der Hochsauerlandkreis über kommunale Tochterfirmen die freien Aktien erwerben. Da den klammen Kommunen aber Bargeld fehlt, soll ein Teil der Aktien bei der Provinzialversicherung „geparkt“ werden, wie es in den Unterlagen heißt. Die Versicherung ist unter anderem im Besitz der kommunalen Sparkassenverbände. Laut Plan soll die Stadt Dortmund die Aktien erst in „zwei bis drei Jahren“ von der Provinzial übernehmen.
Den Angaben zufolge soll das NRW-Finanzministerium darüber informiert sein, dass die WestLB zugunsten der Städte auf 35 Millionen Euro verzichten will. Auf Anfrage äußerte sich die Behörde nicht zu dem Vorgang.